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Aktenzeichen
C-514/07 P, C-528/07 P und C-532/07 P
ECLI
ECLI:EU:C:2010:541
Datum
21. September 2010
Gericht
Gerichtshof der Europäischen Union
Gesetz
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (Transparenzverordnung)
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (Transparenzverordnung)

Urteil: Gerichtshof der Europäischen Union am 21. September 2010

C-514/07 P, C-528/07 P und C-532/07 P

Der Gerichtshof bestätigt die Entscheidung der Kommission, die Herausgabe von Schriftsätzen mit Verweis auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren in der Verordnung zu verweigern, die diese beim Gerichtshof und beim Gericht im Rahmen von Gerichtsverfahren eingereicht hatte. Die Kommission kann sich vor Beginn der mündlichen Verhandlung in der anhängigen Rechtssache auf die Vermutung stützen, dass der Zugang zu eingereichten Schriftsätzen und die damit einhergehende Verbreitung den Zielen der Verordnung zuwiderläuft. Sie kann daher entsprechende Anträge ohne konkrete Prüfung im Einzelfall ablehnen. Man kann nicht annehmen, dass nach Abschluss eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EGV bzw. Art. 258 AEUV die Verbreitung von Schriftsätzen weitere Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigt. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 12. September 2007 (T-36/04) wird damit teilweise aufgehoben. (Quelle: LDA Brandenburg)

Internationale Beziehungen

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http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex=0&part=1&mode=lst&docid=84028&occ=first&dir=&c... URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) 21. September 2010(*) Inhaltsverzeichnis I – Rechtlicher Rahmen II – Vorgeschichte des Rechtsstreits III – Angefochtenes Urteil IV – Verfahren vor dem Gerichtshof V – Anträge der Verfahrensbeteiligten A – In der Rechtssache Schweden/API und Kommission (C‑514/07 P) B – In der Rechtssache API/Kommission (C‑528/07 P) C – In der Rechtssache Kommission/API (C‑532/07 P) VI – Zu den Rechtsmitteln A – Zum Rechtsmittel der Kommission (Rechtssache C‑532/07 P) 1. Zum ersten Rechtsmittelgrund a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten b) Würdigung durch den Gerichtshof 2. Zum zweiten Rechtsmittelgrund a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten b) Würdigung durch den Gerichtshof 3. Zum dritten Rechtsmittelgrund a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten b) Würdigung durch den Gerichtshof B – Zu den Rechtsmitteln des Königreichs Schweden (Rechtssache C‑514/07 P) und der API (Rechtssache C‑528/07 P) 1. Zum ersten Rechtsmittelgrund a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten b) Würdigung durch den Gerichtshof 1 von 25
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http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex=0&part=1&mode=lst&docid=84028&occ=first&dir=&c... 2. Zum zweiten Rechtsmittelgrund a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten b) Würdigung durch den Gerichtshof VII – Kosten „Rechtsmittel – Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe –Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Art. 4 Abs. 2 zweiter und dritter Gedankenstrich – Von der Kommission im Rahmen von Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht eingereichte Schriftsätze – Entscheidung der Kommission, den Zugang zu verweigern“ In den verbundenen Rechtssachen C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P betreffend drei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, das erste eingelegt am 20. November 2007, die beiden anderen am 27. November 2007, Königreich Schweden (C‑514/07 P), vertreten durch S. Johannesson, A. Falk, K. Wistrand und K. Petkovska als Bevollmächtigte, Rechtsmittelführer, unterstützt durch Königreich Dänemark, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte, Republik Finnland, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten, Streithelfer im Rechtsmittelverfahren, andere Verfahrensbeteiligte: Association de la presse internationale ASBL (API) mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Völcker und J. Heithecker, F. Louis, avocat, und C. O’Daly, Solicitor, Klägerin im ersten Rechtszug, Europäische Kommission, vertreten durch C. Docksey, V. Kreuschitz und P. Aalto als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Beklagte im ersten Rechtszug, und Association de la presse internationale ASBL (API) (C‑528/07 P) mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt S. Völcker, F. Louis, avocat, und C. O’Daly, Solicitor, Rechtsmittelführerin, andere Verfahrensbeteiligte: Europäische Kommission, vertreten durch C. Docksey, V. Kreuschitz und P. Aalto als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, 2 von 25
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http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex=0&part=1&mode=lst&docid=84028&occ=first&dir=&c... Beklagte im ersten Rechtszug, unterstützt durch Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch E. Jenkinson und S. Behzadi-Spencer als Bevollmächtigte im Beistand von J. Coppel, Barrister, Streithelfer im Rechtsmittelverfahren, und Europäische Kommission (C‑532/07 P), vertreten durch C. Docksey, V. Kreuschitz und P. Aalto als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Rechtsmittelführerin, unterstützt durch Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch E. Jenkinson und S. Behzadi-Spencer als Bevollmächtigte im Beistand von J. Coppel, Barrister, Streithelfer im Rechtsmittelverfahren, andere Verfahrensbeteiligte: Association de la presse internationale ASBL (API) mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt S. Völcker, F. Louis, avocat, und C. O’Daly, Solicitor, Klägerin im ersten Rechtszug, erlässt DER GERICHTSHOF (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), J. N. Cunha Rodrigues und K. Lenaerts, der Kammerpräsidentinnen R. Silva de Lapuerta und C. Toader sowie der Richter A. Rosas, K. Schiemann, E. Juhász, T. von Danwitz und A. Arabadjiev, Generalanwalt: M. Poiares Maduro, Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler, und B. Fülöp, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2009, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. Oktober 2009 folgendes Urteil 1           Mit ihren Rechtsmitteln beantragen das Königreich Schweden, die Association de la presse internationale ASBL (im Folgenden: API) und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 12. September 2007, API/Kommission (T‑36/04, Slg. 2007, II‑3201, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Entscheidung der Kommission vom 20. November 2003 (im Folgenden: streitige Entscheidung) über die Zurückweisung des Antrags der API auf Zugang zu den 3 von 25
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http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex=0&part=1&mode=lst&docid=84028&occ=first&dir=&c... von der Kommission beim Gerichtshof und beim Gericht im Rahmen bestimmter Gerichtsverfahren eingereichten Schriftsätzen teilweise für nichtig erklärt hat. I – Rechtlicher Rahmen 2           Die Erwägungsgründe 1, 2, 4 und 11 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) lauten: „(1)         In Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union, wonach der Vertrag eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas darstellt, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden, ist das Prinzip der Transparenz verankert. (2)        Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei, die in Artikel 6 des EU-Vertrags und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind. … (4)            Diese Verordnung soll dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten größtmögliche Wirksamkeit verschaffen und gemäß Artikel 255 Absatz 2 des EG-Vertrags die allgemeinen Grundsätze und Einschränkungen dafür festlegen. … (11)       Grundsätzlich sollten alle Dokumente der Organe für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Der Schutz bestimmter öffentlicher und privater Interessen sollte jedoch durch Ausnahmen gewährleistet werden. Es sollte den Organen gestattet werden, ihre internen Konsultationen und Beratungen zu schützen, wo dies zur Wahrung ihrer Fähigkeit, ihre Aufgaben zu erfüllen, erforderlich ist. Bei der Beurteilung der Ausnahmen sollten die Organe in allen Tätigkeitsbereichen der Union die in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft verankerten Grundsätze über den Schutz personenbezogener Daten berücksichtigen.“ 3      Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung bestimmt: „Zweck dieser Verordnung ist es: a)         die Grundsätze und Bedingungen sowie die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung des in Artikel 255 des EG-Vertrags niedergelegten Rechts auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (nachstehend ,Organe‘ genannt) so festzulegen, dass ein größtmöglicher Zugang zu Dokumenten gewährleistet ist“. 4      In Art. 2 Abs. 1 und 3 der Verordnung heißt es: „(1)        Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe. … (3)         Diese Verordnung gilt für alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind 4 von 25
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http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex=0&part=1&mode=lst&docid=84028&occ=first&dir=&c... und sich in seinem Besitz befinden.“ 5        Art. 4 Abs. 2, 4 und 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt hinsichtlich der Ausnahmen vom Zugangsrecht: „(2)           Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde: –        … –        der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung, –        der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. … (4)         Bezüglich Dokumente Dritter konsultiert das Organ diese, um zu beurteilen, ob eine der Ausnahmeregelungen der Absätze 1 oder 2 anwendbar ist, es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf. … (6)       Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokuments freigegeben.“ 6         Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung kann der Antragsteller „[i]m Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung [seines Zugangsantrags] … binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an das Organ richten und es um eine Überprüfung seines Standpunkts ersuchen“. 7      Art. 8 Abs. 1 der Verordnung sieht vor: „Ein Zweitantrag ist unverzüglich zu bearbeiten. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung eines solchen Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder teilt schriftlich die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung mit. …“ 8      Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt: „Insbesondere legislative Dokumente, d. h. Dokumente, die im Laufe der Verfahren zur Annahme von Rechtsakten, die in den oder für die Mitgliedstaaten rechtlich bindend sind, erstellt wurden oder eingegangen sind, sollten vorbehaltlich der Artikel 4 und 9 direkt zugänglich gemacht werden.“ II – Vorgeschichte des Rechtsstreits 9             Mit Schreiben vom 1. August 2003 beantragte die API, eine nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete Organisation ausländischer Journalisten mit Sitz in Belgien, bei der Kommission nach Art. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu allen Schriftsätzen, die diese in den folgenden Rechtssachen beim Gericht oder Gerichtshof eingereicht hatte: –        Honeywell/Kommission (T‑209/01) und General Electric/Kommission (T‑210/01), –        MyTravel/Kommission (T‑212/03), 5 von 25
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http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex=0&part=1&mode=lst&docid=84028&occ=first&dir=&c... –        Airtours/Kommission (T‑342/99), –        Kommission/Österreich (C‑203/03), –              Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑466/98), Kommission/Dänemark (C‑467/98), Kommission/Schweden (C‑468/98), Kommission/Finnland (C‑469/98), Kommission/Belgien (C‑471/98), Kommission/Luxemburg (C‑472/98), Kommission/Österreich (C‑475/98) und Kommission/Deutschland (C‑476/98) (im Folgenden: „Open-skies“-Rechtssachen), –        Köbler (C‑224/01) sowie –        Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00). 10       Die Kommission gab diesem Antrag mit Schreiben vom 17. September 2003 nur hinsichtlich des Zugangs zu den Schriftsätzen statt, die in den Rechtssachen Köbler (C‑224/01) und Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00) eingereicht worden waren, die Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG zum Gegenstand hatten. 11       Im Übrigen wies die Kommission den Antrag der API zurück; diese Zurückweisung wurde nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 mit der streitigen Entscheidung bestätigt. 12        Die Kommission verweigerte den Zugang zu den in den Rechtssachen Honeywell/Kommission (T‑209/01) und General Electric/Kommission (T‑210/01) eingereichten Schriftsätzen im Wesentlichen mit der Begründung, dass es sich um zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung anhängige Rechtssachen handele, so dass die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung gelte. 13      Auf der Grundlage dieser Ausnahmeregelung verweigerte die Kommission auch den Zugang zu den in der Rechtssache Airtours/Kommission (T‑342/99) eingereichten Schriftsätzen, da diese Rechtssache, obwohl bereits abgeschlossen, in engem Zusammenhang mit der Rechtssache MyTravel/Kommission (T‑212/03) stehe, die zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung noch anhängig war. Den Antrag auf Zugang zu den in der letztgenannten Rechtssache eingereichten Schriftsätzen hielt die Kommission für verfrüht, ohne dass die Klägerin dies mit ihrer Klage bestritten hätte. 14       Die Kommission lehnte außerdem den Antrag der API bezüglich der „Open-skies“-Rechtssachen ab, da dieser Rechtssachen betreffe, die zwar zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung abgeschlossen seien, aber Vertragsverletzungsklagen nach Art. 226 EG zum Gegenstand hätten, so dass die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gelte. 15          Schließlich lehnte die Kommission den Antrag der API bezüglich der in der Rechtssache Kommission/Österreich (C‑203/03) eingereichten Dokumente ab. Sie vertrat die Auffassung, dass für diese ebenso wie für die in den Rechtssachen Honeywell/Kommission (T‑209/01) und General Electric/Kommission (T‑210/01) eingereichten Dokumente die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren gelte. Dieser Antrag sei jedoch ebenfalls nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung abzulehnen, da nach dieser Bestimmung der Zugang zu allen eine Vertragsverletzungsklage betreffenden Dokumenten ausgeschlossen sei, durch deren Verbreitung der Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten, nämlich eine gütliche Beilegung der Streitigkeit zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat zu erreichen, beeinträchtigt würde. 16        Zur Anwendung von Art. 4 Abs. 2 a. E. der Verordnung stellte die Kommission fest, dass im vorliegenden Fall die Verbreitung der fraglichen Dokumente nicht durch ein überwiegendes 6 von 25
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http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex=0&part=1&mode=lst&docid=84028&occ=first&dir=&c... öffentliches Interesse im Sinne dieser Bestimmung gerechtfertigt sei. III – Angefochtenes Urteil 17       Die API erhob eine Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung, der vom Gericht nur teilweise stattgegeben wurde. 18      In den Randnrn. 51 bis 57 des angefochtenen Urteils hat das Gericht nach einem Hinweis darauf, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Organe befinden, größtmögliche Wirksamkeit verschaffen solle, ausgeführt, dass dieses Recht gleichwohl gewissen Einschränkungen unterliege. Insoweit sehe die Verordnung Ausnahmen vor, die als solche eng auszulegen seien und deren Anwendung grundsätzlich eine konkrete und individuelle Prüfung des Inhalts der vom Zugangsantrag erfassten Dokumente erfordere, wobei die Gefahr einer Beeinträchtigung des mit der jeweiligen Ausnahme geschützten Interesses nicht rein hypothetisch sein dürfe. 19      Das Gericht hat in Randnr. 58 des angefochtenen Urteils jedoch weiter ausgeführt, dass eine solche Prüfung nicht unter allen Umständen erforderlich sei. Sie könne sich als entbehrlich erweisen, wenn aufgrund besonderer Umstände offenkundig sei, dass der Zugang zu verweigern oder zu gewähren sei. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn bestimmte Dokumente offenkundig in vollem Umfang von einer der in dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahme erfasst würden. 20        In Anwendung dieser Grundsätze hat das Gericht erstens den Teil der streitigen Entscheidung geprüft, der die in den anhängigen Rechtssachen Honeywell/Kommission (T‑209/01), General Electric/Kommission (T‑210/01) und Kommission/Österreich (C‑203/03) eingereichten Schriftsätze betrifft. 21        Nach Auffassung des Gerichts sind diese Dokumente offenkundig in vollem Umfang von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren erfasst, und zwar so lange, bis das betreffende Verfahren das Stadium der mündlichen Verhandlung erreicht habe. 22        Wie sich aus den Randnrn. 78 bis 81 des angefochtenen Urteils ergibt, hält das Gericht es für unerlässlich, die Verbreitung dieser Dokumente vor der mündlichen Verhandlung zu verhindern, um zu vermeiden, dass die Bediensteten der Kommission Druck von außen, insbesondere seitens der Öffentlichkeit, ausgesetzt würden. Damit lasse sich auch verhindern, dass Kritik und Einwände gegen das Vorbringen in diesen Schriftsätzen von Fachkreisen, der Presse oder allgemein der öffentlichen Meinung – unter Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit – u. a. dazu führten, dass die Kommission mit einer zusätzlichen Aufgabe belastet werde. Sie könnte sich nämlich gezwungen sehen, diese Kritik oder diese Einwände bei der Verteidigung ihrer Position vor Gericht zu berücksichtigen, während die Verfahrensbeteiligten, die nicht zur Freigabe ihrer Schriftsätze verpflichtet seien, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung vertreten könnten. 23         Die Kommission sei somit erst nach der mündlichen Verhandlung verpflichtet, jedes einzelne angeforderte Dokument konkret zu prüfen. 24          In den Randnrn. 84 und 85 des angefochtenen Urteils hat das Gericht insoweit ergänzend ausgeführt, dass dieses Ergebnis nicht durch die Feststellung in Frage gestellt werden könne, dass die Freigabe von Verfahrensvorgängen in einigen Mitgliedstaaten zugelassen und, was beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereichte Schriftstücke betreffe, auch in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vorgesehen sei, da die Verfahrensregelungen der Unionsgerichte kein Recht Dritter auf Zugang zu den von den Verfahrensbeteiligten bei der Kanzlei eingereichten Verfahrensunterlagen vorsähen. 7 von 25
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http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex=0&part=1&mode=lst&docid=84028&occ=first&dir=&c... 25          Sodann hat das Gericht in den Randnrn. 86 bis 89 dieses Urteils festgestellt, dass sich die Kommission nicht auf die Verfahrensregelungen der Unionsgerichte, nach denen Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten grundsätzlich vertraulich seien, stützen könne, um den Zugang zu diesen Schriftsätzen auch nach der mündlichen Verhandlung zu verweigern. Der Gerichtshof habe nämlich bereits entschieden, dass diese Regelungen den Parteien nicht untersagten, ihre eigenen Schriftsätze freizugeben. 26     Schließlich hat das Gericht in den Randnrn. 90 und 91 des Urteils ausgeführt, dass die Nichtfreigabe dieser Schriftsätze vor der mündlichen Verhandlung darüber hinaus durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die praktische Wirksamkeit einer etwaigen Entscheidung des befassten Gerichts, die mündliche Verhandlung nicht öffentlich abzuhalten, zu wahren. 27       Das Gericht hat daher in Randnr. 92 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission nicht rechtsfehlerhaft gehandelt habe, als sie die Schriftsätze betreffend die Rechtssachen Honeywell/Kommission             (T‑209/01),      General      Electric/Kommission     (T‑210/01)      und Kommission/Österreich (C‑203/03) nicht konkret geprüft habe, und dass sie keinen Beurteilungsfehler begangen habe, als sie ein öffentliches Interesse am Schutz dieser Schriftsätze bejaht habe. 28       Schließlich hat das Gericht in Randnr. 100 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die API auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen geltend gemacht habe, die die Verbreitung der fraglichen Dokumente nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 rechtfertigen könnten. 29          Zweitens hat das Gericht hinsichtlich des Antrags auf Zugang zu den Schriftsätzen in der Rechtssache Airtours/Kommission (T‑342/99) in den Randnrn. 105 bis 107 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die von der Kommission auf den engen Zusammenhang zwischen dieser Rechtssache und der anhängigen Rechtssache MyTravel/Kommission (T‑212/03) gestützte Zugangsverweigerung nicht gerechtfertigt sei. Denn die Rechtssache T‑342/99 sei bereits mit dem Urteil des Gerichts vom 6. Juni 2002 (Slg. 2002, II‑2585) abgeschlossen worden, so dass der Inhalt der Schriftsätze – nicht nur in der mündlichen Verhandlung, sondern auch im Urteil selbst – bereits der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Ferner lasse der Umstand allein, dass Argumente, die dem Richter bereits in einer abgeschlossenen Rechtssache vorgetragen worden seien, auch in einer ähnlichen Rechtssache erörtert werden könnten, nicht auf eine Gefahr der Beeinträchtigung des Ablaufs des noch anhängigen Verfahrens schließen. 30        Drittens und letztens hat das Gericht in den Randnrn. 135 bis 140 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Ablehnung des Antrags der API auf Zugang zu den Schriftsätzen in den „Open- skies“-Rechtssachen durch die Kommission nicht mit der Ausnahme zum Schutz von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gerechtfertigt werden könne. Diese Rechtssachen seien nämlich schon durch Urteil abgeschlossen gewesen, so dass durch die Freigabe der angeforderten Dokumente keine auf den Nachweis der fraglichen Vertragsverletzungen gerichtete Untersuchungstätigkeit hätte gefährdet werden können. 31       Das Gericht hat daher die streitige Entscheidung für nichtig erklärt, soweit mit ihr der Zugang zu den Schriftsätzen verweigert worden ist, die die Kommission beim Gerichtshof in den „Open- skies“-Rechtssachen und beim Gericht in der Rechtssache Airtours/Kommission (T‑342/99) eingereicht hatte. In Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils wird die Klage der API im Übrigen abgewiesen. IV – Verfahren vor dem Gerichtshof 32        Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. April und 19. Mai 2008 sind das Königreich Dänemark und die Republik Finnland in der Rechtssache C‑514/07 P als Streithelfer zur 8 von 25
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http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex=0&part=1&mode=lst&docid=84028&occ=first&dir=&c... Unterstützung der Anträge des Königreichs Schweden zugelassen worden. 33       Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. April 2008 ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland in den Rechtssachen C‑528/07 P und C‑532/07 P als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden. 34      Schließlich hat der Präsident des Gerichtshofs mit Beschluss vom 7. Januar 2009 die Rechtssachen C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden. V – Anträge der Verfahrensbeteiligten A – In der Rechtssache Schweden/API und Kommission (C‐514/07 P) 35       Das Königreich Schweden beantragt, Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben, die streitige Entscheidung in vollem Umfang für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 36     Die API beantragt, –         das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht das Recht der Kommission bestätigt hat, ihre Schriftsätze in den Rechtssachen, in denen die mündliche Verhandlung noch aussteht, nicht freizugeben; –            die Teile der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären, die noch nicht durch das angefochtene Urteil für nichtig erklärt worden sind, hilfsweise, die Sache zur Entscheidung gemäß dem Urteil des Gerichtshofs an das Gericht zurückzuverweisen und –             der Kommission die mit der Rechtsmittelbeantwortung der API verbundenen Kosten aufzuerlegen. 37       Das Königreich Dänemark beantragt, Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben und die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit „das Gericht rechtsfehlerhaft kein zwingendes Erfordernis aufgestellt hat, dass jeder Akt, der Gegenstand eines Zugangsantrags ist, konkret geprüft wird, um zu ermitteln, ob die Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 Anwendung finden kann“. 38          Die Republik Finnland hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, Nr. 2 des Tenors des angefochtenen Urteils aufzuheben. 39     Die Kommission beantragt, –              das angefochtene Urteil teilweise zu bestätigen, und zwar soweit damit die streitige Entscheidung, den Zugang zu den von der API angeforderten Dokumenten zu verweigern, bestätigt wird; –             der API die der Kommission im ersten Rechtszug und im Rahmen des Rechtsmittels entstandenen Kosten aufzuerlegen und –            dem Königreich Schweden die der Kommission im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen. B – In der Rechtssache API/Kommission (C‐528/07 P) 40     Die API beantragt, 9 von 25
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http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=&pageIndex=0&part=1&mode=lst&docid=84028&occ=first&dir=&c... –         das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht das Recht der Kommission bestätigt hat, ihre Schriftsätze in den Rechtssachen, in denen die mündliche Verhandlung noch aussteht, nicht freizugeben; –             die Teile der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären, die noch nicht durch das angefochtene Urteil für nichtig erklärt worden sind, hilfsweise, die Sache zur Entscheidung gemäß dem Urteil des Gerichtshofs an das Gericht zurückzuverweisen und –        der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 41     Die Kommission beantragt, –              das angefochtene Urteil teilweise zu bestätigen, und zwar soweit damit die streitige Entscheidung, den Zugang zu den von der API angeforderten Dokumenten zu verweigern, bestätigt wird; –          der API die der Kommission sowohl im erstinstanzlichen als auch im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen und –            dem Königreich Schweden die der Kommission im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen. 42     Das Vereinigte Königreich beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. C – In der Rechtssache Kommission/API (C‐532/07 P) 43     Die Kommission beantragt, –               das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben, und zwar soweit damit die streitige Entscheidung, der API den Zugang zu bestimmten Dokumenten nach der mündlichen Verhandlung zu verweigern, für alle Klagen außer Vertragsverletzungsklagen für nichtig erklärt worden ist; –           über die Fragen, die den Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittels bilden, endgültig zu entscheiden und –           der API die der Kommission durch diese Rechtssache und das vorliegende Rechtsmittel entstandenen Kosten aufzuerlegen. 44     Die API beantragt, –          einen Teil des ersten Rechtsmittelgrundes insoweit als unzulässig zurückzuweisen, als darin nicht genau die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils angegeben werden, deren Aufhebung die Kommission beantragt; –        den zweiten Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen; –        hilfsweise, das Rechtsmittel in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen und –         der Kommission die der API im Rahmen der Rechtsmittelbeantwortung entstandenen Kosten aufzuerlegen. 45     Das Vereinigte Königreich beantragt, –            festzustellen, dass das Gericht in Randnr. 82 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft entschieden hat, dass die Kommission nach der mündlichen Verhandlung verpflichtet ist, jeden Schriftsatz einzeln zu prüfen, um darüber zu befinden, ob die Ausnahme in Bezug auf 10 von 25
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