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Aktenzeichen
T-36/04
Datum
12. September 2007
Gericht
Gericht der Europäischen Union
Gesetz
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (Transparenzverordnung)
Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 (Transparenzverordnung)

Urteil: Gericht der Europäischen Union am 12. September 2007

T-36/04

Die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung in der Verordnung Nr. 1049/2001 ist enger geregelt als im Verhaltenskodex von 1993, so dass das betreffende Organ jedes Dokument auf die Möglichkeit (teilweiser) Offenlegung und die Beeinträchtigung der in der Ausnahmeregelung geschützten Interessen zu prüfen hat. Die auf den Schutz von Gerichtsverfahren gerichtete Ausnahme in der Verordnung soll zudem das Recht jeder Person auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht wahren. Das als Rückausnahme konzipierte überwiegende öffentliche Interesse kann von den in der Verordnung verankerten Grundsätzen verschieden sein. Allerdings bleibt es auch bei Übereinstimmung zwischen den Grundsätzen der Verordnung und dem geltend gemachten überwiegenden Interesse bei dem Erfordernis einer Abwägung. Sofern das einzelnen Schriftsätzen zugrunde liegende Verfahren abgeschlossen ist, besteht kein Grund den Zugang zu den Schriftsätzen zu verweigern, es sei denn es liegt eine besondere Begründung vor, wie zum Beispiel die Beeinträchtigung eines weiteren Verfahrens. (Quelle: LDA Brandenburg)

Interessenabwägung Internationale Beziehungen

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http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num... WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS: Für die Angaben auf dieser Website besteht Haftungsausschluss und Urheberrechtsschutz. URTEIL DES GERICHTS (Große Kammer) 12. September 2007(*) „Zugang zu Dokumenten – Von der Kommission in Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht eingereichte Schriftsätze – Entscheidung, mit der der Zugang verweigert wird“ In der Rechtssache T‑36/04 Association de la presse internationale ASBL (API) mit Sitz                                in    Brüssel    (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Völcker, F. Louis und J. Heithecker, Klägerin, gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Docksey und P. Aalto als Bevollmächtigte, Beklagte, wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 20. November 2003 über die Ablehnung eines Antrags der Klägerin auf Zugang zu Schriftsätzen, die die Kommission in Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht eingereicht hat, erlässt DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf, der Richter M. Jaeger, J. Pirrung, M. Vilaras und H. Legal, der Richterinnen M. E. Martins Ribeiro, E. Cremona und I. Pelikánová, des Richters D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter N. Wahl, M. Prek und V. Ciucă, Kanzler: E. Coulon, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2007 folgendes Urteil Rechtlicher Rahmen 1     Art. 255 EG bestimmt: „(1)     Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorbehaltlich der Grundsätze und Bedingungen, die nach den Absätzen 2 und 3 festzulegen sind. (2)     Die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung dieses Rechts auf Zugang zu Dokumenten werden vom Rat binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam gemäß dem Verfahren des Artikels 251 festgelegt. …“ 2     Die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) legt die Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen für das Recht aus Art. 255 EG auf 1 von 21                                                                                                                    04.01.2011 08:05
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http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num... Zugang zu Dokumenten dieser Organe fest. Die Verordnung gilt seit dem 3. Dezember 2001. 3  Die Erwägungsgründe 2 und 4 der Verordnung lauten: „(2)     Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei, die in Artikel 6 [EU] und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind. … (4)     Diese Verordnung soll dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten größtmögliche Wirksamkeit verschaffen und gemäß Artikel 255 Absatz 2 [EG] die allgemeinen Grundsätze und Einschränkungen dafür festlegen.“ 4  Art. 2 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 sieht vor: „(1)     Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe. … (3)     Diese Verordnung gilt für alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden.“ 5  Nach Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 versteht man unter einem Dokument „Inhalte …, die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen“. 6  Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt hinsichtlich der Ausnahmen vom Zugangsrecht: „… (2)     Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde: –      … –      der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung, –      der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. … (6)     Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokuments freigegeben. (7)     Die Ausnahmen gemäß den Absätzen 1 bis 3 gelten nur für den Zeitraum, in dem der Schutz aufgrund des Inhalts des Dokuments gerechtfertigt ist …“ 7  Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 lautet: „Anträge auf Zugang zu einem Dokument sind in schriftlicher, einschließlich elektronischer, Form in einer der in Artikel 314 [EG] aufgeführten Sprachen zu stellen und müssen so präzise formuliert sein, dass das Organ das betreffende Dokument ermitteln kann. Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, Gründe für seinen Antrag anzugeben.“ 8  Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 kann „[i]m Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung … der Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an das Organ richten und es um eine Überprüfung seines Standpunkts ersuchen“. 9  Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 betreffend die Behandlung von Zweitanträgen sieht vor: 2 von 21                                                                                                                04.01.2011 08:05
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http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num... „(1)     Ein Zweitantrag ist unverzüglich zu bearbeiten. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung eines solchen Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder teilt schriftlich die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung mit. Verweigert das Organ den Zugang vollständig oder teilweise, so unterrichtet es den Antragsteller über mögliche Rechtsbehelfe, das heißt, Erhebung einer Klage gegen das Organ und/oder Einlegen einer Beschwerde beim Bürgerbeauftragten nach Maßgabe der Artikel 230 [EG] bzw. 195 [EG]. (2)     In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag auf Zugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zu einer sehr großen Zahl von Dokumenten, kann die in Absatz 1 vorgesehene Frist um fünfzehn Arbeitstage verlängert werden, sofern der Antragsteller vorab informiert wird und eine ausführliche Begründung erhält.“ Vorgeschichte des Rechtsstreits 10  Die Association de la presse internationale ASBL (API) ist eine nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete Organisation ausländischer Journalisten aller Sparten und Fachrichtungen mit Sitz in Belgien. Sie verfolgt das Ziel, ihre Mitglieder bei der Berichterstattung über die Europäische Union in ihren Heimatländern zu unterstützen. 11  Mit Schreiben vom 1. August 2003 beantragte die API bei der Kommission nach Art. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 den Zugang zu allen Schriftstücken, die die Kommission in den folgenden Rechtssachen beim Gericht oder Gerichtshof eingereicht hat: –      Honeywell/Kommission, T‑209/01, und General Electric/Kommission, T‑210/01; –      MyTravel/Kommission, T‑212/03; –      Airtours/Kommission, T‑342/99; –      Kommission/Österreich, C‑203/03; –      Kommission/Vereinigtes        Königreich,       C‑466/98,          Kommission/Dänemark,              C‑467/98, Kommission/Schweden, C‑468/98, Kommission/Finnland, C‑469/98, Kommission/Belgien, C‑471/98, Kommission/Luxemburg, C‑472/98, Kommission/Österreich, C‑475/98, und Kommission/Deutschland, C‑476/98 (im Folgenden: „Open skies“-Rechtssachen); –      Köbler, C‑224/01; –      Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, C‑280/00. 12  Mit Schreiben vom 27. August 2003 teilte die Kommission der API mit, dass der Antrag in Bezug auf die Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03, verfrüht sei, und bat sie außerdem, zu präzisieren, ob sich ihr Antrag nur auf die Schriftsätze oder auch auf die dazugehörigen Anlagen beziehe. Mit demselben Schreiben wies die Kommission die API darauf hin, dass die vorgeschriebene Antwortfrist um 15 Werktage verlängert werden müsse, da ihr Antrag auf Zugang zu den Dokumenten Grundsatzfragen aufwerfe. Mit Schreiben vom 29. August 2003 stellte die API klar, dass sich ihr Antrag nur auf die Schriftsätze der Kommission ohne deren Anlagen beziehe. 13  Mit Schreiben vom 17. September 2003 gewährte die Kommission Zugang zu den Dokumenten der Rechtssachen C‑224/01 und C‑280/00. Hingegen wurde der Zugang zu den Dokumenten der Rechtssachen T‑209/01 und T‑210/01, T‑342/99 und C‑203/03 sowie der „Open skies“-Rechtssachen verweigert. 14  Mit Schreiben vom 6. Oktober 2003 reichte die API gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag für die Dokumente ein, zu denen die Kommission den Zugang verweigert hatte. Nachdem die Kommission die Frist mit Schreiben vom 28. Oktober 2003 verlängert hatte, antwortete sie auf den Zweitantrag mit Entscheidung vom 20. November 2003, mit der sie die Verweigerung des Zugangs zu den fraglichen Dokumenten bestätigte (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). 15  Erstens führte die Kommission zur Weigerung, Zugang zu ihren Schriftsätzen in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, und General Electric/Kommission, T‑210/01, zu gewähren, in der angefochtenen Entscheidung aus, die Freigabe ihrer Schriftsätze beeinträchtige ihre Position als Beklagte in diesen Verfahren, da diese Rechtssachen noch anhängig seien. Wie der Gemeinschaftsrichter festgestellt habe (Urteil des Gerichts vom 17. Juni 1998, Svenska Journalistförbundet/Rat, T‑174/95, Slg. 1998, II‑2289), hätten die Parteien nach dem allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege das Recht, 3 von 21                                                                                                                   04.01.2011 08:05
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http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num... ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten. Da die Dokumente, zu denen die Klägerin Zugang begehre, ausschließlich für die beiden fraglichen Verfahren erstellt worden seien, fielen sie unter die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren (Urteil des Gerichts vom 7. Dezember 1999, Interporc/Kommission, T‑92/98, Slg. 1999, II‑3521, im Folgenden: Urteil Interporc II). Außerdem könne die Tatsache, dass sie Zugang zu ihren Erklärungen in der Rechtssache Köbler, C‑224/01, gewährt habe, nicht als Präzedenzfall herangezogen werden, da das Verfahren abgeschlossen gewesen sei, obwohl die Rechtssache noch anhängig gewesen sei, und es sich um ein Vorabentscheidungsverfahren gehandelt habe, das mit Direktklagen nicht vergleichbar sei. Die Tatsache selbst, dass Zugang zu den genannten Erklärungen gewährt worden sei, zeige ferner, dass der Antrag der API Dokument für Dokument geprüft worden sei. 16  Zweitens wies die Kommission hinsichtlich der Weigerung, Zugang zu den Dokumenten der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, zu gewähren, darauf hin, dass das Urteil des Gerichts vom 6. Juni 2002 (Slg. 2002, II‑2585), mit dem diese Rechtssache abgeschlossen worden sei, eine Schadensersatzklage gegen die Kommission nach sich gezogen habe (Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03), in deren Rahmen das Vorbringen der Kommission in der Rechtssache T‑342/99 zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung erörtert werde. Die beiden Rechtssachen seien eng miteinander verknüpft, und die Freigabe der von der Klägerin angeforderten Schriftsätze beeinträchtige das Verfahren in der anhängigen Rechtssache. 17  Drittens führte die Kommission zur Weigerung, den Zugang zu Dokumenten der Rechtssache Kommission/Österreich, C‑203/03, zu gewähren, aus, dass die Rechtssache anhängig sei und die Freigabe ihrer Schriftsätze ihre Position vor dem Gerichtshof und gegenüber den österreichischen Behörden beeinträchtigen würde. Daher gelte die für die Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, und General Electric/Kommission, T‑210/01, gegebene Begründung auch für diese Rechtssache. Zudem müsse sie den Zugang zu allen Dokumenten eines Vertragsverletzungsverfahrens verweigern, wenn die Freigabe den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen würde, der, wie das Gericht im Urteil vom 11. Dezember 2001, Petrie u. a./Kommission (T‑191/99, Slg. 2001, II‑3677), festgestellt habe, darin bestehe, eine gütliche Beilegung des Streits zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat zu erreichen. Auch wenn es in jenem Urteil um die Verweigerung des Zugangs zu Mahnschreiben und mit Gründen versehenen Stellungnahmen gegangen sei, habe das Gericht nicht entschieden, dass die Verweigerung des Zugangs zum Schutz des Zwecks, eine gütliche Beilegung des Streits zu erreichen, auf diese Kategorie von Dokumenten beschränkt sei, so dass die Rechtfertigung, auf die diese Verweigerung gestützt worden sei, ebenso für die beim Gerichtshof eingereichten Schriftsätze gelte, da das Vorbringen zum Nachweis der Vertragsverletzungen gleich sei. 18  Was, viertens, die Weigerung angehe, Zugang zu ihren Schriftsätzen in den „Open skies“-Rechtssachen zu gewähren, seien die betreffenden Mitgliedstaaten, obwohl die zu diesen Rechtssachen gehörenden Vertragsverletzungsverfahren durch die Urteile des Gerichtshofs vom 5. November 2002 abgeschlossen worden seien, den Urteilen noch nicht nachgekommen, so dass noch immer Verhandlungen mit dem Ziel geführt würden, dass diese Mitgliedstaaten die vom Gerichtshof festgestellte Zuwiderhandlung beendeten. Aus diesem Grund würde die Freigabe der von ihr in diesen Rechtssachen eingereichten Schriftsätze den Schutz des Zwecks der Untersuchung dieser Vertragsverletzungen beeinträchtigen. 19  Nach einem Hinweis darauf, dass Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimme, dass der Zugang zu verweigern sei, „es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung“, stellte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung, fünftens, fest, dass die API mit ihrem Vorbringen nicht nachgewiesen habe, dass das öffentliche Interesse an der Freigabe der fraglichen Dokumente das öffentliche Interesse an einem angemessenen Schutz der anhängigen Gerichtsverfahren und Untersuchungen in Vertragsverletzungsfällen überwiege. Dem öffentlichen Interesse sei am besten gedient, wenn der ordnungsgemäße Ablauf der Verfahren vor dem Gemeinschaftsrichter gewährleistet werde und ihre Untersuchungsbefugnisse bewahrt würden. 20  Schließlich sei es, sechstens, nicht möglich, teilweise Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu gewähren, da deren sämtliche Teile eng miteinander verknüpft seien und von den genannten Ausnahmen erfasst würden. Verfahren und Anträge der Parteien 21  Mit Klageschrift, die am 2. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. 22  Am 9. November 2006 hat das Gericht nach Anhörung der Parteien beschlossen, die vorliegende Rechtssache an die Große Kammer des Gerichts zu verweisen. 23  Das Gericht (Große Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung 4 von 21                                                                                                                  04.01.2011 08:05
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http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num... zu eröffnen. 24  Die Parteien haben in der Sitzung vom 28. Februar 2007 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. 25  Die Klägerin beantragt, –       die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären; –       der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 26  Die Kommission beantragt, –       die Klage als unbegründet abzuweisen; –       der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Entscheidungsgründe 27  Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen die Art. 2 und 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend. Dieser Klagegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Der erste Teil betrifft die auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützte Zugangsverweigerung. Der zweite Teil betrifft die auf die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützte Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten. Zur auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten Vorbringen der Parteien 28  Die Klägerin macht als Erstes nach Hinweis darauf, dass ihr Zugangsantrag in den Anwendungsbereich des Art. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 falle, der den Grundsatz des möglichst umfassenden Zugangs zu Dokumenten der Organe aufstelle, geltend, dass die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren keinen generellen Ausschluss der Schriftsätze der Kommission vom Grundsatz des freien Zugangs zu Dokumenten rechtfertigen könne. 29  Hierzu trägt sie erstens vor, dass diese Ausnahme, wonach der Zugang zu einem Dokument nur verweigert werden könne, wenn durch dessen Freigabe Gerichtsverfahren „beeinträchtigt würde[n]“, eng auszulegen sei. Ein Vergleich zwischen der Verordnung Nr. 1049/2001 und der vorherigen Regelung, dem Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58), mit dem der vom Rat und der Kommission am 6. Dezember 1993 verabschiedete Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. 1993, L 340, S. 41, im Folgenden: Verhaltenskodex von 1993) formell erlassen wurde, ergebe, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bewusst dafür entschieden habe, die Ausnahme für Gerichtsverfahren einzuschränken. Während nämlich der Verhaltenskodex von 1993 die Möglichkeit vorgesehen habe, Dokumente vom Zugang auszunehmen, wenn sich durch deren Freigabe in Bezug auf die Rechtspflege „eine Beeinträchtigung ergeben könnte“, spreche die Verordnung Nr. 1049/2001 von Dokumenten, durch deren Freigabe Gerichtsverfahren „beeinträchtigt würde[n]“. Im Verhaltenskodex von 1993 sei im Gegensatz zur Verordnung Nr. 1049/2001 außerdem nicht die Möglichkeit vorgesehen gewesen, dass ein höheres öffentliches Interesse das Interesse am Schutz von Gerichtsverfahren überwiegen könne. 30  Der beschränkte Zweck der Ausnahme in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gehe ferner aus dem elften Erwägungsgrund hervor, in dem der Grundsatz aufgestellt werde, dass alle Dokumente der Organe für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollten, sowie aus der Begründung des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (KOM [2000] 30 endg. – COD 2000/0032, Abschnitt 5), in der darauf hingewiesen werde, dass die Ausnahmen nur zum Schutz klar definierter spezifischer Interessen Anwendung fänden. Eine generelle Weigerung, den Zugang zu einer ganzen Kategorie von Dokumenten zu gewähren, sei daher nicht zulässig, da das betreffende Organ die Pflicht habe, für jedes angeforderte Dokument nachzuweisen, dass seine Freigabe den Schutz eines der in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten spezifischen Interessen so schwer beeinträchtige, dass das öffentliche Interesse an der Freigabe nie überwiege. 31  Zweitens vertritt die Klägerin die Ansicht, dass die Freigabe von Schriftsätzen, die die Kommission bei den Gemeinschaftsgerichten eingereicht habe, keineswegs den Schutz von Gerichtsverfahren beeinträchtige, weil 5 von 21                                                                                                                   04.01.2011 08:05
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http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num... sie weder zu einer unzulässigen Beeinflussung durch die Öffentlichkeit noch zu einer Beeinträchtigung der Ausgewogenheit der Verhandlungen vor dem Gemeinschaftsrichter in der Weise führten, dass das Funktionieren des gerichtlichen Verfahrens beeinträchtigt würde. Jedenfalls genüge eine so allgemeine Begründung wie diejenige in der angefochtenen Entscheidung dem nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erforderlichen Kriterium des schweren und konkreten Schadens nicht. 32  Zudem sei das Interesse der Öffentlichkeit an der Arbeit der Gerichte, die sich mit wichtigen politischen Problemen beschäftigten, in jedem auf den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit aufgebauten System gesund und natürlich, und die Gemeinschaftsgerichte hätten dieses Phänomen selbst gefördert und unterstützt, indem sie der breiten Öffentlichkeit einen immer größeren Teil der Informationen über anhängige Verfahren über ihre Internetseite oder ihren Pressedienst zugänglich gemacht hätten. Im Übrigen seien die mündlichen Verhandlungen öffentlich und der Sitzungsbericht vom Tag der mündlichen Verhandlung an der Öffentlichkeit zugänglich. 33  Es sei daher nicht zu erkennen, wie die Freigabe der Schriftstücke der Kommission den ordnungsgemäßen Ablauf der Gerichtsverfahren, auf die sich diese Schriftstücke bezögen, erheblich beeinträchtigen könne. Eine Veröffentlichung der Schriftstücke habe im Gegenteil einen positiven Effekt, weil eine umfassende Unterrichtung der Öffentlichkeit die Unparteilichkeit der Gemeinschaftsrichter beweise, was die Akzeptanz ihrer Entscheidungen durch die Öffentlichkeit erhöhe. Zudem machten die Gerichte einiger Staaten und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) insbesondere in den Rechtssachen, an denen staatliche Stellen beteiligt seien, die Dokumente aus den Gerichtsverfahren zugänglich, wobei sie Ausnahmen vom Prinzip der Transparenz vorsähen, z. B. zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und zur Achtung des Privatlebens. Keines dieser Gerichte habe angenommen, dass das Prinzip der Transparenz der Effizienz des gerichtlichen Verfahrens und der geordneten Rechtspflege schaden könne. 34  Drittens macht die Klägerin geltend, dass die Freigabe von bei den Gemeinschaftsgerichten eingereichten Schriftsätzen der Kommission im öffentlichen Interesse liege, weil dadurch die Meinung der Kommission zu grundsätzlichen Fragen der Auslegung des Vertrags und des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts verbreitet werden könnte. Im Bereich des Wettbewerbsrechts z. B. sei eine solche Verbreitung insbesondere im Hinblick auf die Stellungnahmen von Vorteil, die die Kommission gegebenenfalls gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) gegenüber nationalen Gerichten abzugeben habe. Auch wenn ferner die mündlichen Verhandlungen vor den Gemeinschaftsgerichten öffentlich seien und eine Zusammenfassung des Parteivorbringens am Tag der mündlichen Verhandlung verfügbar sei, sei das Bild der behandelten Rechtssachen unvollständig, was die Journalisten daran hindere, genau und ausführlich zu informieren. Der einzige Weg, eine angemessene Transparenz zu gewährleisten, sei daher die Freigabe der von der Kommission eingereichten Schriftstücke. 35  Viertens trägt die Klägerin vor, dass die Kommission ihre Weigerung nicht auf den derzeitigen Stand der Rechtsprechung zu dieser Frage stützen könne, da es in den Urteilen Svenska Journalistförbundet/Rat und Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, um den Verhaltenskodex von 1993 gegangen sei, während die Verordnung Nr. 1049/2001 enger auszulegen sei. Das Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat habe einen Sonderfall betroffen, da die fragliche Vereinigung eine kommentierte Version der Klagebeantwortung des Rates über das Internet verbreitet und die Öffentlichkeit dazu aufgefordert habe, eigene Anmerkungen direkt an die Bediensteten des Rates zu senden, deren Telefon- und Telefaxnummern angegeben gewesen seien, während die API, die an keinem der fraglichen Verfahren beteiligt sei, nicht vorhabe, in dieser Weise vorzugehen. Auch das Urteil Interporc II sei nicht einschlägig, da die Feststellung des Gerichts in Randnr. 40 des Urteils, der Schutz des öffentlichen Interesses stehe einer Weitergabe des Inhalts von Dokumenten entgegen, die die Kommission nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt habe, ein bloßes obiter dictum gewesen sei, während es in jener Rechtssache um die Frage gegangen sei, ob der Zugang zu Dokumenten, die im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens erstellt worden seien, mit der Begründung habe verweigert werden können, dass sie im Zusammenhang mit einem bestimmten Gerichtsverfahren gestanden hätten. Das Gericht habe außerdem entschieden, dass die fragliche Ausnahme „zum einen die Arbeit innerhalb der Kommission und zum anderen die Vertraulichkeit und die Wahrung des Grundsatzes der beruflichen Schweigepflicht der Rechtsanwälte gewährleisten“ solle (Urteil Interporc II, Randnr. 41). 36  Eine solche Auslegung der Ausnahme für Gerichtsverfahren behindere den Zugang der Öffentlichkeit zu Schriftsätzen der Kommission nicht, da diese Schriftsätze nicht als interne und vertrauliche Dokumente angesehen würden, sondern im Gegenteil den Gerichten und den gegnerischen Parteien in den betreffenden Rechtssachen übermittelt würden. Die Feststellung in Randnr. 40 des Urteils Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, sei später vom Gerichtshof bestätigt worden, der entschieden habe, das Gericht habe im Urteil vom 19. März 1998, van der Wal/Kommission (T‑83/96, Slg. 1998, II‑545, Randnr. 50), die Ausnahme rechtsirrig dahin ausgelegt, dass sie die Kommission verpflichte, den Zugang zu den von ihr allein für ein Gerichtsverfahren erstellten Dokumenten zu verweigern (Urteil des Gerichtshofs vom 11. Januar 2000, Niederlande und van der Wal/Kommission, C‑174/98 P und C‑189/98 P, Slg. 2000, I‑1, Randnr. 30). 37  Nach Ansicht der Klägerin folgt daraus, dass die Gemeinschaftsrechtsprechung auf diesem Gebiet nicht so ausgelegt werden könne, wie die Kommission meine, und dass Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 keinen generellen Ausschluss der Schriftsätze der Organe vom Grundsatz des 6 von 21                                                                                                                   04.01.2011 08:05
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http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num... freien Zugangs zu Gemeinschaftsdokumenten rechtfertige. 38  Als Zweites wendet sich die Klägerin gegen die angefochtene Entscheidung, weil die Kommission unter Berufung auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren die Freigabe von Schriftsätzen mit der Begründung verweigert habe, dass die Rechtssache, auf die sie sich bezögen, oder eine damit im Zusammenhang stehende Rechtssache noch immer anhängig gewesen sei. 39  Eine so starke Einschränkung der fraglichen Ausnahme sei nicht gerechtfertigt, denn sie verstoße gerade in den Fällen, in denen aufgrund des Fehlens eines Urteils oder Sitzungsberichts das öffentliche Interesse an der Freigabe der Schriftsätze am größten sei, erheblich gegen den Grundsatz des freien Zugangs zu Dokumenten. Die Verweigerung des Zugangs sei noch unverständlicher bei Dokumenten eines bereits abgeschlossenen Verfahrens, wie dies bei der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, der Fall sei, das aber einen Zusammenhang mit einem anderen, noch anhängigen Verfahren aufweise. Die Kommission habe nämlich nicht erklärt, inwiefern die Freigabe der Schriftsätze der abgeschlossenen Rechtssache dem anhängigen Verfahren schade, wo doch die klagende Partei in den beiden Rechtssachen dieselbe sei und diese deshalb das Vorbringen der Kommission in ihren Schriftsätzen aus der ersten Rechtssache kenne. 40  Die Kommission trägt einleitend vor, dass sie entgegen der Behauptung der Klägerin sich dieser gegenüber weder „pauschal“ geweigert habe, ihren Antrag zu bearbeiten, noch, eine ganze Kategorie von Dokumenten freizugeben. Zwar seien ihre Verfahrensschriftstücke vor den Gemeinschaftsgerichten als solche nicht von der Freigabe ausgenommen, da die Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten eng auszulegen seien. Greife jedoch eine Ausnahme ein, sei sie zu beachten, so dass sie, wenn durch die Freigabe eines Dokuments der Schutz von Gerichtsverfahren oder Untersuchungen beeinträchtigt „würde“, das Dokument nicht freigeben dürfe. Der Gebrauch des Konditionals (würde), der einen Wertungsspielraum belasse, bedeute, dass ein negativer Effekt eintreten könne, und nicht, dass absolut sicher sein müsse, dass ein solcher Effekt eintreten werde. 41  Zur Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren führt die Kommission als Erstes aus, dass jedes nationale und internationale Rechtssystem eine ihm eigene Vorgehensweise für den Umgang mit einem Gericht vorgelegten Verfahrensschriftstücken festlege. Wie die Klägerin selbst vorgetragen habe, gewährleisteten die europäischen Gerichte ein sehr hohes Maß an Transparenz, da, abgesehen davon, dass jede Rechtssache Gegenstand einer Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union sei, die eine Zusammenfassung der mit der Klage geltend gemachten Klagegründe und wesentlichen Argumente enthalte, die mündliche Verhandlung öffentlich sei und das Vorbringen der Parteien im Sitzungsbericht zusammengefasst und in den Schlussanträgen des Generalanwalts und im Urteil wiedergegeben und geprüft werde. 42  Sie sei zum Schutz von Gerichtsverfahren verpflichtet, die von jedem einzelnen Gericht dafür angewandte Vorgehensweise zu berücksichtigen. Weder der Gerichtshof noch das Gericht veröffentlichten aber die bei ihnen eingereichten Verfahrensschriftstücke, und beim Gericht werde der Zugang Dritter zu den Akten streng kontrolliert gemäß Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts vom 3. März 1994 (ABl. L 78, S. 32) in der zuletzt am 5. Juni 2002 (ABl. L 160, S. 1) geänderten Fassung, wonach „[k]eine dritte Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts … ohne ausdrückliche, nach Anhörung der Parteien erteilte Genehmigung des Präsidenten die Akten der Rechtssache oder die Verfahrensvorgänge einsehen“ und „[d]iese Genehmigung … nur auf schriftlichen Antrag erteilt werden [kann], dem eine eingehende Begründung für das berechtigte Interesse an der Akteneinsicht beizufügen ist“. Im Übrigen schreibe die Verordnung Nr. 1049/2001 den Gerichten nicht vor, wie sie die vor ihnen stattfindenden Verfahren zu führen hätten. Der Gerichtshof habe hierzu festgestellt, dass es für die Vertraulichkeit von Verfahrensschriftstücken und für die Frage, ob die Verfahrensbeteiligten sie Dritten übermitteln könnten, keinen allgemeinen Grundsatz gebe, und er habe betont, dass besondere Erwägungen gälten, wenn „die Verbreitung eines Schriftstücks die ordnungsgemäße Rechtspflege beeinträchtigen könnte“ (Beschluss des Gerichtshofs vom 3. April 2000, Deutschland/Parlament und Rat, C‑376/98, Slg. 2000, I‑2247, Randnr. 10). 43  Das Gericht habe den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege, dass die Parteien das Recht hätten, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten, bestätigt und auf Verfahrensschriftstücke angewandt (Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 136). Die Tatsache, dass die anhängigen Rechtssachen der Öffentlichkeit bekannt seien, dürfe nicht mit dem Recht der Parteien verwechselt werden, ihr schriftliches Vorbringen nicht der Öffentlichkeit preiszugeben. 44  Das öffentliche Interesse verlange nicht die Freigabe aller Verfahrensschriftstücke, die sich sogar als kontraproduktiv erweisen könne, da der schriftliche Dialog zwischen den Parteien Gefahr laufe, sich in eine öffentliche Debatte zu verwandeln, in der Druck auf die mit einer Rechtssache befassten Bediensteten ausgeübt werden könne, und die Stichhaltigkeit bestimmter Argumente könne anderem Druck von außen ausgesetzt sein. Die Notwendigkeit, die Ausgewogenheit der Verhandlung zu schützen, wiege also schwerer als die Notwendigkeit, dass die Journalisten ausreichend auf die mündliche Verhandlung vorbereitet seien. Eine systematische Freigabe könne zudem ein ungünstiges Ungleichgewicht zwischen den Organen und allen oder einigen anderen Verfahrensbeteiligten herbeiführen, die nicht verpflichtet seien, unter denselben Bedingungen, wie sie für die Organe gälten, Zugang zu ihren Schriftsätzen zu gewähren. 7 von 21                                                                                                                 04.01.2011 08:05
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http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num... 45  Die Kommission trägt als Zweites vor, dass sie, wenn bei ihr Zugang im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 beantragt werde, zunächst prüfe, ob das Verfahren, auf das sich das angeforderte Dokument beziehe, das Stadium der mündlichen Verhandlung erreicht habe, und dann, ob nach dem Vorstehenden der Schutz von Gerichtsverfahren die Verweigerung des Zugangs zu diesem Dokument erfordere. In dieser Weise habe sie sich geweigert, ihre Schriftsätze in den Rechtssachen General Electric/Kommission, T‑210/01, und Honeywell/Kommission, T‑209/01, die vor dem Gericht anhängig gewesen seien, freizugeben. 46  Es könne auch Gründe dafür geben, den Zugang zu einem Dokument nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder nach Verkündung des Urteils zu verweigern, wenn es sich als notwendig erweise, die Formulierung eines schriftlichen Vorbringens zu schützen, die mit derjenigen übereinstimme, die in einer damit im Zusammenhang stehenden noch anhängigen Rechtssache verwendet werde. Die Weigerung, Zugang zu den Schriftsätzen in der bereits durch ein Urteil des Gerichts abgeschlossenen Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, zu gewähren, sei auf einen solchen Grund gestützt, da dieselbe Klägerin anschließend eine Schadensersatzklage erhoben habe (Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03), die noch immer anhängig sei. Der Zusammenhang zwischen den beiden Rechtssachen bestehe darin, dass einige der im Rahmen der Nichtigkeitsklage vorgetragenen Argumente ebenfalls im Rahmen der Schadensersatzklage erörtert werden könnten. 47  Hinsichtlich der Abwägung der beteiligten Interessen ist die Kommission der Auffassung, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse, das die Freigabe der angeforderten Dokumente rechtfertige, für keine Art von Dokumenten von vornherein angenommen werden könne, sondern immer unter Berücksichtigung der anderen beteiligten Interessen im Einzelfall nachgewiesen werden müsse. Das überwiegende öffentliche Interesse, ein Begriff, der in der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht definiert worden sei, könne erst dann Berücksichtigung finden, wenn nachgewiesen sei, dass eine der Ausnahmen eingreife. 48  Würde ferner die Ausnahme des überwiegenden öffentlichen Interesses, die eine Ausnahme von einer Ausnahme sei, systematisch angewandt, um die Freigabe von Schriftstücken in jedem Verfahrensstadium zu rechtfertigen, führe dies dazu, dass der Ausnahme für Gerichtsverfahren jede praktische Wirksamkeit genommen würde. Bei der Abwägung der beteiligten Interessen müsse ebenfalls berücksichtigt werden, dass die Öffentlichkeit bereits über eine Rechtssache informiert worden sei, zuerst im Stadium der Klageerhebung (Veröffentlichung der wesentlichen Klagegründe und des wesentlichen Vorbringens der klagenden Partei im Amtsblatt) und dann durch den Sitzungsbericht. Bezüglich der von der Klägerin in der vorliegenden Rechtssache angeforderten Dokumente habe die Kommission angenommen, dass dem öffentlichen Interesse mit der Wahrung des ordnungsgemäßen Ablaufs der fraglichen Gerichtsverfahren am besten gedient sei. 49  Die Tatsache, dass die Klägerin an keinem der Verfahren, auf die sich die Dokumente, deren Freigabe beantragt worden sei, bezögen, beteiligt sei und dass weder sie noch ihre Mitglieder die Absicht hätten, Druck auf die Kommission auszuüben, nehme dem Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat, oben in Randnr. 15 angeführt, nichts von seiner Relevanz. In Randnr. 138 des Urteils habe das Gericht den Zweck der Freigabe der Verfahrensschriftstücke in jener Rechtssache nämlich für missbräuchlich erklärt. Da die Freigabe eines Dokuments bestätige, dass es frei verbreitet werden könne, stelle das Versprechen der Klägerin, keinen Druck auszuüben, nicht sicher, dass sich andere Angehörige der Öffentlichkeit ebenso verhielten. 50  Im Urteil Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt (Randnrn. 40 und 41), habe das Gericht festgestellt, dass die Kategorie von Dokumenten, auf die die Ausnahme für Gerichtsverfahren anwendbar sei, alle Dokumente erfasse, die von der Kommission nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt worden seien. Das Urteil Interporc II habe den Anwendungsbereich der Ausnahme für Gerichtsverfahren also festgelegt, ohne aber diese Dokumente als Kategorie vom Recht auf öffentlichen Zugang auszunehmen, und das Urteil Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt (Randnrn. 27 bis 30), habe bestätigt, dass es keine generelle Ausnahme für diese Dokumente gebe, die die Kommission dazu verpflichte, sie nicht freizugeben. Das Urteil Interporc II bleibe daher rechtlich relevant, und ihm hätte im vorliegenden Fall gefolgt werden müssen, da die Kommission keineswegs eine generelle Absage erteilt, sondern jedes einzelne Dokument geprüft habe. Würdigung durch das Gericht –      Vorbemerkungen 51  Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass Art. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 insbesondere in Verbindung mit deren viertem Erwägungsgrund dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Organe befinden, größtmögliche Wirksamkeit verschaffen soll (Urteil des Gerichtshofs vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 61). 52  Aus dieser Verordnung, insbesondere dem elften Erwägungsgrund, Art. 1 Buchst. a und Art. 4, der ein System von Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten vorsieht, ergibt sich aber auch, dass dieses Recht aufgrund öffentlicher oder privater Interessen gleichwohl gewissen Einschränkungen unterliegt (Urteil Sison/Rat, oben in Randnr. 51 angeführt, Randnr. 62). 8 von 21                                                                                                                   04.01.2011 08:05
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http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num... 53  Da diese Ausnahmen vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, sind sie eng auszulegen und anzuwenden (Urteil Sison/Rat, oben in Randnr. 51 angeführt, Randnr. 63; Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/94, Slg. 2006, II‑2023, Randnr. 84; zum Verhaltenskodex von 1993 vgl. auch entsprechend Urteile des Gerichtshofs Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 27, und vom 6. Dezember 2001, Rat/Hautala, C‑353/99 P, Slg. 2001, I‑9565, Randnr. 25; Urteile des Gerichts vom 14. Oktober 1999, Bavarian Lager/Kommission, T‑309/97, Slg. 1999, II‑3217, Randnr. 39, und Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 66). 54  Nach ständiger Rechtsprechung muss außerdem die im Rahmen der Bearbeitung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten erforderliche Prüfung konkret sein. Zum einen kann nämlich der bloße Umstand, dass ein Dokument ein durch eine Ausnahme geschütztes Interesse betrifft, nicht ausreichen, um die Anwendung der Ausnahme zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 26. April 2005, Sison/Rat, T‑110/03, T‑150/03 und T‑405/03, Slg. 2005, II‑1429, Randnr. 75, und Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 115). Eine solche Anwendung kann grundsätzlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Organ zuvor geprüft hat, ob erstens der Zugang zu dem Dokument das geschützte Interesse tatsächlich konkret hätte verletzen können und ob zweitens – in den Fällen des Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 – nicht ein höherrangiges öffentliches Interesse bestand, das die Freigabe des betreffenden Dokuments rechtfertigte. Zum anderen muss die Gefahr einer Beeinträchtigung eines geschützten Interesses vernünftigerweise absehbar sein und darf nicht rein hypothetisch sein. Die Prüfung, die das Organ durchführen muss, um eine Ausnahme anzuwenden, muss daher konkret sein und aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen (Urteile des Gerichts vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, Slg. 2005, II‑1121, im Folgenden: Urteil VKI, Randnr. 69, sowie Franchet und Byk/Kommission, Randnr. 115). 55  Diese konkrete Prüfung muss für jedes im Antrag bezeichnete Dokument durchgeführt werden. Aus der Verordnung Nr. 1049/2001 ergibt sich nämlich, dass alle in ihrem Art. 4 Abs. 1 bis 3 genannten Ausnahmen auf das einzelne Dokument („zu einem Dokument“) anzuwenden sind (Urteile VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 70, und Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 116). Was ferner die zeitliche Anwendbarkeit dieser Ausnahmen betrifft, sieht Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 vor, dass sie nur für den Zeitraum gelten, in dem der Schutz aufgrund des „Inhalts des Dokuments“ gerechtfertigt ist. 56  Daraus folgt, dass eine konkrete und individuelle Prüfung jedenfalls dann erforderlich ist, wenn – auch in den Fällen, in denen klar ist, dass ein Zugangsantrag von einer Ausnahme erfasste Dokumente betrifft – nur eine solche Prüfung es dem Organ ermöglicht, zu beurteilen, ob dem Antragsteller teilweiser Zugang nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 gewährt werden kann (Urteile VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 73, sowie Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 117). Im Rahmen der Anwendung dieser Verordnung hat das Gericht im Übrigen eine Prüfung von Dokumenten nach Kategorien statt nach den in diesen Dokumenten enthaltenen konkreten Informationen bereits für grundsätzlich unzureichend erachtet, da die Prüfung, zu der ein Organ verpflichtet ist, es ihm ermöglichen muss, konkret zu beurteilen, ob eine geltend gemachte Ausnahme auch tatsächlich für alle in diesen Dokumenten enthaltenen Informationen gilt (Urteil VKI, Randnrn. 74 und 76; zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Oktober 2000, JT’s Corporation/Kommission, T‑123/99, Slg. 2000, II‑3269, Randnrn. 46 bis 48). 57  Bei der Verpflichtung eines Organs, den Inhalt der in dem Zugangsantrag bezeichneten Dokumente konkret und individuell zu prüfen, handelt es sich um eine grundsätzliche Verpflichtung (Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnrn. 74 und 75), die bei allen in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Ausnahmen besteht, unabhängig davon, zu welchem Bereich die angeforderten Dokumente gehören. Da in der Verordnung keine Sonderregelung für die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren vorgesehen ist, erstreckt sich die grundsätzliche Verpflichtung auch auf diese Ausnahme. 58  Diese grundsätzliche Verpflichtung bedeutet allerdings nicht, dass eine solche Prüfung unter allen Umständen erforderlich ist. Da nämlich die konkrete und individuelle Prüfung, die das Organ grundsätzlich auf einen auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag auf Akteneinsicht hin durchführen muss, es dem betreffenden Organ ermöglichen soll, zu beurteilen, inwieweit eine Ausnahme vom Zugangsrecht anwendbar ist und ob die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs besteht, kann eine solche Prüfung entbehrlich sein, wenn aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Falls offenkundig ist, dass der Zugang zu verweigern oder im Gegenteil zu gewähren ist. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn bestimmte Dokumente offenkundig in vollem Umfang von einer Ausnahme vom Zugangsrecht erfasst werden oder aber offenkundig in vollem Umfang zugänglich sind oder wenn sie von der Kommission unter ähnlichen Umständen bereits konkret und individuell geprüft worden waren (Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 75). 59  Als Zweites ist zur Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren erstens festzustellen, dass sich aus der weiten Definition des Begriffs des Dokuments in Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 sowie aus der Formulierung und dem bloßen Bestehen der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren ergibt, dass 9 von 21                                                                                                                  04.01.2011 08:05
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http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/gettext.pl?where=&lang=de&num... der Gemeinschaftsgesetzgeber die Tätigkeit der Organe Zusammenhang mit solchen Verfahren nicht vom Zugangsrecht der Bürger ausschließen wollte, sondern hierfür vorgesehen hat, dass sie die Freigabe von Dokumenten aus einem Gerichtsverfahren dann verweigern, wenn eine solche Freigabe das Verfahren, auf das sich die Dokumente beziehen, beeinträchtigen würde. 60  Zweitens hat das Gericht bereits entschieden, dass der Begriff der Gerichtsverfahren, der im Rahmen des Verhaltenskodex von 1993 dahin ausgelegt wurde, dass er die eingereichten Schriftsätze oder Dokumente, die internen Schriftstücke, die die Bearbeitung der anhängigen Rechtssache betreffen, und die Schriftwechsel über die Rechtssache zwischen der betroffenen Generaldirektion und dem Juristischen Dienst oder einer Rechtsanwaltskanzlei umfasst (Urteil Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 41), auch im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 gilt (vgl. Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 90). Die von der Kommission beim Gemeinschaftsrichter eingereichten Schriftsätze fallen also insofern in den Anwendungsbereich der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren, als sie ein geschütztes Interesse betreffen. 61  Drittens vermag der Umstand allein, dass alle Dokumente, die nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt wurden, in den Anwendungsbereich dieser Ausnahme fallen (Urteile Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 40, sowie Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 88 und 89), und insbesondere die von den Organen eingereichten Schriftsätze, nicht die Anwendung der geltend gemachten Ausnahme zu rechtfertigen. Denn wie der Gerichtshof zum Verhaltenskodex von 1993 bereits entschieden hat, kann die dem Schutz des öffentlichen Interesses im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens dienende Ausnahme nicht dahin ausgelegt werden, dass die Kommission ihretwegen verpflichtet ist, den Zugang zu allen von ihr allein für dieses Verfahren erstellten Dokumenten zu verweigern (Urteil Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 30). 62  Eine solche Auslegung ist im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 zwangsläufig geboten, zumal die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung im Vergleich zu der Ausnahme im Verhaltenskodex von 1993 enger formuliert ist. Zum einen ist nämlich die Weigerung, Zugang zu gewähren, im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 nur gerechtfertigt, wenn die Freigabe des betreffenden Dokuments das fragliche Interesse beeinträchtigen „würde“, und nicht, wie im Verhaltenskodex von 1993 vorgesehen, wenn sich durch die Freigabe in Bezug auf das Interesse „eine Beeinträchtigung ergeben könnte“. Das schließt mit ein, dass das betreffende Organ für jedes angeforderte Dokument zu prüfen hat, ob dessen Offenlegung nach den ihm vorliegenden Informationen tatsächlich geeignet ist, eines der durch die Ausnahmeregelung geschützten Interessen zu beeinträchtigen (zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. Februar 1998, Interporc/Kommission, T‑124/96, Slg. 1998, II‑231, Randnr. 52, und JT’s Corporation/Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 64). Zum anderen sieht die Verordnung Nr. 1049/2001 selbst für den Fall, dass die Freigabe des angeforderten Dokuments den Schutz des fraglichen Gerichtsverfahrens beeinträchtigen würde, vor, dass der Zugang zu gewähren ist, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse dies rechtfertigt, was im Verhaltenskodex von 1993 nicht vorgesehen war. 63  Viertens soll die auf den Schutz von Gerichtsverfahren gerichtete Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten u. a. das Recht jeder Person auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht wahren, das ein in Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) vorgesehenes Grundrecht und integraler Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ist, deren Beachtung der Gemeinschaftsrichter sichert, wobei er sich an die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und an die Hinweise anlehnt, die insbesondere die EMRK liefert (Urteile des Gerichtshofs vom 2. Mai 2006, Eurofood IFSC, C‑341/04, Slg. 2006, I‑3813, Randnr. 65, und vom 25. Januar 2007, Salzgitter Mannesmann/Kommission, C‑411/04 P, Slg. 2007, I‑0000, Randnrn. 40 und 41), sowie eine geordnete Rechtspflege gewährleisten. Diese Ausnahme erfasst also nicht nur die Interessen der Beteiligten in einem Gerichtsverfahren, sondern auch allgemein den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens. 64  Das Gericht hat daher im Licht der oben in den Randnrn. 51 bis 63 entwickelten Grundsätze zu prüfen, ob die Kommission dadurch, dass sie angenommen hat, dass die Verweigerung der Freigabe der von ihr in den Rechtssachen        Honeywell/Kommission,       T‑209/01,       General       Electric/Kommission,          T‑210/01, Kommission/Österreich, C‑203/03, und Airtours/Kommission, T‑342/99, eingereichten Schriftsätze von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren gedeckt wird, im vorliegenden Fall einen Fehler begangen hat. –      Zur Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in den Rechtssachen T‑209/01, T‑210/01 und C‑203/03 65  Hinsichtlich der im Zugangsantrag bezeichneten Dokumente ist als Erstes zu untersuchen, ob die Kommission den Inhalt jedes angeforderten Dokuments konkret geprüft hat, was die Klägerin unter Verweis auf die Allgemeinheit der für die Verweigerung des Zugangs geltend gemachten Rechtfertigung bestreitet. 66  Es ist festzustellen, dass aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht hervorgeht, dass die Kommission eine solche Prüfung vorgenommen hat. Sie hat in dieser Entscheidung nämlich für den 10 von 21                                                                                                                 04.01.2011 08:05
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