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Aktenzeichen
2 A 57.06
Datum
20. November 2008
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 20. November 2008

2 A 57.06

Es besteht kein Anspruch auf Informationszugang zum Textteil der Planungsstudie Bypass Hochrhein. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Zugangsanspruch besteht, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht. Zu diesem Zeitpunkt besteht jedoch kein Anspruch, denn die Unterlagen sind beim beklagten Bundesministerium infolge Rückgabe nicht mehr vorhanden. Eine Wiederbeschaffung der weggebenen Informationen ist nicht möglich, da die Stelle, die nunmehr über die Unterlagen verfügt, ausdrücklich erklärt hat, die erneute Herausgabe abzulehnen. (Quelle: LDA Brandenburg)

VG 2 A 57.06 Verkündet am 20. November 2008

Kelm Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL In der Verwaltungsstreitsache

Prozessbevollmächtigte:

gegen

Im Namen des Volkes Klägers,

die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Invalidenstraße 44, 10115 Berlin,

Beklagte,

beigeladen: 1. 2.

Prozessbevollmächtigte:

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2008 durch

die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Patermann, den Richter am Verwaltungsgericht Ringe, die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

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Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Zugang des Klägers zu dem Textteil der "Planungsstudie Bypass Hochrhein - Technischer Bericht". In der Planungsstudie geht es um den möglichen Schienenweg-Bypass für den Raum Basel. Sie untersucht mehrere Trassenführungsvarianten im Wesentlichen auf dem Gebiet des Landes Baden-Württemberg, die z.T. mit unterschiedlichen Querungspunkten am Hochrhein verbunden sind. Die Studie wurde im Außenverhältnis durch die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), im Innenverhältnis mit anteilig gleichen Rechten und Pflichten durch die SBB und die Beigeladene zu 1) in Auftrag gegeben und durch ein schweizerisches Ingenieurbüro erstellt. Sie enthält nach Angaben der Beklagten u.a. Aussagen zu vorhandenen Anlagen, Betriebsführung, Ausbaustandards, notwendigen Anpassungen der Infrastruktur, Sicherungstechnik sowie Angaben über die Längen einzelner Streckenabschnitte, ferner Werte und Parameter zur Investitionsermittlung, Kalkulationen von Kosten, Prozessbeschreibungen und Datenquellen aus dem Bereich der wirtschaftlichen Betätigung der Beigeladenen zu 1) und der SBB. Sie wurde nicht qualifiziert abgeschlossen, da ein seinerzeit eingesetzter interministerieller Ausschuss der beteiligten Staaten (Deutschland, Schweiz und Frankreich) den Abbruch der Studie durchsetzte. Die Beigeladene zu 1) übersandte den Textteil der Studie ohne dazugehöriges weiteres Kartenmaterial im Jahre 2004 unaufgefordert an das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (jetzt: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) zur Verwendung im aktuellen interministeriellen "trilateralen Lenkungsausschuss" für die Verkehrsführung im Raum Basel. Das Ministerium sandte die Planungsstudie im Juni 2008 auf Anforderung an die Beigeladene zu 1) zurück.

Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2006 beantragte der Kläger beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Zugang zu der Planungsstudie Bypass Hochrhein. Aufgefordert zur Stellungnahme erklärte die Beigeladene zu 1), dass sie die Planungsstudie als ihr geistiges Eigentum bzw. dasjenige der SBB betrachte und nicht bereit sei, die darin enthaltenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse preiszugeben. Die Studie sei dem Ministerium nur zur Verwendung im "Trilateralen Lenkungsausschuss von Frankreich, der Schweiz und Deutschland zur Verkehrsführung im Raum Basel" zur Verfügung gestellt worden. Einer weitergehenden Nutzung oder allgemeinen Veröffentlichung habe sie nicht zugestimmt. Es werde angeregt, das Einsichtsgesuch nicht nur in Bezug auf das geistige Eigentum, sondern

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auch im Hinblick auf die notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen abzulehnen.

Mit Bescheid vom 20. Februar 2006 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers unter Hinweis auf das geistige Eigentum an der Planungsstudie sowie die darin enthaltenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ab. Die Beigeladene zu 1) habe in den Zugang nicht eingewilligt. Zudem sei der Antrag unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen abzulehnen.

Mit dem hiergegen am 24. Februar 2006 erhobenen Widerspruch wies der Kläger im Wesentlichen darauf hin, dass amtliche Werke grundsätzlich keinen urheberrechtlichen Schutz genössen. Aus dem Inhalt der Studie, wie er sich nach einem Schreiben der SBB vom 28. Februar 2003 darstelle, ergebe sich kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis.

Das Ministerium wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2006 zurück. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen ergänzend zum Ausgangsbescheid, die Planungsstudie sei kein amtliches Werk im Sinne des Urhebergesetzes, da sie im Auftrag von Privaten erstellt und dem Ministerium nur nachrichtlich zur Verfügung gestellt worden sei. Sie sei auch nicht zur allgemeinen Kenntnis veröffentlicht worden.

Mit der am 12. April 2006 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und ergänzt im Wesentlichen, die Beklagte sei zur Wiederbeschaffung der Studie verpflichtet, da sich die Planungsstudie im Zeitpunkt des Antragszuganges bei der Behörde befunden habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 20. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 9. März 2006 zu verpflichten, ihm Akteneinsicht in den von der Beigeladenen zu 1. mit Schreiben vom 5. Februar 2004 an das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen übersandten Textteil der Planungsstudie "Bypass Hochrhein - Technischer Bericht" - ohne Kostensätze und ohne Kostenberechnungen - zu gewähren und ihm hierzu gut lesbare Ablichtungen oder die elektronische Form des Materials zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Sie hält an dem angefochtenen Bescheid unter Vertiefung ihrer dortigen Ausführungen fest und ergänzt im Wesentlichen, es bestehe keine Wiederbeschaffungspflicht wegen des Vorliegens von Ausschlussgründen.

Die Beigeladenen beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie schließen sich der Auffassung der Beklagten an und tragen im Wesentlichen ergänzend vor, die Beklagte sei nicht als Behörde des Bundes tätig geworden. Denn bei der Entgegennahme der Studie habe sie nicht öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit, sondern Regierungstätigkeit im Sinne politischer Staatslenkung ausgeübt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (ein Ordner mit drei Heftern und ein weiterer Ordner) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Denn die Ablehnung der begehrten Informationsgewährung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; er hat keinen Anspruch auf Zugang zum Textteil der Planungsstudie "Bypass Hochrhein - Technischer Bericht" ($ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach 8 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) vom 5. September 2005 (BGBi. I S. 2722) hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Anspruch des $ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG erstreckt sich allerdings nur auf solche Informationen, die tatsächlich bei der Behörde vorhanden sind (Rossi, IFG, 1. Aufl. 2006, $ 2 Rn. 11). Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Zugangsanspruch besteht, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht. In diesem Zeitpunkt besteht im vorliegenden Fall kein Anspruch, denn die vom Kläger begehrten Unterlagen sind infolge Rückgabe an die Beigeladene zu 1) nicht mehr bei der Beklagten vorhanden.

Nach der Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg ist die Behörde zwar verpflichtet, solche Informationen wieder zu beschaffen, die - wie hier - bei Eingang des Antrags bei der Behörde vorhanden sind, von dieser aber in Kenntnis der beantragten Akteneinsicht und vor

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Einsichtsgewährung aus der Hand gegeben werden (Urteil vom 2. Oktober 2007 - OVG 12 B 9.07 -, mit Verweis auf Rossi, a.a.O., 82 Rn. 19; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, 829 Rn. 39; BFH, Beschluss vom 16. Mai 2000, NVwZ 2000, 1334). Die Pflicht zur Wiederbeschaffung setzt jedoch voraus, dass der Behörde eine Wiederbeschaffung möglich ist (Urteil der Kammer vom 24. September 2008 - VG 2 A 135.07 -). Der Behörde ist die Wiederbeschaffung der Informationen dann möglich, wenn ihr diese auf Verlangen zurückgewährt werden (vgl. zu dieser Konstellation das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober 2007, a.a.O.). Ob die Behörde einen Rechtsanspruch auf die Rückgabe der Unterlagen hat und diesen gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen könnte und müsste, ist vom Gericht nicht zu prüfen. Denn das Informationsfreiheitsgesetz gibt dem Einzelnen lediglich einen Anspruch auf Zugang zu solchen Informationen, über die die Behörde disponieren kann. Die vom Informationsfreiheitsgesetz bezweckte Kontrollfunktion (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 6) wird damit gleichwohl gewahrt. Denn eine Behörde, die in Kenntnis einer beantragten Akteneinsicht vor Einsichtgewährung Informationen aus der Hand gibt, ohne sicherzustellen, dass sie sich diese wiederbeschaffen kann, setzt sich dem Vorwurf aus, dass sie den vom Gesetzgeber eingeräumten Anspruch auf Informationszugang umgehen will.

Gemessen hieran ist die Wiederbeschaffung der weggegebenen Informationen nicht möglich. Denn die Beigeladene zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass sie die erneute Herausgabe der Planungsstudie ablehne.

Die übrigen Streitpunkte, insbesondere die Frage des Vorliegens von Ausschlussgründen können danach auf sich beruhen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus $8$ 154 Abs. 1. Es entsprach der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Kläger aufzuerlegen, da die Beigeladenen einen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben, 88 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf $ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 i.V.m. 8 709 Satz 2 ZPO.

Die Berufung war gemäß 88 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Frage des Umfangs einer möglichen behördlichen Verpflichtung, weggegebene Informationen wieder zu beschaffen, grundsätzliche Bedeutung hat.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.

Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Berufung ist innerhalb von Zwei Monaten nach Zustellung des Urteils schriftlich zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus können auch die in $ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneten Personen und Organisationen auftreten. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören.

Xalter Patermann Ringe

Ri/gr