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Aktenzeichen
9 K 116/08
Datum
8. Juni 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Urteil: Verwaltungsgericht Potsdam am 8. Juni 2011

9 K 116/08

Für die Einsicht in die aktuelle Akte zur Genehmigung von Entgelten für die Tierkörperbeseitigung ist der Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes nicht eröffnet, da im laufenden Verfahren Akteneinsicht nur nach Maßgabe des anzuwendenden Verfahrensrechts gewährt wird. Ein Recht auf Informationszugang zu Unterlagen aus einem aufsichtsrechtlichen Verfahren besteht aber auch dann nicht, wenn das Verfahren abgeschlossen ist. Bei der Aufsicht handelt es sich über eine andauernde, fortlaufende Aufgabe. Das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung wird nicht schon aufgrund des Abschlusses einzelner Aufsichtsmaßnahmen hinfällig. Auch nachträgliche Prüfmaßnahmen sind denkbar. Das Verwaltungsgericht legt den Versagungstatbestand so aus, dass dieser dem Schutz der staatlichen Aufsicht für sich genommen dient. Der Anwendungsbereich des allgemeinen Akteneinsichtsrechts wird durch die Ausklammerung der staatlichen Aufsicht nicht in einer Weise beschränkt, die dem Sinn und Zweck der Verfassungsnorm zuwider liefe. In die Akten der beaufsichtigten Stelle kann Einsicht genommen werden, sofern diese dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfällt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Aufsichtsaufgaben

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Verkündet am: 08.06.2011 Matschat Verwaltungsgerichtsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 9 K 116/08 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren 1. der, 2. der, Klägerinnen, Prozessbevollmächtigte zu 1-2: Rechtsanwälte, gegen das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Justitiariat, Heinrich-Mann-Allee 103, 14473 Potsdam, Beklagten, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte wegen Akteneinsicht hat die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Kaufhold, die Richterin am Verwaltungsgericht Stüker-Fenski, den Richter Uecker, die ehrenamtliche Richterin Zulla und die ehrenamtliche Richterin Schutta
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-2- für R e c h t erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen je zur Hälfte. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand: Die Klägerinnen verlangen von dem Beklagten Akteneinsicht. Die Klägerinnen betreiben Schlachthöfe in ... und …. Die Beseitigung im Rahmen des Schlachtbetriebs anfallender tierischer Nebenprodukte besorgt die ... GmbH, vormals firmierend als ... GmbH; ihr ist die Beseitigungspflicht nach dem Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (TierNebG) übertragen. Mit Schreiben vom 30. September 2007 beantragte die ... AG, nunmehr ... GmbH, bei dem Beklagten – wörtlich – für ihre „Unternehmen ... und ... “ Akteneinsicht in die Genehmigungsakte betreffend die Entgelte der ... GmbH für die Jahre 2006 und 2007. Das Akteneinsichtsbegehren bezog sich insbesondere auf die Anträge der ... GmbH auf Genehmigung der Entgelte 2006 und 2007 einschließlich der von der ... vorgelegten Kalkulation, vorhandene Gutachten/Zwischenberichte einer anerkannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft,       etwa      der       ...          &      Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH, die Kalkulationsvereinbarung TBA vom 14. Juni 2004 oder gegebenenfalls in einer späteren Fassung, die Berechnung der Tierseuchenreserve sowie vorhandene Informationen über den bisher erfolgten Kapazitätsabbau in den Entsorgungsbetrieben der ... . -3-
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-3- Mit an die ... AG adressiertem Bescheid vom 19. Dezember 2007 lehnte der Beklagte den – wörtlich – „für die Unternehmen ... und ... gestellten Antrag“ ab. Hierzu hieß es, Zweifel an der Vertretungsbefugnis der ... AG könnten dahinstehen; ein Anspruch auf Einsicht in die entsprechenden Unterlagen bestehe nämlich nicht. Auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Brandenburg (VwVfGBbg) könnten sich die Klägerinnen insoweit schon deshalb nicht berufen, weil sie an den Verfahren zur Genehmigung der Entgeltliste nicht beteiligt seien. Einem Anspruch auf der Grundlage des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes des Landes Brandenburg (AIG) stehe entgegen, dass die begehrte Akteneinsicht Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der ... GmbH betreffe. Diese habe der Akteneinsicht nicht zugestimmt. Soweit darüber hinaus noch ein Ermessensspielraum bestehe, um bei Vorliegen eines berechtigten Interesses dennoch Akteneinsicht zu gewähren, stünde dem entgegen, dass die Interessen der ... GmbH die wirtschaftlichen Interessen der Klägerinnen überwögen. Am 21. Januar 2008 haben die Klägerinnen Klage erhoben. Zunächst tragen sie vor, dass die ... AG den Antrag auf Akteneinsicht als ihre Vertreterin gestellt habe; vorsorglich genehmigen sie die Stellvertretung. In der Sache sind sie der Auffassung, dem Einsichtsbegehren könne nicht entgegengehalten werden, dass es sich um geheimzuhaltende        unternehmensbezogene         Daten      im      Sinne     des Ausnahmetatbestandes des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG handle. Die Beseitigung tierischer Nebenprodukte erfolge im Wege der Beleihung, stelle daher eine öffentliche Aufgabe dar, die auf der Grundlage öffentlichen Rechts ausübt werde. Ungeachtet dessen sei der   Versagungstatbestand     des   §   5  Abs.   1   Nr. 3   AIG    angesichts   der verfassungsrechtlichen Verankerung des Akteneinsichtsrechts eng auszulegen. Es dürfe insbesondere nicht ausschließlich auf den Geheimhaltungswillen des betroffenen Unternehmens ankommen. Vielmehr müsse der Geheimhaltungswille berechtigt    sein  und   überdies   mit   dem   Interesse   der   um    Akteneinsicht Nachsuchenden       abgewogen      werden.   Der   Akteneinsicht   stehe   auch    der Versagungstatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG für Akten, die der Aufsicht über eine andere Stelle dienen, nicht entgegen. Die Bestimmung beziehe sich nämlich nur auf laufende Aufsichtsverfahren. Die hier in Rede stehenden Genehmigungsverfahren seien jedoch mit Erteilung der Genehmigungen abgeschlossen. Zudem sei zweifelhaft, ob es sich bei der ... GmbH überhaupt um eine andere Stelle in diesem -4-
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-4- Sinne handle. Mit dem Versagungsgrund solle nämlich (nur) verhindert werden, dass die im Übrigen unter § 4 Abs. 1 AIG aufgeführten Versagungsgründe zum Schutz überwiegender      öffentlicher Interessen   oder   vergleichbare  bundesrechtliche Regelungen leer liefen. Daher müsse es sich um eine öffentliche Stelle handeln, die den sonstigen dort aufgeführten öffentlichen Stellen zumindest vergleichbar sei. Hieran fehle es bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, dem die Aufgabe der Entsorgung tierischer Nebenprodukte übertragen worden sei. Schließlich sei die von den Klägerinnen begehrte Akteneinsicht aus Gründen effektiven Rechtsschutzes und mit Blick auf den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch geboten, um ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, die entsprechenden von ihnen für die Entsorgung zu entrichtenden Entgelte einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterwerfen zu können. Die Klägerinnen beantragen, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Beklagten vom 19. Dezember 2007 zu verpflichten, ihnen Akteneinsicht in die Genehmigungsakte betreffend die Entgelte der ... GmbH, vormals ... GmbH, für die Jahre 2006 und 2007 zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er hält die Klage für unzulässig, weil die Klägerinnen zuvor keinen Antrag auf Akteneinsicht gestellt hätten. Eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung habe die ... AG     nicht    nachgewiesen.    Außerdem      sei  für   die  Antragstellung  zum Akteneinsichtsrecht eine Stellvertretung kraft Gesetzes ausgeschlossen. Im Übrigen verteidigt er den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend an, der Akteneinsicht stehe bereits entgegen, dass die Genehmigungsakten der Aufsicht dienten. Er übe noch immer die Aufsicht über die ...          GmbH aus und könne die erteilten Genehmigungen gegebenenfalls auch aufheben. -5-
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-5- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten     Schriftsätze    der  Beteiligten     sowie   auf    den    beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die Klage ist zum überwiegenden Teil zulässig. Soweit der Beklagte einwendet, es fehle an einem Akteneinsichtsantrag der Klägerinnen und der ablehnende Bescheid vom 19. Dezember 2007 sei auch nicht an diese adressiert, folgt die Kammer dem nicht. Die ... AG stellte den Antrag vom 30. September 2007 nämlich ausdrücklich für die Klägerinnen. Dem entspricht es, dass der Beklagte mit dem an die ... AG adressiertem Bescheid vom 19. Dezember 2007 den „für die Unternehmen ... und ... gestellten Antrag“ ablehnte, also selbst von einer Vertretung der Klägerinnen durch die ... AG ausging. Weshalb eine Stellvertretung    bei   der    Antragstellung     zur    Akteneinsicht   kraft  Gesetzes ausgeschlossen sein soll, erschließt sich nicht. Aus dem Umstand, dass es sich bei dem Akteneinsichtsrecht gemäß § 1 AIG um ein sogenanntes Jedermann-Recht handelt, folgt dies jedenfalls nicht. Soweit die Klägerinnen Einsicht in die Rahmenbedingungen für die Ermittlung von Entgelten in der Tierkörperbeseitigung (Kalkulationsvereinbarung TBA) vom 14. Juni 2004 verlangen, fehlt ihnen allerdings das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die Kalkulationsvereinbarung liegt ihnen nämlich mittlerweile vor; sie hat sie mit Schriftsatz vom 27. Mai 2011 selbst als Anlage K 5 zum Verfahren gereicht. Da die Kalkulationsvereinbarung unter anderem für das Land Brandenburg unterzeichnet ist, ist davon auszugehen, dass sie sich auch auf die hier in Rede stehenden Entgelte bezieht. Soweit    die   Klage    nicht   unzulässig    ist,   ist  sie  unbegründet.     Der  den Akteneinsichtsantrag der Klägerinnen ablehnende Bescheid vom 19. Dezember 2007 ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten; den Klägerinnen steht kein -6-
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-6- Anspruch auf Einsicht in die Genehmigungsakten für die Jahre 2006 und 2007 zu, vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Auf § 1 AIG können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg stützen. Danach hat zwar jeder nach Maßgabe des Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen nach den §§ 4 und 5 AIG entgegenstehen oder andere Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten Personenkreis enthalten. Soweit die Klägerinnen Einsicht in die Genehmigungsakte betreffend die Entgelte für das Jahr 2007 begehren, steht der Anwendung des AIG aber schon die Bestimmung des § 2 Abs. 5 AIG entgegen. Danach wird in laufenden Verfahren Akteneinsicht nur nach Maßgabe des anzuwendenden Verfahrensrechts gewährt. Da die Klägerinnen die Genehmigungen für das Jahr 2007 ihrem eigenen Vortrag nach anfechten, die Klägerin zu 1 vor dem Verwaltungsgericht Potsdam unter dem Aktenzeichen 3 K 2298/07 und die Klägerin zu 2 vor dem Verwaltungsgericht Cottbus unter dem Aktenzeichen 3 K 1288/07, sind sie insoweit auf das Verwaltungsprozessrecht, namentlich auf die Bestimmungen zur Akteneinsicht und zum sogenannten „in camera-Verfahren“ gemäß §§ 99 f. VwGO, zu verweisen. Im    Übrigen   steht  der   Einsicht   in   die Genehmigungsakten   jedenfalls   der Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AIG entgegen. Danach ist der Antrag auf Akteneinsicht abzulehnen, wenn durch die Gewährung von Akteneinsicht Inhalte von Akten offenbart würden, die der Aufsicht über eine andere Stelle dienen. So liegt es im Fall der Genehmigungsakten. § 3 Abs. 1 TierNebG sieht als Beseitigungspflichtige   für   tierische    Nebenprodukte grundsätzlich  die    nach Landesrecht zuständigen Körperschaften vor. Dies sind in Brandenburg nach § 1 Abs. 1 Gesetz zur Ausführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (AGTierNebG) die Landkreise und kreisfreien Städte; sie nehmen die Aufgaben, die sie     als    Beseitigungspflichtige      zu    erfüllen haben,    als    pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe wahr. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AGTierNebG i.V.m. § 11 TierNebG erheben die Beseitigungspflichtigen von den Besitzern der Tierkörper und sonstiger tierischer Nebenprodukte Gebühren und Auslagen aufgrund einer Satzung nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes (KAG). Gemäß § 3 Abs. 2 -7-
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-7- TierNebG kann die zuständige Behörde die Pflicht zur Abholung, Sammlung, Beförderung, Lagerung, Behandlung, Verarbeitung oder Beseitigung von tierischen Nebenprodukten einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts übertragen. Diese kann nach § 5 Abs. 3 AGTierNebG in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AGTierNebG ein privatrechtliches Entgelt erheben. Wird die Pflicht zur Beseitigung von Tierkörpern und sonstigen tierischen Nebenprodukten – wie hier – nach § 3 Abs. 2 TierNebG einer Privaten übertragen, so bedürfen deren allgemeine Geschäftsbedingungen und sonstige allgemeine Vertragsbedingungen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AGTierNebG einer einmaligen sowie jede Änderung einer Genehmigung des für Tierkörperbeseitigung zuständigen Ministeriums. Die Preisliste ist nach Satz 2 der Bestimmung jährlich durch das für Tierkörperbeseitigung zuständige Ministerium zu genehmigen. Hiermit behält sich der Staat die Möglichkeit vor,    gegenüber     privaten   Beseitigungspflichtigen   auch    im   Bereich   der Entgelterhebung zu kontrollieren, ob die entsprechenden Vorgaben beachtet werden. Hierbei handelt es sich um die Ausübung von Aufsicht im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG, die im Fall der Beleihung gemäß § 21 Abs. 2 Gesetz über die Organisation der Landesverwaltung (LOG) ausdrücklich vorgesehen ist. Dass die Entgelterhebung selbst nicht hoheitlich erfolgt, ändert hieran nichts, denn sie folgt unmittelbar der übertragenen hoheitlichen Beseitigungspflicht und hat den insoweit geltenden Maßgaben des KAG zu entsprechen. Der private Beseitigungspflichtige im Sinne von § 3 Abs. 2 TierNebG, hier die ... GmbH, ist auch eine andere Stelle im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG. Dass es sich um eine den sonstigen unter § 4 Abs. 1 AIG aufgeführten Stellen vergleichbare Stelle zu handeln habe, ist der Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AIG nicht zu entnehmen.     Entgegen      der   Auffassung    der   Klägerinnen    soll mit   dem Versagungsgrund nämlich nicht nur verhindert werden, dass die im Übrigen unter § 4 Abs. 1 AIG aufgeführten Versagungsgründe zum Schutz überwiegender öffentlicher Interessen oder vergleichbare bundesrechtliche Regelungen leer laufen. Die Klägerinnen geben die Begründung der Landesregierung zu dem entsprechenden Gesetzentwurf, Landtags-Drucks. 2/4417, S. 12, -8-
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-8- insoweit nur unvollständig wieder; darin heißt es nämlich, die Regelung sei „auch erforderlich, um die unter Nummer 1 bis 5 laufenden Regelungen nicht dadurch leerlaufen zu lassen, dass über die Einsicht in die zur Aufsicht angelegten und geführten Akten genau diejenigen Informationen zugänglich werden, die nach den Nummern 1 bis 5 oder nach bundesrechtlichen Regelungen bereits ausgeschlossen wären“. Dem Zusatz „auch“ ist zu entnehmen, dass die Regelung neben dem Schutz der im Übrigen durch die Versagungstatbestände des § 4 Abs. 1 AIG von der Akteneinsicht ausgenommenen Informationen noch zumindest einem weiteren Zweck dienen soll. Die Kammer geht davon aus, dass dieser in dem Schutz der staatlichen Aufsicht für sich genommen liegt. Die staatliche Aufsicht soll nicht dem allgemeinen, bedingungslos eingeräumten Akteneinsichtsrecht des AIG unterfallen. Dass es mit dem Versagungsgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AIG indes – wie die Klägerinnen offenbar meinen – nur darum geht, bestimmte öffentliche Stellen zu schützen, lässt sich der Regelung nicht entnehmen. Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzten Variante AIG ist auch nicht dahingehend auszulegen, dass sich der Ausschlussgrund nur auf laufende Verfahren der Aufsicht und nicht auf abgeschlossene Verfahren bezieht. Eine solche Einschränkung ist nach Auffassung der Kammer - jedenfalls in der hier zu beurteilenden Konstellation - weder angesichts der Formulierung im Präsens, wonach Akten betroffen sind, die der Aufsicht über eine andere Stelle „dienen“, es insoweit also nicht heißt „gedient haben“, noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten; anders für den Bereich der Fachaufsicht Urteil der 3. Kammer des VG Potsdam vom 27. April 2010 – 3 K 1595/05 –, juris Rn. 48 ff.; ohne diese ausdrückliche Einschränkung allerdings Urteil vom 13. November 2001 – 3 K 3376/00 –, juris Rn. 22. Die Ausübung der Aufsicht stellt eine andauernde, fortlaufende Aufgabe dar, im Rahmen derer das von dem Gesetzgeber mit dem Ausschlussgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AIG geschützte öffentliche Interesse an der Zurückhaltung der Aufsichtsakten      nicht     schon   aufgrund     des     Abschlusses      einzelner Aufsichtsmaßnahmen hinfällig wird; -9-
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-9- vgl. Urteil der Kammer vom 24. März 2011 – VG 9 K 1793/08 –. Es ist ohne weiteres denkbar, dass Akten zu einzelnen Aufsichtsmaßnahmen von der Aufsichtsbehörde auch nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens noch benötigt werden, sei es zur nachträglichen Überprüfung der Maßnahme, sei es im Zusammenhang mit anderen bzw. neuen Aufsichtsmaßnahmen. Die in Rede stehenden Akten sind insoweit für die Aufsicht über den Beseitigungspflichtigen auch dann noch von Bedeutung, wenn die jeweiligen Genehmigungsverfahren gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 AGTierNebG für sich genommen abgeschlossen sind. Sie dienen deshalb nach wie vor der Aufsicht, werden daher auch aufbewahrt. Diese Auslegung steht im Einklang mit Art. 21 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Danach ist das Recht auf Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Behörden und Verwaltungseinrichtungen des Landes und der Kommunen nämlich nur nach Maßgabe des Gesetzes gewährleistet, soweit nicht überwiegende        öffentliche  oder    private   Interessen   entgegenstehen.    Die Verfassungsnorm überlässt es mithin weitgehend dem Gesetzgeber, Inhalt und Reichweite des Akteneinsichtsrechts zu bestimmen; hierbei darf er allerdings nicht ungerechtfertigt in den Kernbereich des Akteneinsichtsrechts eingreifen; vgl. Beschluss der Kammer vom 9. Juni 2011 – VG 9 L 246/11 –. Letzteres ist bei der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzten Variante AIG aber auch dann nicht der Fall, wenn sich der Ausschlussgrund neben laufende Verfahren der Aufsicht auch auf für sich genommen abgeschlossene Verfahren bezieht. Der Anwendungsbereich         des   allgemeinen    Akteneinsichtsrechts  wird  durch    die Ausklammerung der staatlichen Aufsicht nicht in einer Weise beschränkt, die dem Sinn und Zweck der Verfassungsnorm, der Gewährleistung der politischen Mitgestaltung, grundlegend zuwider liefe. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass nach den Bestimmungen des AIG zumindest Einsicht in die entsprechenden Akten der beaufsichtigten Stelle genommen werden kann, sofern diese in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt und insoweit keine Versagungsgründe entgegenstehen. Dem Gedanken der politischen Mitgestaltung ist damit weitgehend Rechnung getragen. Vor allem im Hinblick darauf, dass es eines besonderen - 10 -
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- 10 - Grundes       oder    Interesses    für   die    Geltendmachung      des    allgemeinen Akteneinsichtsrechtsanspruchs nicht bedarf, er insoweit bedingungslos beansprucht werden kann, ist es daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Bereich der staatlichen Selbstkontrolle und Aufsicht besonders schützt, indem er ihn vom Akteneinsichtsrechtsanspruch des AIG ausklammert. Auch aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und dem Art. 20 Abs. 3 GG zu entnehmenden Gebot effektiven Rechtsschutzes bzw. dem verfassungsrechtlichen         Justizgewährleistungsanspruch        oder       sonstigen Justizgrundrechten folgt für die Auslegung der Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG nichts anderes. Das mit dem AIG eingeräumte Akteneinsichtsrecht dient nur der Umsetzung des durch Art. 29 LV verbürgten Rechts auf politische Mitgestaltung und nicht dem individuellen Rechtsschutz der Bürger. An den besonderen Erfordernissen des Rechtsschutzes hat sich die Auslegung daher nicht auszurichten. Diesen ist gegebenenfalls vielmehr im Rahmen der entsprechenden Rechtsschutzverfahren, im Fall der zulässigen Anfechtung der in Rede stehenden Genehmigungen etwa im Rahmen der Bestimmungen zur Akteneinsicht gemäß §§ 99 f. VwGO oder im Fall des zivilrechtlichen Streits um die Entrichtung der Entgelte bei der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch Rechnung zu tragen. Für eine Ermessensentscheidung ungeachtet oder unter Umgehung der Vorgaben des AIG ist kein Raum. Allenfalls in Erwägung zu ziehen sein kann, ob sich trotz der ausdrücklichen Regelung zur Aufsicht gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG aus dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben ein Anspruch auf Akteneinsicht ergeben kann; vgl. Beschluss der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam vom              16. November 1998 - 2 L 873/98 -, juris Rn. 35 m.w.N.; dagegen indes Urteil der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 13. November 2001 - 3 K 3376/00 -, juris Rn. 28. Ein besonderer Treuetatbestand, der es trotz der gesetzlichen Ausschlussregelung gebieten könnte, den Klägerinnen den Rückgriff auf diesen allgemeinen Grundsatz zu eröffnen, ist aber jedenfalls nicht ersichtlich. Es ist insbesondere nicht dargetan, dass     die    Klägerinnen      in   den    von    ihnen     angeführten   zivil-   und - 11 -
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