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Aktenzeichen
2 A 68.06
Datum
16. Januar 2008
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 16. Januar 2008

2 A 68.06

Gegenstand des Antrags auf Informationszugang waren Aktenvorgänge des Bundesjustizministerium zu einem abgeschlossenen Gesetzgebungsvorhaben für ein Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Das Verwaltungsgericht stellt fest, dass das Bundesjustizministerium bei der in Frage stehenden Tätigkeit der Ausarbeitung und Vorbereitung einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung nicht dem Behördenbegriff des Informationsfreiheitsgesetzes unterfällt. Es handelt sich vielmehr um die Wahrnehmung von Regierungsaufgaben. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Begriffsbestimmung Exekutiver Kernbereich (Regierungshandeln)

VG 2 A 68.06 Verkündet am 16. Januar 2008

Kelm Justizangestellte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL

In der Verwaltungsstreitsache

Im Namen des Volkes

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2008 durch

den Richter am Verwaltungsgericht Richard, den Richter am Verwaltungsgericht Erckens, den Richter am Verwaltungsgericht Ringe, die ehrenamtliche Richterin und die ehrenamtliche Richterin

für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

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  • 2 - Tatbestand

Der Kläger begehrt gebührenfreien Zugang zu bei dem Bundesministerium der Justiz vorhandenen Informationen zum - abgeschlossenen - Gesetzgebungsvorhaben Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Mit E-Mail vom 9. Januar 2006 beantragte der Kläger Akteneinsicht in alle bei dem Bundesministerium der Justiz geführten Aktenvorgänge betreffend die Gebührenanpassung nach der Bundesratsanwaltsgebührenordnung bzw. die Umstellung auf das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.

Mit Bescheid vom 15. Februar 2006 machte das Bundesministerium der Justiz den Zugang zu den gewünschten Informationen mit der Begründung eines zu erwartenden erheblichen Verwaltungsaufwandes bei der Antragsbearbeitung von der Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 500,00 € abhängig. Mit dem hiergegen am 16. Februar 2006 erhobenen Widerspruch beanstandete der Kläger, ihm sei ein erheblicher Verwaltungsaufwand nicht ersichtlich; im Übrigen benötige er die Informationen in einem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof, weshalb eine Verpflichtung zur Zahlung eines Vorschusses nicht gerechtfertigt sei. Mit Bescheid vom 13. April 2006 half das Bundesministerium der Justiz dem Widerspruch insoweit ab, als ein höherer Vorschuss als 420,00 € mit dem Ausgangsbescheid gefordert worden war. Im Übrigen wies es den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 6. Mai 2006 Klage erhoben mit dem Begehren, ihm unverzüglich gebührenfreie Akteneinsicht in die bei der Beklagten geführten vollständigen Akten des Gesetzgebungsvorhabens Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu gewähren.

Nach Klageerhebung beantragte der Kläger am 18. Oktober 2006 bei der Beklagten, ihn von der Verpflichtung zur Zahlung von Gebühren wegen Bedürftigkeit zu befreien. Zum Beleg fügte er einen Sozialhilfebescheid bei. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, auf der Grundlage des vorgelegten Sozialhilfebescheides werde davon abgesehen, den Kostenvorschuss zu fordern. Die 37 Aktenbände der Gesetzgebungsmaterialien zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz würden nunmehr auf das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen nach dem § 3 bis 6 des Informationsfreiheitsgesetzes überprüft.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2006 gab die Beklagte dem Antrag auf Informationszugang teilweise statt; von einer Gebührenerhebung werde mit Blick auf den vorgelegten Sozialhilfe-bescheid abgesehen. Die begehrte Akteneinsicht in die nicht nur 37, sondern insgesamt so-

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gar 50 Aktenbände könne erfolgen. Einige Informationen seien indes ausgenommen. So seien ausgeschlossen Schreiben von Personen, die nicht im Rahmen der Beteiligung an dem Gesetzgebungsverfahren nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung eingegangen seien. Nach § 5 Abs. 1 des Informationsfreiheitsgesetzes dürfe Zugang zu personenbezogenen Daten, die sich in solchen Schreiben regelmäßig befänden, nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiege oder der Dritte einwillige. Ein überwiegendes Informationsinteresse liege nicht vor. Wegen der Vielzahl der Eingaben sei im Interesse des Klägers davon abgesehen worden, die Einsender nach ihrem Einverständnis zu fragen; den Dritten habe anderenfalls Gelegenheit gegeben werden müsse, sich binnen Monatsfrist schriftlich zur Preisgabe ihrer Daten zu äußern. Weiter seien Dokumente entheftet worden, die nicht-öffentliche Vorgänge des Bundestages und des Bundesrates beträfen. Gleichfalls sei Schriftverkehr mit den Mitgliedern einer sog. "BRAGO-Expertenkommission" einschließlich der Sitzungsprotokolle dieser Kommission vom Informationszugang ausgeschlossen; in der Kommission sei von vornherein strenge Vertraulichkeit über den Diskussionsprozess vereinbart worden. Schließlich würden Dokumente, die sich nicht auf das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bezögen, als nicht antragsgegenständlich nicht zugänglich gemacht.

Nachdem der Kläger in den reduzierten Aktenbestand Einsicht genommen und hieraus 317 Kopien gefertigt hatte, legte er gegen die teilweise Ablehnung seines Antrags auf Informationszugang am 17. Dezember 2006 Widerspruch ein. Ein - ohnehin nicht zu erkennendes schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung personenbezogener Daten sei schon deshalb ausgeschlossen, weil jeder Dritte, der ein Gesetzgebungsverfahren initiiere und/oder zu beeinflussen suche, von vornherein konkludent in die öffentliche Kontrolle seiner Eingabe einwillige. Das gleiche gelte für vorgeblich nicht-öffentliche Vorgänge des Bundestages und des Bundesrates. Den Schriftverkehr mit den Mitgliedern der "BRAGO-Expertenkommission" sowie deren Sitzungsprotokolle vorzuenthalten, entbehre einer Rechtsgrundlage. Ein legitimes Geheimhaltungsinteresse bestehe insoweit nicht. Soweit Vertraulichkeit vereinbart worden sei, verstoße dies gegen das Transparenzgebot im Gesetzgebungsverfahren. Bei der Akteneinsicht habe er überdies festgestellt, dass die vorgelegten Akten über die aufgeführten Entheftungen hinausgehend unvollständig seien; insbesondere fehle das Protokoll über ein aktenkundiges Gespräch zwischen der Bundesjustizministerin und Vertretern des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.Januar 2007 wies das Bundesministerium der Justiz den Widerspruch aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.

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Mit bei Gericht am 10. Februar 2007 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger "den Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2007 zum Gegenstand des Verfahrens" gemacht. Hierzu trägt der Kläger vertiefend vor: Angesichts des von der Beklagtenseite vorgebrachten erheblichen Umfangs (250 Seiten) der entnommenen Seiten mit personenbezogenen Daten Dritter sei davon auszugehen, dass Grundlage dieser Anzahl von Einsendungen eine von den Rechtsschutzversicherern gesteuerte Massenbriefaktion gewesen sei; entsprechendes sei bekanntlich im Rahmen der Gesetzgebung zur Gesundheitsreform seitens privater Krankenversicherer geschehen. Ein "derart massenhaft gebündelter Lobbyismus" sei nicht schutzwürdig. Überdies sei ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand, den ein vom Beklagten vorgebrachter Abwägungsprozess in jedem Einzelfall erfordere, nicht erkennbar. Eine mit den Mitgliedern der sog. Expertenkommission vorgeblich vereinbarte Geheimhaltung sei unwirksam, weil damit die gesetzlichen Informationsrechte sowohl der Abgeordneten als auch der Bürger umgangen werden sollten. Die Tätigkeit der verfassungsmäßig nicht vorgesehenen Expertenkommission gehöre auch nicht zum spezifischen Bereich der Gesetzgebung, da es sich um kein gesetzgebendes Organ handele; sie sei deshalb auch nicht nach § 1 IFG vom Informationsanspruch ausgeschlossen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß)

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide des Bundesministeriums der Justiz vom 15. Februar 2006 und vom 6.. Dezember 2006 in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 13. April 2006 bzw. 15. Januar 2007 zu verpflichten, ihm gebührenfreie Akteneinsicht in die bei dem Bundesministerium der Justiz geführten vollständigen Akten des Gesetzgebungsvorhabens "Rechtsanwaltsvergütungsgesetz" zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen trägt sie vor:

Da der spezifische Bereich der Gesetzgebung dem Informationszugang nach § 1 Abs. 1 IFG nicht unterliege, seien die nicht-öffentlichen Vorgänge des Bundestages und des Bundesrates von der Einsicht auch dann ausgeschlossen, wenn sie in die Akten einer Bundesbehörde gelangt seien. Schreiben von am Gesetzgebungsverfahren nicht beteiligten Personen und

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auch die darin regelmäßig enthaltenen personenbezogenen Daten könnten nur dann zugänglich gemacht werden, wenn das Informationsinteresse das schutzwürdige Ausschlussinteresse der Einsender überwiege oder diese eingewilligt hätten. Beides sei nicht der Fall. Auf Grund der hohen Anzahl der Einsender sei bislang davon abgesehen worden, die betroffenen Dritten um ihre Einwilligung zur Offenlegung ihrer personenbezogenen Daten zu bitten. Sollten die betroffenen Dritten nämlich der Offenlegung widersprechen, müsse in jedem Einzelfall das Informationsinteresse mit dem Geheimhaltungsinteresse des Dritten abgewogen werden. Dies erfordere einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand. Die Protokolle über die Sitzungen der "BRAGO-Expertenkommission" und der mit den Mitgliedern der Kommission geführte Schriftverkehr dürften nicht herausgegeben werden, weil in der Kommission strenge Vertraulichkeit über den Diskussionsprozess vereinbart worden sei und das Vertraulichkeitsinteresse der Mitglieder fortbestehe. Weitere Schriftstücke seien den Akten, die dem Kläger zur Einsicht vorgelegen hätten, nicht entnommen worden. Insbesondere habe das Bundesministerium der Justiz ein Protokoll über den Termin der Bundesministerin der Justiz mit dem G_____ vom 7. Januar 2004 weder erstellt noch von anderer Seite erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und den Verwaltungsvorgang verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Über die Klage kann trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist bereits unzulässig, soweit der Kläger sich gegen die Erhebung eines Gebührenvorschusses wendet. Insoweit fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem die Beklagte von der Erhebung eines Gebührenvorschusses - wie der Gebührenerhebung insgesamt - abgesehen hat. Gleichfalls ist das Verpflichtungsbegehren mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, soweit dem Kläger teilweise der begehrte Informationszugang gewährt worden ist.

Die im Übrigen zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet, da der Bescheid des Bundesministeriums der Justiz vom 6. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-

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des vom 15. Januar 2007 rechtmäßig ist, soweit darin ein weiterer Informationszugang abgelehnt wird. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zugang zu den in Frage stehenden Informationen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der begehrte Informationszugang richtet sich nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG -) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Bundesministerium der Justiz hat - entgegen seiner das Gericht nicht bindenden Ansicht - mit der in Rede stehenden Vorbereitung und Ausarbeitung der Vorlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Regierungstätigkeit ausgeübt und damit nicht als Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gehandelt. Der Behördenbegriff des Informationsfreiheitsgesetzes ist nur dann erfüllt, wenn die betreffende Stelle mit der in Frage stehenden Tätigkeit öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Hierzu hat die Kammer im - Regierungstätigkeit der Bundeskanzlerin betreffenden Urteil vom 10. Oktober 2007, VG 2 A 101.06, grundlegend entschieden:

"1. Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist in Anlehnung an § 1 Abs. 4 VwVfG jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die Identität der Behördenbegriffe des Informationsfreiheitsgesetzes und des Verwaltungsverfahrensgesetzes folgt nicht nur aus der generellen Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Zugangsverfahren nach diesem Gesetz, sondern entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 15/4493, S. 7; vgl. auch Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 1 Rn. 40).

Der Begriff der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ist ebenso wie derjenige der Verwaltungsaufgaben in § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG im materiellen Sinne zu verstehen, d. h. die wahrzunehmenden Aufgaben und Zuständigkeiten müssen sachlich der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen sein und ihre Grundlage im öffentlichen Recht haben (vgl. Rossi, a. a. O., § 1 Rn. 45; Scheel, in: Berger/Roth/Scheel, IFG, 2006, § 1 Rn. 26). Nur wenn und soweit die Stelle materielles Verwaltungsrecht ausübt, ist sie Behörde im Sinne des Gesetzes; entsprechendes gilt für sonstige Bundesorgane oder -einrichtungen. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf, dass – wie die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG klarstellt – es nicht allein darauf ankommt, ob eine Stelle auch (abstrakt) Verwal-

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tungsaufgaben wahrnimmt. § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG liefe dann leer, da in diesem Fall alle von vorgenannter Regelung erfassten Bundesorgane schon wegen ihrer Eigenverwaltungen – etwa im dienstrechtlichen Bereich – hinsichtlich jeder von ihnen wahrgenommenen Aufgabe Behörden im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG wären, also selbst dann wenn sie im konkreten Fall keine materiellen Verwaltungsaufgaben wahrnähmen.

  1. Der öffentlichen Verwaltung, die gekennzeichnet wird durch die laufende Tätigkeit, die Ausführung der rechtlich festgelegten Aufträge und Maßstäbe des staatlichen Handelns (vgl. P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 1 Rn. 169), sachlich nicht zuzurechnen ist Regierungstätigkeit. Das angeleitete, ausgerichtete, geführte "Verwalten" unterscheidet sich schon begrifflich von dem leitenden, richtungsgebenden, führenden "Regieren" (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 11. Aufl. 1999, § 20 Rn. 25). Das Wort Regierung wird u. a. gebraucht zur Bezeichnung einer materiellen Staatstätigkeit. Hierzu zählen die von der Regierung in Erfüllung ihrer politischen Funktion vorgenommenen Entscheidungen, die der Regierung von der Verfassung aufgegeben sind und die, ohne sich an den Staatsbürger unmittelbar zu wenden, für Bestand und Leben des Staates sorgen. Dies betrifft insbesondere die Bestimmung der Richtlinien der Politik durch die Bundeskanzlerin (Art. 65 Satz 1 GG) und sonstige politische Führungsentscheidungen (vgl. statt vieler Meyer, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl., 2004, § 1 Rn. 79; P. Stelkens/Schmitz, a. a. O., § 1 Rn. 149, 166 ff.; Kastner, in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, Verwaltungsrecht, 2006, § 1 VwVfG Rn. 41; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, § 39 II 1, S. 684 ff.; vgl. auch BVerwGE 2, 36 <38>).

Auch Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsgesetzes gebieten nicht, Regierungstätigkeit im vorbezeichneten Sinne zum Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG zu zählen. Das Informationsfreiheitsgesetz soll insbesondere der demokratischen Meinungs- und Willensbildung dienen und die Kontrolle staatlichen Handelns verbessern. Angesichts der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung des Grundgesetzes, die dem Parlament – insbesondere der jeweiligen parlamentarischen Minderheit – die unmittelbare Kontrolle der Regierung, nicht zuletzt der von ihr getroffenen politischen Führungsentscheidungen überantwortet, und ihm hierfür eine Vielzahl von Kontrollinstrumenten zur Verfügung stellt (vgl. hierzu etwa Maurer, Staatsrecht I, 2. Aufl. 2001, Rn. 125 ff.), besteht kein Anlass für die Annahme, der Gesetzgeber habe auch in dem Bereich der Regierungstä-

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tigkeit der Bundeskanzlerin die demokratische Meinungs- und Willensbildung stärken und die Kontrolle staatlichen Handelns verbessern wollen.

Indem das Informationsfreiheitsgesetz demzufolge schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf Zugang zu solchen Informationen gewährt, die Regierungstätigkeit im vorbeschriebenen Sinne betreffen, wird auch verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge getan. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört die Willensbildung innerhalb der Regierung zum verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (BVerfGE 67, 100 <139>). Der Schutz gilt vornehmlich für laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geheimzuhaltende Tatsachen mitzuteilen nicht verpflichtet ist (BVerfGE 67, 100 <139>). Insoweit gilt, dass Unterlagen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger sind, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 – 2 BvK 1/01 – NVwZ 2004, 1105 <1107>). Damit aber dürfte der Zugriff auf Informationen der hier in Frage stehenden Art in erheblichem Umfang bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt sein. Dem entspricht es, den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes bereits dem Grunde nach nicht zu eröffnen, mögen auch die den Schutz behördlicher Beratungen betreffenden Ausschlusstatbestände des § 3 Nr. 3 Buchst. b oder des § 4 IFG der Sache nach den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung erfassen."

Ausgehend von diesen Grundsätzen unterfällt das Bundesministerium der Justiz bei der in Frage stehenden Tätigkeit der Ausarbeitung und Vorbereitung einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung nicht dem Behördenbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG.

Zu den zentralen Regierungsfunktionen, die der Bundesregierung als politische Leitungsaufgaben im geschilderten Sinne zugewiesen sind, zählt die Anstoß- und Initiativfunktion in allen Angelegenheiten von allgemeiner innen- oder außenpolitischer, wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller oder kultureller Bedeutung, die ihren verfassungsrechtlichen Niederschlag im Gesetzesinitiativrecht des Art. 76 Abs. 1 GG gefunden hat (Schröder, in: Handbuch des Staatsrechts, § 50 "Aufgaben der Bundesregierung" Rn. 6, 26). Mit der Wahrnehmung dieses Initiativrechts wird damit Regierungstätigkeit im oben genannten Sinne ausgeübt (statt vieler:

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Schröder, a. a. O., Rn. 6; Hermes, in: Dreier, GG-Kommentar, Bd. 2, 1998, Art. 62 Rn. 31; Wolff/Bachof/Stober, a. a. O., § 20 Rdn. 33; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GdVR, § 10 Rn. 48; Kastner, a. a. O., § 1 VwVfG Rn. 41).

Dies gilt nicht erst für die abschließende Entscheidung, eine Gesetzesvorlage in den Bundestag einzubringen, sondern auch für deren Vorbereitung und Ausarbeitung (Kastner, a. a. O., § 1 VwVfG Rn. 41; P. Stelkens/Schmitz, a. a. O., § 1 Rdn. 170; s. auch BVerfGE 67, 100 <139>: "Dazu [Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung] gehört z.B. die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen"). Diese Tätigkeiten dienen der Wahrnehmung von Regierungsaufgaben und sind damit zugleich untrennbarer Teil von ihr. Bereits die Entscheidung, ob und ggfs. wann und in welcher Weise die Planung eines Gesetzesvorhabens begonnen und umgesetzt wird, ist Ausdruck der geschilderten Anstoß- und Initiativtätigkeit.

Dieses einheitliche Gepräge des Gesetzesvorhabens von dem Beginn der Planung bis zur Einbringung in den Bundestag wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass (erst und nur) die abschließende Entscheidung, eine Gesetzesvorlage in den Bundestag einzubringen, der Bundesregierung nach Art. 76 Abs. 1 GG als Kollegialorgan, die vorbereitende Tätigkeit dagegen im Regelfall dem fachlich zuständigen Bundesministerium - hier dem Bundesministerium der Justiz - obliegt. Eine inhaltliche Zäsur dergestalt, dass erst die Befassung im Kabinett dem Gesetzesvorhaben den Charakter regierender Tätigkeit verleiht, ist in dieser Ausgestaltung nicht zu sehen. Vielmehr leitet jeder Bundesminister als Regierungsmitglied (Art. 62 GG) nach dem in Art. 65 Satz 2 GG verankerten Ressortprinzip seinen Geschäftsbereich innerhalb der vom Bundeskanzler bestimmten Richtlinien der Politik selbstständig unter eigener Verantwortung. In diesem Rahmen nehmen die Bundesministerien Aufgaben wahr, die der Erfüllung oder Unterstützung von Regierungsfunktionen dienen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien - GGOBM -). Dazu zählt insbesondere - unter anderem - die Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren (§ 3 Abs. 1 Satz 2 GGOBM). Hiernach ist die planende Aufarbeitung einer Regelungsmaterie innerhalb der Bundesregierung dem jeweils fachlich zuständigen Bundesministerium als eigenverantwortlich wahrzunehmende Angelegenheit zugewiesen (Busse, "Zur Gesetzgebungsarbeit der Bundesregierung", VerwArchiv 1996, 445 < 467>; Masing, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 76, Rn. 26).

Auch der Umstand, dass das Verfahren der Ausarbeitung einer Gesetzesvorlage in den Bundesministerien in seinen Grundstrukturen und seinem Ablauf in §§ 40 ff. GGOBM im Ein-

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zelnen vorgezeichnet ist, verleiht ihr nicht den Charakter einer Verwaltungstätigkeit. Auch wenn der Werdegang des in Angriff genommenen Gesetzesvorhabens durch die Bestimmungen der GGOBM "geleitet" wird, handelt sich nicht um "angeleitetes, ausgerichtetes, geführtes" Verwalten im aufgezeigten Sinne. Nicht die Methode der Bearbeitung, sondern Grundlage und Ziel der Aufgabe prägen deren Charakter.

Schließlich wird die Bewertung als Regierungstätigkeit nicht dadurch in Frage gestellt, dass es in der amtlichen Begründung zum Gesetzesentwurf des IFG zu § 1 Abs. 1 Satz 1 (BT-Drucks. 15/4493, S. 7) heißt, bei der Vorbereitung von Gesetzen in den Bundesministerien handele es sich um einen wesentlichen Teil der Verwaltungstätigkeit. Wenn damit inhaltlich die Quantität der fraglichen Beschäftigung zum Maßstab erhoben sein sollte, so ist dies nicht stichhaltig; der Umfang einer Aufgabenwahrnehmung ist ohne Einfluss auf deren rechtliche Einordnung. Der ansonsten begründungslosen Einordnung als Verwaltungstätigkeit kommt auch nicht deshalb begriffsprägende Bedeutung zu, weil sie in der amtlichen Begründung zum Gesetzesentwurf niedergelegt ist. Dabei bedarf es keiner Bewertung, in welchem Maße der erkennbare Wille des Gesetzgebers die Gesetzesauslegung beeinflusst. Das IFG definiert den Behördenbegriff nicht selbst, sondern knüpft insoweit - wie dargetan - an eine bestehende - das Kriterium der Verwaltungstätigkeit beinhaltende - Begriffsdefinition an. Ist die Bestimmung des Begriffs der Verwaltungstätigkeit damit nicht Bestandteil der gesetzgeberischen Regelungsabsicht, ist auch die Wertung der Gesetzesvorbereitung als Verwaltungstätigkeit in der Gesetzesbegründung nicht Bestandteil des Regelungswillens, sondern lediglich die Mitteilung einer Rechtsansicht zum Umfang einer Regelungsgrundlage.

Hiervon ausgehend ist die Gesetzesvorbereitung im Bundesministerium auch nicht deshalb in den Anwendungsbereich des IFG einzubeziehen, weil es in der soeben zitierten Stelle der Begründung des Gesetzesentwurfs heißt, die Vorbereitung von Gesetzen in den Bundesministerien als wesentlicher Teil der Verwaltungstätigkeit falle in den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass die zitierte Wendung darauf gerichtet ist, den Anwendungsbereich des Gesetzes auf die Gesetzesvorbereitung in den Bundesministerien auszudehnen. Auf der Grundlage der - nach Ansicht der Kammer unzutreffenden - Charakterisierung der Vorbereitung von Gesetzen als Verwaltungstätigkeit wird damit lediglich die danach logische Folge konstatiert, dass diese (vermeintliche) Verwaltungstätigkeit dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfalle. Bedurfte es damit für diese Schlussfolgerung aus Sicht der Begründung des Gesetzesentwurfs keiner ausdrücklich einbeziehenden Regelung, bedarf die Frage, ob nach der Vorstellung der Verfasser der Begründung des Gesetzesentwurfs die in Rede stehende gesetzesvorbereitende Tätigkeit auch in dem Bewusstsein einer Charakterisierung als Regierungshandeln dem Anwendungsbe-

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reich unterworfen werden sollte, keiner Beantwortung. Es fehlt schon in der Begründung des Gesetzesentwurfs selbst an einer insoweit eindeutigen Aussage, die die Gesetzesauslegung beeinflussen könnte. Umso weniger bietet das IFG selbst einen Anknüpfungspunkt, der eine entsprechende Auslegung zuließe.

Hat das Bundesministerium bei der Vorbereitung und Ausarbeitung der Gesetzesvorlage betreffend das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht als Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gehandelt, bleibt das Verpflichtungsbegehren des Klägers schon aus diesem Grund in Gänze erfolglos. Da der Antrag des Klägers allein auf Zugang zu Informationen gerichtet ist, die das gesetzesvorbereitende Verfahren des Bundesministeriums der Justiz betreffen, kommt es insoweit auch nicht darauf an, ob alle - im Verwaltungsvorgang dokumentierten - vorenthaltenen Informationen tatsächlich materiell dem Verfahren der Vorbereitung und Ausarbeitung der Gesetzesvorlage zuzuordnen sind. Sollte dies im Einzelfall nicht so sein, wären die betreffenden Informationen von dem streitgegenständlichen Antrag des Klägers schon nicht umfasst. Im Übrigen besteht vor dem Hintergrund, dass sich die Bestimmung des amtlichen Zwecks im Sinne der Begriffsbestimmung der amtlichen Information in § 2 Nr. 1 IFG nicht nach dem Urheber der Information, sondern nach der Stelle richtet, bei der die Information vorhanden ist , auch kein durchgreifender Anlass, einzelne dieser Informationen entgegen der seitens der Beklagten erfolgten Zuordnung zur Gesetzesvorbereitung zum Bereich der Wahrnehmung materieller Verwaltungsaufgaben zu zählen. Damit kommt es nicht darauf an, ob es in diesem Bereich überhaupt möglich wäre, hinreichend umrissene, praktikable Unterscheidungsmerkmale zu finden.

Hat die Klage schon aus vorgenanntem Grund keinen Erfolg, bedarf keiner Entscheidung, ob dem streitgegenständlichen Zugangsbegehren ganz oder teilweise gesetzliche Ausschlussgründe nach den §§ 3 ff. IFG entgegenstünden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167, § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 VwGO i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.

Die Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung im Sinne von §124 a VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Regierungstätigkeit dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes unterfällt.

Rechtsmittelbelehrung

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Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.

Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

Für das Berufungsverfahren besteht Vertretungszwang. Danach muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Richard Ringe Erckens

prz. Ausgefertigt

Justizangestellte als Urkundesbeamte der Geschäftsstelle