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Aktenzeichen
7 L 1957/10.F
Datum
30. August 2010
Gericht
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am 30. August 2010

7 L 1957/10.F

Der Kläger begehrte Einsicht in ein Verfahren der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wegen Manipulation einer Aktie durch eine Gesellschaft. Das Verwaltungsgericht lehnt den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Eine Eilbedürftigkeit besteht nicht. Außerdem dürfte das Begehren in der Hauptsache keinen Erfolg haben. Der Informationszugang ist ausgeschlossen, da ansonsten nachteilige Auswirkungen auf ein laufendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren zu befürchten sind. Außerdem steht der Offenlegung die bereichsspezifische Verschwiegenheitspflicht des Wertpapierhandelsgesetzes entgegen, die den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie von personenbezogenen Daten bezweckt. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Personenbezogene Daten Schutz besonderer Verfahren Aufsichtsaufgaben Strafverfolgung

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VERWALTUNGSGERICHT FRANKFURT AM MAIN Geschäftsnummer: 7 L 1957/10.F BESCHLUSS In dem Verwaltungsstreitverfahren des Herrn A., A-Straße, A-Stadt Antragsteller, Proz.-Bev.:     Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt, -- gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, vertreten durch den Präsidenten, Lurgiallee 12, 60439 Frankfurt am Main Antragsgegnerin, Beigeladene:
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-2- Firma X Automobil Holding S.E. C-Straße, C-Stadt Bevollmächtigt: Rechtsanwälte D. D-Straße, D-Stadt wegen           Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main am 30.08.2010 beschlos- sen: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der außer- gerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat. Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt. GRÜNDE I Mit Schreiben vom 18.06.2009 stellte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin folgenden Antrag: „……. beantragen wir Akteneinsicht bezüglich des Verfahrens wegen Kursmanipu- lation der Y-Aktie durch die X-AG.“
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-3- Mit Bescheid vom 02.07.2009 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag ab. Den hiergegen am 04.08.2009 eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin nach Anhörung des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2010 zurück. Mit am 09.08.2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller hiergegen Klage erhoben. Gleichzeitig hat er um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Der Antragsteller kaufte Optionsscheine auf den DAX. Er erwirtschaftete dabei seinem Vor- trag zufolge durch die Kursaufschläge der Y-Aktie am 27.10.2008 einen Verlust von 157.220,-- €. Er ist der Auffassung, dass für die massiven und markttechnisch nicht ge- rechtfertigten Kursaufschläge der Y-Aktie auf bis über 1.000,-- € pro Aktie die unterlasse- nen Informationen der X -SE verantwortlich seien. Die X -SE habe eine entsprechende ad hoc – Mitteilung unterlassen, die Anteile an der Y-AG auf über 75% aufstocken zu wollen. Da die internen Vorgänge bei der X -SE nur anhand von Unterlagen genau nachvollzogen und dargestellt werden können, sei bei der Antragsgegnerin, die gegenüber der X -SE ein Verfahren wegen Kursmanipulationen eingeleitet habe, ein Antrag auf Akteneinsicht ge- stellt worden, um Schadensersatzansprüche des Antragstellers zivilrechtlich erfolgreich durchsetzen zu können. Ausschlussgründe stünden einem Anspruch auf Akteneinsicht nicht entgegen. Nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- und Aufsichtsfunktion der Antragsgegnerin (§ 3 Nr. 1 d. IFG) könnten nicht angenommen werden, da die Antragsgegnerin als Finanzbehörde Ver- stöße gegen das Verbot der Marktmanipulation verfolgen müsse und daher Einblicke in ihre Art der Informationsgewinnung gewähren müsse. Auch eine Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht nach § 8 WpHG sei nicht einschlä- gig. Die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der X -AG seien nicht betroffen, da von der Antragsgegnerin nur solche Informationen erbeten worden seien, welche einen Bezug zu den Kursaufschlägen der Y-Aktie gehabt hätten. Auch handele es sich bei dem Begehren des Antragstellers nicht um allgemein zugängli- che veröffentlichte Informationen gemäß § 9 Abs. 3 IFG. Soweit sich die Antragsgegnerin darauf berufe, widerspreche sie ihrem eigenen Vortrag, dass es sich um geheime Doku- mente handele.
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-4- Die Eilbedürftigkeit des Verfahrens ergebe sich aus einer drohenden zivilrechtlichen Ver- jährung nach § 15 WpHG i. V. m. § 37 b Abs. 4 WpHG. Danach verjähre ein Anspruch nach einem Jahr von dem Zeitpunkt der Entstehung an, zu dem von der Unterlassung Kenntnis erlangt worden sei, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Unterlassung. Vor- liegend sei davon auszugehen, dass diese Verjährung mit dem 27.10.2010, spätestens jedoch zum Ende des Jahres 2010 einsetze, da spätestens zu diesem unbekannten Zeit- punkt eine entsprechende ad hoc Mitteilung von der X -SE unterlassen worden sei. Eine Vorwegnahme der Hauptsache sei wegen der unmittelbar bevorstehenden Verjäh- rung und den damit drohenden irreparablen finanziellen Schäden ausnahmsweise gerecht- fertigt, da sonst zivilrechtliche Ansprüche nicht mehr erfolgreich durchgesetzt werden könn- ten. Eine Entscheidung in der Hauptsache käme voraussichtlich zu spät. Der Antragsteller beantragt, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufzugeben, dem Antragsteller entsprechend seinem Antrag vom 18.06.2009 Akteneinsicht in das „Untersuchungsverfahren wegen etwaiger Kursma- nipulationen der Y-Aktie durch die X -SE“ zu gewähren. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen. Sie ist der Auffassung, dass Ausschlussgründe dem Anspruch auf Akteneinsicht entgegen- stehen. So stehe § 3 Nr. 1 g IFG der begehrten Akteneinsicht überwiegend entgegen. Das Be- kanntwerden der Informationen habe nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zum Themenkomplex X SE/VW bei der Staatsan- waltschaft Stuttgart – Aktenzeichen: 159 Js 69207/09 - . In diesem Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der X SE wegen Verdacht des Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation habe die Antragsgegnerin nach Aufforderung acht Aktenbände an die Staatsanwaltschaft Stuttgart übersandt. Zudem enthielten die staatsanwaltschaftlichen Er- mittlungsakten weitere von der Antragsgegnerin als Untersuchungsbehörde sowie als Sachverständige eingeholte Stellungnahmen bzw. Gutachten. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart habe einer Informationsfreigabe im Wege der Akteneinsicht mit E-Mail vom 12.08.2010 ausdrücklich widersprochen.
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-5- Weiter habe das Bekanntwerden der begehrten Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Antragsgegnerin, § 3 Nr. 1 d IFG. Auch unterlägen die vom Antragsteller zur Einsicht begehrten Akten ganz überwiegend der Verschwiegenheitspflicht der Antragsgegnerin aus § 8 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. § 3 Nr. 4 IFG. Sie enthielten unternehmensbezogene Tatsachen über die X SE, an denen ein ge- schütztes Geheimhaltungsinteresse bestehe, so z.B. Finanzaufstellungen, Finanzierungs- konzepte und - strategien, Konten- und Depotübersichten über Finanzgeschäfte der X SE und Verträge und Korrespondenz der X SE mit Dritten. Daneben enthielten die begehrten Aktenteile auch personenbezogene Daten wie Namen, Geburtsdaten und Wohnanschriften von Mitarbeitern der X SE und personenbezogene Daten Dritter. Weiter sei § 9 Abs. 3 IFG einschlägig, da sich der Antragsteller, was einen Teil der von ihm begehrten Informationen betreffe, aus allgemein zugänglichen Quellen wie Internet oder Pressearchiven die begehrten Informationen wie ad-hoc-Mitteilungen, Unternehmensveröf- fentlichungen und Presseberichte beschaffen könne. Weiter besteht nach Auffassung der Antragsgegnerin kein Anordnungsgrund für eine vor- läufige Maßnahme, da dadurch die Hauptsache vorweggenommen würde. Die vom Antragsteller vorgetragene drohende Verjährung wegen eines Anspruchs aus § 37 b Abs. 1 WpHG stehe nicht im Raum, weil die Voraussetzungen des § 37 b Abs. 1 WpHG nicht erfüllt seien, da Schadensersatzansprüche wegen behaupteter unterlassener Kapitalmarktinformationen nach dem bisherigen Vortrag des Antragstellers nicht erkennbar seien. Daneben habe der Antragsteller prozessuale sowie außerprozessuale Möglichkeiten, dem Einwand der Verjährung entgegen zu treten, insbesondere im Wege verjährungshemmen- der Maßnahmen. Im Übrigen stehe noch nicht fest, ob das Verwaltungsgericht nicht doch vor Ablauf der unterstellten Verjährungsfrist in der Hauptsache entscheide. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass in den Akten der Antragsgegnerin, in welche die Antragstelle- rin Einsicht nehmen möchte, auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der X SE enthal-
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-6- ten seien. Die X SE habe in eine solche Einsicht nicht eingewilligt, da dies die Wettbe- werbsposition und den Geschäftsverlauf der X SE nachteilig beeinflussen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ge- richtsakte, der Gerichtsakte im Verfahren 7 K 1958/10.F(1) und der beigezogenen Behör- denakten (Widerspruchsakte, 1 Heft) Bezug genommen, die vorgelegen haben und zum Gegenstand der Beratung gemacht wurden. II Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet. Eine solche Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes – in der Regel die Eilbedürftigkeit – und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches – der materiell- rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt – glaubhaft machen kann (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines solchen Anordnungsgrundes, also der Eilbedürftigkeit der Sache, ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Die Rechtssache ist in diesem Sinne nicht eilbedürftig, weil das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegensteht. Bei einer entsprechenden gerichtlichen Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller in die im Antrag genannten Unterlagen Einsicht zu ge- währen, träte eine Vorwegnahme der Hauptsache ein, da sich mit erfolgter Einsichtnahme ein anschließendes Klageverfahren in der Hauptsache erledigen würde. Im Hinblick auf die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG, wonach das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht gilt, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewäh-
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-7- rung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, sind die für den Antragstel- ler zu erwartenden Nachteile nicht bei Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache schwer oder unzumutbar. Ein Anordnungsgrund ist insoweit nicht glaubhaft gemacht. So ergibt sich die Eilbedürftigkeit nicht aus der vom Antragsteller vorgetragenen, drohen- den zivilrechtlichen Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Beigelade- nen gemäß § 15 WpHG i.V.m. § 37 b Abs. 4 WpHG. Der Antragsteller hat hierzu vorgetra- gen, dass die dreijährige Verjährungsfrist für den Anspruch aus § 37 b Abs. 1 WpHG im Oktober 2010 ablaufe. Dem Antragsteller stehen insoweit prozessuale Wege nach § 204 BGB zur Seite, welche die Verjährung potentieller Schadensersatzansprüche hemmen, wie zum Beispiel Klageer- hebung oder die Einleitung eines Mahnverfahrens. Daneben hat der Antragsteller auch den behaupteten Anspruch aus § 37 b Abs. 1 WpHG, für welchen seiner Auffassung nach Verjährung droht, nicht glaubhaft gemacht. Nach § 37 b Abs. 1 WpHG i.V.m. § 15 Abs. 6 WpHG ist ein Emittent von Finanzinstrumen- ten, vorliegend die Beigeladene, der es unterlassen hat, unverzüglich eine Insiderinforma- tion zu veröffentlichen, die ihn unmittelbar betrifft, einem Dritten – vorliegend dem Antrag- steller – zum Ersatz des durch die Unterlassung entstandenen Schadens verpflichtet, wenn der Dritte die Finanzinstrumente nach der Unterlassung erwirbt und er bei Bekanntwerden der Insiderinformation noch Inhaber der Finanzinstrumente ist (§ 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG) oder die Finanzinstrumente vor dem Entstehen der Insiderinformation erwirbt und nach der Unterlassung veräußert (§ 37 b Abs. 1 Nr. 2 WpHG). Damit sind Finanzinstrumente gemeint, die das pflichtwidrig handelnde Unternehmen, hier die Beigeladene, selbst emittiert hat (siehe Assmann/Schneider, Kommentar zum WpHG, 4. Auflage, 2006, § 37 b Rn. 47). Schäden von Anlegern, welche nicht die Finanzinstru- mente des pflichtwidrig handelnden Emittenten erworben oder veräußert haben, sondern von Dritten begebende Derivate, wie z.B. Optionsgeschäfte, sind von § 37 b Abs. 1 WpHG nicht erfasst (vgl. Assmann/Schneider, a.a.O.). Der Antragsteller hat mit dem Handeln von Optionsscheinen auf den DAX kein emittierendes Finanzinstrument des seiner Auffassung nach pflichtwidrig handelnden Beigeladenen erworben oder veräußert. Dies ergibt sich auch aus den als Anlage K 1 dem Antragsschriftsatz vom 09.08.2010 beigefügten Kauf- und Verkaufsbelegen.
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-8- Der Antragsteller hat auch nicht in dem erforderlichen Maße glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anordnungsanspruch zusteht, weshalb kein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für ei- nen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988 – 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69/77 f. = NJW 1989, 827; BVerfG Beschluss vom 24.03.2009 – 2 BvR 2347/08). Zwar ist der Antragsteller gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG informationsberechtigt. Der Anspruch auf Informationszugang dürfte hier jedoch gemäß § 3 Nr. 1 g IFG überwie- gend ausgeschlossen sein, da das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswir- kungen auf die Durchführung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Verantwort- liche der X Automobil Holding S.E. wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart haben könnte. Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 1 g IFG reicht es aus, dass das Bekanntwerden der Infor- mationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlung haben „könnte“. Damit kommt eine Berufung auf den Ausschlussgrund entsprechend dem Zweck des Schutzes der Rechtspflege und der Rechtsdurchsetzung in Betracht, wenn eine Ver- fahrensbeeinträchtigung zumindest möglich erscheint (vgl. Rossi, IFG, § 3 Rn. 31 m.w.N.). Somit wird durch diese Vorschrift der Informationszugang für die Dauer eines strafrechtli- chen Ermittlungsverfahrens in der Regel ausgeschlossen (vgl. hierzu: Roth, in Ber- ger/Roth/Scheel, IFG § 3 Rn. 77; Rossi, IFG, § 3 Rn. 31). Hier hat die zuständige Staats- anwaltschaft Stuttgart mit E-Mail vom 12. August 2010 zum Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der X Automobil Holding S.E. mitgeteilt, dass die von der Antragsgegnerin übermittelten Akten, bestehend aus acht Anlagenordnern, zur Anzeige der Antragsgegne- rin an die Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 03.08.2009 sowie einem weiteren Anlagenord- ner zur Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 05.10.2009 als Beiakten geführt werden. Zudem enthalten die Ermittlungsakten weitere von der Antragsgegnerin als Ermittlungsbe- hörde sowie als Sachverständige eingeholte Stellungnahmen bzw. Gutachten. Die Staats- anwaltschaft Stuttgart teilt weiter mit, dass es sich bei dem hiesigen Ermittlungsverfahren um ein umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren handelt, dessen Abschluss noch nicht ab- sehbar ist. Derzeit wertet das mit den Ermittlungen beauftragte Landeskriminalamt Baden- Württemberg die bislang erhobenen Beweismittel einschließlich der von der Antragsgegne- rin übermittelten Informationen aus. Weitere Beweiserhebungen, insbesondere auch weite-
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-9- re Zeugenvernehmungen sind noch in größerem Umfang erforderlich. Die Aussagen sol- cher Zeugen und der Bestand etwa weiter zu erhebender Unterlagen bei Dritten könnten durch die Kenntnis des Inhalts der Akten der Aufsichtsbehörde an Objektivität verlieren oder sonst beeinflusst werden. Akteneinsicht an die durch das Ermittlungsverfahren be- troffenen Unternehmen sowie an Privatanleger, deren Investment durch den Kursverlauf der Stammaktie der Y AG negativ beeinflusst sein könnte oder tatsächlich wurde, hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart deshalb durchgängig versagt. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat die Ermittlungsakten einschließlich der Beiakten der Antragsgegnerin dem Amtsgericht Stuttgart zur richterlichen Entscheidung über einen von der Staatsanwaltschaft Stuttgart negativ beschiedenen Akteneinsichtsantrag vorgelegt. Gegenüber den Rechtsanwälten B. als Vertreter des Antragstellers A., hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, bei der ein Teil des hiesigen Ermittlungsverfahrens vor Abgabe an die Staatsanwaltschaft Stuttgart anhängig war, Akteneinsicht mit Verfügung vom 03.03.2010 bereits aus formallen Gründen abgelehnt. Die Herausgabe der in den Beiakten enthaltenen Informationen an außenste- hende Dritte durch die Antragsgegnerin würde somit eine Umgehung der Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft in einem Verfahrensstadium, in dem die Ermitt- lungen noch nicht abgeschlossen sind, zur Folge haben. Aus dieser Äußerung der Staatsanwaltschaft Stuttgart ergibt sich, dass die vom Antragstel- ler begehrte Akteneinsicht den Untersuchungszweck der staatsanwaltschaftlichen Ermitt- lungen gefährdet, so dass der Informationszugang zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen sein dürfte. Der Anspruch auf Informationszugang dürfte weiter gemäß § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 8 WpHG ausgeschlossen sein. Wie die Antragsgegnerin unbestritten vorgetragen hat, enthalten die zur Einsicht begehrten Aktenteile unternehmensbezogene Tatsachen der X S.E., an wel- chen diese ein geschütztes Geheimhaltungsinteresse hat, wie Finanzaufstellungen, Finan- zierungskonzepte und – strategien, Konten– und Depotübersichten über Finanzgeschäfte der Beigeladenen sowie Verträge und Korrespondenz der Beigeladenen mit Dritten. Weiter enthielten die begehrten Aktenteile personenbezogene Daten wie Namen, Geburtsdaten und Wohnanschriften von Mitarbeitern der X S.E. und personenbezogene Daten Dritter. Es liegen auch nicht die Voraussetzungen vor, um annehmen zu können, dass die bei der Antragsgegnerin verfügbaren Informationen nicht mehr der Verschwiegenheitspflicht nach
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- 10 - § 8 WpHG unterliegen und daher auch nicht mehr schutzbedürftig sind. Zwar hat die Kammer eine Berufung auf die Verschwiegenheitspflicht nach dem insoweit vergleichbaren §§ 9 KWG im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes für nicht zulässig erachtet, sofern es sich bei den Aktivitäten eines von der Antragsgegnerin beaufsichtigten Instituts nach- weislich um kriminelle Handlungen handelte und entsprechende strafrechtliche Verurtei- lungen erfolgt sind (vgl. VG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.03.2008 – 7 E 5426/06(2) - ). Diese eine Ausnahme von § 9 KWG begründenden Voraussetzungen sind jedoch im Fall der X S.E. nicht erfüllt. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Erstattung der außergerichtli- chen Kosten der Beigeladenen erfolgt gem. § 162 Abs. 3 VwGO nicht, da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und somit kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 GKG. Da mit dem vorliegenden Eilantrag die Hauptsache vorweggenommen würde, hat das Gericht den vollen Auffangstreitwert festge- setzt. RECHTSMITTELBELEHRUNG Die Beteiligten können Beschwerde gegen diesen Beschluss einlegen. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Adalbertstraße 18 60486 Frankfurt am Main schriftlich einzulegen. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu be- gründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof Brüder-Grimm-Platz 1 - 3 34117 Kassel
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