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Aktenzeichen
2 K 23.10
Datum
10. Februar 2011
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Quellcode
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Ausschluss des Zugangs zu amtlichen Informationen aus Sicherheitsgründen

2 K 23.10

Das Informationsfreiheitsgesetz sieht keinen Anspruch auf Informationszugang vor, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf Belange der inneren und äußeren Sicherheit. Mögliche Anschläge von Terroristen auf Infrastruktureinrichtungen des Bundes fallen in den Schutzbereich dieser Bestimmung. Was den Grad der Gewissheit über die nachteiligen Auswirkungen betrifft, lässt die Vorschrift die Möglichkeit ausreichen. Eine entsprechende Prognose muss plausibel und nachvollziehbar sein, ist aber nur in engen Grenzen verwaltungsgerichtlich überprüfbar. Informationen über bestimmte Angaben aus der "Bauwerksdatenbank Bundesfernstraßen" werden deshalb zu Recht geheimgehalten. Darüber hinaus sind sie in berechtigter Weise als Verschlusssache eingestuft worden und deshalb ebenfalls nicht zugänglich. (Quelle: LDA Brandenburg)

(Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Sicherheitsaspekte

VG 2 K 23.10

Verkündet am 10. Februar 2011

Kelm Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN

URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache

Klägerin, V erfahrensbevollmächtigter:

g e g e n

_____die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Invalidenstraße 44, 10115 Berlin,

Beklagte,

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2011 durch

die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Becker, den Richter am Verwaltungsgericht Hömig, die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen und die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt 1/3, die Beklagte 2/3 der Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

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Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand

Die Klägerin ist ein Presseunternehmen. Sie begehrt von der Beklagten den Zugang zu Informationen über Brücken und Tunnel an Bundesfernstraßen.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2009 beantragte die Klägerin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, ihr "auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes" Zugang zu Informationen der "Bauwerksdatenbank Bundesfernstraßen" mit Stand vom 31. Dezember 2008 hinsichtlich aller Brücken und Tunnel entlang von Bundesfernstraßen zur Lage (Geokodierung), zu allgemeinen Angaben (Länge, Höhe, Baujahr, Bau- oder Renovierungskosten etc.) sowie zum Zustand (Brückenzustandsnote, Prüfungstermine und Prüfungsergebnisse) zu gewähren. Sie teilte mit, sie benötige die erstrebten Daten in elektronischer Form und konkretisierte sie nach den Vorgaben des Allgemeinen Rundschreibens Straßenbau (ARS) Nr. 32/1997. In diesem Rundschreiben hatten das Bundesministerium für Verkehr und das Bundesverteidigungsministerium einvernehmlich festgelegt, welche Daten über Brücken und Tunnel an Bundesfernstraßen an Dritte herausgeben werden dürfen.

Mit Bescheid des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 30. April 2009 entsprach die Beklagte dem Anliegen der Klägerin nur teilweise. Sie teilte mit, einige der begehrten Daten lägen bei der Bundesanstalt für Straßenwesen vor und könnten vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit Stand vom 31. Dezember 2008 zur Verfügung gestellt werden. Für die Daten unter den lfd. Nummern 4.2.2, 4.2.3, 4.2.7 und 4.4 des ARS 32/1997 (Abmessungen, Tragfähigkeit, Baustoffmengen, Tunnel) müsse der Informationszugang unter Hinweis auf § 3 Nr. 1 Buchst. c und Nr. 2 IFG abgelehnt werden. Das Bekanntwerden dieser Informationen könne nachteilige Auswirkungen haben auf Belange der inneren und äußeren Sicherheit. Es sei zu berücksichtigen, dass bei zumindest abstrakt vorhandener terroristischer Bedrohung möglichen Angriffen auf

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wichtige Elemente ziviler Infrastruktur im Interesse aller Bürger von vornherein zu begegnen sei. Durch die elektronische Bereitstellung der Daten könnten besonders kritische Bauwerke im Hinblick auf eine möglichst einfache, aber auch größtmögliche Schädigung der Verkehrsinfrastruktur ausgewählt werden. Aufgrund der langen Lebensdauer der Bauwerke wären die Daten auch noch in Jahrzehnten für Auswertungen mit terroristischem Hintergrund nutzbar. Die übrigen von der Klägerin erwähnten Informationen befänden sich nicht in der "Bauwerksdatenbank Bundesfernstraßen", auf die sich der Antrag der Klägerin ausschließlich bezogen habe.

D ie Klägerin widersprach diesem Bescheid. Sie trug vor, ihr Antrag habe die von ihr begehrten Daten genau bezeichnet. Darauf, ob diese in der "Bauwerksdatenbank Bundesfernstraßen" gespeichert seien, komme es daher nicht an. Unter Hinweis auf die "Anweisung Straßeninformationsbank, Teilsystem Bauwerksdaten, ASB-ING" führte sie im Einzelnen aus, auf welche Datengruppen sich ihr Informationsbegehren insoweit gerichtet habe. Dabei präzisierte sie auch diejenigen Informationen nach den Vorgaben des ASB-ING, zu denen die Beklagte den Zugang unter Hinweis auf § 3 Nr. 1 Buchst. c und Nr. 2 IFG abgelehnt hatte. Sie machte insoweit geltend, die Begründung der Ablehnung des Informationszugangs sei nicht tragfähig.

Mit ihrer am 12. Februar 2010 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Informationsbegehren weiterverfolgt, soweit es von der Beklagten abgelehnt worden war. Sie macht geltend, die von ihr erstrebten Informationen, hinsichtlich derer die Beklagte Sicherheitsbedenken geltend gemacht habe, seien offenkundig und daher nicht geheim zu halten. Sie könnten über das Internet bzw. durch Aufsuchen des Bauwerks ermittelt werden. Die Informationen der Beklagten seien nach eigenen Angaben zudem nicht tagesaktuell und könnten daher ohnehin nicht für Terroranschläge genutzt werden. Belange der Sicherheit seien im Übrigen nur dann betroffen, wenn die Bundesrepublik Deutschland in ihrem Bestand gefährdet werde.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2010 hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Klägerin mitgeteilt, dass deren Widerspruch teilweise entsprochen werden könne. Von dem Erlass eines Widerspruchsbescheides werde jedoch zunächst Abstand genommen. Für die Auswertung und Herauslösung der freizugebenden Daten aus der Bauwerksdatenbank werde ein "Auswertetool" benötigt. Die Erstellung dieser Software verursache erhebliche Kosten. Mit den für die Informationsgewährung erforderlichen Arbeiten werde daher erst nach Vorlage ei-

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ner Kostenübernahmeerklärung der Klägerin begonnen. Mit dem Schreiben hat die Beklagte der Klägerin eine Liste (Anlage zum Schreiben vom 18. Februar 2010) übersandt, in der sie durch "Ja" die Datengruppen gekennzeichnet hatte, hinsichtlich derer sie zur Zugangsgewährung bereit war.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihr Informationsbegehren bezogen auf einzelne Datengruppen zurückgenommen. Die Beklagte hat erklärt, sie werde nunmehr Informationszugang zu allen in der Anlage zum Schreiben vom 18. Februar 2010 in der Spalte "Freigabe aus Sicherheitsgründen" mit "Ja" gekennzeichneten Informationen und darüber hinaus zu weiteren Daten gewähren, ohne dies von einer vorherigen Kostenübernahmeerklärung der Klägerin abhängig zu machen. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt zuletzt noch,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 30. April 2009 zu verpflichten, ihr Zugang zu folgenden Informationen zu Bauwerken im Zuge der Bundesfernstraßen mit Stand vom 31. Dezember 2008 durch Überlassung elektronischer Daten zu gewähren: - soweit es um Bauwerke geht: bezogen auf Brücken: Gesamtlänge, Breite, Gesamtbreite, bezogen auf Tunnel-/Trogbauwerke: Bauwerkslänge, Geschlossene Länge der Tunnelröhre bezogen auf Tunnelsicherheit: Fluchtwege Querstollen, Fluchtwege Querstollen - Anzahl, Fluchtwege Querstollen - Abstand, Fluchtwege Fluchtstollen, Fluchtwege Fluchtstollen - Anzahl, Fluchtwege Fluchtstollen - Abstand, Automatische Brandmeldeanlage, Videoüberwachung, Funk, Lautsprecher, bezogen auf Statisches System/Tragfähigkeit: Bauteil, Statisches System in der Bauwerksachse, Statisches System quer zur Bauwerksachse, Tragfähigkeit, Maßgebende Tragfähigkeitseinstufung, Sperrung für Schwertransporte, Statistischer Auslastungsgrad, Einstufungsjahr, bezogen auf Baustoffe: Hauptbaustoff.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Z ur Begründung ihres Klageabweisungsantrags trägt sie vor, die fraglichen Informationen seien nicht beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, sondern bei der Bundesanstalt für Straßenwesen gespeichert. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sei jedoch insoweit verfügungs-

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befugt. Der Zugangsgewährung stehe entgegen, dass die Bauwerksdatenbank mit Schreiben der Bundesanstalt für Straßenwesen vom12. Mai 2010 als Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch - eingestuft worden sei, weil sie "u.a. personenbezogene Daten, Konstruktionszeichnungen für besonders schutzwürdige Einrichtungen sowie Informationen von Bauwerken mit besonderer Kritikalität" enthalte und die Möglichkeit biete, "sensible Informationen über den gesamten Bauwerksbestand der Bundesfernstraßen zu gewinnen". Im Umfang der abzulehnenden Daten- herausgabe stünden dem begehrten Informationszugang zudem § 3 Nr. 1 Buchst. c und § 3 Nr. 2 IFG entgegen.

W egen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen hat und die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Soweit über die Klage danach noch zu befinden ist, ist sie als Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Zugang zu den von ihr mit der Klage noch begehrten Informationen. Der Bescheid des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 30. April 2009 ist, soweit der Informationszugang von der Beklagten noch verweigert wird, rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher auch nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

  1. Rechtsgrundlage für das von der Klägerin verfolgte Informationsbegehren ist § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.

a. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegen vor. Die Klägerin ist als juristische Person des Privatrechts "jeder" im Sinne des Gesetzes. Das die Beklagte vertretende Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist auch eine Behörde des Bundes. Denn hierunter fällt jede staatliche Stelle des Bundes, die öffentliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt und weder der Gesetzgebung noch

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der Rechtsprechung zuzurechnen ist (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -).

Die von der Klägerin erstrebten Daten sind amtliche Informationen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG bestimmt, Amtliche Information ist gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung ist, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Die nur elektronisch gespeicherten Daten der "Bauwerksdatenbank Bundesfernstraßen" gehören hierzu.

Die von der Klägerin erstrebten Informationen sind auch beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vorhanden (vgl. zum Erfordernis des Vorhandenseins von Informationen bei der auf Informationsgewährung in Anspruch genommenen öffentlichen Stelle z.B. VG Berlin, Urteil vom 20. November 2008 - VG 2 A 57.06 -, Juris; Schoch, IFG, 1. Aufl. 2009, Rn. 29 zu § 1). Dass die Daten bei der Bundesanstalt für Straßenwesen gespeichert sind, ist insoweit unerheblich. Auf den Ort der Speicherung bzw. Lagerung von Informationen kommt es nämlich nicht an. Maßgeblich ist mit Blick auf die in § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG geregelte Behördenzuständigkeit allein, dass die in Anspruch genommene öffentliche Stelle - wie hier das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - jederzeit auf die begehrten Informationen zugreifen kann und über sie verfügen darf.

b. Dem von der Klägerin noch begehrten Informationszugang stehen jedoch Ausschlussgründe entgegen.

aa. Nach § 3 Nr. 1 Buchst. c IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf Belange der inneren und äußeren Sicherheit. Das ist hier hinsichtlich der Informationen, zu denen der Zugang durch die Beklagte noch verweigert wird, der Fall.

( 1) Das Schutzgut des § 3 Nr. 1 Buchst. c IFG ist durch das Informationsbegehren der Klägerin betroffen. Mit den Belangen der inneren und äußeren Sicherheit schützt § 3 Nr. 1 Buchst. c IFG die freiheitlich demokratische Grundordnung sowie den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder, einschließlich der Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen, vor Angriffen durch fremde Staaten (äußere Sicherheit) oder gewaltsame Aktionen Privater (innere Sicherheit; vgl. Rossi, IFG, 1. Aufl. 2006, Rn. 16 zu § 3; Schoch, a.a.O., Rn. 33 f. zu § 3).

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Mögliche Anschläge von Terroristen auf Infrastruktureinrichtungen des Bundes, wie sie von der Beklagten hier ins Feld geführt werden, fallen danach als Angriffe auf die innere Sicherheit in den Schutzbereich dieser Bestimmung.

U nerheblich ist in diesem Zusammenhang die Größe bzw. das Ausmaß eines befürchteten Angriffs. Der Auffassung der Klägerin, dass Belange der inneren und äußeren Sicherheit nur betroffen seien, wenn der Bestand der Bundesrepublik Deutschland als solches bedroht sei, ist nicht zu folgen. Eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 3 Nr. 1 Buchst. c IFG ist weder durch den Wortlaut, noch durch die Entstehungsgeschichte oder den Sinn und Zweck der Bestimmung gerechtfertigt. Insbesondere nach dem Willen des Gesetzgebers sollte insoweit umfassend der gesamte "nichtmilitärische Sicherheitsbereich" geschützt werden (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 9).

( 2) Nach § 3 Nr. 1 Buchst. c IFG ist der Anspruch auf Informationszugang ausgeschlossen, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgut haben "kann". Was den Grad der Gewissheit anlangt, lässt die Vorschrift damit die Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen ausreichen. Eher fernliegende Befürchtungen scheiden hingegen aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22.08 -, Juris).

( a) Der mögliche Eintritt von Nachteilen auf das Schutzgut kann nur Gegenstand einer plausiblen und nachvollziehbaren Prognose sein, die ihrerseits nur in engen Grenzen verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) bereits für den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. a IFG ("nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen") entschieden und ausgeführt: Ob und wie sich das Bekanntwerden von Informationen auf die außenpolitischen Ziele auswirke, hänge nämlich von auf die Zukunft bezogenen Beurteilungen ab, die notwendig mit einem gewissen Maß an Unsicherheit verbunden seien. Das Gericht könne deshalb insoweit nur nachprüfen, ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihre Prognose einleuchtend begründet und keine offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüchliche Einschätzung getroffen habe.

F ür den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. c IFG gilt nach Auffassung der Kammer nichts anderes. Auch insoweit beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf das Vorliegen von Beurteilungsfehlern. Denn auch die Prognose, ob und wie

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sich das Bekanntwerden von Informationen auf Sicherheitsbelange auswirkt, hängt von Beurteilungen ab, die für die Zukunft getroffen werden müssen und denen deshalb zwangsläufig ein gewisser Grad von Unsicherheit anhaftet. Außerdem kann die hier zu treffende Prognoseentscheidung auf einer Vielzahl von - für sich wenig aussagekräftigen - Einzelinformationen beruhen, die erst im Zusammenwirken mit anderen Erkenntnissen die Annahme rechtfertigen, dass nachteilige Auswirkungen auf Belange der inneren oder äußeren Sicherheit eintreten können. Auch dies spricht für die Annahme einer behördlichen Einschätzungsprärogative.

( b) Einen Beurteilungsfehler weist die von der Beklagten hier getroffene Einschätzung nicht auf.

Die Beklagte nimmt zum Ausgangspunkt ihrer Prognose, dass in der Bundesrepublik Deutschland eine abstrakte Terrorgefahr besteht. Dies ist nicht zu beanstanden. Das Vorliegen einer solchen abstrakten Gefahr durch insbesondere islamistisch geprägte Terroristen ist nicht erst seit der vom Bundesminister des Inneren Ende 2010 ausgesprochenen Terrorwarnung allgemein bekannt. Dabei bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass das Vorliegen einer Terrorgefahr von der Beklagten nicht näher konkretisiert worden ist, insbesondere keine Angaben dazu gemacht worden sind, ob nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden Bauwerke der hier in Rede stehenden Art von Terroristen als Terrorziele überhaupt in Betracht gezogen werden. Einer solchen Konkretisierung bedarf es nicht. Denn zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin begehrten Daten angesichts der hohen Lebensdauer der betroffenen Bauwerke auch noch in weiter entfernten Zeiten zum Nachteil der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verwendet werden könnten. Wollte man als Tatsachengrundlage verlangen, dass Erkenntnisse zu möglichen Angriffen gerade auf Brücken und Tunnel vorliegen, müssten die begehrten Informationen bei Fehlen solcher Feststellungen erteilt werden. Sollten die Informationen danach vom Empfänger veröffentlicht werden, könnte späteren Erkenntnissen zu Planungen von Terrorakten auf Infrastruktureinrichtungen der hier maßgeblichen Art nicht mehr durch die Vorenthaltung der Informationen Rechnung getragen werden.

Der Prognose der Beklagten, dass das Bekanntwerden der hier noch umstrittenen Informationen nachteilige Auswirkungen auf Belange der inneren Sicherheit haben könne, haften auch ansonsten keine Beurteilungsfehler an. Die Beklagte hat sinngemäß ausgeführt, der Zugang zu den Informationen könne die Planung und

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Durchführung von terroristischen Anschlägen erleichtern. Durch das Offenlegen der hier noch streitigen Informationen über Brücken und Tunnel im Verlauf von Bundesfernstraßen, insbesondere in elektronischer Form als Datenbank, könnten nämlich besonders leicht zu zerstörende oder für die Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland besonders bedeutsame Bauwerke ausgewählt und so ein großer Schaden verursacht werden; insbesondere könne unter Verwendung der fraglichen Daten ein gezielter, koordinierter Angriff auf mehrere Bauwerke gleichzeitig geplant und hierdurch die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig geschädigt werden. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte bei diesen Ausführungen von einem unzutreffend oder unvollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist. Auch offensichtlich fehlerhafte, insbesondere in sich widersprüchliche Einschätzungen sind bei dieser einleuchtenden Begründung nicht zu erkennen. Dabei greift auch der Einwand der Klägerin, die Informationen der Datenbank seien nicht tagesaktuell und könnten daher für Terroranschläge nicht genutzt werden, nicht durch. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern es für die von der Beklagten dargelegten nachteiligen Auswirkungen auf die Aktualität jedes einzelnen Datums ankommen sollte.

Auch die Auswahl der von der Beklagten noch verweigerten Daten ist nicht zu beanstanden. Der Verweigerung der hier in Rede stehenden Daten steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Erteilung anderer Informationen bereit erklärt hat. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung durch ihre Vertreter nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich etwa bei Länge, Breite und Gesamtbreite von Brücken um Konstruktionsdaten handele, die für die Bauwerksstruktur relevant seien. Die Informationen über die Bauwerksstruktur kombiniert mit anderen Daten (Baustoffmenge, Statik etc.) erlaubten bei der Möglichkeit der "netzweiten" Ermittlung das Herausfiltern von besonders kritikalen bzw. neuralgischen Punkten der Infrastruktur. Zu der Information "Funk" im Bereich der Tunnelsicherheit hat die Beklagte exemplarisch ausgeführt, hier gehe es um die Frage, ob in einem Tunnel Funktelefone betrieben werden können, was für die Planung von Sprengstoffanschlägen bedeutsam sei.

D er Verweigerung jeder einzelnen - und für sich möglicherweise im Hinblick auf Sicherheitsbelange unbedenklichen - Information steht weiter der Umstand nicht entgegen, dass das von der Beklagten entworfene Bedrohungsszenario nur dann eintreten kann, wenn die gesamten oder doch jedenfalls mehrere der hier verweigerten Informationen zusammen preisgegeben werden. Es ist nicht zu beanstan-

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den, dass die Beklagte den Zugang zu allen denjenigen Informationen verweigert, die - und wenn auch erst im Zusammenwirken mit weiteren Informationen - die Planung und die Durchführung eines Terroranschlags erleichtern können.

Dabei geht es bei den nach den Ausführungen der Beklagten möglichen nachteiligen Auswirkungen auf Sicherheitsbelange nicht um fernliegende Befürchtungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Angesichts der abstrakt vorhandenen Terrorgefahr und der Bedeutung der hier in Rede stehenden Bauwerke für die Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland erscheint es nicht gänzlich fernliegend, dass Terroristen Anschläge auch auf die hier in Rede stehenden Brücken und Tunnelbauwerke in Betracht ziehen. Derartige Angriffsziele könnten insbesondere dann ins Blickfeld von Terroristen rücken, wenn aufgrund von Terrorwarnungen vorrangige Ziele stärker bewacht werden.

Der Prognoseentscheidung der Beklagten kann schließlich auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die betroffenen Informationen teilweise offenkundig seien und durch Inaugenscheinnahme der Bauwerke bzw. über das Internet ermittelt werden könnten. Zum einen geht es der Klägerin vorliegend um Informationen des Eigentümers der Bauwerke. Diese Informationen haben eine höhere Richtigkeitsgewähr als eigene Abmessungen bzw. Recherchen im Internet. Zum anderen sind die begehrten Daten jedenfalls in ihrer von der Klägerin erstrebten Gesamtheit, insbesondere in der Form einer amtlichen Zusammenstellung elektronischer Art, nicht offenkundig.

bb. Darüber hinaus ist die Ablehnung des begehrten Informationszuganges im hier noch streitigen Umfang nach § 3 Nr. 4 IFG gerechtfertigt. Diese Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch auf Informationszugang nicht besteht, wenn die Information einer durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (Verschlusssachenanweisung - VSA) geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Die formale Einstufung als Verschlusssache genügt insoweit nicht (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009, a.a.O.). Die Einstufung ist vielmehr durch das Gericht auf ihre Berechtigung zu überprüfen.

Nach § 3 Nr. 4 VSA i.V.m. § 4 Abs. 2 SÜG ist eine Information als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad "VS - Nur für den Dienstgebrauch" einzustufen, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik

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Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Dass ist der Fall, wenn das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf Belange der inneren Sicherheit haben kann. Da dies hier nach den obigen Ausführungen zu bejahen ist, liegt im Umfang der Informationsverweigerung auch der Ausschlussgrund es § 3 Nr. 4 IFG vor.

  1. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 und 161 Abs. 2 VwGO. Soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen und ihre aufrechterhaltene Klage keinen Erfolg hatte, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Soweit die Beklagte dem gerichtlich verfolgten Informationsbegehren schließlich stattgegeben hat, entspricht es billigem Ermessen, ihr die Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil sie sich ohne Änderung der Sach- und Rechtslage insoweit zu Recht freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben hat. Hieraus folgt die aus dem Tenor ersichtliche Kostenquote.

D ie Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ist nach § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO ergangen.

  1. Die Berufung ist zuzulassen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Frage nach dem Bestehen eines Beurteilungsspielraums bei der Prognose, ob durch das Bekanntwerden von Informationen nachteilige Auswirkungen auf Belange der inneren und äußeren Sicherheit eintreten können, ist grundsätzlicher Natur und bisher obergerichtlich nicht geklärt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.

D ie Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Lande Berlin vom 27. Dezember 2006, GVBl. S. 1183, in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 9. Dezember 2009, GVBl. S. 881) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthal-

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ten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören.

Xalter Becker Hömig

hö./gr Ausgefertigt

Justizangestellte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle