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Aktenzeichen
2 A 62.08
Datum
26. Juni 2009
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 26. Juni 2009

2 A 62.08

Gegenstand des Informationsbegehrens war ein außergerichtlicher Vergleich zwischen dem Bundesverkehrsministerium und einem Dritten. Im Hinblick auf die geltend gemachten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sieht das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen für eine Geheimhaltung (u.a. aufgrund der Offenkundigkeit der Informationen) teilweise als nicht gegeben. Andere Informationen wurden jedoch zu Recht geheim gehalten, da ihre Bekanntgabe geeignet ist, die Wettbewerbsposition der betroffenen Unternehmen nachteilig zu beeinflussen. Auch könne das Bekanntwerden von Informationen aus dem Vergleich nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die öffentliche Hand Informationen zurückhalten kann, die der Bürger benötigt, um etwa in einem Amtshaftungsprozess die Rechtswidrigkeit staatlichen Handelns nachzuweisen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Schutz besonderer Verfahren

VG 2 A 62.08 Verkündet am 26. Juni 2009

Wolter Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL

In der Verwaltungsstreitsache

Im Namen des Volkes

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2009 durch

die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Gamp, den Richter am Verwaltungsgericht Richard, den ehrenamtlichen Richter Dr. Kreil, die ehrenamtliche Richterin Westphal,

für Recht erkannt: Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 3. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 14. März 2008 verpflichtet, der Klägerin Zugang zu den unter den Nrn. 1, 3, 4, 7, 8, 14, 16 (Schwärzung hinter "SKYGUIDE"), 19, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 30 und 31 geschwärzten Informationen des Settlement Agreement (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 4. Juni 2009) zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt 9/10, die Beklagte 1/10 der Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes zu einem zwischen der Beklagten und Dritten geschlossenen außergerichtlichen Vergleich.

Die Klägerin war Eigentümerin einer Tupolew TU-154M. Die Passagiermaschine stieß am 1. Juli 2002 mit einer Boeing 757-200, die im Eigentum eines Unternehmens des Kurierdienstes DHL stand, im Luftraum nahe der am Bodensee gelegenen Stadt Überlingen zusammen. Bei dem Unglück kamen 71 Menschen ums Leben, überwiegend Kinder aus der russischen Teilrepublik Baschkortostan.

Im Juni 2005 erhob die Klägerin vor dem Landgericht Konstanz Klage gegen die Beklagte, mit der sie in erster Linie Schadensersatz für ihr bei dem Unglück vollständig zerstörtes Flugzeug sowie darüber hinaus die Freistellung von Ersatzansprüchen Dritter, wie etwa den Angehörigen der tödlich verunglückten Passagiere und Besatzungsmitglieder der beteiligten Flugzeuge begehrte. Mit Urteil vom 27. Juli 2006 bejahte das Landgericht Konstanz die Haftung der Beklagten für die Folgen des Flugzeugunglücks dem Grunde nach. Zugleich wies das Gericht eine Widerklage ab, mit welcher die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht die Feststellung begehrte, dass die Klägerin die Beklagte von Ansprüchen geschädigter Dritter freizustellen habe. Über die gegen dieses Urteil beim Oberlandesgericht Karlsruhe erhobene Berufung der Beklagten ist noch nicht entschieden.

Bereits zuvor hatten die DHL und 19 Versicherer aus verschiedenen Ländern gegen die Beklagte vor dem Landgericht Konstanz eine Klage auf Schadensersatz erhoben, wobei es um den Ersatz des zerstörten DHL-Flugzeugs, Nutzungsausfall, zerstörte Fracht und Bergungskosten ging. Ferner wurde die Feststellung begehrt, dass die Beklagte der DHL auch künftige Schäden zu ersetzen habe. Der Klägerin wurde in diesem Prozess der Streit verkündet. Infolge eines außergerichtlichen Vergleichs vom 9. Juli 2007 wurde dieser Rechtsstreit durch Klagerücknahme beendet. Der Vergleich wurde in einem Settlement Agreement mit acht Annexen festgehalten.

Mitte September 2007 beantragte die Klägerin bei dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, ihr nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes Zugang zu dem Vergleich durch Übersendung zu gewähren.

Nach vorheriger Beteiligung der an dem Vergleich beteiligten Unternehmen lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 3. Dezember 2007, bestätigt durch Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 14. März 2008, teilweise ab. Dabei wurde der Klägerin u. a Zugang zum Inhalt des Settlement Agreement unter Schwärzung verschiedener Passagen gewährt. Zur Begründung der

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teilweisen Ablehnung führte die Beklagte u. a. an, der Anspruch sei nach § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG (Schutz laufender Gerichtsverfahren) ausgeschlossen. Denn durch das Bekanntwerden der begehrten Informationen könne der zwischen der Klägerin und der Beklagten weiterhin anhängige Schadensersatzprozess beeinträchtigt werden, indem angesichts der besonderen Tragik des Flugunfalls und des damit verbundenen besonderen Interesses der Öffentlichkeit sachfremder Druck auf die Entscheidungsträger erzeugt werden könne.

Auch der Schutz vertraulich übermittelter Informationen nach § 3 Nr. 7 IFG stehe einem Anspruch der Klägerin entgegen. Denn der mit einem größeren Kreis weiterer Beteiligter geschlossene Vergleich beinhalte durchgängig umfangreiche Informationen zu der genauen Bezeichnung aller am Vergleich unmittelbar oder mittelbar beteiligter Versicherer und Rückversicherer mit deren jeweils übernommenen Rechten und Pflichten, wie insbesondere Zahlungs- und Verzichtsanteile. Diese detaillierten Informationen seien der Beklagten vertraulich übermittelt worden.

Der Anspruch sei auch nach § 3 Abs. 1 Buchst. a IFG ausgeschlossen, da das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen Deutschlands zur Schweiz haben könne. Auch wenn die schweizerische Eidgenossenschaft nicht unmittelbar Vertragspartner des Vergleichs sei, so seien im Hinblick auf den zugrunde liegenden gemeinsamen deutsch-schweizerischen Entschädigungsfonds, über dessen nähere Inhalte gleichermaßen strikte Vertraulichkeit vereinbart sei, die schweizerischen Interessen zumindest mittelbar deutlich betroffen.

Eine Versagung der begehrten Informationen sei schließlich auch auf die Tatsache zu stützen, dass im vorliegenden Fall Geschäftsgeheimnisse der beteiligten Dritten betroffen seien (§ 6 Satz 2 IFG). Dies ergebe sich aus den hinsichtlich der anderen Ausschlussgründe vorgebrachten Begründungen.

Die Klägerin hat am 17. April 2008 Klage erhoben, mit der sie zunächst die Verpflichtung der Beklagten begehrt hat, Zugang zu sämtlichen Teilen des Vergleichs vom 9. Juli 2007 zu erhalten. Die Beklagte hat der Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Juni 2009 einige der bis dahin geschwärzten Passagen des Settlement Agreement offenbart, nachdem sie zuvor den betroffenen Unternehmen erneut Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte. Die verbleibenden geschwärzten Stellen hat sie fortlaufend nummeriert. Die Klägerin begehrt nunmehr lediglich noch den Zugang zu der überwiegenden Anzahl der geschwärzten Stellen des Settlement Agreement ohne die Annexe.

Sie ist der Auffassung, dass Ausschlussgründe dem von ihr geltend gemachten Informationsanspruch nicht entgegenstünden. Die Beklagte habe entsprechende Gründe nicht hinrei-

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chend substantiiert dargelegt. Soweit sie sich auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG berufe, verkenne sie, dass die Vorschrift nach ihrem klaren Wortlaut nur Informationen aus laufenden Verfahren umfasse. Ob die Informationen aus bereits beendeten Verfahren in einem anderen Verfahren verwendet werden könnten, sei eine andere Frage. Der Gesetzgeber wolle diese Möglichkeit jedoch bewusst nicht ausschließen, so dass die Besorgnis, sie könne die hier begehrten Informationen in einem Verfahren gegen die hiesige Beklagte verwenden, eine Verweigerung des Informationszuganges nicht rechtfertigte. Der Versagungsgrund des § 3 Nr. 7 IFG schütze lediglich den Hinweisgeber vor der Preisgabe seiner Identität. Dies sei hier jedoch nicht zu befürchten, da ihr bereits alle Beteiligten des Vergleichs bekannt seien.

Dass eine Zugangsgewährung negative Auswirkungen auf die Beziehungen zur Schweiz bewirken könne, habe die Beklagte nicht dargelegt. Hierfür sei auch sonst nichts ersichtlich.

Es handele sich bei den fraglichen Informationen auch nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Vergleich Amtshaftungsansprüche gegen die Beklagte zum Inhalt gehabt habe. Diese unterläge auch in diesem Bereich öffentlich-rechtlichen Bindungen, deren Einhaltung durch den begehrten Informationszugang überwacht werden solle. Die Beklagte könne sich nicht durch eine Flucht ins Privatrecht öffentlich-rechtlichen Pflichten entziehen.

Soweit es um die Zahlungspflicht der Beklagten gegenüber DHL gehe, sei höchstens ein Geschäftsgeheimnis der DHL betroffen. Diese habe ihr jedoch den Streit verkündet und mit ihr einen Verjährungsverzicht sowie eine Kooperation vereinbart. Die DHL könne sich gegenüber der hiesigen Klägerin damit nicht auf ein mögliches Geschäftsgeheimnis berufen. Dass es insgesamt an einem berechtigten Interesse an der Geheimhaltung fehle, ergebe sich auch daraus, dass ihr die Beklagte in dem vor dem Landgericht Konstanz geführten Prozess bereits die nach dem Vergleich vom Juli 2007 an die "DHL INTERESTS" zu erbringende Leistung mit Schriftsatz vom 17. Juli 2008 mitgeteilt habe.

Die Klägerin beantragt nunmehr, den Ablehnungsbescheid des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 3. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Informationszugang zum Settlement Agreement (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 4. Juni 2009) zu gewähren mit Ausnahme der dort unter Nr. 2, 5, 6, 11, 12, 28, 29, 32, 33 und 34 geschwärzten Stellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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Sie hält an ihrer ablehnenden Entscheidung im Wesentlichen aus den Gründen des Ablehnungsbescheides fest. Im Übrigen erläutert sie die noch verbliebenen Schwärzungen im Settlement Agreement im Wesentlichen wie folgt: Der Versicherer von Skyguide sei geschwärzt, weil dieser darauf bestanden habe, nicht benannt zu werden. Die Schwärzung der Firmen von weiteren Beteiligten des Vergleichs, insbesondere der konkret am Vergleich beteiligten DHL-Unternehmen und der Namen ihrer Vertreter sei vorgenommen worden, weil es sich insoweit um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dieser Unternehmen handele. Gleiches gelte hinsichtlich der konkret vereinbarten, von den jeweiligen Vertragsbeteiligten zu erbringenden Leistungen, der Bezeichnung der Institutionen, an die geleistet werde sowie der Angabe der genauen Anzahl der zu erbringenden Leistungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (zwei Ordner) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Soweit die Klägerin ihre Klage bei objektiviertem Verständnis (§§ 133, 157 BGB) zurückgenommen hat, also hinsichtlich der Schwärzungen Nr. 2, 5, 6, 11, 12, 28, 29, 32, 33 und 34 des Settlement Agreement vom 9. Juli 2007 sowie der Annexe A bis H, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

Die Verpflichtungsklage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Insoweit ist die Ablehnung der begehrten Informationsgewährung rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn insoweit hat die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung des begehrten Informationszuganges (I.). Im Übrigen ist die Klage unbegründet (II.).

I. Die Klägerin hat gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) Anspruch auf die Gewährung von Zugang zu den unter den Nrn. 1, 3, 4, 7, 8, 14, 16 (Schwärzung hinter "SKYGUIDE"), 19, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 30 und 31 geschwärzten Informationen des Settlement Agreement (Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 4. Juni 2009). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Ge-

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setzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Zugang erfolgt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 IFG durch Auskunftserteilung, die Gewährung von Akteneinsicht oder die Zurverfügungstellung von Informationen in sonstiger Weise.

Die Klägerin begehrt Zugang zu amtlichen Informationen. Gemäß § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG ist im Sinne dieses Gesetzes amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Amtlich sind solche Informationen, die in Erfüllung amtlicher Tätigkeit angefallen sind. Dabei kommt es weder auf die Art der Verwaltungsaufgabe noch auf die Handlungsform der Verwaltung an. Unerheblich ist deshalb, ob die begehrten Informationen hoheitliches, schlicht-hoheitliches oder fiskalisches Behördenhandeln betreffen. Auch ein Bezug zu einem konkreten Verwaltungsvorgang ist nicht erforderlich. Nicht amtlich sind dagegen private Informationen sowie Informationen, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen (vgl. Rossi, IFG, 2006, § 2 Rn. 10). Der Abschluss eines von der Beklagten zur Beendigung eines Amtshaftungsprozesses geschlossenen außergerichtlichen Vergleichs stellt danach amtliche Tätigkeit da.

Hinsichtlich der genannten geschwärzten Stellen stehen Ausschlussgründe nach §§ 3 ff. IFG einem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Die Beklagte hat das Vorliegen entsprechender Tatbestände nicht hinreichend dargelegt.

M aßstab für die Prüfung von Ausschlussgründen ist, ob deren Vorliegen plausibel dargelegt ist; dabei müssen die Angaben nicht so detailliert sein, dass Rückschlüsse auf die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber so einleuchtend und nachvollziehbar sein, dass das Vorliegen von Ausschlussgründen geprüft werden kann (Urteil der Kammer vom 10. September 2008 – VG 2 A 167.06 –; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21. März 1986 – BVerwG 7 C 71/83 – Rn. 15, juris; BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 1996 – BVerwG 1 B 37/95 – Rn. 15, juris). Dies ist hier hinsichtlich der genannten Passagen nicht der Fall.

Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass es sich bei den in Frage stehenden geschwärzten Stellen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 6 Satz 2 IFG handelt, zu denen Zugang nur gewährt werden darf, soweit – was hier nicht der Fall ist – der Betroffene einwilligt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden allgemein alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches

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Wissen. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis setzt danach neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (BVerfGE 115, 205 <230 f.>; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 – BVerwG 7 C 18.08 – und Beschluss vom 19. Januar 2009 – BVerwG 20 F 23.07 juris ).

Hinsichtlich der Bezeichnung des Versicherers von Skyguide (Schwärzung Nr. 1) handelt es sich um eine offenkundige Information. Den allgemein zugänglichen Quellen, wie etwa der im Internet veröffentlichten Pressemitteilung des Landgerichts Konstanz vom 8. Februar 2006, kann entnommen werden, dass die schweizerische Winterthur-Versicherung Versicherer der Skyguide ist.

Soweit die Beklagte jeweils "einen Vertragsbeteiligten" geschwärzt hat (Schwärzungen Nr. 14, 16 [Schwärzung hinter "SKYGUIDE"], 19, 21, 25, 27, 30 [Schwärzung hinter "made to"…"] und 31), ist ein berechtigtes Interesse des betreffenden Vertragsbeteiligten an der Nichtverbreitung der Information nicht plausibel dargelegt. Es ist nicht erkennbar, weshalb die Offenlegung der Information als solche oder im Zusammenhang mit den von der Beklagten offenbarten Vertragspassagen geeignet sein soll, die Wettbewerbsposition dieses Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Dies gilt umso mehr, weil die Beklagte es unterlassen hat, sämtliche Vertragsbeteiligte zu schwärzen bzw. die Firma des in Frage stehenden Vertragsbeteiligten durchgehend zu schwärzen. Dies stellt das Gewicht des von der Beklagten behaupteten Interesses des Vertragsbeteiligten an der Geheimhaltung erheblich in Frage. So kann bei den meisten Schwärzungen "eines Vertragsbeteiligten" ohne weiteres darauf geschlossen werden, welcher der Vertragsbeteiligten sich hinter der betreffenden Schwärzung verbirgt. Denn entweder sind die Namen von der Beklagten offengelegt worden (neben der Beklagten noch "SKYGUIDE" sowie "WINTERTHUR" und "REINSURERS" auf der einen Seite [Sammelbezeichnung: "SKYGUIDE INTERESTS"] und [zwei näher bezeichnete Unternehmen von] "DHL" sowie "DHL INSURERS" auf der anderen Seite [Sammelbezeichnung: "DHL INTERESTS"]) oder sie sind durch die Aufzählung im Text ohne weiteres durch Schlussfolgerung erkennbar. Dies wird besonders augenfällig bei der Schwärzung Nr. 19, wo im selben Satz alle weiteren Vertragsbeteiligten aufgeführt werden; somit ist ohne weiteres erkennbar, dass sich hinter dieser Schwärzung der noch verbliebene Vertragsbeteiligte, nämlich "WINTERTHUR" verbirgt.

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Die Beklagte hat auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die Offenlegung der genauen Bezeichnung der beiden am Vergleich beteiligten DHL-Unternehmen (Nrn. 3, 4, 8, 23, 24, 26, 30 [Streichungen hinter "DHL"]) bzw. deren Vertreter (Nr. 7) als solche bzw. im Zusammenhang mit den von der Beklagten offenbarten Vertragspassagen die Wettbewerbsposition dieser Unternehmen nachteilig beeinflussen könnte.

Weitere Ausschlussgründe für diese Schwärzungen hat die Beklagte nicht darzulegen vermocht. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb das Bekanntwerden der Namen der Vertragsbeteiligten und ihrer Vertreter nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen der Beklagten zur Schweiz haben kann (§ 3 Nr. 1 Buchst. a IFG). Ebenso wenig ist plausibel, dass diese Informationen der Beklagten vertraulich übermittelt worden sein könnten (§ 3 Nr. 7 IFG). Dass die beteiligten Unternehmen den Eintritt in Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten bzw. den Abschluss des Vergleichs davon abhängig gemacht hätten, dass ihre Anonymität gegenüber Dritten dauerhaft gewahrt bleibt, ist schon dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen.

Der Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Informationszugang ist auch spruchreif. Zwar kann es hieran fehlen, sofern eine Verpflichtung der Beklagten zur Informationsgewährung nur unter Verstoß gegen die Verfahrensrechte der nur ihr bekannten Unternehmen aus § 8 IFG möglich wäre (vgl. zu einer solchen Sachlage Urteile der Kammer vom 14. Dezember 2006 – VG 2 A 53.06 – und vom 4. Mai 2006 – VG 2 A 121.05 –). Ein solcher Fall ist hier jedoch schon deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte die fraglichen Unternehmen bereits beteiligt hat.

II. Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG darauf, dass ihr die Beklagte Zugang zu den unter den Nrn. 9, 10, 13, 15, 17, 18, 20 und 22 geschwärzten Informationen des Settlement Agreement gewährt. Insoweit ist der Anspruch nach § 6 Satz 2 bzw. § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG ausgeschlossen.

  1. Die Beklagte hat dargelegt, dass es sich bei den geschwärzten Angaben über die konkret zu erbringenden Leistungen ("Zahlungen, Anerkenntnisse, Verantwortlichkeiten"), deren Höhe, Gläubiger, Schuldner und Anzahl um Geschäftsgeheimnisse der beteiligten Unternehmen handelt, da diese Informationen nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und der jeweilige Rechtsträger an ihrer Nichtverbreitung ein berechtigtes Interesse hat. Es ist plausibel, dass die Offenbarung dieser Informationen geeignet ist, die Wettbewerbsposition dieser Unternehmen nachteilig zu beeinflussen. Insbesondere die Informationen darü-

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ber, welche der beteiligten Versicherer oder Rückversicherer Leistungen zu erbringen oder auch nicht zu erbringen hat, stellt exklusives kaufmännisches Wissen dar, welches Marktkonkurrenten Rückschlüsse auf die Werthaltigkeit des Unternehmens und etwaige Unternehmensstrategien erlauben kann. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Informationen darüber, in welchem Umfang die infolge des Flugzeugunglücks geschädigten DHL-Unternehmen Leistungen erhalten haben. Das berechtigte Interesse der beteiligten Unternehmen, insbesondere der beteiligten Versicherer an der Geheimhaltung der in Frage stehenden Informationen ist nicht zuletzt deshalb nachvollziehbar, weil der in Frage stehende Vergleich lediglich einen Teilbereich der verschiedenen, in Folge der Flugzeugkatastrophe womöglich entstandenen Ersatzansprüche ausmacht. Kenntnisse über die in diesem Bereich konkret zu erbringenden Leistungen lassen aber Spekulationen oder gar Rückschlüsse über den zu erwartenden Umfang weiterer Verpflichtungen zu und könnten deshalb die Marktposition der fraglichen Versicherer schwächen.

An dieser Einschätzung änderte sich selbst dann nichts, sofern der Klägerin seitens der Beklagten oder der DHL in anderem Zusammenhang die hier in Frage stehenden Informationen zum Teil bereits mitgeteilt worden sind. Denn auch dann blieben die konkret getroffenen Vereinbarungen weiterhin nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich und es bestünde das berechtigte Interesse an der Nichtverbreitung dieser Informationen fort.

  1. Soweit die in Frage stehenden Informationen die Beklagte betreffen, bedarf es keiner Entscheidung, ob sich diese auf den Ausschlussgrund des § 6 Satz 2 IFG berufen kann. Denn insoweit ist die Gewährung von Informationszugang jedenfalls gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. g IFG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens haben kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

§ 3 IFG dient – wie der Gesetzgeber auch in der Überschrift zu dieser Vorschrift zum Ausdruck bringt – dem "Schutz von besonderen öffentlichen Belangen". Nr. 1 Buchst. g der Vorschrift soll das Gerichtsverfahren als Teil der Rechtspflege vor Beeinträchtigungen durch das Bekanntwerden verfahrensrelevanter Informationen schützen (vgl. Urteil der Kammer vom 27. Juni 2007 – VG 2 A 136.06 – m- w. N.; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 19. Juni 2002 – 21 B 589/02 – NVwZ-RR 2003, 800 ff. und BVerwGE 110, 17 <24> zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG a. F.). Es soll sichergestellt werden, dass die Gerichte das laufende Gerichtsverfahren unter Einhaltung der jeweils einschlägigen Prozessordnung und unter Wahrung der verfassungsmäßigen Verfahrensrechte der Parteien führen können (Urteil der Kammer vom 27. Juni 2007 – VG 2 A 136.06 –). Die Bestimmung soll gewährleisten, dass die Beteiligten, d. h. auch die öffentliche Hand, ihre prozessualen Rechte gleichberechtigt wahrnehmen können.

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Hierzu zählt auch die Fähigkeit, über den Streitgegenstand frei disponieren zu können. Ebenso wird die Befugnis der Beteiligten geschützt, im Rahmen der jeweiligen Verfahrensordnungen darüber verfügen zu können, ob und in welchem Umfang sie Dritten Informationen über Gegenstand und Inhalte des von ihnen geführten Gerichtsverfahrens zugänglich machen (vgl. Urteil der Kammer vom 11. Juni 2008 – VG 2 A 69.07 –). Dies bedeutet indes nicht, dass die öffentliche Hand Informationen zurückhalten kann, die der Bürger benötigt, um etwa in einem Amtshaftungsprozess die Rechtswidrigkeit staatlichen Handelns nachzuweisen.

Nachteilige Auswirkungen liegen vor, wenn sich das Bekanntwerden der Information negativ oder ungünstig auswirken kann. Eine mögliche Belastung ist ausreichend; eine Gefährdung, Beeinträchtigung oder ein Schaden ist nicht erforderlich (Urteil der Kammer vom 31. Mai 2007 – VG 2 A 93.06 – juris).

Hier ist für den Fall der Herausgabe der in Frage stehenden Informationen eine Beeinträchtigung der Verfahrensposition der Beklagten in dem zwischen ihr und der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe geführten Rechtsstreit zu befürchten. Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass die Veröffentlichung der hier noch in Streit stehenden Informationen aus dem u. a. zwischen der Beklagten und den anderen Unfallbeteiligten geschlossenen Vergleich die Verhandlungsspielräume der Beklagten in dem mit der Klägerin geführten Schadensersatzprozess beschränken kann. Denn die Beklagte unterläge angesichts der Identität des Schadensereignisses im Falle der Veröffentlichung unweigerlich einem gewissen Rechtfertigungsdruck gegenüber der Klägerin, sofern sie im Falle der Klägerin eine von den Vereinbarungen des Settlement Agreement abweichende Verhandlungsposition einnähme. Dies könnte die Fähigkeit der Beklagten einschränken, frei darüber entscheiden zu können, ob und in welchem Umfang sie die von der Klägerin verfolgten Ansprüche – etwa im Rahmen einer vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits – anerkennt. Diese Gefahr besteht selbst dann, wenn – wie die Klägerin meint – die Beklagte bei Verhandlungen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Amtshaftungsanspruches den Bindungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes unterläge, was hier offen bleiben kann. Denn auch in diesem Falle könnte der bestehende Rechtfertigungsdruck die Verhandlungsspielräume der Beklagten selbst dort beschneiden, wo eine Ungleichbehandlung tatsächlich nicht vorläge oder sachlich gerechtfertigt wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 154 Abs. 1 VwGO. Dabei hat die Kammer zum einen berücksichtigt, dass die Klägerin ihre Klage in einem wesentlichen Umfang zurückgenommen hat; zum anderen ist die Kammer davon ausgegangen, dass die nach dem Urteilstenor zu offenbarenden Informationen für die Klägerin von wesent-

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Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.

Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

Für das Berufungsverfahren besteht Vertretungszwang. Danach muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im hö-

heren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Xalter Dr. Gamp Richard

Ri/Wol./Neu. Ausgefertigt

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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