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Aktenzeichen
2 K 178.10
Datum
1. September 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 1. September 2011

2 K 178.10

Das Verwaltungsgericht weist die Klage auf Gewährung eines in Frageform gestellten Informationszugangsantrag, der sich auf den Sachmittelkonsum (iPods) der Mitglieder des Deutschen Bundestages bezieht, ab. Zwar ist der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes in diesem Fall auf die Bundestagsverwaltung eröffnet, das Begehren richtet sich aber auf nicht vorhandene Informationen, sondern auf eine neu zu erstellende Zusammenstellung und Auswertung von Daten. Soweit der Antrag sich auf Informationen mit Bezug zu einzelnen Abgeordneten richtet, fehlt es an einem das schutzwürdige Interesse an der Geheimhaltung personenbezogener Daten überwiegenden Informationsinteresse des Antragstellers, die Informationen stehen unmittelbar mit dem Mandat in Zusammenhang. Auf ihre Übermittlung besteht deshalb kein Anspruch. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Auskunftserteilung Interessenabwägung Personenbezogene Daten

Abschrift

VG 2K 178.10 Schriftliche Entscheidung Mitgeteilt durch Zustellung an a) Kl.-Vertr. am 16.09.2011 b) Bekl. am 15.09.2011

Neumann Justizbeschäftigte

als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL

In der Verwaltungsstreitsache Verfahrensbevollmächtigter:

gegen

Im Namen des Volkes Klägers,

die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Deutschen Bundestag, -Verwaltung-, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Beklagte,

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, durch

die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Hömig, den Richter am Verwaltungsgericht Becker, die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter

im Wege schriftlicher Entscheidung am 1. September 2011 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

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Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand

Der Kläger erstrebt von der Beklagten Zugang zu Informationen hinsichtlich des sog. "Sachleistungskonsums" der Mitglieder des 17. Deutschen Bundestages.

Der Kläger übersandte dem Deutschen Bundestag mit E-Mail vom 9. Juli 2010 die folgenden als "privater IFG-Antrag" bezeichneten Fragen zur Verwendung der Sachmittelpauschale der Mitglieder des Deutschen Bundestags im ersten Halbjahr 2010: "1. Wieviele Mitglieder des Deutschen Bundestages haben einen oder mehrere iPods über die Sachmittelpauschale des Bundestags abgerechnet? 2. Wieviele iPods wurden insgesamt abgerechnet? 3. Welche Anzahl an Abgeordnete haben welche Anzahl an iPods abgerechnet? 4. Welche Abgeordneten haben wieviele iPods abgerechnet? 5. Welche Kosten sind insgesamt für iPods entstanden? 6. Wieviele dieser iPods wurden von der Fa. Bürofa GmbH geliefert?"

Mit Bescheid des Deutschen Bundestages vom 6. August 2010 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab mit der Begründung, der Bundestagsverwaltung lägen keine statistischen Angaben zu den Fragen des Klägers vor und es gäbe bezogen auf den Erwerb von iPods keine Namensliste von Abgeordneten. Die gewünschten Informationen könnten nicht im Wege einer Datenbankabfrage aus dem Abrechnungssystem ermittelt werden. Soweit die Frage 4 dahingehend ausgelegt werden könne, dass sie auf die in den jeweiligen Sachleistungskonten befindlichen Einzelinformationen gerichtet sei, würde die Ermittlung der einzelnen Abrechungsunterlagen und das danach erforderliche Beteiligungsverfahren einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verursachen. Mit am 16. August 2010 bei der Beklagten eingegangenem Fax widersprach der Kläger diesem Bescheid.

Am 29. Dezember 2010 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Mit Schreiben des Deutschen Bundestages vom 9. Februar 2011 bat die Beklagte die Mitglieder des Deutschen Bundestages jeweils um deren Einverständnis, dass die Informationen an den Kläger weitergegeben werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2011

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hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Herausgabe von Ablichtungen und Auskunft aus den Unterlagen zu den Sachleistungskonten der Abgeordneten, da die dazu vorgelegten Erstattungsanträge mandatsbezogene persönliche Daten der Abgeordneten des Deutschen Bundestages enthielten, die nur nach Einwilligung der betroffenen Abgeordneten zugänglich gemacht werden könnten. Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens hätten nur zwei Abgeordnete der Weitergabe von Informationen zugestimmt; von diesen habe jedoch keiner einen iPod abgerechnet. Dem Deutschen Bundestag lägen auch keine Statistiken zu den Fragen des Klägers vor.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Deutschen Bundestages vom 6. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2011 zu verpflichten, ihm Auskunft zu den folgenden Fragen zu erteilen: 1. Wie viele iPods wurden insgesamt von Abgeordneten des Deutschen Bundestages erworben? 2. Welche Anzahl an Abgeordneten hat welche Anzahl von iPods abgerechnet? 3. Welche Abgeordnete haben wie viele iPods abgerechnet? 4. Welche Kosten sind durch den Ankauf der iPods insgesamt entstanden? 5. Wie viele dieser iPods wurden von der Fa. Bürofa GmbH geliefert? 6. Wie viele Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben einen oder mehrere iPods über die Sachmittelpauschale des Bundestages abgerechnet?"

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie bezieht sich auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die Ablehnung der begehrten Informationsgewährung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (8 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die

begehrten Informationen.

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Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist $ 1 Abs. 1 IFG. Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen (Satz 1). Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dies, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (Satz 2).

Die für die Beklagte handelnde Bundestagsverwaltung nimmt, soweit sie den Abgeordneten personelle und sachliche Ausstattung gewährt und deren Bürobedarf abrechnet, öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr (vgl. 8 1 Abs. 4 VwVfG). Bei den Aufzeichnungen und Unterlagen der Beklagten zum "Sachleistungskonsum" der Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages handelt es sich grundsätzlich auch um amtliche Informationen im Sinne des 8 2 Nr. 1 IFG, da diese Informationen der Abrechnung und Kontrolle der Ausgaben über die Anschaffung von Büro- und Geschäftsbedarf durch Abgeordnete, mithin amtlichen Zwecken dienen. Der aus dieser Bestimmung folgende Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen erstreckt sich jedoch nur auf solche Informationen, die tatsächlich bei der Behörde vorhanden sind (Urteil der Kammer vom 20. November 2008 - VG 2 A 57.06 -, Juris; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - OVG 12 N 20.10 -, Juris; Schoch, IFG, 1. Aufl. 2009, Rn. 29 zu $ 1; Rossi, IFG, 1. Aufl. 2006, Rn. 11 zu 8 2). Die Behörde ist demgegenüber nicht verpflichtet, die vom Bürger begehrten Informationen erst zu erstellen.

Auf solche nicht vorhandenen Informationen ist das Begehren des Klägers gerichtet. Seine Fragen vom 9. Juli 2010, die er in sprachlich abgewandelter Form zum Gegenstand seines Klagebegehrens gemacht hat, beziehen sich zwar auf die Aufzeichnungen und Unterlagen der Beklagten zum "Sachleistungskonsum" aller Mitglieder des 17. Deutschen Bundestages, soweit sie Abrechnungen über iPods enthalten. Sie sind jedoch nicht auf den vorhandenen Bestand an einzelnen Informationen gerichtet, sondern erfordern eine Sammlung von Daten aus den Aufzeichnungen zu jedem einzelnen Mitglied des Deutschen Bundestags und eine Zusammenstellung bzw. rechnerische Auswertung dieser Daten. Insoweit hat die Beklagte plausibel und vom Kläger nicht bestritten dargelegt, dass sie über solche Aufzeichnungen nicht verfügt. Es ist für die Kammer ohne weiteres nachvollziehbar, dass es für die Beklagte keinen Grund gab, über die Abrechnungen der technischen Geräte, für die sich der Kläger interessiert, eine Statistik zu führen, aus der sich insbesondere Angaben über die Namen und Zahl der Abgeordneten, die Zahl der bezogenen Geräte, die Höhe der Kosten und die Liefermengen durch bestimmte Anbieter ergeben. Denn die Ab-

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rechnung des Sachleistungskonsums erfolgt jeweils bezogen auf ein Mitglied des Deutschen Bundestages, wobei es aus der Sicht der Beklagten nur auf den Bezug des abgerechneten Materials zum Mandat und die Einhaltung des festgelegten Höchstbetrages ankommen kann.

Soweit die Beklagte den Antrag des Klägers so verstanden hat, dass er (auch) die Herausgabe von Ablichtungen und Auskunft aus den jeweiligen Unterlagen der Mitglieder des 17. Deutschen Bundestags umfasst, die iPods erworben und gegenüber der Bundestagsverwaltung abgerechnet haben (vgl. Frage 3 des Klägerantrags), beruft sich die Beklagte zutreffend auf den Ausschlussgrund des 8 5 IFG. Nach 8 5 Abs. 1 Satz 1 IFG darf Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Hieran fehlt es.

Die Mitglieder des Deutschen Bundestags haben in dem nach $ 8 Abs. 1 IFG durchgeführten Beteiligungsverfahren ihre Einwilligung nicht erteilt; ausgenommen hiervon sind zwei Abgeordnete, die jedoch keinen iPod abgerechnet haben. Das Informationsinteresse des Klägers überwiegt auch nicht die schutzwürdigen Interessen der Abgeordneten. Denn $ 5 Abs. 2 IFG bestimmt, dass das Informationsinteresse des Antragstellers nicht überwiegt bei Informationen aus Unterlagen, soweit sie mit einem Dienst- oder Amtsverhältnis oder einem Mandat des Dritten in Zusammenhang stehen. Dies ist hier der Fall. Bei den Aufzeichnungen und Unterlagen der Beklagten zum "Sachleistungskonsum" der Abgeordneten handelt es sich um solche Informationen, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem durch das Mandat begründeten Anspruch auf Gewährung einer Amtsausstattung nach $ 12 Abgeordnetengesetz entstanden und zu diesem Zweck von der Bundestagsverwaltung aufgezeichnet worden sind (vgl. Urteil der Kammer vom 11. November 2011 - VG 2 K 35.10 - Juris).

Dem Kläger kann der Zugang zu den erstrebten Informationen auch nicht in der Weise gewährt werden, dass den Informationen durch Schwärzung des Namens der betreffenden Abgeordneten der Personenbezug genommen wird. Denn 8 5 Abs. 2 IFG stellt unbeschadet seiner systematischen Verortung unter der Überschrift "Schutz personenbezogener Daten" durch Verwendung der Formulierung "Informationen aus Unterlagen" klar, dass der gesamte mit einem Dienst- oder Amtsverhältnis oder einem Mandat des Dritten im Zusammenhang stehende Vorgang vom Recht auf Informationszugang ausgeschlossen sein soll. Darauf, ob jede einzelne Information aus den Unterlagen einen Personenbezug aufweist, kommt es danach nicht an (vgl. auch

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-6- insoweit Urteil der Kammer vom 11. November 2011 - VG 2 K 35.10 - Juris).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus Art. 5 Grundgesetz, weil es sich bei den Unterlagen der Beklagten zum Sachleistungskonsum der Abgeordneten nicht um allgemein zugängliche Quellen handelt (vgl. Urteil der Kammer vom 11. November 2011 - VG 2K 35.10 - Juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus $ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf 8 167 VwGO i.V.m. 88 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

Die Berufung war im Hinblick auf das bereits beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängige Berufungsverfahren - OVG 12 B 34.10 - zuzulassen ($ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. $ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu.

Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBl. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBl. S. 881) einzulegen. Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen.

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Berufung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind in Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen, und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des $ 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, auch die in 8 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß 8 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen; sie müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht können darüber hinaus auch die in $ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter

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zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper des Oberverwaltungsgerichts auftreten, dem sie angehören.

Xalter Hömig Becker

/Wol.