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Aktenzeichen
2 A 96.06
Datum
31. Mai 2007
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Berlin am 31. Mai 2007

2 A 96.06

Das Bundesverkehrsministerium lehnte einen Antrag auf Zugang zu Angaben über Flugdaten amerikanischer Flugzeugemit dem Argument der Gefährdung der guten Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika ab. Es stützte die Ablehnung außerdem auf die Einstufung als "VS - nur für den Dienstgebrauch". Das Verwaltungsgericht teilt die Auffassung, nach der die Voraussetzungen des § 3 Nr. 1a und 4 IFG (Bund) vorliegen (nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen und spezielle Verschlusssachenregelung). Die Einstufung als Verschlusssache sei zu Recht erfolgt; der Begriff "nachteilige Auswirkungen" weit auszulegen. (Quelle: LDA Brandenburg)

(Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Internationale Beziehungen

VG 2 A 93.06 Verkündet am 31. Mai 2007

Kelm Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL

In der Verwaltungsstreitsache des Herrn

Prozessbevollmächtigter:

Im Namen des Volkes

Klägers,

Rechtsanwalt Helmuth Jipp, Köppenstraße 9, 22453 Hamburg,

g e g e n

die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Invalidenstraße 44, 10115 Berlin,

Beklagte,

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2007 durch

die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Erckens, die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Gamp, die ehrenamtliche Richterin die ehrenamtliche Richterin

für Recht erkannt: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.

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Tatbestand

Der Kläger ist politischer Redakteur eines wöchentlich erscheinenden Magazins. Er recherchiert u.a. über die Aktivitäten ausländischer Geheimdienste in Deutschland. Mit Email vom 4. Januar 2006 wandte er sich an das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und bat um Auskünfte über die Flugbewegungen von 20 im Einzelnen benannten Flugzeugen mit Registrierungsnummern beginnend mit "N" (Registrierstaat USA) im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2005. Er begehrte Angaben über die jeweiligen Tage, an denen Flugbewegungen dieser Flugzeuge stattfanden, die Flughäfen sowie die Uhrzeiten der Starts und Landungen. Die Auskünfte sollten erteilt werden aus den bei der Deutschen Flugsicherung GmbH erstellten Flugplänen.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. Februar 2006 mit der Begründung ab, die Informationserteilung sei gemäß § 3 Nr. 4 Informationsfreiheitsgesetz - IFG - ausgeschlossen. Die erbetenen Daten unterlägen der Vertraulichkeit, da sie als Verschlusssache eingestuft seien. Die Einstufung der Daten erfolge in Anwendung der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen.

Nach entsprechenden in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfen vor allem im Hinblick auf eine angebliche Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an operativen Kriegshandlungen im Irakkrieg im Jahre 2003 forderte das Parlamentarische Kontrollgremium die Bundesregierung auf, einen umfassenden schriftlichen Bericht zu diesen Fragen zu erstellen. Die Bundesregierung kam dem am 20. Februar 2006 durch Vorlage eines Berichts nach, der auch geheimhaltungsbedürftige operative Einzelheiten enthält. Die Bundesregierung fertigte darüber hinaus eine offene Fassung dieses Berichts und stellte sie allen Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Diese offene Fassung enthält einen Teil der vom Kläger begehrten Informationen in aggregierter Form.

Der Kläger legte unter dem 24. Februar 2006 Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid ein im Wesentlichen mit der Begründung, die dynamische Verweisung auf eine Verwaltungsvorschrift in § 3 Nr. 4 IFG sei verfassungswidrig. Eine verfassungskonforme Auslegung dieser Norm sei nur in der Weise möglich, dass materielle Gründe für die Einstufung als Verschlusssache vorliegen müssten. Solche materiellen Gründe seien in dem angegriffenen Bescheid nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich.

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Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wies den Widerspruch zurück und stellte im Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2006 darauf ab, dass die Einstufung der erbetenen Informationen als Verschlusssache fortbestehe und nicht beabsichtigt sei, diese Einstufung aufzuheben. Für den Tatbestand des § 3 Nr. 4 IFG sei alleine die Tatsache der Einstufung maßgeblich. Auf die materiellen Gründe für die Einstufung komme es nicht an. § 3 Nr. 4 IFG genüge verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Begründung für die Ablehnung des Informationsanspruches dürfe kurz ausfallen, weil nähere Ausführungen zu den beantragten Informationen gegebenenfalls Rückschlüsse auf Umstände zulassen würden, die der Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht unterlägen.

Am 30. Juni 2006 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht ergänzend zu seinem bisherigen Vortrag geltend, die erbetenen Informationen seien in tatsächlicher Hinsicht offenkundig. Sie könnten von jemandem, der sich an dem entsprechenden Flughafen aufhält, wahrgenommen werden. Die Informationen seien zumindest teilweise auch aus Rechtsgründen offenkundig, da sie in dem Bericht der Bundesregierung für das parlamentarische Kontrollgremium enthalten seien. Für die darüber hinaus gehenden Informationen, die er zusätzlich begehre, bestehe kein besonderes Geheimhaltungsbedürfnis. Es sei auch nicht erkennbar, worin die konkreten, sich aus einer Bekanntgabe der erbetenen Informationen ergebenden Nachteile für die Bundesrepublik Deutschland bestünden. Es gehe auch nicht um personenbezogene Daten, da er keine Angabe zum Flugzeughalter oder zum jeweiligen Luftfahrzeugführer begehre.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 3. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 29. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die am 4. Januar 2006 beantragten Informationen zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie führt ergänzend an: Die Einstufung als "VS - Nur für den Dienstgebrauch" beruhe auf der Sorge, dass der vom Verwendungszweck abweichende Umgang mit diesen Daten, insbesondere eine nicht sachgerechte und nicht fachgerechte Interpretation der Daten und ihre Veröffentlichung zu einer Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland führen könnten. Die Kenntnisnahme durch Dritte und die zu besorgende Veröffentlichung dieser Daten könnten für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland

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nachteilig sein. Die Flugbewegungen unterfielen dem Untersuchungsauftrag des 1. Untersuchungsausschusses in der 16. Wahlperiode. Die Einstufung sei auf Grund des materiellen Gehalts der Informationen und aus Gründen der Besorgnis, dass ihre Offenlegung Rückschlüsse auf Umstände zuließen, die der Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht unterliegen, erfolgt. Eine detaillierte Darlegung der für die Einstufung vorliegenden Gründe würde Rückschlüsse auf die Informationen und Umstände zulassen, die der Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht unterliegen. Die Veröffentlichung eines Teils der erbetenen Informationen im offenen Bericht der Bundesregierung für das Parlamentarische Kontrollgremium beruhe auf einer Abwägung zwischen dem Informationsanspruch des Parlamentarischen Kontrollgremiums einerseits und den dargelegten schutzwürdigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland sowie den individuellen Interessen am Schutz personenbezogener Daten andererseits. Denn das Kennzeichen eines Luftfahrzeugs sei mit entsprechendem Ermittlungsaufwand auf natürliche Personen beziehbar, so dass es sich um personenbezogene Daten handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitakte sowie den Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; er hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Auskunft über bestimmte bei der Deutschen Flugsicherung erfasste Flugdaten von 20 näher bezeichneten Flugzeugen ist § 1 Abs. 1 Satz 1 Informationsfreiheitsgesetz des Bundes - IFG-. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor (1.); der Kläger hat dennoch keinen Anspruch auf Auskunft, da Ausschlussgründe nach § 3 Nr. 1 a) und 4 IFG vorliegen (2.).

  1. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist eine Behörde im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die vom Kläger begehrten Flugdaten sind amtliche Informationen gemäß § 2 Nr. 1 IFG; sie werden zu Zwecken der Flugsicherung erhoben (§ 27 c LuftVG)

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und dienen damit amtlichen Zwecken. Die Flugsicherung ist eine öffentlich-rechtliche Aufgabe zu deren Erfüllung sich der Beklagte einer juristischen Person des Privatrechts, der Deutschen Flugsicherung GmbH, bedient; nach § 1 Abs. 1 Satz 3 IFG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 IFG bleibt in solchen Fällen das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung anspruchsverpflichtete Behörde.

  1. Der Anspruch auf Informationszugang besteht aber nicht, da Ausschlussgründe nach § 3 Nr. 1 a) und 4 IFG vorliegen.

a. Nach § 3 Nr. 1 a) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann. Dies ist hier der Fall.

aa. Unter "internationale Beziehungen" versteht man in erster Linie die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten oder Völkerrechtssubjekten. Um solche Beziehungen geht es hier. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland beruft sich auf ihre Beziehungen zu den Vereinigten Staaten; die begehrten Informationen betreffen Flugdaten von in den Vereinigten Staaten registrierten Flugzeugen.

bb. Nachteilige Auswirkungen liegen vor, wenn sich das Bekanntwerden der Information negativ oder ungünstig auf die internationalen Beziehungen auswirken kann. Eine mögliche Belastung internationaler Beziehungen ist ausreichend; eine Gefährdung, Beeinträchtigung oder ein Schaden ist nicht erforderlich. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Zweck der Vorschrift.

Nach dem Wortlaut und der Systematik ist der Begriff "nachteilige Auswirkungen" weit zu verstehen. Vom Wortsinn her bedeutet Nachteil, dass sich etwas negativ auswirkt, eine Beeinträchtigung oder gar ein Schaden entsteht (vgl. Duden, Das große Wörterbuch für die deutsche Sprache); nicht ausreichend ist, dass die internationalen Beziehungen nur "berührt" werden (vgl. Roth in Berger/Roth/Scheel, IFG, 2006, § 3 Rdnr. 22). Aus der Systematik des § 3 IFG ergibt sich, dass jeder in Betracht zu ziehende Nachteil ausreicht und eine Beeinträchtigung, Gefährdung oder Schädigung nicht zwingend erforderlich ist. Der Gesetzgeber hat bei den in § 3 IFG im Einzelnen aufgeführten Ausschlussgründen verschiedene Begriffe für die Folgenabschätzung bei Bekanntwerden der Information verwandt. Während er in Nr. 1 von nachteiligen Auswirkungen auf das Schutzgut spricht, verlangt er in Nr. 2 eine Gefährdung und in Nr. 4 und 6 eine Beeinträchtigung der jeweils zu schützenden Belange. Durch diese Differenzierung macht er deutlich, dass die Schwelle bei § 3 Nr. 1 IFG (Feststellung

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der möglichen Nachteilswirkung) geringer ist als bei § 3 Nr. 2, 4 und 6 IFG (Feststellung der möglichen Gefährdung bzw. Beeinträchtigung). Diese Auslegung entspricht auch dem Zweck der Vorschrift. § 3 Nr. 1 a) IFG schützt die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland (BTDrucks 15/4493, S. 9). Die Beziehungen der Bundesrepublik zu ausländischen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten sollen nicht belastet werden (vgl. Rossi, IFG, 2006, § 3 Rdnr. 10 m.w.N.). Ob und wann eine Belastung eintritt, welcher Art sie ist und ob sie bereits eine Beeinträchtigung, Gefährdung oder gar Schädigung der Beziehungen hervorruft, hängt in hohem Maße von der (außen)politischen Einschätzung der Regierung oder der jeweils zuständigen Stelle ab. Um diesen Einschätzungsspielraum zu wahren, hat der Gesetzgeber in § 3 Nr. 1 IFG den gegenüber der Beeinträchtigung, Gefährdung oder Schädigung weiter gefassten Begriff der "nachteiligen Auswirkungen" gewählt.

Das Tatbestandsmerkmal "nachteilige Auswirkungen" verlangt aber - da es sich bei § 3 Nr. 1 IFG um einen Ausnahmetatbestand zu § 1 Abs. 1 IFG handelt -, dass eine (mögliche) Belastung nicht pauschal, sondern bezogen auf den Einzelfall von der anspruchsverpflichteten Stelle dargelegt wird. Die auf den Einzelfall bezogenen Gründe müssen zwar nicht so detailliert sein, dass Rückschlüsse auf die geschützten Informationen möglich sind; sie müssen aber - jedenfalls im Verfahren ihrer gerichtlichen Überprüfung - so einleuchtend und nachvollziehbar dargelegt werden, dass sie unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Belange noch als ausreichend anerkannt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1986 - 7 C 71/83 -, Juris, Rdnr. 15 m.w.N. zu § 26 Abs. 5 StVZO).

Bei der Entscheidung, ob die Bekanntgabe von Informationen nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann, handelt es sich um eine prognostische Entscheidung wertenden Charakters mit (außen)politischem Einschlag, die zu den Aufgaben der Verwaltung (oder Regierung) gehört und dieser einen Einschätzungsspielraum einräumt. Eine derartige Entscheidung hat das Gericht (nur) daraufhin zu überprüfen, ob die anspruchsverpflichtete Stelle von vollständigen und zutreffenden tatsächlichen Grundlagen ausgegangen ist, die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte erkannt hat und ob ihre Prognose über die möglichen nachteiligen Auswirkungen nicht offensichtlich fehlerhaft ist.

Gemessen an diesen Anforderungen hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, warum sich das Bekanntwerden der Informationen nachteilig auf die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten auswirken kann; ihre Prognose ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar war die Begründung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden noch zu pauschal; denn die Gefahr, dass der vom Verwendungszweck abweichende Umgang mit diesen Daten, insbesondere eine nicht sach- und fachgerechte Interpretation der Daten und ihre Veröffentli-

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chung, zu einer Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehung der Bundesrepublik Deutschland führen könnte, besteht bei jeder bekannt werdenden Information und lässt eine Auseinandersetzung mit dem Einzelfall noch nicht erkennen. Auch die weitere Begründung, die Flugbewegungen unterfielen dem Untersuchungsauftrag des 1. Untersuchungsausschusses in der 16. Wahlperiode, war für sich genommen noch nicht ausreichend, um zu erkennen, in welcher Weise das Bekanntwerden der Daten die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten belasten könnte.

Die Vertreter der Beklagten haben jedoch in der mündlichen Verhandlung die Gründe für die Ablehnung in einer Weise ergänzt und konkretisiert, die die befürchtete Belastung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten nachvollziehbar macht. Danach stünden die vom Kläger näher bezeichneten Flugzeuge in der öffentlichen Diskussion im Kontext zu angeblichen CIA-Flügen. Auch alle parlamentarischen Anfragen zielten auf CIA-Flüge und auf deren vermutliche Illegalität ab. Die Bundesregierung wisse zwar nicht, wer hinter den Flügen stehe und in wessen Auftrag sie geflogen worden seien. In der Öffentlichkeit werde dennoch impliziert, dass es sich um illegale Flüge der CIA handele. Würde die Bundesregierung dem Antrag stattgeben, bestünde die Gefahr, dass sie dieser Interpretation Vorschub leiste. Dies würde durch die beabsichtigte Verwertung in den Medien noch verstärkt werden. Es sei davon auszugehen, dass dies bei der amerikanischen Regierung nicht auf Wohlwollen, wenn nicht sogar auf Ablehnung stoße. Durch die amtliche Freigabe in dem benannten Zusammenhang könne es zu Irritationen auf amerikanischer Seite kommen. Die Verantwortung für die Herstellung dieses Zusammenhangs würde der Bundesregierung zugerechnet werden. Nach der Anschlagsserie am 11. September 2001 seien die Urheber dieses Anschlags auch weitgehend mit einem Wohnort in der Bundesrepublik Deutschland belastet worden. Infolge der Vorwürfe durch die Vereinigten Staaten sei bei der Bundesregierung eine starke Sensibilität vorhanden, keine weiteren Vorwürfe durch die USA hervorzurufen. Würden die beantragten Informationen, die ausschließlich amerikanische Flugzeuge beträfen, amtlich frei gegeben, sei zu befürchten, dass dies zusätzlich schlechtes Licht auf die Bundesrepublik werfe.

Diese Ausführungen lassen die tatsächlichen Grundlagen und entscheidungserheblichen Gesichtspunkte für die Prognose der Beklagten erkennen, sie sind nachvollziehbar, auf den Einzelfall bezogen und rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte stellt zunächst darauf ab, dass die vom Kläger begehrten Flugdaten in der öffentlichen Diskussion im Kontext zu angeblich illegalen CIA-Flügen stehen und auch alle parlamentarischen Anfragen auf die vermutliche Illegalität von CIA- Flügen abzielten. Dies wird belegt durch den "Bericht der Bundesregierung (offene Fassung) gemäß Anforderung des Parlamentarischen Kontrollgre-

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miums vom 25. Januar 2006 zu den Vorgängen im Zusammenhang mit dem Irakkrieg und der Bekämpfung des Internationalen Terrorismus (Stand: 15. Februar 2006)" (s. Anlage K 8 zur Klage). Dort wird auf Seite 55 ausgeführt, dass der Bundesregierung Medienberichte über angeblich geheime Gefangenentransporte der CIA durch Europa und die Bundesrepublik Deutschland bekannt sind und diese bereits mehrfach Gegenstand von Anfragen aus dem parlamentarischen Raum und von Medienvertretern waren. Die Beklagte befürchtet, dass es durch die amtliche Freigabe der begehrten Flugdaten vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion über angeblich illegale CIA-Flüge zu (die Beziehungen belastenden) Irritationen auf amerikanischer Seite kommen könne, weil der Eindruck entstehe, die Bundesregierung würde dieser Interpretation noch Vorschub leisten mit der Folge, dass die Verantwortung für die Herstellung des Zusammenhangs zwischen den Flugbewegungen von bestimmten in Amerika registrierten Flugzeugen und angeblich illegalen CIA-Flügen der Bundesregierung zugerechnet würde. Diese prognostische Einschätzung ist vor dem Hintergrund der Ereignisse am 11. September 2001, dem Irakkrieg und der damit einhergehenden Sensibilität der Bundesregierung im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten nachvollziehbar und nicht offensichtlich fehlerhaft. Dies gilt umso mehr, als auch US-Außenministerin Rice bei den Gesprächen mit Bundesaußenminister Dr. Steinmeier am 29. November 2005 in Washington und am 6. Dezember 2005 in Berlin keine Informationen über CIA-Flüge zur Verfügung gestellt hat (Bericht der Bundesregierung, a.a.O. Seite 55). Auch nach Auffassung der Bundesregierung selbst sollen die von der Deutschen Flugsicherung (und von EUROCONTROL) erstellten Listen mit detaillierten Informationen nicht öffentlich gemacht werden, sondern sind als Verschlusssache einzustufen, weil die Sorge besteht, dass die auswärtigen Beziehungen beeinträchtigt werden könnten (vgl. Bericht der Bundesregierung, a.a.O. Seite 66).

b) Darüber hinaus liegt auch der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 4 IFG vor. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt. Dies ist hier der Fall. Die vom Kläger begehrten Informationen sind aufgrund der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VA- Anweisung- VSA, Fassung von 1994, zuletzt geändert am 1. Juli 2001) als "VS- Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft worden. Sie sind damit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG -) vom 20. April 1994 (BGBL. I. S. 867), § 5 Abs. 1 Satz 1 VSA geheimhaltungsbedürftig und durch ihre Einstufung unterliegen sie der Geheimhaltungspflicht.

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Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 3 Nr. 4 2. Alt. IFG nicht verfassungswidrig. Sein Einwand, es handele sich um eine unzulässige dynamische Verweisung auf eine Verwaltungsvorschrift, greift nicht durch. Der Sache nach geht es um die Frage, ob die Vorschrift dem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt genügt. Danach verpflichten das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratiegebot den parlamentarischen Gesetzgeber, in grundlegenden Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit dieser staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (BVerfGE 49, 89, 123). Diesen Anforderungen genügt die Bestimmung des § 3 Nr. 4 IFG. Bei den Vorschriften der Verschlusssachenanweisung handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, also administrative Bestimmungen, die der Bundesminister des Innern auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 SÜG zur Ausführung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes erlassen hat. Ihr Inhalt beschränkt sich im hier maßgeblichen Bereich der Einstufung von geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen darauf, den Gesetzestext des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes zu wiederholen (vgl. § 4 Abs. 1 SÜG/ § 5 Abs. 1 VSA; § 4 Abs. 2 SÜG/ § 7 VSA). Was eine Verschlusssache ist und wie sie von wem eingestuft wird, bestimmt das Gesetz in § 4 Abs. 1 und 2 SÜG selbst. Die Verschlusssachenanweisung hat insoweit keinen darüber hinausgehenden Regelungsbereich, so dass sich die Geheimhaltungsbedürftigkeit von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen und nach ihrer Einstufung als Verschlusssache auch die Geheimhaltungspflicht unmittelbar dem Gesetz entnehmen lässt.

Ob im Rahmen des § 3 Nr. 4 IFG die formale Einstufung als Verschlusssache ausreichend ist oder ob es - wie der Kläger meint - einer Prüfung der materiellen Gründe für die Einstufung bedarf, muss hier nicht entschieden werden. Denn die Einstufung als "VS- Nur für den Dienstgebrauch" ist zu Recht erfolgt. Nach § 4 Abs. 2 SÜG/ § 7 VSA ist eine Verschlusssache "VS- Nur für den Dienstgebrauch", wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Nach dem Bericht der Bundesregierung (a.a.O. Seite 66) sind die von der Deutschen Flugsicherung (und von EUROCONTROL) erstellten Listen mit detaillierten Informationen "VS- Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft worden, weil die Sorge besteht, dass eine nicht sach- und fachgerechte Interpretation der Daten zu einer Beeinträchtigung der auswärtigen Beziehungen führen kann. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend darauf hingewiesen, dass die Einstufung aufgrund einer Diskussion mit anderen Ressorts erfolgt sei und die bereits oben angeführten Gründe hierfür maßgeblich gewesen seien. Diese Gründe sind – wie bereits ausgeführt – ausreichend um einen (möglichen) Nachteil für die (auswärtigen) Interessen der Bundesrepublik zu bejahen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.

Die Berufung ist bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

Für das Berufungsverfahren besteht Vertretungszwang. Danach muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Xalter Xalter Erckens Frau RiVG Dr. Gamp ist wegen Eintritts in den Mutterschutz an der Unterschrift gehindert

Xa/gr Ausgefertigt

Justizangestellte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle