Information

Aktenzeichen
10 S 58/97
Datum
10. Juni 1998
Gericht
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Gesetz
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)

Urteil: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 10. Juni 1998

10 S 58/97

Vom Begriff der "Umweltinformation" sind nur solche Angaben umfasst, die mittelbar auf den Schutz der im Gesetz genannten Umweltbereiche abzielen. Informationen über abgeschlossene Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstößen gegen das Umweltrecht gehören nicht dazu, weil sie nur mittelbar zum Umweltschutz beitragen, ihr unmittelbares Ziel aber in der Ahndung von Rechtsverstößen liegt. Diese Informationen sind somit vom Einsichtsanspruch ausgenommen. Während der Dauer eines Gerichts- oder strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist der Zugangsanspruch nur hinsichtlich jener Daten ausgeschlossen, die der Behörde auf Grund dieser Verfahren zugehen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird teilweise geändert. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Begriffsbestimmung Schutz besonderer Verfahren Strafverfolgung

/ 22
PDF herunterladen
10 S 58/97 VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil In der Verwaltungsrechtssache -Klägerin- -Berufungsklägerin- -Berufungsbeklagte- prozeßbevollmächtigt: Rechtsanwälte gegen das Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium Freiburg, Kaiser-Joseph-Straße 167, 79098 Freiburg, Az: 51-8953.21/47, -Beklagter- -Berufungskläger- -Berufungsbeklagter- beigeladen: -Berufungsklägerin- -Berufungsbeklagte- prozeßbevollmächtigt: Rechtsanwälte wegen
1

-2- Zugang zu Informationen über die Umwelt hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schlüter sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Breunig und Dr. Rudisile auf die mündliche Verhand- lung vom 10. Juni 1998 für Recht erkannt: Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 08. November 1996 - 9 K 1341/95 - wird zurückgewiesen. Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen wird dieses Urteil teilwei- se geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf freien Zugang zu den beim Regierungspräsidium Freiburg aus den Jahren 1980 bis 1993 vorhande- nen Umweltinformationen über die Betriebsstätte Rheinfelden der Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, und zwar hinsichtlich a) der Erlaubnisse zur Einleitung von Abwasser in Gewässer einschließlich der An- forderungen an dessen Zusammensetzung und den Schadstoffgehalt, insbesonde- re zu HCB, b) der Informationen über unzulässige Einleitungen, u. a. bei Gelegenheit von Un- fällen, Störfällen und ähnlichen Vorgängen, bei denen Schadstoffe in das Wasser gelangt sind, und c) der Maßnahmen des Verwaltungszwangs. Darüber hinaus wird der Beklagte verurteilt, der Klägerin Auskunft über abge- schlossene Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen unzulässiger Schadstoffeinleitun- gen aus den Jahren 1980 bis 1993 im Betrieb Rheinfelden der Beigeladenen zu erteilen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen werden zu- rückgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außerge- richtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin 1/4. Der Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils 3/8 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kos- ten der Klägerin sowie jeweils 3/4 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten. Die Revision wird zugelassen.
2

-3- Tatbestand Die Badische Zeitung, die im Verlag der Klägerin erscheint, beantragte im Januar 1995 beim Regierungspräsidium Freiburg freien Zugang zu Informationen über die Umwelt,    und  zwar   in   Form   von    Akteneinsicht über   unzulässige   HCB- (Hexachlorbenzol-)Emissionen der Beigeladenen aus den Jahren zwischen 1980 und 1993. Nach Anhörung der Staatsanwaltschaft Lörrach und der Beigeladenen lehnte das Regierungspräsidium den Antrag mit Bescheid vom 31.1.1995 ab. Wäh- rend eines laufenden Ermittlungsverfahrens sei die Einsichtnahme in Behördenak- ten in vollem Umfang gesperrt. Ein solches laufe gegen verschiedene Mitarbeiter der Beigeladenen seit 12.9.1994. Diese Sperre gelte auch gegenüber einem mögli- chen presserechtlichen Auskunftsanspruch. Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, der Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1 UlG sei nicht im Blick auf § 7 Abs. 1 Nr. 2 UlG ausgeschlossen. Auch § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UlG schließe den Anspruch nicht aus, der im übrigen auch presserechtlich bzw. über Art. 5 GG begründbar sei. Auf Ersuchen des Regierungspräsidiums nahm die Beigeladene hierzu Stellung und trat der Rechtsauffassung der Klägerin entgegen. Zusätzlich führte sie § 8 Abs. 1 Satz 2 UlG an, da die begehrten Akten auch Informationen über Betriebs- und Ge- schäftsgeheimnisse enthielten. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei auch aus Art. 5 GG kein Auskunftsanspruch abzuleiten. Das Regierungspräsidium wies mit Bescheid vom 16.5.1995, zugestellt am 29.5.1995, den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der An- spruch aus § 4 Abs. 1 UlG sei aufgrund von § 7 Abs. 1 Nr. 2 UlG ausgeschlossen, der im Rahmen eines laufenden Ermittlungsverfahrens die bei der ersuchten Be- hörde lagernden Akten einer Vollsperre unterwerfe. Ein Antrag auf Auskunft nach § 4 LPresseG sei nicht gestellt, jedenfalls aber wegen § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG ausgeschlossen. Auch aus Art. 5 GG ergebe sich kein Anspruch. Die Klägerin hat am 21.6.1995 Klage auf Verpflichtung zur Gewährung freien Zu- gangs zu näher bezeichneten Informationen im Zusammenhang mit Umweltbeein- trächtigungen durch die Beigeladene erhoben und ausgeführt: Die Zugangssperre des § 7 Abs. 1 Nr. 2 UlG liege schon deshalb nicht vor, weil deren Wortlaut gegen
3

-4- die Auffassung des Regierungspräsidiums spreche. Allein aus der wechselnden Wortwahl von „oder“ und „sowie“ in der genannten Vorschrift sei nicht abzuleiten, daß sich der letzte Halbsatz nur auf die dritte Variante und nicht auch auf die bei- den vorhergehenden Varianten der Nr. 2 beziehe. Wäre es dem Gesetzgeber auf eine derartige Differenzierung angekommen, hätte er dies mit Hilfe einer anderen Formulierung deutlicher zum Ausdruck gebracht. Ebenfalls unhaltbar sei die Ver- weigerung der Auskunft wegen Schutzes personenbezogener Daten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UIG, da die von der Beigeladenen praktizierte Auslegung den Begriff der personenbezogenen Daten zu weit ausdehne. Ein Einblick in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sei mit Hilfe der begehrten Informationen ebensowenig möglich, so daß auch § 8 Abs. 1 Satz 2 UlG dem Anspruch nicht entgegenstehe. Zuletzt liege auch kein Fall des § 7 Abs. 4 UlG vor, da die Beigeladene Informatio- nen nicht freiwillig zur Verfügung gestellt, sondern gezwungenermaßen zur Erlan- gung wasser- und immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen erteilt habe. Das behördliche Ermessen über die Art des Informationszugangs sei auf eine einzige Möglichkeit, nämlich die Akteneinsicht, geschrumpft. Weitere Anspruchsgrundlagen seien § 4 Abs. 1 LPresseG und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG. Die Beklagte und die Beigeladene sind der Klage entgegengetreten. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteil vom 8. November 1996 den Beklag- ten verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden, und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei nur zum Teil begründet. Da es sich bei den von der Klägerin begehrten Informationen um Umweltinformationen im Sinne von § 3 Abs. 2 UlG handle, bestehe der Anspruch nach § 4 Abs. 1 UIG grundsätzlich. Er sei auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 UlG wegen des laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgeschlossen, weil hierdurch keine Sperrwirkung gegen- über den konkret angeforderten Informationen begründet werde. Weder Entste- hungsgeschichte noch Wortlaut oder Sinn und Zweck der Norm könnten zu einem anderen Auslegungsergebnis führen. Darüber hinaus gebiete auch der Grundsatz der europarechtskonformen Auslegung keine abweichende Betrachtung; ferner stünden verfassungsrechtliche Gesichtspunkte diesem Normverständnis nicht ent- gegen. Allerdings sei der von der Klägerin im Hauptantrag verfolgte Verpflich- tungsanspruch nicht begründet, da die Sache hierfür noch nicht im Sinn von § 113
4

-5- Abs. 5 Satz 1 VwGO spruchreif sei. Die Gründe der mangelnden Spruchreife lägen zum einen in der Unkenntnis über das Vorliegen weiterer Ausschlußgründe in Form von §§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 2 UlG und 4 Abs. 2 LPresseG, die zu erforschen das Gericht nicht verpflichtet sei, zum anderen stehe die Art der Aus- kunftsgewährung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UlG im behördlichen Ermessen. Daher sei die Klage nur mit dem Hilfsantrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Neube- scheidung des von der Klägerin gestellten Antrags begründet. Gegen dieses Urteil haben alle drei Beteiligten Berufung eingelegt, und zwar die Klägerin am 23.12.1996, einem Montag (Urteilszustellung am 22.11.1996), der Be- klagte am 23.12.1996 (Urteilszustellung am 25.11.1996) und die Beigeladene am 20.12.1996 (Urteilszustellung am 25.11.1996). Die   Klägerin   trägt  zur  Begründung    im  wesentlichen   vor:  Wortlaut, Ent- stehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck von § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG ergäben, daß die von ihr begehrten Informationen keiner Auskunftssperre unterlägen. Dies werde auch durch das übereinstimmende Schrifttum belegt. Ebensowenig liege ein Fall freiwilliger Übermittlung der Informationen im Sinn von § 7 Abs. 4 Satz 1 oder von Betriebsgeheimnissen im Sinn von § 8 Abs. 1 Satz 2 UIG vor. Letzterem stehe auch entgegen, daß die Beigeladene ihre Informationen nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gekennzeichnet habe. Damit sei die Beigeladene ihrer auf Grund von § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 UIG obliegenden Kennzeichnungs- und Darle- gungslast nicht nachgekommen. Vielmehr habe sie lediglich geäußert, daß in den Akten dokumentierte Vorgänge der Vergangenheit nicht mehr vorkommen würden, woraus zu schließen sei, daß aus früheren Abwassereinleitungen keine Rück- schlüsse auf die aktuellen Produktionsmethoden gezogen werden könnten und damit insoweit auch keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorlägen. Das Ge- richt habe jedoch zu Unrecht den Beklagten nur zur Bescheidung des Infor- mationsbegehrens verpflichtet; es hätte vielmehr sämtliche Anspruchsvoraus- setzungen klären und dann durchentscheiden müssen. Dem stehe auch nicht ent- gegen, daß über die Art des Informationszugangs grundsätzlich Ermessen beste- he. Denn ein begehrter bestimmter Informationszugang könne nur dann verweigert werden, wenn hierfür gewichtige darzulegende Gründe der Behörde bestünden, an denen es vorliegend mangele. Weiterhin sei eine Entscheidung über Weigerungs- gründe im Sinne des § 4 Abs. 2 LPresseG möglich, so daß auch unter diesem Ge-
5

-6- sichtspunkt ein Bescheidungsurteil nicht angängig gewesen sei. Schließlich sei der Informationszugang auch über Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG zuzusprechen. Die Klägerin beantragt zuletzt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8.11.1996 - 9 K 1341/95 - zu ändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und den Beklagten zu ver- pflichten, ihr freien Zugang zu den Umweltinformationen über die Betriebs- stätte der Beigeladenen in Rheinfelden durch Einsicht in die Verwaltungsak- ten, die beim Regierungspräsidium Freiburg aus den Jahren 1980 bis 1993 vorhanden sind, zu gewähren, und zwar hinsichtlich a) der Erlaubnisse zur Einleitung von Abwasser in Gewässer einschließlich der Anforderungen an deren Zusammensetzung und den Schadstoffgehalt, insbesondere zu HCB, b) Informationen über unzulässige Einleitungen u.a. bei Gelegenheit von Un- fällen, Störfällen und ähnlichen Vorgängen, bei denen Schadstoffe in Ge- wässer gelangt sind, c) Maßnahmen des Verwaltungszwangs und abgeschlossene Ordnungs- widrigkeits- und Strafverfahren wegen Abwassereinleitungen, sowie die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen. Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage in vollem Umfang ab- zuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Der Beklagte macht im wesentlichen geltend: Der Wortlaut von § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG sei nicht unklar, sondern wegen der differenzierten Wahl der Worte „oder“ und „sowie“ eindeutig und lasse nur die Auslegung zu, daß sich der letzte Halbsatz der Vorschrift lediglich auf deren dritte Variante beziehe, so daß Akten während lau- fender Ermittlungs- und Gerichtsverfahren einer Vollsperre unterlägen. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift stützten diese Auslegung. Denn der Gesetzgeber habe nicht eine Torpedierung der speziellen Verfahrensvorschriften, insbesondere des Gebots eines fairen Verfahrens, gewollt. Der strittige Zusatz sei im gesamten Rahmen des Gesetzgebungsprozesses immer nur auf das Verwaltungsverfahren bezogen worden, was auch einsichtig sei. Denn ermittle die Verwaltungsbehörde im Vorfeld eines Strafverfahrens in großem Umfang, so könnte der Verfahrensbe-
6

-7- teiligte über den Umweg des Umweltinformationsanspruchs an Daten herankom- men, deren Kenntnis ihm die Strafprozeßordnung gerade verweigere. Daß umfang- reiche Ermittlungen seitens der Verwaltungsbehörde vorgenommen werden, sei aber gerade im umweltrechtlichen Bereich der Regelfall. Der einschränkende Zu- satz von § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG finde daher bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren keine Anwendung. Das erstinstanzliche Urteil finde schließlich keine Stütze in § 4 Abs. 1 LPresseG. Denn der dort verankerte Auskunftsanspruch sei ein aliud, das vorliegend nicht in Rede stehe. Außerdem habe die Klägerin im Wider- spruchsverfahren ausdrücklich erklärt, ihr Begehren nicht auf presserechtliche An- sprüche zu stützen. Die Beigeladene macht sich das Berufungsvorbringen des Beklagten zu eigen und trägt weiter vor: Die vom Verwaltungsgericht bemühte Begründung des Regie- rungsentwurfs sei nicht zur Stützung seiner Rechtsauffassung geeignet. Einerseits sei die Begründung eines Regierungsentwurfs nicht gleichzusetzen mit dem Willen des Gesetzgebers, andererseits sei die Regierungsbegründung zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG selbst nicht ohne Zweifel, was der weitere Gang der Gesetzgebungsgeschich- te belege. Es gebe auch keinen Grundsatz, daß die historische Auslegung einer Norm Vorrang vor anderen Auslegungsmethoden genieße. Es sei nicht ersichtlich, weshalb unter diesen Umständen die teleologische Auslegung hinter der histori- schen zurücktreten sollte. Die teleologische Auslegung ergebe zunächst einmal, daß der beabsichtigte Schutzzweck in Form mittelbaren Schutzes der Strafrechts- pflege nicht gewährleistet sei, wenn der einschränkende letzte Halbsatz auch auf strafrechtliche Ermittlungsverfahren angewendet werde. Denn dann wären jene In- formationen, die die Verwaltungsbehörde im Vorfeld eines Ermittlungsverfahrens erlangt habe und durch die sie gerade in den Stand gesetzt worden sei, das Ermitt- lungsverfahren in Gang zu bringen, nicht geschützt. Der Erfolg des Strafverfahrens wäre dann aber fraglich. Das Argument, Folge einer derartigen Betrachtung sei die Entwertung des Informationsanspruchs, gehe ebenfalls fehl. Denn es beruhe im wesentlichen auf der Annahme, daß die Schwelle zur Einleitung eines Ermittlungs- verfahrens sehr niedrig sei, was die Verweigerung der Information zur Regel ma- chen würde, obwohl sie Ausnahme zu bleiben habe. Diese Argumentation sei un- zutreffend, weil sie das Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehre. Die von der Beigela- denen wie dem Beklagten vertretene Auffassung bedeute vielmehr eine Konkreti- sierung von Art. 3 Abs. 2 3. Spiegelstrich der Umweltinformationsrichtlinie (UIR),
7

-8- die darüber sogar noch hinausgehe. Weiter sei der Anspruch auch aus den Grün- den von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 UIG beschränkt, wie im übrigen auch § 7 Abs. 4 Satz 1 UIG teilweise einschlägig sei. Gegenüber dem Begehren auf Durchentscheidung sei einzuwenden, daß es ermessensfehlerhaft sei, wenn der Beklagte der Klägerin Akteneinsicht gewähre, da hierdurch die Rechtsgüter der Beigeladenen unzumutbar beeinträchtigt würden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten des Ver- waltungsgerichts, die das Einsichtsgesuch betreffenden Akten des Regierungs- präsidiums Freiburg und auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen. Entscheidungsgründe 1. Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen sind zulässig, aber ganz überwiegend unbegründet. Die Klägerin hat einen bundesrechtlichen Anspruch auf Zugang und auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Art dieses Zugangs zu den von ihr begehrten Umweltinformationen (a). Ausgenommen sind hiervon allerdings Informationen über bereits abgeschlossene Straf- und Ordnungswidrig- keitsverfahren. Weiter hat sie nach Landespresserecht einen Anspruch auf Aus- kunft über abgeschlossene Ordnungswidrigkeitsverfahren (b). a) Der Senat geht mit der Klägerin davon aus, daß die Neufassung des Antrags im Laufe der mündlichen Verhandlung lediglich eine klarstellende Umformulierung bzw. Konkretisierung i. S. von §§ 173 VwGO, 264 Nr. 1 ZPO (vgl. Eyer- mann/Rennert, VwGO, 10. Aufl., § 91 RdNr. 11) und nicht eine Beschränkung des Klagantrags i. S. von § 264 Nr. 2 ZPO darstellt. Der Senat hat bereits die ursprüng- liche Antragsfassung so verstanden, daß mit den gewünschten Informationen über Unfälle, Störfälle und ähnliche Vorgänge gerade solche gemeint waren, welche un- zulässige Einleitungen betreffen. Da sonach keine quantitative Beschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens vorliegt (zur Regelfolge einer Teilrücknahme vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 92 RdNr. 11), bedurfte es
8

-9- für diese Konkretisierung, die nicht als Klageänderung zu verstehen ist, keiner Zu- stimmung des Beklagten (vgl. zur Frage, ob auch bei einer Teilrücknahme nach § 264 Nr. 2 ZPO die Zustimmungspflicht nach § 92 VwGO gilt, verneinend Eyer- mann/Rennert, a.a.O., § 91 RdNr. 13; bejahend Clausing, a.a.O., § 92 RdNr. 11). Selbst wenn man im Vorgehen der Klägerin eine Teilrücknahme sehen wollte, wür- de sie die Voraussetzungen von § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO erfüllen, da der Beklag- te für diesen Fall seine Einwilligung erklärt hat. Auf das Fehlen der Einwilligung der Beigeladenen käme es nach dieser Vorschrift nicht an. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Zugang zu den beim Re- gierungspräsidium Freiburg vorliegenden Umweltinformationen ist § 4 Abs. 1 Satz 1 UIG. Danach hat jeder Anspruch auf freien Zugang zu den Informationen über die Umwelt, die bei einer Behörde vorhanden sind. Da der Kreis der An- spruchsberechtigten nicht auf natürliche Personen beschränkt ist, kann auch die Klägerin als juristische Person des Privatrechts den Anspruch geltend machen (vgl. Turiaux, UIG, § 4 RdNr. 4; Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 07.06.1990, ABl. EG L 158/56 - UIR -). Die Informationen, auf die sich der Antrag der Klägerin bezieht, sind ganz überwie- gend vom Anspruchsinhalt des § 4 Abs. 1 UIG umfaßt. Der Anspruch richtet sich nach der Legaldefinition des Begriffs der Umweltinformationen in § 3 Abs. 2 UIG auf alle in Schrift, Bild oder auf sonstigen Informationsträgern vorliegende Daten über den Zustand u.a. der Gewässer, der Luft und des Bodens (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 UIG), über Tätigkeiten oder Maßnahmen, die diesen Zustand beeinträchtigen oder beeinträchtigen können (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 UIG), und über Tätigkeiten oder Maß- nahmen zum Schutz dieser Umweltbereiche einschließlich verwaltungstechnischer Maßnahmen und Programme zum Umweltschutz (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 UIG). Die Er- laubnisse, auf die sich der Antrag bezieht, sind ebenso wie die erfragten Maßnah- men des Verwaltungszwangs als Maßnahmen nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 UIG zu qualifi- zieren. Die im Antrag genannten Informationen über unzulässige Einleitungen sind Daten i. S. von § 3 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 UIG, da sie Maßnahmen betreffen, die Umweltbeeinträchtigungen bewirkt haben. Daß es sich insoweit um vergangene Ereignisse handelt, ist unschädlich (Turiaux, a.a.O., §§ 2, 3, RdNr. 62). Dagegen sind nach Auffassung des Senats die von der Klägerin gewünschten Informationen über abgeschlossene Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht Gegenstand
9

- 10 - des Umweltinformationsanspruchs. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausge- führt, daß diese Verfahren nicht als dem Schutz der Umwelt dienende Maßnahmen i. S. von § 3 Abs. 2 Nr. 3 UIG angesehen werden können, da nicht jede Tätigkeit oder Maßnahme, die nur mittelbar dem Schutz der Umwelt dient, erfaßt wird (vgl. BT-Drs. 12/7138, S. 12; OVG Niedersachsen, Urt. v. 19.11.1997, UPR 1998, 155). Die mittelbare Förderung der Umwelt in der Form, daß mit der Ahndung von Straf- taten und Ordnungswidrigkeiten zugleich auch general- oder spezialpräventiv auf die Einhaltung einschlägiger Schutzvorschriften hingewirkt werden soll, reicht hier- für nach Auffassung des Senats nicht aus. Soweit ersichtlich wird eine andere Auf- fassung lediglich von Fluck/Theuer (UIG, Stand: April 1997, § 3 RdNr. 229 a) ver- treten, dies allerdings ohne eigenständige Begründung und mit fehlgehendem Zitat des hier angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Urteils. Anders als das Verwal- tungsgericht erachtet der Senat die Informationen über abgeschlossene Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren auch nicht deshalb als vom Informationsanspruch umfaßt, weil in diesen Verfahren Sachverhalte ermittelt worden sind, die ein um- weltschädigendes Verhalten betreffen. Denn auf diese Sachverhalte zielt der gel- tend gemachte Anspruch allenfalls mittelbar; nach ihnen kann und muß aber unmit- telbar gefragt werden, wie dies die Klägerin mit ihren übrigen Teilanträgen auch getan hat. Bei dieser Auslegung bedarf es keiner Entscheidung, in welchem Ver- hältnis das System der grundsätzlich auf bestimmte Adressaten beschränkten Aus- kunftserteilung nach §§ 41 ff. BZRG über strafgerichtliche Verurteilungen zu dem hier geltend gemachten Anspruch steht. Der in der beschriebenen Weise eingeschränkte Umweltinformationsanspruch ist derzeit nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 UIG ausgeschlossen, wie der Beklagte und die Beigeladene meinen. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch nicht „während der Dauer eines Gerichtsverfahrens oder eines strafrechtlichen Ermittlungsverfah- rens sowie eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens hinsichtlich derjenigen Da- ten, die der Behörde aufgrund des Verfahrens zugehen.“ Mit dem Verwaltungsge- richt ist der Senat der Überzeugung, daß sich der mit dem Wort „hinsichtlich“ be- ginnende Satzteil auf alle drei zuvor genannten Verfahrensarten bezieht und nicht, wie die Beklagte und die Beigeladene meinen, lediglich auf die dritte Variante (verwaltungsbehördliche Verfahren), was einen befristeten Totalausschluß des In- formationsanspruchs für die Dauer strafrechtlicher Ermittlungs- oder Gerichtsver- fahren zur Folge hätte.
10

Zur nächsten Seite