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Aktenzeichen
13 L 771/05
Datum
9. Juni 2005
Gericht
Verwaltungsgericht Köln
Gesetz
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)

Beschluss: Verwaltungsgericht Köln am 9. Juni 2005

13 L 771/05

An der absoluten Geheimhaltung von Informationen zu einer Tierversuchsstudie besteht kein schutzwürdiges Interesse. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kenntnis der Studie den Konkurrenten ungerechtfertigte Vorteile brächte. Außerdem ist bereits aus anderen Gründen (Tierschutz / Gentechnikgesetz) das betroffene Unternehmen verpflichtet, die Verwendung der Ergebnisse seiner Tierversuchsstudie zu dulden. Das Verwaltungsgericht lehnt damit einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

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Verwaltungsgericht Köln, 13 L 771/05                                 Seite 1 von 5 Verwaltungsgericht Köln, 13 L 771/05 Datum:                   09.06.2005 Gericht:                 Verwaltungsgericht Köln Spruchkörper:            13. Kammer Entscheidungsart:        Beschluss Aktenzeichen:            13 L 771/05 Tenor:                   Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden, die Antragstellerin. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt. 3) Der Beschluss soll den Beteiligten vorab per Telefax bekanntgegeben werden. G r ü n d e:                                                                   1 Der Antrag der Antragstellerin vom 27. April 2005,                             2 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstel- lerin               3 vom 15. April 2005 gegen den unter dem 21. April 2005 für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners vom 19. März 2005 wiederherzustellen, ist nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig,               4 aber nicht begründet. Bei der im Rahmen einer Entscheidung nach §§ 80 Abs. 5 VwGO                    5 vorzunehmen- den Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse bzw. dem Interesse des Beige- ladenen an der unter dem 21. April 2005 für sofort vollziehbar erklärten Entscheidung des Antragsgegners vom 19. März 2005, die sog. N. Studie S. nicht als vertraulich zu behandeln und als Folge dessen dem Beigeladenen http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2005/13_L_771_05besc... 26.03.2011
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Verwaltungsgericht Köln, 13 L 771/05                                Seite 2 von 5 Einsicht in diese Studie zu gewähren, und dem privaten Interesse der Antragstellerin an der Be- handlung dieser Studie als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis überwiegt das erste- re, weil alles für die Rechtmäßigkeit der vom Antragsgegner getroffenen Entschei- dung, die Studie nicht als vertraulich zu behandeln, spricht und ein überwiegendes rechtlich anerkennenswertes Interesse der Antragstellerin an der weiteren Geheim- haltung der Studie nicht glaubhaft gemacht ist. Der Bescheid des Antragsgegners vom 19. März 2005, mit dem                   6 dieser der An- tragstellerin gem. § 17 a Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG) in der Fassung vom 16. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2066), zuletzt geändert durch das 2. Gesetz zur Änderung des GentG vom 16. Au- gust 2002 (BGBl. I S. 3220), über seine Entscheidung unterrichtete, die Rattenfütte- rungsstudie N. nicht als vertraulich zu behandeln, erweist sich bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO - entgegen der Rechtsauffassung der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin - auch in Verfahren mit Drittbeteiligung allein gebotenen summari- schen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig. Daraus folgt zugleich, dass dem Informationsanspruch des Beigeladenen nach § 3 Abs. 1 des Umweltinformati- onsgesetzes (UIG), hier anwendbar in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezem- ber 2004 (BGBl. I S. 3704), geschützte Belange der Antragstellerin im Sinne eines Versagungsgrundes nicht entgegenstehen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 UIG dürfen näm- lich nur Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht unbefugt zugänglich gemacht werden. Bei der Prüfung dieser Voraussetzung kann die von den Beteiligten            7 unterschied- lich beantwortete Frage dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die streitbefangene Studie schon deshalb nicht unter das Betriebs- oder Ge- schäftsgeheimnis fällt, weil sie im Sinne des § 17 a Abs. 2 Nr. 6 GenTG ganz oder teilweise eine Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen, insbesondere schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, darstellt, wofür aller- dings einiges sprechen dürfte. Denn bei der Studie handelt es sich schon aus ande- ren Gründen nicht um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis. Im Sinne einer rechtsgebietsübergreifenden Begriffskategorie lassen          8 sich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse definieren als unter Einsatz von betrieblichen Leistungen und Finanzaufwand für die Geschäftstätigkeit gewonnene Kenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind, nach dem Willen des Betriebsinhabers http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2005/13_L_771_05besc... 26.03.2011
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Verwaltungsgericht Köln, 13 L 771/05                                Seite 3 von 5 geheimgehalten werden sollen und an deren Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse des Betriebsinhabers besteht, vgl. dazu etwa von Danwitz, Der Schutz von Betriebs- und                     9 Geschäftsgeheimnissen im Recht der Regulierungs- verwaltung, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 2005, 597, 600, m.w.Nachw. Es bedarf insoweit keiner weiteren Darlegungen, dass die N. -               10 Tierfütterungsstudie unter Einsatz nicht unerheblichen Kapitals im Zulassungsverfah- ren für das gentechnisch veränderte Konstrukt MON 863 und damit für die Ge- schäftstätigkeit der Antragstellerin angefertigt wurde und nach dem Willen der An- tragstellerin geheimgehalten werden soll. Entscheidend ist allein die Frage, ob an der Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin besteht. Für die Be- urteilung der Schutzwürdigkeit des Interesses der Antragstellerin kommt es wieder- um maßgeblich darauf an, ob Konkurrenten der Antragstellerin aus einem Bekannt- werden der Studie wirtschaftliche oder möglicherweise auch sonstige Vorteile ziehen können. Darauf beruft die Antragstellerin sich, wenn sie in der Antragsschrift etwa geltend macht, dass die Studie für ein Genehmigungsverfahren zum Anbau von MON 863 - Mais innerhalb oder außerhalb der EU oder bei der Anmeldung von gen- technisch verändertem Mais kombiniert mit Produkten konventioneller Züchtung ge- nutzt werden könnte. Die Antragstellerin hat solche Vorteile ihrer Konkurrenten bei              11 Kenntnis der Rattenfütterungsstudie indessen nicht glaubhaft gemacht. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die Kenntnis der Studie den Konkurrenten der Antragstellerin ungerechtfertigte Vorteile bringen würde. Soweit es um den Versuchsaufbau bei der Durchführung der                    12 Rattenfütterungsstudie geht, weisen der Antragsgegner und der Beigeladene darauf hin, dass es sich schon deshalb nicht um ein schützenswertes Geheimnis handele, weil die Durchführung der Studie sich an den allgemein zugänglichen Empfehlungen im "Guidance Document of the Scientific Panel on Genetically Modified Organisms for the Risk Assessment of Genetically Modified Plants and Derived Food and Feed" der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit orientiert, was von der Antragstellerin auch nicht in Abrede gestellt wird. Gleiches gilt auch für die von der Antragstellerin offenbar bei der Durchführung der Versuche in zwei Punkten vorgenommenen Änderungen. Soweit es um die Ergebnisse der Studie geht, deren Weitergabe an            13 den Beigeladenen die Antragstellerin vermieden wissen will, ist http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2005/13_L_771_05besc... 26.03.2011
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Verwaltungsgericht Köln, 13 L 771/05                                Seite 4 von 5 hinsichtlich eines etwaigen Nutzens für Konkurrenten zu unterscheiden zwischen dem Nutzen für Verfahren betreffend das hier in Rede stehende Konstrukt Mais Mon 863 und für Verfahren betreffend andere genveränderte Organismen. Soweit die Antragstellerin eine Verwendung der Ergebnisse ihrer Rattenfütterungsstudie für Zulassungsverfahren für anderen als MON 863 genveränderten Mais befürchtet, weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass ein solcher Nutzen nicht ersichtlich ist. Denn die Ergebnisse der streitigen Rattenfütterungsstudie beziehen sich ausschließlich auf die Verfütterung von MON 863 - Mais; sie dürften für andere genveränderte Maissorten nicht von Bedeutung sein, da es ja gerade auf die Er- gebnisse der Verfütterung eines ganz bestimmten genveränderten Organismus an- kommt. Hinsichtlich eines etwaigen Nutzens für Konkurrenten in Verfahren           14 betreffend das Konstrukt MON 863 - wie etwa dem in der Antragsschrift erwähnten "Genehmigungsverfahren zum Anbau von MON 863 innerhalb und/oder außerhalb der EU" - mag hier die von dem Antragsgegner und der Antragstellerin vorrangig diskutierte Frage dahinstehen, ob und inwieweit die Antragstellerin durch ihre beantragten oder bereits erteilten Patente und Urheberrechte geschützt ist und deshalb eines weiteren Geheimnisschutzes nicht mehr bedarf. Ebenso braucht nicht untersucht zu werden, wie realitätsnah ein solcher in der Antragsschrift erwähnter Zulassungsantrag angesichts des bestehenden gewerblichen Rechtsschutzes ist. Denn das Interesse der Antragstellerin an der Geheimhaltung ihrer Rattenfütterungsstudie ist aus einem anderen Grund nicht schützenwert. Aus dem GenTG ergibt sich nämlich, dass der Schutz der Rechte an Tierversuchsstudien - wenn auch letztlich aus Gründen des Tierschutzes - nicht unbeschränkt ist. Aus § 17 GenTG folgt, dass die Antragstellerin etwa im Verfahren eines Konkurrenten auf Zulassung des Anbaus von MON 863 sich nicht mit Erfolg gegen die Verwendung der streitigen Studie wehren könnte; die Studie könnte in diesem Verfahren verwendet werden; die Antragstellerin wäre verpflichtet, die Verwendung der Ergebnisse ihrer Tierversuchsstudie zu dulden; der Konkurrent müsste keine eigene Studie vorlegen und könnte entsprechende Aufwendungen sparen und damit finanzielle Vorteile ziehen. Die Antragstellerin wäre in einem solchen Fall auf einen finanziellen Ausgleichsanspruch gegen den Zweitanmelder beschränkt, kann die Verwendung der Studie aber nicht verhindern. Der Verzicht auf die nochmalige Durchführung der gleichen Versuchsreihen stellt sich danach nicht als ungerechtfertigte Nutzung fremder gewerblicher Rechte dar. Zwar ist der Antragstel- lerin einzuräumen, dass diese Regeln zugunsten des Zweitanwenders zunächst nur die Verwendung, nicht aber die Offenlegung von Erkenntnissen aus Tierversuchen betrifft. Mit der http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2005/13_L_771_05besc... 26.03.2011
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Verwaltungsgericht Köln, 13 L 771/05                                 Seite 5 von 5 weiteren Verwendung ist jedoch zum einen eine Erweiterung des Personenkreises, dem das Geheimnis bekannt wird, und damit zugleich eine teilweise Offenlegung verbunden. Zum anderen kommt es hier nur auf die in dieser Bestimmung festzustellende Relativierung des Schutzes der Rechte an Tierversuchsstudien an. Sieht das GenTG aber bei solchen Erkenntnissen aus Tierversuchen selbst deutliche Einschränkungen des Schutzes der Rechte an solchen Studien vor, kann die Antragstellerin keinen absoluten Geheimnisschutz für ihre Rattenfütterungsstudie beanspruchen. Spricht damit alles für die Rechtmäßigkeit des Bescheides des                15 Antragsgegners vom 19. März 2005, kommt es auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten nicht an. Unabhängig davon hat die Antragstellerin sonstige überwiegende Interessen an der Geheimhaltung der Studie aber auch weder aufgezeigt noch sind solche sonst ersichtlich. Als solches kommt insbesondere das - von der Antragstellerin allerdings auch nicht angeführte - Bestreben, die Erkenntnisse aus der Rattenfütterungsstudie einer interessierten Öffentlichkeit vorzuenthalten, nicht in Betracht. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3             16 VwGO. Da der Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, entsprach es der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG, wobei das              17 Gericht den Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR mit Rücksicht auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens auf die Hälfte reduziert hat. 18 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2005/13_L_771_05besc... 26.03.2011
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