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Aktenzeichen
2 K 147.11
ECLI
ECLI:DE:VGBE:2012:0830.2K147.11.0A
Datum
30. August 2012
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
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Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Finanzamtes für Körperschaften III vom 9. Juni 2011 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 8. August 2011 verpflichtet, dem Kläger Einsicht in den beim Finanzamt für Körperschaften III bis zum 18. Mai 2011 geführten Kontoauszug betreffend die ... GmbH durch Übersendung des Kontoauszuges zu gewähren.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 11. Mai 2011 - 36a IN 906/11 - zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der A... GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin) bestellt. Die im Jahre 2008 gegründete Insolvenzschuldnerin hatte im Oktober 2008 bereits Steuerrückstände in Höhe von rd. 37.400 Euro; eine geordnete Buchführung bestand nicht.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2011 beantragte der Kläger gegenüber dem Finanzamt für Körperschaften III die Übersendung eines „aktuellen K-Auszuges“ der Insolvenzschuldnerin. Hierzu verwies er auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Bestimmungen der Insolvenz- und Abgabenordnung - InsO und AO - über die Erteilung von Auskünften keine Regelungen seien, die dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes - IFG Bund - vorgingen. Erst recht müsse dies, wie der Kläger mit Schreiben vom 1. Juni 2011 ergänzte, im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes Berlin - IFG Berlin - gelten. Denn dieses enthalte keine der Regelung des IFG Bund vergleichbare Subsidiaritätsklausel.

Mit Schreiben vom 9. Juni 2011 lehnte das Finanzamt den Informationszugang (wiederholt) ab. Zur Begründung führte es aus, dass die allgemeinen Regelungen der verschiedenen IFGe auf Länderebene hinter die speziellen Negativregelungen der InsO und der AO zurückzutreten hätten. Bei der Entscheidung, ob einem Antragsteller Akteneinsicht gewährt oder Auskünfte erteilt werden könnten, handele es sich vielmehr um eine Ermessensentscheidung. Ein berechtigtes Interesse liege aber gerade dann nicht vor, wenn die Auskünfte oder die Akteneinsicht dazu dienten, im Wege einer Insolvenzanfechtung zivilrechtliche Ansprüche gegen den Beklagten zu verfolgen.

Hiergegen legte der Kläger entsprechend der dem Schreiben erstmals beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung Einspruch ein, den das Finanzamt für Körperschaften III durch Einspruchsbescheid vom 8. August 2011, zugestellt am 10. August 2011, zurückwies. Dem Kläger stünden in Form von Bescheiden und Buchungsmitteilungen, die er sich in zumutbarer Weise von der Insolvenzschuldnerin beschaffen könne, bereits alle Informationen zur Verfügung. Es sei nicht Aufgabe des Finanzamtes, die Buchführung der Insolvenzschuldnerin zu ordnen.

Der Kläger hat am 7. September 2011 einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein auf Informationserteilung gerichtetes Klageverfahren gestellt. Auf die in diesem Verfahren erhobene Rechtswegrüge des Beklagten hat die Kammer durch Beschluss vom 28. Oktober 2011, bestätigt durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. März 2012 - OVG 12 L 67.11 -(juris) festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Die Kammer hat dem Kläger ferner durch Beschluss vom 28. Oktober 2011 Prozesskostenhilfe bewilligt. Dieser Beschluss ist dem Kläger am 7. November 2011 zugestellt worden.

Der Kläger hat hierauf am 9. November 2011 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er stützt sich auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150.10 - zum Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters nach §4 IFG NRW, die durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2012 - BVerwG 7 B 53.11 - (juris) bestätigt worden ist. Danach werde ein gegenüber dem Finanzamt geltend gemachter Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters, der anschließend ggf. einen Anfechtungsanspruch durchsetzen wolle, vom Regelungsbereich der AO gerade nicht umfasst. Der Kläger sei im vorliegenden Fall nicht Beteiligter eines steuerrechtlichen Verfahrens im Sinne von §78 AO, sondern vertrete die Masse zu Gunsten der Gesamtheit der Gläubiger.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Finanzamts für Körperschaften III vom 9. Juni 2011 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 8. August 2011 zu verpflichten, ihm Einsicht in den bis zum 18. Mai 2011 beim Beklagten geführten Kontoauszug für die frühere Steuerschuldnerin A... GmbH durch Übersendung dieses Kontoauszuges zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unzulässig, weil der Kläger das in §14 Abs.3 IFG Berlin vorgeschriebene Vorverfahren nicht durchgeführt habe. Der Einspruch könne nicht als Widerspruch nach §68 VwGO ausgelegt werden. Die Klage sei im Übrigen unbegründet, da die AO zum Recht auf Akteneinsicht eine absichtsvolle Negativregelung enthalte. Der Kläger sei Beteiligter im Sinne von §78 Nr.2 AO, da es für dessen Anwendung nicht darauf ankomme, ob der Verwaltungsakt in einem Besteuerungsverfahren oder möglicherweise in einem anderen Rechtsverhältnis ergangen sei. Die AO sei auch in Bereichen anwendbar, die nicht unmittelbar der Besteuerung dienten, aber in den Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörden fielen, wie die Bearbeitung von Akteneinsichtsanträgen, die Rückzahlung bereits geleisteter Steuerzahlungen sowie eine Insolvenzanfechtung und die Entscheidung über ein insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts reduziere sich aber auf die Argumentation, dass der Insolvenzverwalter bei der Ermittlung von Anfechtungsansprüchen nicht im Besteuerungsverfahren tätig werde.

Die gemäß §42 Abs.1 Alt. 2 VwGO als Verpflichtungsklage statthafte Klage ist zulässig.

Sie ist rechtzeitig erhoben. Zwar hat der Kläger die Monatsfrist zur Klageerhebung nach §74 Abs.1, Abs.2 VwGO versäumt. Ihm ist jedoch gemäß §60 Abs.1, Abs.2 Satz1, Satz4 VwGO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Kläger war ohne sein Verschulden an einer fristgemäßen Klageerhebung gehindert, da er als Partei kraft Amtes nach §173 VwGO, §116 Nr.1 ZPO nicht in der Lage war, die Kosten der Klage aus der verwalteten Vermögensmasse aufzubringen und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten war, diese Kosten aufzubringen (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Januar 2011 - OVG 12 M 67.10 -, juris, Rn. 9). Der Kläger hat noch vor Eintritt der Bestandskraft des Einspruchsbescheides den isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Gericht gestellt und binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses durch Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Klage erhoben.

Das nach §68 Abs.1 Satz1, Abs.2 VwGO erforderliche Vorverfahren hat der Kläger erfolglos durchgeführt. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte den Kläger durch eine - unzutreffende - Rechtsbehelfsbelehrung auf das Einspruchsverfahren nach §347 AO verwiesen hat. Denn obwohl das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nach der AO als verlängertes Besteuerungsverfahren behandelt wird, ist es gemäß §44 FGO zugleich Vorverfahren für ein gerichtliches Verfahren (vgl. Brockmeyer, in: Klein, AO, 10. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§347 ff., Rn. 5). Der Zweck des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens in Gestalt der Selbstkontrolle der Verwaltung vor Erhebung der Klage war damit in gleicher Weise erfüllt.

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf den begehrten Informationszugang und wird durch die Ablehnung daher in seinen Rechten verletzt, §113 Abs.5 Satz1 VwGO.

Anspruchsgrundlage des klägerischen Begehrens ist §3 Abs.1 Satz1 IFG Berlin.

Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung des IFG Berlin auf Informationsansprüche des Insolvenzverwalters gegenüber den Finanzämtern ist nicht durch speziellere Regelungen ausgeschlossen. Das IFG Berlin enthält keine der Bestimmung des §1 Abs.3 IFG Bund oder anderen Regelungen in den IFGen der Länder (vgl. z.B. §4 Abs.2 Satz1 IFG NRW) vergleichbare allgemeine Subsidiaritätsklausel, wonach die Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht den Vorschriften des IFG Berlin vorgehen. In §3 Abs.3 IFG Berlin ist im Gegenteil geregelt, dass „weitergehende“ Ansprüche nach anderen Rechtsvorschriften unberührt bleiben.

Es besteht auch kein Erfordernis für eine durch die Kompetenzordnung des Grundgesetzes vorgegebene einschränkende Auslegung des IFG Berlin. Der Bund hat im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für das Steuerverwaltungsverfahren nach Maßgabe von Art.108 Abs.5 Satz2, 105 Abs.2 GG in der AO keine abschließenden Regelungen zu Informationsrechten gegenüber den (Landes-)Finanzbehörden getroffen, die hiervon abweichende landesrechtliche Regelungen sperren könnten (vgl. Art.31, 72 Abs.1 GG). Die Kammer schließt sich der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - BVerwG 7 B 53.11 -, a.a.O., Rn. 9, 10), auf die im Einzelnen verwiesen wird, an.

Die Kritik des Beklagten an dieser Rechtsprechung geht fehl. Entgegen dessen Ansicht hat das Bundesverwaltungsgericht in der vorgenannten Entscheidung nicht darauf abgestellt, dass nur der Steuerpflichtige Beteiligter im Sinne von §78 Nr.2 InsO sein könne, wozu der Insolvenzverwalter nicht zähle. Entscheidungstragend war vielmehr allein, dass der Gesetzgeber bei Erlass der AO im Jahre 1977 eine abschließende Regelung des Akteneinsichtsrechts allein für das Besteuerungsverfahren erwogen habe. Hieraus folgt, dass die AO Raum für landesrechtliche Regelungen lässt, die einen voraussetzungslosen, allgemeinen Informationszugangsanspruch gegenüber den Finanzbehörden gewähren. Verbleibt den Ländern aber eine hierauf bezogene Regelungskompetenz (vgl. Art.72 Abs.1 GG), können sie, wie in §§13 ff. IFG Berlin geschehen, zugleich das anwendbare Verfahren regeln. Der Anspruchsteller ist in diesem Verfahren nicht Beteiligter im Sinne von §78 Nr.2 AO, sondern Antragsteller nach Maßgabe der landesrechtlichen Regelungen (vgl. §14 Abs.1 IFG Berlin).

Die Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt. Nach §3 Abs.1 Satz1 IFG Berlin hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in §2 IFG Berlin genannten Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten. Der Kläger wird in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter als natürliche Person und damit als Mensch tätig und ist als solcher grundsätzlich anspruchsberechtigt. Das Finanzamt für Körperschaften III ist als örtliche Landesfinanzbehörde gemäß §2 Abs.1 Nr.4, §17 Abs.2 Finanzverwaltungsgesetz Behörde im Sinne des §2 Abs.1 Satz1 IFG Berlin. Die begehrten Informationen - der bei dem Finanzamt Spandau unstreitig vorhandene Kontoauszug mit Daten über Steuerschulden und geleistete Zahlungen der Insolvenzschuldnerin - sind elektronisch festgehaltene Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken dienen, und damit Akten im Sinne von §3 Abs.2 IFG Berlin.

Ausschlussgründe nach §§6 ff. IFG Berlin stehen dem Anspruch nicht entgegen.

Gemäß §6 Abs.1 IFG Berlin besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft nicht, soweit durch die Akteneinsicht oder Aktenauskunft personenbezogene Daten veröffentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden oder der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen und das Informationsinteresse das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt. Personenbezogene Daten sind nur Einzelangaben natürlicher Personen (§4 Abs.1 Satz1 BlnDSG). Im vorliegenden Fall werden durch die Akteneinsicht keine personenbezogenen Daten veröffentlicht, sondern Angaben über Zahlungen und Kontostände einer juristischen Person an den Beklagten.

Nach §9 Abs.1 IFG Berlin besteht das Recht auf Akteneinsicht u.a. nicht, soweit und solange durch das vorzeitige Bekanntwerden des Akteninhalts nachteilige Auswirkungen für das Land Berlin bei der Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens zu befürchten sind. Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil ein solcher Prozess noch nicht anhängig ist.

Das IFG Berlin enthält keine der Regelung des §9 Abs.3 IFG Bund oder §5 Abs.1 IFG NRW vergleichbare Bestimmung, wonach der Antrag abgelehnt werden kann, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Selbst wenn dem Anspruch unter bestimmten Voraussetzungen das aus §242 BGB folgende Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegengehalten werden könnte, läge dieser Fall hier nicht vor. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er infolge der defizitären kaufmännischen Führung der Insolvenzschuldnerin nicht über die erforderlichen Unterlagen verfügt, um die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung nach §§129 ff. InsO beurteilen zu können.

Dem Informationsanspruch des Klägers steht schließlich auch eine auf Bundesrecht beruhende Geheimhaltungspflicht nach §17 Abs.4 IFG Berlin nicht entgegen. Einen solchen Ausschlussgrund stellt insbesondere nicht die Bestimmung des §30 AO zum Steuergeheimnis dar, die den Datenschutz in Steuersachen regelt.

Zwar verbietet das Steuergeheimnis nach Maßgabe von §30 AO, Steuerdaten unbefugt weiterzugeben. Hier unterliegen die in der Akte der Insolvenzschuldnerin enthaltenen Informationen aber zumindest dem Insolvenzverwalter gegenüber keiner Geheimhaltungspflicht, so dass das Steuergeheimnis insoweit nicht berührt wird. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt der Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§80 Abs.1 InsO) und hat gegenüber dem Insolvenzschuldner einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§97 Abs.1 Satz1 InsO), mithin auch über alle Umstände, die für die Beurteilung von Gläubigerforderungen bedeutsam sein können. Muss der Schuldner also dem Insolvenzverwalter die ihm möglichen Auskünfte über die von ihm gezahlten Steuern erteilen, sind diese Informationen dem Insolvenzverwalter gegenüber von vornherein nicht geheimhaltungsbedürftig (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156.09 -, juris Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150.10 - a.a.O., Rn. 99). Die Offenbarung erfolgt damit jedenfalls nicht „unbefugt“ im Sinne von §30 Abs.2 Alt. 1 AO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs.1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §167 VwGO in Verbindung mit §§708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil keiner der in §124 Abs.2 Nr.3 und Nr.4 VwGO benannten Gründe vorliegt.

Tatbestand

Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 11. Mai 2011 - 36a IN 906/11 - zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der A... GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin) bestellt. Die im Jahre 2008 gegründete Insolvenzschuldnerin hatte im Oktober 2008 bereits Steuerrückstände in Höhe von rd. 37.400 Euro; eine geordnete Buchführung bestand nicht.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2011 beantragte der Kläger gegenüber dem Finanzamt für Körperschaften III die Übersendung eines „aktuellen K-Auszuges“ der Insolvenzschuldnerin. Hierzu verwies er auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Bestimmungen der Insolvenz- und Abgabenordnung - InsO und AO - über die Erteilung von Auskünften keine Regelungen seien, die dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes - IFG Bund - vorgingen. Erst recht müsse dies, wie der Kläger mit Schreiben vom 1. Juni 2011 ergänzte, im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes Berlin - IFG Berlin - gelten. Denn dieses enthalte keine der Regelung des IFG Bund vergleichbare Subsidiaritätsklausel.

Mit Schreiben vom 9. Juni 2011 lehnte das Finanzamt den Informationszugang (wiederholt) ab. Zur Begründung führte es aus, dass die allgemeinen Regelungen der verschiedenen IFGe auf Länderebene hinter die speziellen Negativregelungen der InsO und der AO zurückzutreten hätten. Bei der Entscheidung, ob einem Antragsteller Akteneinsicht gewährt oder Auskünfte erteilt werden könnten, handele es sich vielmehr um eine Ermessensentscheidung. Ein berechtigtes Interesse liege aber gerade dann nicht vor, wenn die Auskünfte oder die Akteneinsicht dazu dienten, im Wege einer Insolvenzanfechtung zivilrechtliche Ansprüche gegen den Beklagten zu verfolgen.

Hiergegen legte der Kläger entsprechend der dem Schreiben erstmals beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung Einspruch ein, den das Finanzamt für Körperschaften III durch Einspruchsbescheid vom 8. August 2011, zugestellt am 10. August 2011, zurückwies. Dem Kläger stünden in Form von Bescheiden und Buchungsmitteilungen, die er sich in zumutbarer Weise von der Insolvenzschuldnerin beschaffen könne, bereits alle Informationen zur Verfügung. Es sei nicht Aufgabe des Finanzamtes, die Buchführung der Insolvenzschuldnerin zu ordnen.

Der Kläger hat am 7. September 2011 einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein auf Informationserteilung gerichtetes Klageverfahren gestellt. Auf die in diesem Verfahren erhobene Rechtswegrüge des Beklagten hat die Kammer durch Beschluss vom 28. Oktober 2011, bestätigt durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. März 2012 - OVG 12 L 67.11 -(juris) festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Die Kammer hat dem Kläger ferner durch Beschluss vom 28. Oktober 2011 Prozesskostenhilfe bewilligt. Dieser Beschluss ist dem Kläger am 7. November 2011 zugestellt worden.

Der Kläger hat hierauf am 9. November 2011 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er stützt sich auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150.10 - zum Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters nach §4 IFG NRW, die durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2012 - BVerwG 7 B 53.11 - (juris) bestätigt worden ist. Danach werde ein gegenüber dem Finanzamt geltend gemachter Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters, der anschließend ggf. einen Anfechtungsanspruch durchsetzen wolle, vom Regelungsbereich der AO gerade nicht umfasst. Der Kläger sei im vorliegenden Fall nicht Beteiligter eines steuerrechtlichen Verfahrens im Sinne von §78 AO, sondern vertrete die Masse zu Gunsten der Gesamtheit der Gläubiger.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Finanzamts für Körperschaften III vom 9. Juni 2011 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 8. August 2011 zu verpflichten, ihm Einsicht in den bis zum 18. Mai 2011 beim Beklagten geführten Kontoauszug für die frühere Steuerschuldnerin A... GmbH durch Übersendung dieses Kontoauszuges zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unzulässig, weil der Kläger das in §14 Abs.3 IFG Berlin vorgeschriebene Vorverfahren nicht durchgeführt habe. Der Einspruch könne nicht als Widerspruch nach §68 VwGO ausgelegt werden. Die Klage sei im Übrigen unbegründet, da die AO zum Recht auf Akteneinsicht eine absichtsvolle Negativregelung enthalte. Der Kläger sei Beteiligter im Sinne von §78 Nr.2 AO, da es für dessen Anwendung nicht darauf ankomme, ob der Verwaltungsakt in einem Besteuerungsverfahren oder möglicherweise in einem anderen Rechtsverhältnis ergangen sei. Die AO sei auch in Bereichen anwendbar, die nicht unmittelbar der Besteuerung dienten, aber in den Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörden fielen, wie die Bearbeitung von Akteneinsichtsanträgen, die Rückzahlung bereits geleisteter Steuerzahlungen sowie eine Insolvenzanfechtung und die Entscheidung über ein insolvenzrechtliches Aufrechnungsverbot. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts reduziere sich aber auf die Argumentation, dass der Insolvenzverwalter bei der Ermittlung von Anfechtungsansprüchen nicht im Besteuerungsverfahren tätig werde.

Die gemäß §42 Abs.1 Alt. 2 VwGO als Verpflichtungsklage statthafte Klage ist zulässig.

Sie ist rechtzeitig erhoben. Zwar hat der Kläger die Monatsfrist zur Klageerhebung nach §74 Abs.1, Abs.2 VwGO versäumt. Ihm ist jedoch gemäß §60 Abs.1, Abs.2 Satz1, Satz4 VwGO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Kläger war ohne sein Verschulden an einer fristgemäßen Klageerhebung gehindert, da er als Partei kraft Amtes nach §173 VwGO, §116 Nr.1 ZPO nicht in der Lage war, die Kosten der Klage aus der verwalteten Vermögensmasse aufzubringen und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten war, diese Kosten aufzubringen (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Januar 2011 - OVG 12 M 67.10 -, juris, Rn. 9). Der Kläger hat noch vor Eintritt der Bestandskraft des Einspruchsbescheides den isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Gericht gestellt und binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses durch Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Klage erhoben.

Das nach §68 Abs.1 Satz1, Abs.2 VwGO erforderliche Vorverfahren hat der Kläger erfolglos durchgeführt. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte den Kläger durch eine - unzutreffende - Rechtsbehelfsbelehrung auf das Einspruchsverfahren nach §347 AO verwiesen hat. Denn obwohl das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nach der AO als verlängertes Besteuerungsverfahren behandelt wird, ist es gemäß §44 FGO zugleich Vorverfahren für ein gerichtliches Verfahren (vgl. Brockmeyer, in: Klein, AO, 10. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§347 ff., Rn. 5). Der Zweck des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens in Gestalt der Selbstkontrolle der Verwaltung vor Erhebung der Klage war damit in gleicher Weise erfüllt.

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf den begehrten Informationszugang und wird durch die Ablehnung daher in seinen Rechten verletzt, §113 Abs.5 Satz1 VwGO.

Anspruchsgrundlage des klägerischen Begehrens ist §3 Abs.1 Satz1 IFG Berlin.

Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung des IFG Berlin auf Informationsansprüche des Insolvenzverwalters gegenüber den Finanzämtern ist nicht durch speziellere Regelungen ausgeschlossen. Das IFG Berlin enthält keine der Bestimmung des §1 Abs.3 IFG Bund oder anderen Regelungen in den IFGen der Länder (vgl. z.B. §4 Abs.2 Satz1 IFG NRW) vergleichbare allgemeine Subsidiaritätsklausel, wonach die Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht den Vorschriften des IFG Berlin vorgehen. In §3 Abs.3 IFG Berlin ist im Gegenteil geregelt, dass „weitergehende“ Ansprüche nach anderen Rechtsvorschriften unberührt bleiben.

Es besteht auch kein Erfordernis für eine durch die Kompetenzordnung des Grundgesetzes vorgegebene einschränkende Auslegung des IFG Berlin. Der Bund hat im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für das Steuerverwaltungsverfahren nach Maßgabe von Art.108 Abs.5 Satz2, 105 Abs.2 GG in der AO keine abschließenden Regelungen zu Informationsrechten gegenüber den (Landes-)Finanzbehörden getroffen, die hiervon abweichende landesrechtliche Regelungen sperren könnten (vgl. Art.31, 72 Abs.1 GG). Die Kammer schließt sich der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - BVerwG 7 B 53.11 -, a.a.O., Rn. 9, 10), auf die im Einzelnen verwiesen wird, an.

Die Kritik des Beklagten an dieser Rechtsprechung geht fehl. Entgegen dessen Ansicht hat das Bundesverwaltungsgericht in der vorgenannten Entscheidung nicht darauf abgestellt, dass nur der Steuerpflichtige Beteiligter im Sinne von §78 Nr.2 InsO sein könne, wozu der Insolvenzverwalter nicht zähle. Entscheidungstragend war vielmehr allein, dass der Gesetzgeber bei Erlass der AO im Jahre 1977 eine abschließende Regelung des Akteneinsichtsrechts allein für das Besteuerungsverfahren erwogen habe. Hieraus folgt, dass die AO Raum für landesrechtliche Regelungen lässt, die einen voraussetzungslosen, allgemeinen Informationszugangsanspruch gegenüber den Finanzbehörden gewähren. Verbleibt den Ländern aber eine hierauf bezogene Regelungskompetenz (vgl. Art.72 Abs.1 GG), können sie, wie in §§13 ff. IFG Berlin geschehen, zugleich das anwendbare Verfahren regeln. Der Anspruchsteller ist in diesem Verfahren nicht Beteiligter im Sinne von §78 Nr.2 AO, sondern Antragsteller nach Maßgabe der landesrechtlichen Regelungen (vgl. §14 Abs.1 IFG Berlin).

Die Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt. Nach §3 Abs.1 Satz1 IFG Berlin hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in §2 IFG Berlin genannten Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten. Der Kläger wird in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter als natürliche Person und damit als Mensch tätig und ist als solcher grundsätzlich anspruchsberechtigt. Das Finanzamt für Körperschaften III ist als örtliche Landesfinanzbehörde gemäß §2 Abs.1 Nr.4, §17 Abs.2 Finanzverwaltungsgesetz Behörde im Sinne des §2 Abs.1 Satz1 IFG Berlin. Die begehrten Informationen - der bei dem Finanzamt Spandau unstreitig vorhandene Kontoauszug mit Daten über Steuerschulden und geleistete Zahlungen der Insolvenzschuldnerin - sind elektronisch festgehaltene Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken dienen, und damit Akten im Sinne von §3 Abs.2 IFG Berlin.

Ausschlussgründe nach §§6 ff. IFG Berlin stehen dem Anspruch nicht entgegen.

Gemäß §6 Abs.1 IFG Berlin besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft nicht, soweit durch die Akteneinsicht oder Aktenauskunft personenbezogene Daten veröffentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden oder der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen und das Informationsinteresse das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt. Personenbezogene Daten sind nur Einzelangaben natürlicher Personen (§4 Abs.1 Satz1 BlnDSG). Im vorliegenden Fall werden durch die Akteneinsicht keine personenbezogenen Daten veröffentlicht, sondern Angaben über Zahlungen und Kontostände einer juristischen Person an den Beklagten.

Nach §9 Abs.1 IFG Berlin besteht das Recht auf Akteneinsicht u.a. nicht, soweit und solange durch das vorzeitige Bekanntwerden des Akteninhalts nachteilige Auswirkungen für das Land Berlin bei der Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens zu befürchten sind. Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil ein solcher Prozess noch nicht anhängig ist.

Das IFG Berlin enthält keine der Regelung des §9 Abs.3 IFG Bund oder §5 Abs.1 IFG NRW vergleichbare Bestimmung, wonach der Antrag abgelehnt werden kann, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Selbst wenn dem Anspruch unter bestimmten Voraussetzungen das aus §242 BGB folgende Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegengehalten werden könnte, läge dieser Fall hier nicht vor. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er infolge der defizitären kaufmännischen Führung der Insolvenzschuldnerin nicht über die erforderlichen Unterlagen verfügt, um die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung nach §§129 ff. InsO beurteilen zu können.

Dem Informationsanspruch des Klägers steht schließlich auch eine auf Bundesrecht beruhende Geheimhaltungspflicht nach §17 Abs.4 IFG Berlin nicht entgegen. Einen solchen Ausschlussgrund stellt insbesondere nicht die Bestimmung des §30 AO zum Steuergeheimnis dar, die den Datenschutz in Steuersachen regelt.

Zwar verbietet das Steuergeheimnis nach Maßgabe von §30 AO, Steuerdaten unbefugt weiterzugeben. Hier unterliegen die in der Akte der Insolvenzschuldnerin enthaltenen Informationen aber zumindest dem Insolvenzverwalter gegenüber keiner Geheimhaltungspflicht, so dass das Steuergeheimnis insoweit nicht berührt wird. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt der Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§80 Abs.1 InsO) und hat gegenüber dem Insolvenzschuldner einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§97 Abs.1 Satz1 InsO), mithin auch über alle Umstände, die für die Beurteilung von Gläubigerforderungen bedeutsam sein können. Muss der Schuldner also dem Insolvenzverwalter die ihm möglichen Auskünfte über die von ihm gezahlten Steuern erteilen, sind diese Informationen dem Insolvenzverwalter gegenüber von vornherein nicht geheimhaltungsbedürftig (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156.09 -, juris Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150.10 - a.a.O., Rn. 99). Die Offenbarung erfolgt damit jedenfalls nicht „unbefugt“ im Sinne von §30 Abs.2 Alt. 1 AO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs.1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §167 VwGO in Verbindung mit §§708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil keiner der in §124 Abs.2 Nr.3 und Nr.4 VwGO benannten Gründe vorliegt.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §42 Abs.1 Alt. 2 VwGO als Verpflichtungsklage statthafte Klage ist zulässig.

Sie ist rechtzeitig erhoben. Zwar hat der Kläger die Monatsfrist zur Klageerhebung nach §74 Abs.1, Abs.2 VwGO versäumt. Ihm ist jedoch gemäß §60 Abs.1, Abs.2 Satz1, Satz4 VwGO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Kläger war ohne sein Verschulden an einer fristgemäßen Klageerhebung gehindert, da er als Partei kraft Amtes nach §173 VwGO, §116 Nr.1 ZPO nicht in der Lage war, die Kosten der Klage aus der verwalteten Vermögensmasse aufzubringen und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten war, diese Kosten aufzubringen (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Januar 2011 - OVG 12 M 67.10 -, juris, Rn. 9). Der Kläger hat noch vor Eintritt der Bestandskraft des Einspruchsbescheides den isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Gericht gestellt und binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses durch Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Klage erhoben.

Das nach §68 Abs.1 Satz1, Abs.2 VwGO erforderliche Vorverfahren hat der Kläger erfolglos durchgeführt. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte den Kläger durch eine - unzutreffende - Rechtsbehelfsbelehrung auf das Einspruchsverfahren nach §347 AO verwiesen hat. Denn obwohl das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren nach der AO als verlängertes Besteuerungsverfahren behandelt wird, ist es gemäß §44 FGO zugleich Vorverfahren für ein gerichtliches Verfahren (vgl. Brockmeyer, in: Klein, AO, 10. Aufl. 2009, Vorbemerkung zu §§347 ff., Rn. 5). Der Zweck des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens in Gestalt der Selbstkontrolle der Verwaltung vor Erhebung der Klage war damit in gleicher Weise erfüllt.

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf den begehrten Informationszugang und wird durch die Ablehnung daher in seinen Rechten verletzt, §113 Abs.5 Satz1 VwGO.

Anspruchsgrundlage des klägerischen Begehrens ist §3 Abs.1 Satz1 IFG Berlin.

Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung des IFG Berlin auf Informationsansprüche des Insolvenzverwalters gegenüber den Finanzämtern ist nicht durch speziellere Regelungen ausgeschlossen. Das IFG Berlin enthält keine der Bestimmung des §1 Abs.3 IFG Bund oder anderen Regelungen in den IFGen der Länder (vgl. z.B. §4 Abs.2 Satz1 IFG NRW) vergleichbare allgemeine Subsidiaritätsklausel, wonach die Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht den Vorschriften des IFG Berlin vorgehen. In §3 Abs.3 IFG Berlin ist im Gegenteil geregelt, dass „weitergehende“ Ansprüche nach anderen Rechtsvorschriften unberührt bleiben.

Es besteht auch kein Erfordernis für eine durch die Kompetenzordnung des Grundgesetzes vorgegebene einschränkende Auslegung des IFG Berlin. Der Bund hat im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für das Steuerverwaltungsverfahren nach Maßgabe von Art.108 Abs.5 Satz2, 105 Abs.2 GG in der AO keine abschließenden Regelungen zu Informationsrechten gegenüber den (Landes-)Finanzbehörden getroffen, die hiervon abweichende landesrechtliche Regelungen sperren könnten (vgl. Art.31, 72 Abs.1 GG). Die Kammer schließt sich der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2012 - BVerwG 7 B 53.11 -, a.a.O., Rn. 9, 10), auf die im Einzelnen verwiesen wird, an.

Die Kritik des Beklagten an dieser Rechtsprechung geht fehl. Entgegen dessen Ansicht hat das Bundesverwaltungsgericht in der vorgenannten Entscheidung nicht darauf abgestellt, dass nur der Steuerpflichtige Beteiligter im Sinne von §78 Nr.2 InsO sein könne, wozu der Insolvenzverwalter nicht zähle. Entscheidungstragend war vielmehr allein, dass der Gesetzgeber bei Erlass der AO im Jahre 1977 eine abschließende Regelung des Akteneinsichtsrechts allein für das Besteuerungsverfahren erwogen habe. Hieraus folgt, dass die AO Raum für landesrechtliche Regelungen lässt, die einen voraussetzungslosen, allgemeinen Informationszugangsanspruch gegenüber den Finanzbehörden gewähren. Verbleibt den Ländern aber eine hierauf bezogene Regelungskompetenz (vgl. Art.72 Abs.1 GG), können sie, wie in §§13 ff. IFG Berlin geschehen, zugleich das anwendbare Verfahren regeln. Der Anspruchsteller ist in diesem Verfahren nicht Beteiligter im Sinne von §78 Nr.2 AO, sondern Antragsteller nach Maßgabe der landesrechtlichen Regelungen (vgl. §14 Abs.1 IFG Berlin).

Die Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt. Nach §3 Abs.1 Satz1 IFG Berlin hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in §2 IFG Berlin genannten Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten. Der Kläger wird in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter als natürliche Person und damit als Mensch tätig und ist als solcher grundsätzlich anspruchsberechtigt. Das Finanzamt für Körperschaften III ist als örtliche Landesfinanzbehörde gemäß §2 Abs.1 Nr.4, §17 Abs.2 Finanzverwaltungsgesetz Behörde im Sinne des §2 Abs.1 Satz1 IFG Berlin. Die begehrten Informationen - der bei dem Finanzamt Spandau unstreitig vorhandene Kontoauszug mit Daten über Steuerschulden und geleistete Zahlungen der Insolvenzschuldnerin - sind elektronisch festgehaltene Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken dienen, und damit Akten im Sinne von §3 Abs.2 IFG Berlin.

Ausschlussgründe nach §§6 ff. IFG Berlin stehen dem Anspruch nicht entgegen.

Gemäß §6 Abs.1 IFG Berlin besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft nicht, soweit durch die Akteneinsicht oder Aktenauskunft personenbezogene Daten veröffentlicht werden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden oder der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen und das Informationsinteresse das Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt. Personenbezogene Daten sind nur Einzelangaben natürlicher Personen (§4 Abs.1 Satz1 BlnDSG). Im vorliegenden Fall werden durch die Akteneinsicht keine personenbezogenen Daten veröffentlicht, sondern Angaben über Zahlungen und Kontostände einer juristischen Person an den Beklagten.

Nach §9 Abs.1 IFG Berlin besteht das Recht auf Akteneinsicht u.a. nicht, soweit und solange durch das vorzeitige Bekanntwerden des Akteninhalts nachteilige Auswirkungen für das Land Berlin bei der Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens zu befürchten sind. Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb nicht erfüllt, weil ein solcher Prozess noch nicht anhängig ist.

Das IFG Berlin enthält keine der Regelung des §9 Abs.3 IFG Bund oder §5 Abs.1 IFG NRW vergleichbare Bestimmung, wonach der Antrag abgelehnt werden kann, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Selbst wenn dem Anspruch unter bestimmten Voraussetzungen das aus §242 BGB folgende Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegengehalten werden könnte, läge dieser Fall hier nicht vor. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass er infolge der defizitären kaufmännischen Führung der Insolvenzschuldnerin nicht über die erforderlichen Unterlagen verfügt, um die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung nach §§129 ff. InsO beurteilen zu können.

Dem Informationsanspruch des Klägers steht schließlich auch eine auf Bundesrecht beruhende Geheimhaltungspflicht nach §17 Abs.4 IFG Berlin nicht entgegen. Einen solchen Ausschlussgrund stellt insbesondere nicht die Bestimmung des §30 AO zum Steuergeheimnis dar, die den Datenschutz in Steuersachen regelt.

Zwar verbietet das Steuergeheimnis nach Maßgabe von §30 AO, Steuerdaten unbefugt weiterzugeben. Hier unterliegen die in der Akte der Insolvenzschuldnerin enthaltenen Informationen aber zumindest dem Insolvenzverwalter gegenüber keiner Geheimhaltungspflicht, so dass das Steuergeheimnis insoweit nicht berührt wird. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt der Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§80 Abs.1 InsO) und hat gegenüber dem Insolvenzschuldner einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§97 Abs.1 Satz1 InsO), mithin auch über alle Umstände, die für die Beurteilung von Gläubigerforderungen bedeutsam sein können. Muss der Schuldner also dem Insolvenzverwalter die ihm möglichen Auskünfte über die von ihm gezahlten Steuern erteilen, sind diese Informationen dem Insolvenzverwalter gegenüber von vornherein nicht geheimhaltungsbedürftig (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Februar 2010 - 10 A 11156.09 -, juris Rn. 31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Juni 2011 - 8 A 1150.10 - a.a.O., Rn. 99). Die Offenbarung erfolgt damit jedenfalls nicht „unbefugt“ im Sinne von §30 Abs.2 Alt. 1 AO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs.1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §167 VwGO in Verbindung mit §§708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil keiner der in §124 Abs.2 Nr.3 und Nr.4 VwGO benannten Gründe vorliegt.