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Aktenzeichen
3 K 1545/10
Datum
17. August 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Mainz
Gesetz
Umweltinformationsgesetz (Rheinland-Pfalz)
Umweltinformationsgesetz (Rheinland-Pfalz)

Urteil: Verwaltungsgericht Mainz am 17. August 2011

3 K 1545/10

Ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis liegt auch dann vor, wenn die Information selbst kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis darstellt, aber auf ein solches Rückschlüsse zulässt. Die Prognose, ob durch eine Offenlegung der Informationen die Wettbewerbschancen des Unternehmens nachteilig beeinflusst werden, ist notwendig mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden. Hierfür ist eine nachvollziehbare und substantiierte Darlegung durch das Unternehmen erforderlich. Das konkret betroffene Pharmaunternehmen hat - im Hinblick auf die von der Behörde vorgenommene Schwärzung von Informationen über den Umgang mit gefährlichen Stoffen in einem Sicherheitsbericht - plausibel dargelegt, dass Marktkonkurrenten aus dem Einsatz bestimmter Stoffmengen und Apparatetechnik an bestimmten Orten Produktionswege nachvollziehen könnten. Um auf dem Wege der Abwägung ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse geltend zu machen, genügt es nicht, das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu Umweltinformationen anzuführen. Die Abwägung muss vielmehr dem grundrechtlichen Schutz des Betroffenen angemessen Rechnung tragen. Im vorliegenden Fall liegen dem Informationszugangsantrag jedoch Individualinteressen zu Grunde. Die Aussonderung der in Rede stehenden Angaben (Verzeichnis der Anlagen und Stoffe sowie Einzelfallbetrachtungen) ist daher zu Recht erfolgt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Drittbetroffenheit Aussonderungen Interessenabwägung Begriffsbestimmung

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Verkündet am: 17. August 2011 3 K 1545/10.MZ gez. Zeimentz Justizbeschäftigte als Urkunds- beamtin der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT MAINZ URTEIL IM NAMEN DES VOLKES In dem Verwaltungsrechtsstreit - Kläger - Prozessbevollmächtigter: gegen das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsident der Struktur und Genehmigungsbehörde, Friedrich-Ebert-Straße 14, 67433 Neustadt an der Weinstraße, - Beklagter - beigeladen: Prozessbevollmächtigter: wegen       Immissionsschutzrechts
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-2- hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der mündlichen Ver- handlung vom 17. August 2011, an der teilgenommen haben Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Lang Richter am Verwaltungsgericht Ermlich Richter am Verwaltungsgericht Hildner ehrenamtlicher Winzermeister Zöller ehrenamtlicher Richter Chemikant Viering für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, einschließ- lich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beigelade- nen gegen Sicherheitsleistung in einer der Kostenfestsetzung ent- sprechenden Höhe abzuwenden, wenn nicht die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand Die Klägerin, eine Rechtsanwaltssozietät, begehrt vom Beklagten für einen Man- danten Zugang zu Umweltinformationen. Mit Schreiben vom 17. Mai 2010 beantragte die Klägerin beim Beklagten, ihr In- formationen über den Umgang mit gefährlichen Stoffen i.S. der 12. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (12. BImSchV – Störfall-Verordnung) auf dem Werksgelände der Beigeladenen in Ingelheim durch Übersendung des aktu- ellen Sicherheitsberichtes sowie der aktuellen Alarm- und Gefahrenabwehrpläne in Kopie zur Verfügung zu stellen. Mit Bescheid vom 25. Juni 2010 überließ der Beklagte der Klägerin eine Ausferti- gung des Teils des Sicherheitsberichtes, der von der Beigeladenen für die Öffent- lichkeit erstellt wurde. In dieser Ausfertigung waren die Anhänge 5 und 6 nicht enthalten. Des Weiteren wurde die Klägerin hinsichtlich der Alarm- und Gefahren- pläne darauf hingewiesen, dass solche bei der Beigeladenen nicht existierten und -3-
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-3- sie sich bezüglich des externen Alarm- und Gefahrenplans an die Stadtverwaltung Ingelheim wenden müsse. Am 9. Juli 2010 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Juni 2010 und beantragte, ihr die Anhänge 5 und 6 des Sicherheitsberichts der Beige- ladenen vollständig und ungekürzt in Kopie zur Verfügung zu stellen. Zur Begrün- dung führte sie aus, dass weder das „Verzeichnis der Anlagen und Stoffe“ (An- hang 5) noch die „Einzelfallbetrachtung“ (Anhang 6) Betriebs- oder Geschäftsge- heimnisse i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Landesumweltinformationsgesetzes – LUIG – enthielten. Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd vom 25. Oktober 2010 zurückgewiesen. Zur Be- gründung wurde ausgeführt, bei den in den Anhängen 5 und 6 enthaltenen Um- weltinformationen handele es sich nach den Angaben der Beigeladenen um Be- triebs- und Geschäftsgeheimnisse, da sie für Marktkonkurrenten Rückschlüsse auf Marktaktivitäten und –strategien der Beigeladenen zuließen. Die Offenlegung der Informationen sei geeignet, exklusives technisches und auch kaufmännisches Wissen den Mitkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposi- tion des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Ob es sich bei den Informatio- nen tatsächlich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handele, könne der Be- klagte nur eingeschränkt überprüfen. Da die Angaben der Beigeladenen jedoch plausibel und nachvollziehbar seien, folge er diesen. Gründe für ein überwiegen- des öffentliches Interesse an der Bekanntgabe, die das Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen überwiegen würden, seien nicht ersichtlich. Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 1. November 2010 hat die Klä- gerin am 25. November 2010 Klage erhoben. Sie trägt vor: Das Begehren auf Erteilung von Umweltinformationen hänge mit ei- nem Bebauungsplanverfahren der Stadt Ingelheim zusammen. Durch den in Auf- stellung begriffenen Bebauungsplan „XXXXXX III“ solle die Nutzung bestimmter Grundstücke in Nachbarschaft zum Werksgelände der Beigeladenen einge- schränkt werden, um zukünftige Erweiterungen der Betriebsanlagen mit Blick auf die sich aus der Seveso-II-Richtlinie bzw. dem Bundes-Immissionsschutzgesetz -4-
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-4- und der Störfall-Verordnung ergebenden Restriktionen abzusichern. Ihr Mandant sei einer der von der Planung betroffenen Grundstückseigentümer und habe sie mit der Überprüfung des Bebauungsplanentwurfs gerade auch im Hinblick auf umweltbezogene Belange beauftragt. Zu diesem Zwecke würden die Umweltin- formationen benötigt. Soweit sie zwischenzeitlich die Anhänge 5 und 6 mit Schwärzungen erhalten habe, genüge dies nicht. Sie habe einen Anspruch auf Überlassung der ungeschwärzten Anhänge 5 und 6 zum Sicherheitsbericht. Die darin enthaltenen Informationen seien keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Es sei nicht erkennbar, wie die Wettbewerbsposition der Beigeladenen dadurch nachteilig beeinflusst werden könne, dass bestimmte Rückschlüsse auf das Gesamtapparatevolumen, die Apparatekapazität der Anla- gen, die Anlagengröße oder das Lagerkonzept möglich sein könnten. Es werde bestritten, dass ein Mitbewerber der Beigeladenen aus den Daten in den Anhän- gen 5 und 6 unproblematisch ableiten könne, welche Produktions-, Forschungs- und Verarbeitungsverfahren in welchen Teilen des Betriebsgeländes stattfänden oder sich Rückschlüsse auf Forschungs-, Produktions- oder Entwicklungsschwer- punkte des derzeitigen Anlagenbetriebes ziehen ließen. Gleiches gelte in Bezug auf Produktionsschwerpunkte, Entwicklungen und Marktstrategien. Es sei davon auszugehen, dass die von der Beigeladenen befürchteten Rückschlüsse ohne weiteres, bei ihr – der Klägerin – nicht vorhandenes Sonderwissen nicht gezogen werden könnten. Beklagter und Beigeladene könnten die Erteilung der begehrten Umweltinformati- onen auch nicht unter Hinweis auf den Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LUIG verweigern, denn es seien keine nachteiligen Auswirkungen auf be- deutende Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit zu befürchten. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LUIG sei eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. Insbesondere halte die Beigeladene selbst offensichtlich die Gefahr eines terroristischen Anschlags für wenig relevant, wenn sie auf ihrer Homepage u.a. Luftbilder ihrer Werksanla- gen in Ingelheim und Biberach sowie zahlreiche Detailaufnahmen aus der Produk- tion zeige, die es ermöglichten, Anlagen wie z.B. das zentrale Bromlager, Versor- gungsleitungen und Produktionstechnologie zu lokalisieren. Im Übrigen habe auch der Beklagte, der für die Beurteilung einer Anschlagsgefahr und der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch Preisgabe von Daten zuständig sei, selbst vorge- tragen, dass er keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür habe, dass gerade Stör- -5-
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-5- fallanlagen der Beigeladenen Ziele für Angriffe von außen seien und dass gerade die Herausgabe der begehrten Informationen kausal zu einer Erhöhung dieser Gefahr beitrage. Es werde bestritten, dass die Informationen in den Anhängen 5 und 6 seitens der Beigeladenen ohne Bestehen einer Verpflichtung dem Beklagten freiwillig zur Ver- fügung gestellt worden seien. Zum einen gehörten diese Informationen zu den Mindestangaben im Sicherheitsbericht gemäß § 9 Abs. 2 i.V. mit Anhang II der Störfall-Verordnung. Zum anderen beziehe sich die Ausnahme in § 9 Abs. 2 LUIG nur auf solche Umweltinformationen privater Dritter, die diese einer informations- pflichtigen Stelle übermittelt hätten, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein oder rechtliche verpflichtet werden zu können. Nach § 6 Abs. 4 Störfall-Verordnung sei der Beklagte dazu berechtigt, die Beigeladene zur Mitteilung der in den Anhängen 5 und 6 enthaltenen Informationen zu verpflichten, so dass die Ausnahme nicht greife. Es bestehe auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Erteilung der begehrten Umweltinformationen. Im Rahmen der Abwägung des Bebauungsplans seien umweltrelevante Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die über das Interesse ihres Mandanten hinausgehende Belange der Öffentlichkeit berührten. Ihr Begeh- ren sei auch nicht missbräuchlich; insbesondere habe sie über das streitgegen- ständliche Verfahren keine weiteren Anträge auf Erteilung von Umweltinformatio- nen gestellt. Aus dem Umstand, dass ihr Mandant eine Reihe weiterer Anträge auf Erteilung von Umweltinformationen gestellt habe, die die Beigeladene beträfen, könne ebenfalls nicht auf Rechtsmissbrauch geschlossen werden. Diese Anträge seien alle vor dem Hintergrund des Bebauungsplanverfahrens „XXXXXX III“ zu sehen. Überdies sähen weder die EU-Umweltinformationsrichtlinie noch die natio- nalen Vorschriften eine mengenmäßige Beschränkung des Rechts auf Umweltin- formation vor. Da die Beigeladene in erheblichem Maße umweltrelevante Tätigkei- ten durchführe, sei auch eine Vielzahl von Informationen nötig, um Art und Weise der Durchführung beurteilen zu können. Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2010 zu verpflichten, ihr Anhang 5 „Verzeichnis der -6-
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-6- Anlagen und Stoffe“ und Anhang 6 „Einzelfallbetrachtung“ des „Si- cherheitsbericht XXXXXXX XXXXXXXX Pharma GmbH Co.KG, Ingelheim, Nr. TPA/06/GF 1.4/2113/02-02 Hauptband“ vollständig und ungekürzt, insbesondere ohne Schwärzungen, in Kopie zur Verfügung zu stellen, hilfsweise, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2010 zu verpflichten, ihr aus dem „Sicherheitsbericht XXXXXXX XXXXXXXX Pharma GmbH Co.KG, Ingelheim, Nr. TPA/06/GF 1.4/2113/02-02 Hauptband“ a) den Anhang 5 „Verzeichnis der Anlagen und Stoffe“ ohne die Schwärzungen in den Spalten 2 („Bau Nr.“) und 6 („Gesamtmen- ge/kg“) b) den Anhang 6 „Einzelfallbetrachtung“ ohne die Schwärzungen in den Ziffern 6.1.2, 6.1.5, 6.2.2, 6.2.3 Abs. 1 Satz 4 und 6, 6.3.1 Absätze 2 und 5, 6.3.2 (ohne Anlagenbezeichnung), 6.3.3, 6.3.4 Abs. 3, 6.4.2 (ohne Anlagenbezeichnung) und 6.4.4 Abs. 4 in Kopie zur Verfügung zu stellen äußerst hilfsweise, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2010 zu verpflichten, über ihren Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen vom 17. Mai 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er trägt vor: Es werde bestritten, dass die in den Anhängen 5 und 6 des Sicher- heitsberichts der Beigeladenen enthaltenen Umweltinformationen zur Beurteilung der Sicherheitsabstände zur Bebauung im Umfeld des Werksgeländes relevant sind. Die von der Beigeladenen geltend gemachten Gründe reichten aus, um ein Vorliegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen annehmen zu können. Die Beigeladene habe diese plausibel und nachvollziehbar dargelegt. So erlaubten z.B. Detailkenntnisse zu den Möglichkeiten eines Technikums, eine der Sonder- -7-
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-7- fallbetrachtungen in Anhang 6, der Konkurrenz Rückschlüsse auf die bei der Bei- geladenen vorhandenen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten und damit auch auf die zeitlichen Rahmenbedingungen bei der Entwicklung neuer Produkti- onsverfahren. Detailkenntnisse zu einem Betrieb für Sonderprodukte könnten be- züglich der flexiblen Möglichkeiten dazu dienen, Aussagen zur Diversifizierung der Produktionskapazitäten zu erhalten. Diese Kenntnisse könnten es einem Konkur- renten erlauben, seinen Standort mit wesentlich reduziertem Aufwand in ver- gleichbarer Form aufzubauen und damit seine Marktposition zu verbessern. Es handele sich bei den in den Anhängen 5 und 6 enthaltenen Umweltinformationen auch nicht um offenkundige Unterlagen. Anhaltspunkte dafür, dass gerade Stör- fallanlagen der Beigeladenen Ziele für Angriffe von außen seien und dass gerade die Herausgabe der begehrten Informationen kausal zu einer Erhöhung dieser Gefahr beitrage, lägen nicht vor. Im Rahmen der Interessenabwägung werde zu berücksichtigen sein, dass der Mandant der Klägerin mittlerweile bei Behörden in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg etwa 150 Anträge nach den jeweiligen Umweltinformationsgesetzen und dem LIFG gestellt habe. Antragsgegenstände seien Anlagen und Tätigkeit des Beigeladenen, darunter auch Anlagen in Baden- Württemberg, die keinerlei Auswirkungen auf sein Grundstück in Ingelheim hätten. Aus der Vielzahl der Anträge könne geschlossen werden, dass es dem Mandan- ten der Klägerin ausschließlich auf die mit der Antragstellung verbundene Arbeits- belastung der Behörde ankomme und damit eine behördenbezogene Missbräuch- lichkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 LUIG vorliege. Die Beigeladene beantragt ebenfalls, die Klage abzuweisen. Sie trägt vor: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung der in den Anhän- gen 5 und 6 enthaltenen Umweltinformationen, soweit diese geschwärzt seien. Durch ihre Bekanntgabe würden Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht werden, was sich nachteilig auf ihre Wettbewerbsposition auswirken könne. Anhang 5 enthalte ein Verzeichnis, das nicht auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 Satz 3 Störfall-Verordnung erstellt worden sei, sondern einen zusätzlichen, freiwillig beigefügten Teil des Sicherheitsberichtes darstelle. In diesem Anhang werde für auf ihrem Betriebsgelände vorhandene Anlagenteile bzw. Gebäude de- -8-
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-8- tailliert aufgelistet, welche Mengen welcher gefährlichen Stoffe vorhanden seien. Zugleich werde erläutert, welcher Nutzungsart die jeweiligen Anlagentei- le/Gebäude dienten. Dabei würden teilweise konkrete Be- und Verarbeitungsver- fahren genannt. Anhand dieser Informationen könne sehr genau nachvollzogen werden, mit welchen Stoffen an welchem Ort auf dem Betriebsgelände umgegan- gen werde. Mitbewerber könnten somit zweifellos ableiten, welche Produktions-, Forschungs- und Bearbeitungsverfahren in welchen Teilen des Betriebsgeländes stattfänden, wobei aus den Mengen und der Kombination der jeweils vorhandenen Stoffe auch Rückschlüsse auf Forschungs-, Produktions- und Entwicklungs- schwerpunkte des derzeitigen Anlagenbetriebs möglich seien. Gleiches gelte auch für die Angaben in Anhang 6, der Informationen über Funktion der Anlagen, aus- geübte Tätigkeiten, Gefahrenschwerpunkte und Sicherheitsvorkehrungen bezogen auf die konkret im Gebäude vorhandenen Arten und Mengen gefährlicher Stoffe enthalte. Überdies könne ein Konkurrent mit dem Wissen über die Läger, Lager- mengen, Produktionsart und Ansatzgrößen der Beigeladenen sowie mit dem Wis- sen, dass die für die Arzneimittelproduktion notwendige Reserve begrenzt sein könnte, an ihre Kunden herantreten und bei diesen Ängste schüren, sie – die Bei- geladene – sei nicht lieferfähig. Dies könne ihre Wettbewerbsposition schwächen. Des Weiteren könne ein Konkurrent auf die Herstellungskosten zurückrechnen und Rückschlüsse auf die Handelsmarge der Beigeladenen ziehen, wenn dieser Produktionsart und Ansatzgrößen kenne. Ferner enthielten die geschwärzten Teile der Anhänge 5 und 6 Detailinformationen zu einem auf dem Betriebsgelände be- findlichen Technikum, die ebenfalls nicht offenkundig seien. Diese Informationen erlaubten einem Konkurrenten Rückschlüsse auf die vorhandenen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten der Beigeladenen und damit auch auf die zeitlichen Rahmenbedingungen bei der Entwicklung neuer Produktionsverfahren. Dies kön- ne einen Konkurrenten in die Lage versetzen, seine Marktposition zu Lasten der Beigeladenen zu verbessern, indem er seine eigenen Standorte mit wesentlich reduziertem Aufwand kopiere. Bei den Informationen in den Anhängen 5 und 6 handele es sich um Sonderwissen, welches sie im Verhältnis zu ihren Konkurren- ten auszeichne. Sie selbst wäre in der Lage, aus vergleichbaren Informationen von Mitbewerbern auf deren Produktionsvorhaben, Marktstrategien und For- schungsvorhaben zu schließen, weshalb sie davon ausgehe, dass derartiges Konkurrenten ebenfalls möglich sei. -9-
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-9- Darüber hinaus stehe der Offenlegung der geschwärzten Informationen in den Anhängen 5 und 6 auch der Ablehnungsgrund des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LUIG entgegen, da deren Bekanntgabe nachteilige Auswirkungen auf bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit hätte. Die in Rede stehenden Daten könn- ten für die Planung terroristischer Anschläge von Bedeutung sein. Infolge dessen, dass die begehrten Informationen nicht öffentlich seien und detaillierte Angaben den in den jeweiligen Betriebsbereichen/Gebäuden vorhandenen Sicherheitsvor- kehrungen enthielten, sei sehr wohl anzunehmen, dass gerade die Kenntnis von Lage und Menge der einzelnen Gefahrstoffe auf dem Betriebsgelände, die Ge- genstand der begehrten Umweltinformationen sei, die Wahrscheinlichkeit terroris- tischer Angriffe erhöhe, falls die Daten in falsche Hände gelangten. Das Betriebs- gelände sei selbstverständlich hinreichend gegen terroristische Anschläge ge- schützt, der hinreichende Schutz leite sich u.a. aber davon ab, dass die ge- schwärzten Informationen in den Anhängen 5 und 6 nicht öffentlich zugänglich gemacht würden und dementsprechend eine missbräuchliche Verwendung nicht zu befürchten sei. Die Klägerin habe auch kein überwiegendes öffentliches Interesse dargetan. Alle umweltrelevanten Auswirkungen ihres Betriebes und alle umweltpolitisch und um- weltrelevanten Daten ließen sich den der Klägerin vorliegenden Unterlagen ent- nehmen. Die Störfall-Verordnung habe in § 11 Regelungen getroffen, die eine um- fassende und ordnungsgemäße Unterrichtung der Öffentlichkeit sicherstellten. Dieser Vorschrift liege die Wertung zugrunde, dass die dort bezeichneten Informa- tionen geeignet, aber auch ausreichend seien, um einen angemessenen Informa- tionsstand in der Öffentlichkeit über Betriebsbereiche i.S. der Störfall-Verordnung sicherzustellen. Dies sei auch bei der Abwägung nach §§ 8, 9 LUIG zu berück- sichtigen. Ein allgemeines Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu Umweltin- formationen stelle kein überwiegendes öffentliches Interesse dar, da sonst das öffentliche Interesse stets das Geheimhaltungsinteresse überwöge und eine Ab- wägung im Einzelfall entbehrlich wäre. Ein Individualinteresse der Klägerin bzw. ihres Mandanten vermöge ein überwiegendes Interesse ebenfalls nicht zu be- gründen. Die der Klägerin bereits zugänglich gemachten Umweltinformationen seien für eine Vertretung von Nachbarinteresse im Bebauungsplanverfahren aus- reichend. Demgegenüber sei der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnis- sen verfassungsrechtlich geboten und wurzele in Art. 12 Abs. 1 und Art 14 Abs. 1 - 10 -
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- 10 - GG. Schließlich handele es sich bei den begehrten Informationen um solche, zu deren Übermittlung an den Beklagten sie rechtlich nicht verpflichtet gewesen sei und auch nicht habe rechtlich verpflichtet werden können. Letztlich sei der Antrag der Klägerin auf Erteilung der Umweltinformationen auch offensichtlich missbräuchlich. Dies ergebe sich daraus, dass ihr Mandant zwi- schenzeitlich zahlreiche Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen, die Beige- ladene betreffend, gestellt habe und die Klägerin insoweit nur als „Strohmann“ fungiere. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten in den Gerichtsakten verwiesen. Die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten, der Sicherheitsbericht der Beigeladenen ein- schließlich der mit Schwärzungen versehen Anhänge 5 und 6 sowie ein Ordner des Beklagten betreffend das Bebauungsplanverfahren „XXXXXX III“ liegen der Kammer vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Entscheidungsgründe Die als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO statthafte und auch an- sonsten zulässige Klage hat weder mit dem Haupt- noch mit den Hilfsanträgen Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Umwel- tinformationen durch Herausgabe der ungeschwärzten Anhänge 5 und 6 zum Si- cherheitsbericht der Beigeladenen (1) noch kann sie hilfsweise die Herausgabe der Anhänge 5 und 6 zum Sicherheitsbericht ohne die im Hilfsantrag im einzelnen bezeichneten Schwärzungen bzw. die Neubescheidung ihres Antrags unter Be- achtung der Rechtsauffassung des Gerichtes verlangen (2). (1) Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Erteilung von Umweltinformationen durch Herausgabe der ungeschwärzten An- hänge 5 und 6 zum Sicherheitsbericht der Beigeladenen ist § 3 Abs. 1 Satz 1 LU- IG in der Fassung vom 19. Oktober 2005 (GVBl. S. 484). Nach dieser Vorschrift hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle i.S. von § 2 Abs. 1 - 11 -
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