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Aktenzeichen
2 K 102/21
ECLI
ECLI:DE:VGBE:2022:1213.2K102.21.00
Datum
13. Dezember 2022
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
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Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2019 verpflichtet, dem Kläger Einsicht in die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20 und 27 der Anlage B 1 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt 9/10, der Kläger trägt 1/10 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Der Kläger begehrt Informationszugang im Zusammenhang mit der Versagung seines steuerrechtlichen Gemeinnützigkeitsstatus.

Am 5. Juni 2019 beantragte der Kläger, ein eingetragener Verein, beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) Einsicht in den ihn betreffenden Vorgang.

Mit Bescheid vom 25. Juli 2019 lehnte das BMF den Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das BMF mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2019 zurück.

Der Kläger hat am 27. Januar 2020 Klage erhoben. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2020 hat die Kammer den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Finanzgericht verwiesen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat den Verwaltungsrechtsweg auf die Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 22. Februar 2021 für zulässig erklärt.

Der Kläger trägt vor, die Klage sei auch hinsichtlich der nach Eingang seines Informationszugangsantrags beim BMF entstandenen Dokumente Nr.96, 97 und 109 der Anlage B 1 zulässig. Das Erfordernis eines vorprozessualen Antrags sei entbehrlich, da es sich hier um eine bloße Förmelei handele. Die Richtlinien für die Behandlung von Ausschussprotokollen des Deutschen Bundestages stünden dem Zugang zu den Dokumenten Nr.13–15, 17, 18, 20, 27, 96 und 97 nicht entgegen. Sie seien als bloßes Binnenrecht keine gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz vorrangige „Rechtsvorschrift“ und enthielten keine durch Rechtsvorschrift begründete Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht. Der Schutz der Vertraulichkeit von Bund-Länder-Sitzungen im Bereich der Steuerverwaltung stehe dem Zugang zu den Dokumenten Nr.23, 24, 64, 68, 70, 76, 79, 83 und 109 nicht entgegen. Es sei nicht dargelegt, dass das formalisierte Initiativverfahren eingehalten sei und die Dokumente einheitliche Verwaltungsgrundsätze, Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern oder allgemeine fachliche Weisungen zum Gegenstand hätten. Das Dokument Nr.84 unterfalle nicht dem Steuergeheimnis. Gemeinnützige Körperschaften wiesen regelmäßig öffentlich auf diesen Umstand hin, um Spenden zu generieren. Jedenfalls hätte die Beklagte um das Einverständnis bei den betroffenen Körperschaften nachsuchen müssen. Der Kläger trägt weiter vor, er habe einen ungeschriebenen Anspruch auf Akteneinsicht und das Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert.

Die Beklagte hat dem Kläger im Laufe des Gerichtsverfahrens Zugang zu 96 Dokumenten und zu Teilen der Dokumente Nr.23, 24, 79, 83 und 84 gewährt bzw. zugesichert. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, an dem hilfsweise angekündigten datenschutzrechtlichen Anspruch auf Übersendung von Kopien seiner personenbezogenen Daten nicht festzuhalten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2019 zu verpflichten, ihm Einsicht in die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20, 23, 24, 27, 64, 68, 70, 76, 79, 83, 84, 96, 97 und 109 der Anlage B 1 zu gewähren, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20, 27, 96 und 97 unterfielen den Richtlinien für die Behandlung von Ausschussprotokollen des Deutschen Bundestages. Die Richtlinien seien zwar keine dem Informationsfreiheitsgesetz vorgehende spezialgesetzliche Regelung über den Informationszugang, weil sie sich an den Bundestag als Organ der Legislative richteten. Sie enthielten aber eine durch „Rechtsvorschrift“ geregelte Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht und seien kein bloßes Binnenrecht. Sie regelten den Zugang parlamentsexterner Dritter zu den Ausschussdokumenten und seien Ausdruck der verfassungsrechtlich gewährleisteten Parlamentsautonomie. Die hiernach bestehende Entscheidungsbefugnis des Präsidenten des Deutschen Bundestages dürfe nicht durch ein eigenmächtiges Handeln des BMF unterlaufen werden. Die Dokumente Nr.23, 24, 64, 68, 70, 76, 79, 83 und 109 seien Gegenstand der Vertraulichkeit von Bund-Länder-Sitzungen in der Steuerverwaltung. Das Dokument Nr.84 enthalte Informationen über die Gemeinnützigkeit namentlich benannter Körperschaften. Ein teilweiser Informationszugang unter Schwärzung dieser Daten komme nicht in Betracht. Eine Identifizierung sei wegen der in dem Dokument gebildeten Fallgruppen, der geringen Anzahl möglicher Betroffener und deren Konzentration auf einen kleinen regionalen Bereich möglich. Die Durchführung eines Drittbeteiligungsverfahrens sei nicht erforderlich, weil die Abgabenordnung dies nicht vorsehe.

Im Erörterungstermin am 24. Juni 2022 hat die Beklagte nach Hinweis des Gerichts das Fehlen eines vorprozessualen Antrags für die nach Eingang des Informationszugangsantrags entstandenen Dokumente Nr.96, 97 und 109 gerügt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ein Schreiben vorgelegt, wonach ein möglicherweise in dem noch streitigen Teil des Dokuments Nr.84 genannter eingetragener Verein seine Zustimmung zur Offenbarung seiner Daten erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang verwiesen.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß §40 Abs.1 S.1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - gegeben. Der Finanzrechtsweg ist nicht eröffnet (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Februar 2021 – OVG 12 L 53/20 – juris).

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren gemäß §92 Abs.2 VwGO analog einzustellen.

Die Klage ist zulässig (dazu I.), aber nur teilweise begründet (II.).

I. Die Verpflichtungsklage (§42 Abs.1 Alt. 2 VwGO) ist auch hinsichtlich des Antrags auf Zugang zu den Dokumenten Nr.96, 97 und 109 zulässig. Insoweit fehlt es zwar an einem vorprozessualen Antrag (vgl. §68 Abs.2, §75 S.1 VwGO) und dem nach §68 Abs.2, Abs.1 VwGO i.V.m. §9 Abs.4 des Informationsfreiheitsgesetzes - IFG - erforderlichen Vorverfahren. Denn nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§133, §157 BGB) war der Antrag des Klägers vom 5. Juni 2019 (nur) auf Zugang zu solchen Informationen gerichtet, die im Zeitpunkt seines Eingangs beim BMF vorhanden waren. Die Dokumente Nr.96, 97 und 109 sind nach diesem Zeitpunkt entstanden, nämlich am 27. August 2020, 31. August 2020 und 3. Februar 2021. Dies steht der Zulässigkeit der Klage aber nicht entgegen. Das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung und der Durchführung des Vorverfahrens erscheint als bloße Förmelei, weil das BMF sich inhaltlich mit diesen Dokumenten befasst und klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass es einen entsprechenden Antrag definitiv ablehnen wird (BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2019 – BVerwG 7 C 23/17 – NVwZ 2019, 978 Rn. 11 und vom 2. März 2022 – BVerwG 6 C 7/20 – NVwZ 2022, 1205 Rn. 57 f.).

II. Der Bescheid vom 25. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Einsicht in die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20 und 27 versagt hat; insoweit hat der Kläger einen Anspruch auf Informationszugang (§113 Abs.5 S.1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid – soweit über ihn noch zu entscheiden ist – rechtmäßig.

  1. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ist nicht durch speziellere Regelungen über den Informationszugang gesperrt. Nach §1 Abs.3 IFG gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des §29 VwVfG und des §25 SGB X vor. Dabei wird das Informationsfreiheitsgesetz nur durch Normen verdrängt, die einen mit §1 Abs.1 IFG – abstrakt – identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 – BVerwG 10 C 3/21 – AfP 2022, 503 Rn. 17).

Ungeachtet der Frage, ob die Bestimmungen in Anhang 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages - GO-BT - (die die Behandlung von Ausschussprotokollen, Ausschussdrucksachen und vergleichbaren Unterlagen zum Gegenstand haben) einen solchen abschließenden Regelungsgehalt aufweisen, handelt es sich bei ihnen jedenfalls nicht um „Rechtsvorschriften“ im Sinne von §1 Abs.3 IFG. Der Begriff der „Rechtsvorschrift“ erfasst nur Normen mit Außenwirkung, also Gesetze im formellen Sinne und Rechtsverordnungen (BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2022 – BVerwG 10 C 1/21 – NVwZ 2022, 1565 Rn. 23). Hieran fehlt es.

Anhang 2 der GO-BT entfaltet ebenso wie die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages selbst keine Außenwirkung. Es handelt sich dabei – ungeachtet der umstrittenen rechtlichen Qualifizierung der Geschäftsordnung als „autonome Satzung“ oder Regelungstyp sui generis (vgl. Morlok, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art.40 Rn. 18) – um Binnenrecht, welches grundsätzlich nur für die Mitglieder des Bundestages Bindungswirkung entfaltet (BVerfG, Urteil vom 6. März 1952 – 2 BvE 1/51 – BVerfGE 1, 144, 148 und vom 4. Juli 2007 – 2 BvE 1/06 u.a. – BVerfGE 118, 277, 359 f.).

Die in Anhang 2 der GO-BT genannten Bestimmungen, die zudem nicht der Bundestag selbst, sondern der Bundestagspräsident im Benehmen mit dem Präsidium (§73 Abs.3 GO-BT) als Richtlinien erlassen hat und die daher nicht Bestandteil der Geschäftsordnung sind (vgl. Klein, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand: 2018, Art.40 Rn. 48), betreffen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Sie räumen dem Bundestagspräsidenten lediglich die Möglichkeit ein, Ausschussprotokolle im Einzelfall Dritten zugänglich zu machen. Da sie auf der Grundlage der Geschäftsordnung erlassen wurden, können sie in ihrer Reichweite nicht über deren Regelungsbereich hinausgehen. Die Richtlinien regeln als Binnenrecht auch nur das Verhältnis der Organe des Deutschen Bundestages zueinander.

An der fehlenden Außenwirkung ändert der Umstand nichts, dass die Geschäftsordnung (nicht aber Anhang 2 der GO-BT) nach der Praxis des Deutschen Bundestages im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird. Mangels Pflicht zur förmlichen Verkündung ist diese keine Voraussetzung für ihre Gültigkeit (Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, Stand: 2019, Art.40 Rn. 252; vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – BVerwG 7 C 19/17 – BVerwGE 164, 112 Rn. 30).

Aus der verfassungsrechtlichen Verankerung der Geschäftsordnungsautonomie in Art.40 Abs.1 S.2 GG folgt nichts Anderes. Denn diese Bestimmung enthält keine spezifische Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Regelungen über den Informationszugang, die in ihrem Anwendungsbereich das Informationsfreiheitsgesetz verdrängen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2022 – BVerwG 10 C 1/21 – NVwZ 2022, 1565 Rn. 24).

Das von der Beklagten (zur Geschäftsordnung des Bundesrats) zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (vom 6. November 2008 – OVG 12 B 50/07 – OVGBE 29, 154, 158) ist durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überholt. Der zum Presserecht ergangene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Januar 2015 (OVG 6 S 42/14 – NVwZ 2015, 835) ist auf das Informationsfreiheitsgesetz nicht übertragbar. Diese Entscheidung verhält sich nicht zur Frage des Vorliegens einer „Rechtsvorschrift“, sondern der Abwägung von Interessen.

  1. Für die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20 und 27 sind die Voraussetzungen von §1 Abs.1 S.1 IFG gegeben. Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Kläger ist als juristische Person des Privatrechts „jeder“, das BMF ist eine Behörde des Bundes und die streitbefangenen Dokumente sind amtliche Informationen im Sinne von §2 Nr.1 IFG.

Die Beklagte kann sich für diese Dokumente nicht auf den Ausschlussgrund des §3 Nr.4 IFG i.V.m. Anhang 2 GO-BT berufen. Nach §3 Nr.4 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang u.a. nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Die Bestimmungen von Anhang 2 GO-BT sind – wie bereits ausgeführt – keine Rechtsvorschriften.

  1. Im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zugang zu den noch streitigen Dokumenten.

a) Für die Dokumente Nr.96, 97 und 109 fehlt es bereits an dem ungeschriebenen Merkmal, dass die Informationen bei der Behörde vorhanden sein müssen, wobei hierfür maßgeblich der Zeitpunkt des Eingangs des Informationszugangsantrags bei der Behörde ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – BVerwG 7 C 22/15 – NVwZ 2018, 179 Rn. 18). Der Antrag des Klägers vom 5. Juni 2019 ist am 6. Juni 2019 beim BMF eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt gab es die Dokumente Nr.96, 97 und 109 noch nicht.

b) Für die Dokumente Nr.23, 24, 64, 68, 70, 76, 79 und 83 kann sich die Beklagte mit Erfolg auf den Ausschlussgrund des §3 Nr.4 IFG i.V.m. §21a Abs.1 S.4 und 5 des Gesetzes über die Finanzverwaltung, Finanzverwaltungsgesetz - FVG - berufen.

Nach §21a Abs.1 FVG bestimmt das BMF mit Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Länder zur Verbesserung und Erleichterung des Vollzugs von Steuergesetzen und im Interesse des Zieles der Gleichmäßigkeit der Besteuerung einheitliche Verwaltungsgrundsätze, Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern und erteilt allgemeine fachliche Weisungen (Satz1). Initiativen zur Festlegung der Angelegenheiten des Satzes 1 kann das BMF allein oder auf gemeinsame Veranlassung von mindestens vier Ländern ergreifen (Satz3). Die Vertraulichkeit der Sitzungen ist zu wahren, wenn nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde (Satz4). Für Beratungen im schriftlichen Verfahren gilt Entsprechendes (Satz5).

§21a Abs.1 S.4 und 5 FVG ist eine Rechtsvorschrift im Sinne des §3 Nr.4 IFG, die eine Vertraulichkeitspflicht anordnet und nach materiellen Kriterien Informationen umschreibt, die einem besonderen Schutz unterstellt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2011 – BVerwG 7 C 6/10 – NVwZ 2011, 1012 Rn. 15; Urteil der Kammer vom 27. Januar 2022 – VG 2 K 169/19 – juris Rn. 51 f.). Die Dokumente Nr.23, 24, 64, 68, 70, 76, 79 und 83 werden von der in §21a Abs.1 S.4 und 5 FVG angeordneten Vertraulichkeitspflicht erfasst.

aa) Die Dokumente Nr.23 und 24 enthalten den Entwurf einer Nichtzulassungsbeschwerde; in der Kommentarfunktion zu diesem Entwurf wird ein Beschluss wiedergegeben, der auf einer Sitzung der Referatsleiter Körperschaftsteuer des BMF und der obersten Finanzbehörden der Länder gefasst wurde.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese Informationen von der Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit „der Sitzung“ erfasst. Die Vertraulichkeitspflicht in §21a Abs.1 S.4 und 5 FVG ist nicht auf den eigentlichen Beratungsverlauf beschränkt, sondern erstreckt sich auf die vorbereitenden und nachbereitenden Sitzungsunterlagen, einschließlich der Protokolle und Unterlagen über Sitzungsergebnisse (vgl. BT-Drs. 19/13436 S.183 f.). Die Sitzung hatte eine „Regelung zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern“ im Sinne von §21a Abs.1 S.1 FVG zum Gegenstand. Der Beschluss betraf nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung die einheitliche Auslegung eines Begriffs des Steuerrechts. Soweit der Kläger den Begriff der „Zusammenarbeit“ auf Verfahrensfragen beschränken will, liegt dem ein zu enges Verständnis zugrunde, das im Wortlaut von §21a FVG keine Stütze findet und im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschrift steht. Dieser besteht in der Sicherung der Gleichmäßigkeit der Festsetzung und Erhebung von Steuern und der Entwicklung von Maßstäben für einen Vergleich der Steuerverwaltungen der Länder (BT-Drs. 16/814 S.19). Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird gerade auch durch die einheitliche Auslegung materieller Rechtsbegriffe des Steuerrechts durch den Bund und die Länder gewährleistet. Das Initiativverfahren in §21a Abs.1 S.3 FVG ist eingehalten, da die Referatsleiterrunden auf gemeinsame Initiative des BMF und der obersten Finanzbehörden der Länder in regelmäßigen Abständen stattfinden.

Eine teilweise Informationsgewährung (§7 Abs.2 S.1 IFG) unter Schwärzung des Beschlusses scheidet aus. Nach dem nachvollziehbaren Vortrag der Beklagten würde wegen der Zuordnung der Kommentarfunktion zu einer bestimmten dem Kläger bekannten Textpassage der Nichtzulassungsbeschwerde die ebenfalls der Vertraulichkeit unterliegende Information offen gelegt, dass auf einer Bund-Länder-Sitzung nach §21a Abs.1 S.1 FVG ein bestimmtes Thema diskutiert und ein Beschluss hierzu gefasst wurde.

bb) Die Dokumente Nr.70, 79 und 83 betreffen den Entwurf eines Sprechzettels für den Abteilungsleiter des BMF für eine Sitzung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder (Nr.70) mit einer handschriftlichen Rückfrage (Nr.79) und die endgültige Fassung des Sprechzettels (Nr.83).

Sie unterfallen als vorbereitende Sitzungsunterlagen dem §21a Abs.1 S.4 FVG, da der Sprechzettel(entwurf) nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung bereits die Aufbereitung der unterschiedlichen Positionen der obersten Finanzbehörden der Länder zu einem bestimmten Thema enthält und den Gegenstand der Sitzung wiedergibt.

cc) Die Dokumente Nr.64, 68 und 76 betreffen Stellungnahmen verschiedener oberster Landesfinanzbehörden im schriftlichen Verfahren über die Veröffentlichung einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt Teil II. Der Beschluss über die Veröffentlichung betrifft eine „Regelung zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern“ im Sinne von §21a Abs.1 S.1 FVG. Mit ihm bringen das BMF und die obersten Landesfinanzbehörden im Interesse der gleichmäßigen Steuererhebung und -festsetzung zum Ausdruck, dass das veröffentlichte Urteil bei der Bearbeitung gleichgelagerter Fälle angewendet werden soll (vgl. Desens, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung, 2011, S.55 f.; Isensee, StuW 1994, 3, 14; Koch, DStZ/A 1975, 370, 370; Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, 1996, S.250 ff.; ders., in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, Stand: 2020, Art.108 Rn. 195; Voß, DStR 2003, 441, 445). Ob die Veröffentlichung als solche zugleich eine „allgemeine fachliche Weisung“ im Sinne von §21a Abs.1 S.1 FVG darstellt (so wohl Juchum, ZG 1991, 56, 61 f.; Schmitt, in: Drüen/Hey/Mellinghoff, 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, Bd. I, 2018, S.251, 254; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Der Nichtanwendungserlass im Steuerrecht, 2009, S.3), bedarf hier keiner Entscheidung.

Das BMF übersendet wöchentlich die vom Bundesfinanzhof zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidungen an die obersten Landesfinanzbehörden und ergreift damit gemäß §21a Abs.1 S.3 FVG die Initiative für die im Gremium abzustimmende Regelung, ob die gerichtlichen Entscheidungen im Bundessteuerblatt veröffentlicht oder nicht veröffentlicht werden.

c) Dem Zugang zu Dokument Nr.84 steht §3 Nr.4 IFG i.V.m. §30 der Abgabenordnung - AO - entgegen. Nach §30 Abs.2 Nr.1 Buchst. c AO verletzt ein Amtsträger das Steuergeheimnis, wenn er personenbezogene Daten eines anderen, die ihm aus anderem dienstlichen Anlass bekannt geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet.

Das Dokument Nr.84 benennt konkrete steuerbegünstigte Körperschaften, die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betroffen sein können. Der Status der Steuerbegünstigung unterliegt gemäß §30 Abs.2 Nr.1 Buchst. c, §2a Abs.5 Nr.2 AO dem Steuergeheimnis. Die Beklagte hat diese Informationen von den obersten Landesfinanzbehörden, d.h. aus anderem dienstlichen Anlass, erlangt. Ihre Offenbarung ist unbefugt, da ein Offenbarungsgrund im Sinne des §30 Abs.4 AO nicht gegeben ist, insbesondere eine Einwilligung der betroffenen Personen (§30 Abs.4 Nr.3 AO) nicht vorliegt.

Die in der mündlichen Verhandlung eingereichte Einwilligungserklärung, die nach den Angaben des Klägers von einer möglicherweise in Dokument Nr.84 genannten Körperschaft stammt, berechtigt die Beklagte nicht zur teilweisen Offenlegung des Dokuments (§7 Abs.2 S.1 IFG). Nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters werden in dem nicht zugänglich gemachten Teil von Dokument Nr.84 Fallgruppen dargestellt mit der Folge, dass andere Betroffene bei einer teilweisen Zugangsgewährung wegen der geringen Anzahl möglicher Betroffener und deren Konzentration auf einen kleinen regionalen Bereich aus dem Kontext des Dokuments heraus identifiziert werden können. Auch die vom Kläger behauptete Angabe der Steuerbegünstigung bzw. der Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft auf der Website einer Organisation stellt keine Einwilligung im Sinne des §30 Abs.4 Nr.3 AO dar.

Die Beklagte war zudem nicht gehalten, ein Drittbeteiligungsverfahren durchzuführen. Die Abgabenordnung enthält keine Verpflichtung der Steuerbehörde, die Einwilligung des betroffenen Steuerpflichtigen in die Offenlegung der ihn betreffenden Informationen einzuholen. Eine solche begründet auch §8 Abs.1 IFG nicht. Denn §3 Nr.4 IFG überlässt als Rezeptionsnorm den besonderen Geheimnisschutz den in Bezug genommenen Spezialvorschriften. Was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 – BVerwG 10 C 25/19 – BVerwGE 171, 90 Rn. 16). Nur wenn die fachgesetzlichen Regelungen die vom Informationsfreiheitsgesetz für disponibel erklärten privaten Belange (§5 und §6) der Einwilligung des Betroffenen öffnen, überwindet die erteilte Einwilligung auch den Versagungsgrund nach §3 Nr.4 IFG (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – BVerwG 7 C 24/15 – BVerwGE 159, 194 Rn. 37). So liegt der Fall hier aber mangels erteilter Einwilligung nicht.

Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob auch §32e i.V.m. §32a Abs.1 Nr.1, §32b Abs.1 S.1 Nr.1a AO dem Zugang zu Dokument Nr.84 entgegensteht.

  1. Der Kläger hat keinen ungeschriebenen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Akteneinsichtsgesuch. Der Anwendung dieses Anspruchs steht der rechtsstaatliche Gesetzesvorrang entgegen, wenn der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes – wie hier – eröffnet ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. März 2018 – OVG 12 B 5/17 – juris Rn. 12 ff.; OVG Schleswig, Beschluss vom 25. März 2021 – 3 LB 2/17 – juris Rn. 43).

Die Kostenentscheidung beruht auf §155 Abs.1 S.1 Alt. 2 VwGO, §161 Abs.2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass dem Informationszugang insoweit Ausschlussgründe entgegenstanden. Im Übrigen tragen die Beteiligten die Kosten des Rechtsstreits im Umfang ihres Unterliegens.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §167 Abs.1 S.1, Abs.2 VwGO i.V.m. §708 Nr.11, §711 der Zivilprozessordnung.

Die Berufung wird gemäß §124a Abs.1 S.1, §124 Abs.2 Nr.3 VwGO zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Fragen, ob die Bestimmungen von Anhang 2 der GO-BT „Rechtsvorschriften“ im Sinne von §1 Abs.3, §3 Nr.4 IFG sind, und ob bei §30 AO ein Drittbeteiligungsverfahren durchzuführen ist.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Informationszugang im Zusammenhang mit der Versagung seines steuerrechtlichen Gemeinnützigkeitsstatus.

Am 5. Juni 2019 beantragte der Kläger, ein eingetragener Verein, beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) Einsicht in den ihn betreffenden Vorgang.

Mit Bescheid vom 25. Juli 2019 lehnte das BMF den Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das BMF mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2019 zurück.

Der Kläger hat am 27. Januar 2020 Klage erhoben. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2020 hat die Kammer den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Finanzgericht verwiesen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat den Verwaltungsrechtsweg auf die Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 22. Februar 2021 für zulässig erklärt.

Der Kläger trägt vor, die Klage sei auch hinsichtlich der nach Eingang seines Informationszugangsantrags beim BMF entstandenen Dokumente Nr.96, 97 und 109 der Anlage B 1 zulässig. Das Erfordernis eines vorprozessualen Antrags sei entbehrlich, da es sich hier um eine bloße Förmelei handele. Die Richtlinien für die Behandlung von Ausschussprotokollen des Deutschen Bundestages stünden dem Zugang zu den Dokumenten Nr.13–15, 17, 18, 20, 27, 96 und 97 nicht entgegen. Sie seien als bloßes Binnenrecht keine gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz vorrangige „Rechtsvorschrift“ und enthielten keine durch Rechtsvorschrift begründete Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht. Der Schutz der Vertraulichkeit von Bund-Länder-Sitzungen im Bereich der Steuerverwaltung stehe dem Zugang zu den Dokumenten Nr.23, 24, 64, 68, 70, 76, 79, 83 und 109 nicht entgegen. Es sei nicht dargelegt, dass das formalisierte Initiativverfahren eingehalten sei und die Dokumente einheitliche Verwaltungsgrundsätze, Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern oder allgemeine fachliche Weisungen zum Gegenstand hätten. Das Dokument Nr.84 unterfalle nicht dem Steuergeheimnis. Gemeinnützige Körperschaften wiesen regelmäßig öffentlich auf diesen Umstand hin, um Spenden zu generieren. Jedenfalls hätte die Beklagte um das Einverständnis bei den betroffenen Körperschaften nachsuchen müssen. Der Kläger trägt weiter vor, er habe einen ungeschriebenen Anspruch auf Akteneinsicht und das Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert.

Die Beklagte hat dem Kläger im Laufe des Gerichtsverfahrens Zugang zu 96 Dokumenten und zu Teilen der Dokumente Nr.23, 24, 79, 83 und 84 gewährt bzw. zugesichert. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, an dem hilfsweise angekündigten datenschutzrechtlichen Anspruch auf Übersendung von Kopien seiner personenbezogenen Daten nicht festzuhalten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2019 zu verpflichten, ihm Einsicht in die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20, 23, 24, 27, 64, 68, 70, 76, 79, 83, 84, 96, 97 und 109 der Anlage B 1 zu gewähren, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20, 27, 96 und 97 unterfielen den Richtlinien für die Behandlung von Ausschussprotokollen des Deutschen Bundestages. Die Richtlinien seien zwar keine dem Informationsfreiheitsgesetz vorgehende spezialgesetzliche Regelung über den Informationszugang, weil sie sich an den Bundestag als Organ der Legislative richteten. Sie enthielten aber eine durch „Rechtsvorschrift“ geregelte Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht und seien kein bloßes Binnenrecht. Sie regelten den Zugang parlamentsexterner Dritter zu den Ausschussdokumenten und seien Ausdruck der verfassungsrechtlich gewährleisteten Parlamentsautonomie. Die hiernach bestehende Entscheidungsbefugnis des Präsidenten des Deutschen Bundestages dürfe nicht durch ein eigenmächtiges Handeln des BMF unterlaufen werden. Die Dokumente Nr.23, 24, 64, 68, 70, 76, 79, 83 und 109 seien Gegenstand der Vertraulichkeit von Bund-Länder-Sitzungen in der Steuerverwaltung. Das Dokument Nr.84 enthalte Informationen über die Gemeinnützigkeit namentlich benannter Körperschaften. Ein teilweiser Informationszugang unter Schwärzung dieser Daten komme nicht in Betracht. Eine Identifizierung sei wegen der in dem Dokument gebildeten Fallgruppen, der geringen Anzahl möglicher Betroffener und deren Konzentration auf einen kleinen regionalen Bereich möglich. Die Durchführung eines Drittbeteiligungsverfahrens sei nicht erforderlich, weil die Abgabenordnung dies nicht vorsehe.

Im Erörterungstermin am 24. Juni 2022 hat die Beklagte nach Hinweis des Gerichts das Fehlen eines vorprozessualen Antrags für die nach Eingang des Informationszugangsantrags entstandenen Dokumente Nr.96, 97 und 109 gerügt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ein Schreiben vorgelegt, wonach ein möglicherweise in dem noch streitigen Teil des Dokuments Nr.84 genannter eingetragener Verein seine Zustimmung zur Offenbarung seiner Daten erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang verwiesen.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß §40 Abs.1 S.1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - gegeben. Der Finanzrechtsweg ist nicht eröffnet (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Februar 2021 – OVG 12 L 53/20 – juris).

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren gemäß §92 Abs.2 VwGO analog einzustellen.

Die Klage ist zulässig (dazu I.), aber nur teilweise begründet (II.).

I. Die Verpflichtungsklage (§42 Abs.1 Alt. 2 VwGO) ist auch hinsichtlich des Antrags auf Zugang zu den Dokumenten Nr.96, 97 und 109 zulässig. Insoweit fehlt es zwar an einem vorprozessualen Antrag (vgl. §68 Abs.2, §75 S.1 VwGO) und dem nach §68 Abs.2, Abs.1 VwGO i.V.m. §9 Abs.4 des Informationsfreiheitsgesetzes - IFG - erforderlichen Vorverfahren. Denn nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§133, §157 BGB) war der Antrag des Klägers vom 5. Juni 2019 (nur) auf Zugang zu solchen Informationen gerichtet, die im Zeitpunkt seines Eingangs beim BMF vorhanden waren. Die Dokumente Nr.96, 97 und 109 sind nach diesem Zeitpunkt entstanden, nämlich am 27. August 2020, 31. August 2020 und 3. Februar 2021. Dies steht der Zulässigkeit der Klage aber nicht entgegen. Das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung und der Durchführung des Vorverfahrens erscheint als bloße Förmelei, weil das BMF sich inhaltlich mit diesen Dokumenten befasst und klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass es einen entsprechenden Antrag definitiv ablehnen wird (BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2019 – BVerwG 7 C 23/17 – NVwZ 2019, 978 Rn. 11 und vom 2. März 2022 – BVerwG 6 C 7/20 – NVwZ 2022, 1205 Rn. 57 f.).

II. Der Bescheid vom 25. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Einsicht in die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20 und 27 versagt hat; insoweit hat der Kläger einen Anspruch auf Informationszugang (§113 Abs.5 S.1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid – soweit über ihn noch zu entscheiden ist – rechtmäßig.

  1. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ist nicht durch speziellere Regelungen über den Informationszugang gesperrt. Nach §1 Abs.3 IFG gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des §29 VwVfG und des §25 SGB X vor. Dabei wird das Informationsfreiheitsgesetz nur durch Normen verdrängt, die einen mit §1 Abs.1 IFG – abstrakt – identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 – BVerwG 10 C 3/21 – AfP 2022, 503 Rn. 17).

Ungeachtet der Frage, ob die Bestimmungen in Anhang 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages - GO-BT - (die die Behandlung von Ausschussprotokollen, Ausschussdrucksachen und vergleichbaren Unterlagen zum Gegenstand haben) einen solchen abschließenden Regelungsgehalt aufweisen, handelt es sich bei ihnen jedenfalls nicht um „Rechtsvorschriften“ im Sinne von §1 Abs.3 IFG. Der Begriff der „Rechtsvorschrift“ erfasst nur Normen mit Außenwirkung, also Gesetze im formellen Sinne und Rechtsverordnungen (BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2022 – BVerwG 10 C 1/21 – NVwZ 2022, 1565 Rn. 23). Hieran fehlt es.

Anhang 2 der GO-BT entfaltet ebenso wie die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages selbst keine Außenwirkung. Es handelt sich dabei – ungeachtet der umstrittenen rechtlichen Qualifizierung der Geschäftsordnung als „autonome Satzung“ oder Regelungstyp sui generis (vgl. Morlok, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art.40 Rn. 18) – um Binnenrecht, welches grundsätzlich nur für die Mitglieder des Bundestages Bindungswirkung entfaltet (BVerfG, Urteil vom 6. März 1952 – 2 BvE 1/51 – BVerfGE 1, 144, 148 und vom 4. Juli 2007 – 2 BvE 1/06 u.a. – BVerfGE 118, 277, 359 f.).

Die in Anhang 2 der GO-BT genannten Bestimmungen, die zudem nicht der Bundestag selbst, sondern der Bundestagspräsident im Benehmen mit dem Präsidium (§73 Abs.3 GO-BT) als Richtlinien erlassen hat und die daher nicht Bestandteil der Geschäftsordnung sind (vgl. Klein, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand: 2018, Art.40 Rn. 48), betreffen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Sie räumen dem Bundestagspräsidenten lediglich die Möglichkeit ein, Ausschussprotokolle im Einzelfall Dritten zugänglich zu machen. Da sie auf der Grundlage der Geschäftsordnung erlassen wurden, können sie in ihrer Reichweite nicht über deren Regelungsbereich hinausgehen. Die Richtlinien regeln als Binnenrecht auch nur das Verhältnis der Organe des Deutschen Bundestages zueinander.

An der fehlenden Außenwirkung ändert der Umstand nichts, dass die Geschäftsordnung (nicht aber Anhang 2 der GO-BT) nach der Praxis des Deutschen Bundestages im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird. Mangels Pflicht zur förmlichen Verkündung ist diese keine Voraussetzung für ihre Gültigkeit (Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, Stand: 2019, Art.40 Rn. 252; vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – BVerwG 7 C 19/17 – BVerwGE 164, 112 Rn. 30).

Aus der verfassungsrechtlichen Verankerung der Geschäftsordnungsautonomie in Art.40 Abs.1 S.2 GG folgt nichts Anderes. Denn diese Bestimmung enthält keine spezifische Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Regelungen über den Informationszugang, die in ihrem Anwendungsbereich das Informationsfreiheitsgesetz verdrängen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2022 – BVerwG 10 C 1/21 – NVwZ 2022, 1565 Rn. 24).

Das von der Beklagten (zur Geschäftsordnung des Bundesrats) zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (vom 6. November 2008 – OVG 12 B 50/07 – OVGBE 29, 154, 158) ist durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überholt. Der zum Presserecht ergangene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Januar 2015 (OVG 6 S 42/14 – NVwZ 2015, 835) ist auf das Informationsfreiheitsgesetz nicht übertragbar. Diese Entscheidung verhält sich nicht zur Frage des Vorliegens einer „Rechtsvorschrift“, sondern der Abwägung von Interessen.

  1. Für die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20 und 27 sind die Voraussetzungen von §1 Abs.1 S.1 IFG gegeben. Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Kläger ist als juristische Person des Privatrechts „jeder“, das BMF ist eine Behörde des Bundes und die streitbefangenen Dokumente sind amtliche Informationen im Sinne von §2 Nr.1 IFG.

Die Beklagte kann sich für diese Dokumente nicht auf den Ausschlussgrund des §3 Nr.4 IFG i.V.m. Anhang 2 GO-BT berufen. Nach §3 Nr.4 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang u.a. nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Die Bestimmungen von Anhang 2 GO-BT sind – wie bereits ausgeführt – keine Rechtsvorschriften.

  1. Im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zugang zu den noch streitigen Dokumenten.

a) Für die Dokumente Nr.96, 97 und 109 fehlt es bereits an dem ungeschriebenen Merkmal, dass die Informationen bei der Behörde vorhanden sein müssen, wobei hierfür maßgeblich der Zeitpunkt des Eingangs des Informationszugangsantrags bei der Behörde ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – BVerwG 7 C 22/15 – NVwZ 2018, 179 Rn. 18). Der Antrag des Klägers vom 5. Juni 2019 ist am 6. Juni 2019 beim BMF eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt gab es die Dokumente Nr.96, 97 und 109 noch nicht.

b) Für die Dokumente Nr.23, 24, 64, 68, 70, 76, 79 und 83 kann sich die Beklagte mit Erfolg auf den Ausschlussgrund des §3 Nr.4 IFG i.V.m. §21a Abs.1 S.4 und 5 des Gesetzes über die Finanzverwaltung, Finanzverwaltungsgesetz - FVG - berufen.

Nach §21a Abs.1 FVG bestimmt das BMF mit Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Länder zur Verbesserung und Erleichterung des Vollzugs von Steuergesetzen und im Interesse des Zieles der Gleichmäßigkeit der Besteuerung einheitliche Verwaltungsgrundsätze, Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern und erteilt allgemeine fachliche Weisungen (Satz1). Initiativen zur Festlegung der Angelegenheiten des Satzes 1 kann das BMF allein oder auf gemeinsame Veranlassung von mindestens vier Ländern ergreifen (Satz3). Die Vertraulichkeit der Sitzungen ist zu wahren, wenn nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde (Satz4). Für Beratungen im schriftlichen Verfahren gilt Entsprechendes (Satz5).

§21a Abs.1 S.4 und 5 FVG ist eine Rechtsvorschrift im Sinne des §3 Nr.4 IFG, die eine Vertraulichkeitspflicht anordnet und nach materiellen Kriterien Informationen umschreibt, die einem besonderen Schutz unterstellt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2011 – BVerwG 7 C 6/10 – NVwZ 2011, 1012 Rn. 15; Urteil der Kammer vom 27. Januar 2022 – VG 2 K 169/19 – juris Rn. 51 f.). Die Dokumente Nr.23, 24, 64, 68, 70, 76, 79 und 83 werden von der in §21a Abs.1 S.4 und 5 FVG angeordneten Vertraulichkeitspflicht erfasst.

aa) Die Dokumente Nr.23 und 24 enthalten den Entwurf einer Nichtzulassungsbeschwerde; in der Kommentarfunktion zu diesem Entwurf wird ein Beschluss wiedergegeben, der auf einer Sitzung der Referatsleiter Körperschaftsteuer des BMF und der obersten Finanzbehörden der Länder gefasst wurde.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese Informationen von der Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit „der Sitzung“ erfasst. Die Vertraulichkeitspflicht in §21a Abs.1 S.4 und 5 FVG ist nicht auf den eigentlichen Beratungsverlauf beschränkt, sondern erstreckt sich auf die vorbereitenden und nachbereitenden Sitzungsunterlagen, einschließlich der Protokolle und Unterlagen über Sitzungsergebnisse (vgl. BT-Drs. 19/13436 S.183 f.). Die Sitzung hatte eine „Regelung zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern“ im Sinne von §21a Abs.1 S.1 FVG zum Gegenstand. Der Beschluss betraf nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung die einheitliche Auslegung eines Begriffs des Steuerrechts. Soweit der Kläger den Begriff der „Zusammenarbeit“ auf Verfahrensfragen beschränken will, liegt dem ein zu enges Verständnis zugrunde, das im Wortlaut von §21a FVG keine Stütze findet und im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschrift steht. Dieser besteht in der Sicherung der Gleichmäßigkeit der Festsetzung und Erhebung von Steuern und der Entwicklung von Maßstäben für einen Vergleich der Steuerverwaltungen der Länder (BT-Drs. 16/814 S.19). Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird gerade auch durch die einheitliche Auslegung materieller Rechtsbegriffe des Steuerrechts durch den Bund und die Länder gewährleistet. Das Initiativverfahren in §21a Abs.1 S.3 FVG ist eingehalten, da die Referatsleiterrunden auf gemeinsame Initiative des BMF und der obersten Finanzbehörden der Länder in regelmäßigen Abständen stattfinden.

Eine teilweise Informationsgewährung (§7 Abs.2 S.1 IFG) unter Schwärzung des Beschlusses scheidet aus. Nach dem nachvollziehbaren Vortrag der Beklagten würde wegen der Zuordnung der Kommentarfunktion zu einer bestimmten dem Kläger bekannten Textpassage der Nichtzulassungsbeschwerde die ebenfalls der Vertraulichkeit unterliegende Information offen gelegt, dass auf einer Bund-Länder-Sitzung nach §21a Abs.1 S.1 FVG ein bestimmtes Thema diskutiert und ein Beschluss hierzu gefasst wurde.

bb) Die Dokumente Nr.70, 79 und 83 betreffen den Entwurf eines Sprechzettels für den Abteilungsleiter des BMF für eine Sitzung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder (Nr.70) mit einer handschriftlichen Rückfrage (Nr.79) und die endgültige Fassung des Sprechzettels (Nr.83).

Sie unterfallen als vorbereitende Sitzungsunterlagen dem §21a Abs.1 S.4 FVG, da der Sprechzettel(entwurf) nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung bereits die Aufbereitung der unterschiedlichen Positionen der obersten Finanzbehörden der Länder zu einem bestimmten Thema enthält und den Gegenstand der Sitzung wiedergibt.

cc) Die Dokumente Nr.64, 68 und 76 betreffen Stellungnahmen verschiedener oberster Landesfinanzbehörden im schriftlichen Verfahren über die Veröffentlichung einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt Teil II. Der Beschluss über die Veröffentlichung betrifft eine „Regelung zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern“ im Sinne von §21a Abs.1 S.1 FVG. Mit ihm bringen das BMF und die obersten Landesfinanzbehörden im Interesse der gleichmäßigen Steuererhebung und -festsetzung zum Ausdruck, dass das veröffentlichte Urteil bei der Bearbeitung gleichgelagerter Fälle angewendet werden soll (vgl. Desens, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung, 2011, S.55 f.; Isensee, StuW 1994, 3, 14; Koch, DStZ/A 1975, 370, 370; Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, 1996, S.250 ff.; ders., in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, Stand: 2020, Art.108 Rn. 195; Voß, DStR 2003, 441, 445). Ob die Veröffentlichung als solche zugleich eine „allgemeine fachliche Weisung“ im Sinne von §21a Abs.1 S.1 FVG darstellt (so wohl Juchum, ZG 1991, 56, 61 f.; Schmitt, in: Drüen/Hey/Mellinghoff, 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, Bd. I, 2018, S.251, 254; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Der Nichtanwendungserlass im Steuerrecht, 2009, S.3), bedarf hier keiner Entscheidung.

Das BMF übersendet wöchentlich die vom Bundesfinanzhof zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidungen an die obersten Landesfinanzbehörden und ergreift damit gemäß §21a Abs.1 S.3 FVG die Initiative für die im Gremium abzustimmende Regelung, ob die gerichtlichen Entscheidungen im Bundessteuerblatt veröffentlicht oder nicht veröffentlicht werden.

c) Dem Zugang zu Dokument Nr.84 steht §3 Nr.4 IFG i.V.m. §30 der Abgabenordnung - AO - entgegen. Nach §30 Abs.2 Nr.1 Buchst. c AO verletzt ein Amtsträger das Steuergeheimnis, wenn er personenbezogene Daten eines anderen, die ihm aus anderem dienstlichen Anlass bekannt geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet.

Das Dokument Nr.84 benennt konkrete steuerbegünstigte Körperschaften, die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betroffen sein können. Der Status der Steuerbegünstigung unterliegt gemäß §30 Abs.2 Nr.1 Buchst. c, §2a Abs.5 Nr.2 AO dem Steuergeheimnis. Die Beklagte hat diese Informationen von den obersten Landesfinanzbehörden, d.h. aus anderem dienstlichen Anlass, erlangt. Ihre Offenbarung ist unbefugt, da ein Offenbarungsgrund im Sinne des §30 Abs.4 AO nicht gegeben ist, insbesondere eine Einwilligung der betroffenen Personen (§30 Abs.4 Nr.3 AO) nicht vorliegt.

Die in der mündlichen Verhandlung eingereichte Einwilligungserklärung, die nach den Angaben des Klägers von einer möglicherweise in Dokument Nr.84 genannten Körperschaft stammt, berechtigt die Beklagte nicht zur teilweisen Offenlegung des Dokuments (§7 Abs.2 S.1 IFG). Nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters werden in dem nicht zugänglich gemachten Teil von Dokument Nr.84 Fallgruppen dargestellt mit der Folge, dass andere Betroffene bei einer teilweisen Zugangsgewährung wegen der geringen Anzahl möglicher Betroffener und deren Konzentration auf einen kleinen regionalen Bereich aus dem Kontext des Dokuments heraus identifiziert werden können. Auch die vom Kläger behauptete Angabe der Steuerbegünstigung bzw. der Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft auf der Website einer Organisation stellt keine Einwilligung im Sinne des §30 Abs.4 Nr.3 AO dar.

Die Beklagte war zudem nicht gehalten, ein Drittbeteiligungsverfahren durchzuführen. Die Abgabenordnung enthält keine Verpflichtung der Steuerbehörde, die Einwilligung des betroffenen Steuerpflichtigen in die Offenlegung der ihn betreffenden Informationen einzuholen. Eine solche begründet auch §8 Abs.1 IFG nicht. Denn §3 Nr.4 IFG überlässt als Rezeptionsnorm den besonderen Geheimnisschutz den in Bezug genommenen Spezialvorschriften. Was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 – BVerwG 10 C 25/19 – BVerwGE 171, 90 Rn. 16). Nur wenn die fachgesetzlichen Regelungen die vom Informationsfreiheitsgesetz für disponibel erklärten privaten Belange (§5 und §6) der Einwilligung des Betroffenen öffnen, überwindet die erteilte Einwilligung auch den Versagungsgrund nach §3 Nr.4 IFG (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – BVerwG 7 C 24/15 – BVerwGE 159, 194 Rn. 37). So liegt der Fall hier aber mangels erteilter Einwilligung nicht.

Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob auch §32e i.V.m. §32a Abs.1 Nr.1, §32b Abs.1 S.1 Nr.1a AO dem Zugang zu Dokument Nr.84 entgegensteht.

  1. Der Kläger hat keinen ungeschriebenen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Akteneinsichtsgesuch. Der Anwendung dieses Anspruchs steht der rechtsstaatliche Gesetzesvorrang entgegen, wenn der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes – wie hier – eröffnet ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. März 2018 – OVG 12 B 5/17 – juris Rn. 12 ff.; OVG Schleswig, Beschluss vom 25. März 2021 – 3 LB 2/17 – juris Rn. 43).

Die Kostenentscheidung beruht auf §155 Abs.1 S.1 Alt. 2 VwGO, §161 Abs.2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass dem Informationszugang insoweit Ausschlussgründe entgegenstanden. Im Übrigen tragen die Beteiligten die Kosten des Rechtsstreits im Umfang ihres Unterliegens.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §167 Abs.1 S.1, Abs.2 VwGO i.V.m. §708 Nr.11, §711 der Zivilprozessordnung.

Die Berufung wird gemäß §124a Abs.1 S.1, §124 Abs.2 Nr.3 VwGO zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Fragen, ob die Bestimmungen von Anhang 2 der GO-BT „Rechtsvorschriften“ im Sinne von §1 Abs.3, §3 Nr.4 IFG sind, und ob bei §30 AO ein Drittbeteiligungsverfahren durchzuführen ist.

Entscheidungsgründe

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß §40 Abs.1 S.1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - gegeben. Der Finanzrechtsweg ist nicht eröffnet (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Februar 2021 – OVG 12 L 53/20 – juris).

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren gemäß §92 Abs.2 VwGO analog einzustellen.

Die Klage ist zulässig (dazu I.), aber nur teilweise begründet (II.).

I. Die Verpflichtungsklage (§42 Abs.1 Alt. 2 VwGO) ist auch hinsichtlich des Antrags auf Zugang zu den Dokumenten Nr.96, 97 und 109 zulässig. Insoweit fehlt es zwar an einem vorprozessualen Antrag (vgl. §68 Abs.2, §75 S.1 VwGO) und dem nach §68 Abs.2, Abs.1 VwGO i.V.m. §9 Abs.4 des Informationsfreiheitsgesetzes - IFG - erforderlichen Vorverfahren. Denn nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont (§133, §157 BGB) war der Antrag des Klägers vom 5. Juni 2019 (nur) auf Zugang zu solchen Informationen gerichtet, die im Zeitpunkt seines Eingangs beim BMF vorhanden waren. Die Dokumente Nr.96, 97 und 109 sind nach diesem Zeitpunkt entstanden, nämlich am 27. August 2020, 31. August 2020 und 3. Februar 2021. Dies steht der Zulässigkeit der Klage aber nicht entgegen. Das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung und der Durchführung des Vorverfahrens erscheint als bloße Förmelei, weil das BMF sich inhaltlich mit diesen Dokumenten befasst und klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass es einen entsprechenden Antrag definitiv ablehnen wird (BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2019 – BVerwG 7 C 23/17 – NVwZ 2019, 978 Rn. 11 und vom 2. März 2022 – BVerwG 6 C 7/20 – NVwZ 2022, 1205 Rn. 57 f.).

II. Der Bescheid vom 25. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Einsicht in die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20 und 27 versagt hat; insoweit hat der Kläger einen Anspruch auf Informationszugang (§113 Abs.5 S.1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid – soweit über ihn noch zu entscheiden ist – rechtmäßig.

  1. Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ist nicht durch speziellere Regelungen über den Informationszugang gesperrt. Nach §1 Abs.3 IFG gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des §29 VwVfG und des §25 SGB X vor. Dabei wird das Informationsfreiheitsgesetz nur durch Normen verdrängt, die einen mit §1 Abs.1 IFG – abstrakt – identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 – BVerwG 10 C 3/21 – AfP 2022, 503 Rn. 17).

Ungeachtet der Frage, ob die Bestimmungen in Anhang 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages - GO-BT - (die die Behandlung von Ausschussprotokollen, Ausschussdrucksachen und vergleichbaren Unterlagen zum Gegenstand haben) einen solchen abschließenden Regelungsgehalt aufweisen, handelt es sich bei ihnen jedenfalls nicht um „Rechtsvorschriften“ im Sinne von §1 Abs.3 IFG. Der Begriff der „Rechtsvorschrift“ erfasst nur Normen mit Außenwirkung, also Gesetze im formellen Sinne und Rechtsverordnungen (BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2022 – BVerwG 10 C 1/21 – NVwZ 2022, 1565 Rn. 23). Hieran fehlt es.

Anhang 2 der GO-BT entfaltet ebenso wie die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages selbst keine Außenwirkung. Es handelt sich dabei – ungeachtet der umstrittenen rechtlichen Qualifizierung der Geschäftsordnung als „autonome Satzung“ oder Regelungstyp sui generis (vgl. Morlok, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art.40 Rn. 18) – um Binnenrecht, welches grundsätzlich nur für die Mitglieder des Bundestages Bindungswirkung entfaltet (BVerfG, Urteil vom 6. März 1952 – 2 BvE 1/51 – BVerfGE 1, 144, 148 und vom 4. Juli 2007 – 2 BvE 1/06 u.a. – BVerfGE 118, 277, 359 f.).

Die in Anhang 2 der GO-BT genannten Bestimmungen, die zudem nicht der Bundestag selbst, sondern der Bundestagspräsident im Benehmen mit dem Präsidium (§73 Abs.3 GO-BT) als Richtlinien erlassen hat und die daher nicht Bestandteil der Geschäftsordnung sind (vgl. Klein, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand: 2018, Art.40 Rn. 48), betreffen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Sie räumen dem Bundestagspräsidenten lediglich die Möglichkeit ein, Ausschussprotokolle im Einzelfall Dritten zugänglich zu machen. Da sie auf der Grundlage der Geschäftsordnung erlassen wurden, können sie in ihrer Reichweite nicht über deren Regelungsbereich hinausgehen. Die Richtlinien regeln als Binnenrecht auch nur das Verhältnis der Organe des Deutschen Bundestages zueinander.

An der fehlenden Außenwirkung ändert der Umstand nichts, dass die Geschäftsordnung (nicht aber Anhang 2 der GO-BT) nach der Praxis des Deutschen Bundestages im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird. Mangels Pflicht zur förmlichen Verkündung ist diese keine Voraussetzung für ihre Gültigkeit (Brocker, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, Stand: 2019, Art.40 Rn. 252; vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – BVerwG 7 C 19/17 – BVerwGE 164, 112 Rn. 30).

Aus der verfassungsrechtlichen Verankerung der Geschäftsordnungsautonomie in Art.40 Abs.1 S.2 GG folgt nichts Anderes. Denn diese Bestimmung enthält keine spezifische Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Regelungen über den Informationszugang, die in ihrem Anwendungsbereich das Informationsfreiheitsgesetz verdrängen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2022 – BVerwG 10 C 1/21 – NVwZ 2022, 1565 Rn. 24).

Das von der Beklagten (zur Geschäftsordnung des Bundesrats) zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (vom 6. November 2008 – OVG 12 B 50/07 – OVGBE 29, 154, 158) ist durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überholt. Der zum Presserecht ergangene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. Januar 2015 (OVG 6 S 42/14 – NVwZ 2015, 835) ist auf das Informationsfreiheitsgesetz nicht übertragbar. Diese Entscheidung verhält sich nicht zur Frage des Vorliegens einer „Rechtsvorschrift“, sondern der Abwägung von Interessen.

  1. Für die Dokumente Nr.13–15, 17, 18, 20 und 27 sind die Voraussetzungen von §1 Abs.1 S.1 IFG gegeben. Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Kläger ist als juristische Person des Privatrechts „jeder“, das BMF ist eine Behörde des Bundes und die streitbefangenen Dokumente sind amtliche Informationen im Sinne von §2 Nr.1 IFG.

Die Beklagte kann sich für diese Dokumente nicht auf den Ausschlussgrund des §3 Nr.4 IFG i.V.m. Anhang 2 GO-BT berufen. Nach §3 Nr.4 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang u.a. nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Die Bestimmungen von Anhang 2 GO-BT sind – wie bereits ausgeführt – keine Rechtsvorschriften.

  1. Im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zugang zu den noch streitigen Dokumenten.

a) Für die Dokumente Nr.96, 97 und 109 fehlt es bereits an dem ungeschriebenen Merkmal, dass die Informationen bei der Behörde vorhanden sein müssen, wobei hierfür maßgeblich der Zeitpunkt des Eingangs des Informationszugangsantrags bei der Behörde ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – BVerwG 7 C 22/15 – NVwZ 2018, 179 Rn. 18). Der Antrag des Klägers vom 5. Juni 2019 ist am 6. Juni 2019 beim BMF eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt gab es die Dokumente Nr.96, 97 und 109 noch nicht.

b) Für die Dokumente Nr.23, 24, 64, 68, 70, 76, 79 und 83 kann sich die Beklagte mit Erfolg auf den Ausschlussgrund des §3 Nr.4 IFG i.V.m. §21a Abs.1 S.4 und 5 des Gesetzes über die Finanzverwaltung, Finanzverwaltungsgesetz - FVG - berufen.

Nach §21a Abs.1 FVG bestimmt das BMF mit Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Länder zur Verbesserung und Erleichterung des Vollzugs von Steuergesetzen und im Interesse des Zieles der Gleichmäßigkeit der Besteuerung einheitliche Verwaltungsgrundsätze, Regelungen zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern und erteilt allgemeine fachliche Weisungen (Satz1). Initiativen zur Festlegung der Angelegenheiten des Satzes 1 kann das BMF allein oder auf gemeinsame Veranlassung von mindestens vier Ländern ergreifen (Satz3). Die Vertraulichkeit der Sitzungen ist zu wahren, wenn nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde (Satz4). Für Beratungen im schriftlichen Verfahren gilt Entsprechendes (Satz5).

§21a Abs.1 S.4 und 5 FVG ist eine Rechtsvorschrift im Sinne des §3 Nr.4 IFG, die eine Vertraulichkeitspflicht anordnet und nach materiellen Kriterien Informationen umschreibt, die einem besonderen Schutz unterstellt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2011 – BVerwG 7 C 6/10 – NVwZ 2011, 1012 Rn. 15; Urteil der Kammer vom 27. Januar 2022 – VG 2 K 169/19 – juris Rn. 51 f.). Die Dokumente Nr.23, 24, 64, 68, 70, 76, 79 und 83 werden von der in §21a Abs.1 S.4 und 5 FVG angeordneten Vertraulichkeitspflicht erfasst.

aa) Die Dokumente Nr.23 und 24 enthalten den Entwurf einer Nichtzulassungsbeschwerde; in der Kommentarfunktion zu diesem Entwurf wird ein Beschluss wiedergegeben, der auf einer Sitzung der Referatsleiter Körperschaftsteuer des BMF und der obersten Finanzbehörden der Länder gefasst wurde.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese Informationen von der Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit „der Sitzung“ erfasst. Die Vertraulichkeitspflicht in §21a Abs.1 S.4 und 5 FVG ist nicht auf den eigentlichen Beratungsverlauf beschränkt, sondern erstreckt sich auf die vorbereitenden und nachbereitenden Sitzungsunterlagen, einschließlich der Protokolle und Unterlagen über Sitzungsergebnisse (vgl. BT-Drs. 19/13436 S.183 f.). Die Sitzung hatte eine „Regelung zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern“ im Sinne von §21a Abs.1 S.1 FVG zum Gegenstand. Der Beschluss betraf nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung die einheitliche Auslegung eines Begriffs des Steuerrechts. Soweit der Kläger den Begriff der „Zusammenarbeit“ auf Verfahrensfragen beschränken will, liegt dem ein zu enges Verständnis zugrunde, das im Wortlaut von §21a FVG keine Stütze findet und im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Vorschrift steht. Dieser besteht in der Sicherung der Gleichmäßigkeit der Festsetzung und Erhebung von Steuern und der Entwicklung von Maßstäben für einen Vergleich der Steuerverwaltungen der Länder (BT-Drs. 16/814 S.19). Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird gerade auch durch die einheitliche Auslegung materieller Rechtsbegriffe des Steuerrechts durch den Bund und die Länder gewährleistet. Das Initiativverfahren in §21a Abs.1 S.3 FVG ist eingehalten, da die Referatsleiterrunden auf gemeinsame Initiative des BMF und der obersten Finanzbehörden der Länder in regelmäßigen Abständen stattfinden.

Eine teilweise Informationsgewährung (§7 Abs.2 S.1 IFG) unter Schwärzung des Beschlusses scheidet aus. Nach dem nachvollziehbaren Vortrag der Beklagten würde wegen der Zuordnung der Kommentarfunktion zu einer bestimmten dem Kläger bekannten Textpassage der Nichtzulassungsbeschwerde die ebenfalls der Vertraulichkeit unterliegende Information offen gelegt, dass auf einer Bund-Länder-Sitzung nach §21a Abs.1 S.1 FVG ein bestimmtes Thema diskutiert und ein Beschluss hierzu gefasst wurde.

bb) Die Dokumente Nr.70, 79 und 83 betreffen den Entwurf eines Sprechzettels für den Abteilungsleiter des BMF für eine Sitzung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder (Nr.70) mit einer handschriftlichen Rückfrage (Nr.79) und die endgültige Fassung des Sprechzettels (Nr.83).

Sie unterfallen als vorbereitende Sitzungsunterlagen dem §21a Abs.1 S.4 FVG, da der Sprechzettel(entwurf) nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung bereits die Aufbereitung der unterschiedlichen Positionen der obersten Finanzbehörden der Länder zu einem bestimmten Thema enthält und den Gegenstand der Sitzung wiedergibt.

cc) Die Dokumente Nr.64, 68 und 76 betreffen Stellungnahmen verschiedener oberster Landesfinanzbehörden im schriftlichen Verfahren über die Veröffentlichung einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt Teil II. Der Beschluss über die Veröffentlichung betrifft eine „Regelung zur Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern“ im Sinne von §21a Abs.1 S.1 FVG. Mit ihm bringen das BMF und die obersten Landesfinanzbehörden im Interesse der gleichmäßigen Steuererhebung und -festsetzung zum Ausdruck, dass das veröffentlichte Urteil bei der Bearbeitung gleichgelagerter Fälle angewendet werden soll (vgl. Desens, Bindung der Finanzverwaltung an die Rechtsprechung, 2011, S.55 f.; Isensee, StuW 1994, 3, 14; Koch, DStZ/A 1975, 370, 370; Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, 1996, S.250 ff.; ders., in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, Stand: 2020, Art.108 Rn. 195; Voß, DStR 2003, 441, 445). Ob die Veröffentlichung als solche zugleich eine „allgemeine fachliche Weisung“ im Sinne von §21a Abs.1 S.1 FVG darstellt (so wohl Juchum, ZG 1991, 56, 61 f.; Schmitt, in: Drüen/Hey/Mellinghoff, 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, Bd. I, 2018, S.251, 254; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, Der Nichtanwendungserlass im Steuerrecht, 2009, S.3), bedarf hier keiner Entscheidung.

Das BMF übersendet wöchentlich die vom Bundesfinanzhof zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidungen an die obersten Landesfinanzbehörden und ergreift damit gemäß §21a Abs.1 S.3 FVG die Initiative für die im Gremium abzustimmende Regelung, ob die gerichtlichen Entscheidungen im Bundessteuerblatt veröffentlicht oder nicht veröffentlicht werden.

c) Dem Zugang zu Dokument Nr.84 steht §3 Nr.4 IFG i.V.m. §30 der Abgabenordnung - AO - entgegen. Nach §30 Abs.2 Nr.1 Buchst. c AO verletzt ein Amtsträger das Steuergeheimnis, wenn er personenbezogene Daten eines anderen, die ihm aus anderem dienstlichen Anlass bekannt geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet.

Das Dokument Nr.84 benennt konkrete steuerbegünstigte Körperschaften, die von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betroffen sein können. Der Status der Steuerbegünstigung unterliegt gemäß §30 Abs.2 Nr.1 Buchst. c, §2a Abs.5 Nr.2 AO dem Steuergeheimnis. Die Beklagte hat diese Informationen von den obersten Landesfinanzbehörden, d.h. aus anderem dienstlichen Anlass, erlangt. Ihre Offenbarung ist unbefugt, da ein Offenbarungsgrund im Sinne des §30 Abs.4 AO nicht gegeben ist, insbesondere eine Einwilligung der betroffenen Personen (§30 Abs.4 Nr.3 AO) nicht vorliegt.

Die in der mündlichen Verhandlung eingereichte Einwilligungserklärung, die nach den Angaben des Klägers von einer möglicherweise in Dokument Nr.84 genannten Körperschaft stammt, berechtigt die Beklagte nicht zur teilweisen Offenlegung des Dokuments (§7 Abs.2 S.1 IFG). Nach dem Vortrag des Beklagtenvertreters werden in dem nicht zugänglich gemachten Teil von Dokument Nr.84 Fallgruppen dargestellt mit der Folge, dass andere Betroffene bei einer teilweisen Zugangsgewährung wegen der geringen Anzahl möglicher Betroffener und deren Konzentration auf einen kleinen regionalen Bereich aus dem Kontext des Dokuments heraus identifiziert werden können. Auch die vom Kläger behauptete Angabe der Steuerbegünstigung bzw. der Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft auf der Website einer Organisation stellt keine Einwilligung im Sinne des §30 Abs.4 Nr.3 AO dar.

Die Beklagte war zudem nicht gehalten, ein Drittbeteiligungsverfahren durchzuführen. Die Abgabenordnung enthält keine Verpflichtung der Steuerbehörde, die Einwilligung des betroffenen Steuerpflichtigen in die Offenlegung der ihn betreffenden Informationen einzuholen. Eine solche begründet auch §8 Abs.1 IFG nicht. Denn §3 Nr.4 IFG überlässt als Rezeptionsnorm den besonderen Geheimnisschutz den in Bezug genommenen Spezialvorschriften. Was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2020 – BVerwG 10 C 25/19 – BVerwGE 171, 90 Rn. 16). Nur wenn die fachgesetzlichen Regelungen die vom Informationsfreiheitsgesetz für disponibel erklärten privaten Belange (§5 und §6) der Einwilligung des Betroffenen öffnen, überwindet die erteilte Einwilligung auch den Versagungsgrund nach §3 Nr.4 IFG (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – BVerwG 7 C 24/15 – BVerwGE 159, 194 Rn. 37). So liegt der Fall hier aber mangels erteilter Einwilligung nicht.

Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob auch §32e i.V.m. §32a Abs.1 Nr.1, §32b Abs.1 S.1 Nr.1a AO dem Zugang zu Dokument Nr.84 entgegensteht.

  1. Der Kläger hat keinen ungeschriebenen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Akteneinsichtsgesuch. Der Anwendung dieses Anspruchs steht der rechtsstaatliche Gesetzesvorrang entgegen, wenn der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes – wie hier – eröffnet ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. März 2018 – OVG 12 B 5/17 – juris Rn. 12 ff.; OVG Schleswig, Beschluss vom 25. März 2021 – 3 LB 2/17 – juris Rn. 43).

Die Kostenentscheidung beruht auf §155 Abs.1 S.1 Alt. 2 VwGO, §161 Abs.2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass dem Informationszugang insoweit Ausschlussgründe entgegenstanden. Im Übrigen tragen die Beteiligten die Kosten des Rechtsstreits im Umfang ihres Unterliegens.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §167 Abs.1 S.1, Abs.2 VwGO i.V.m. §708 Nr.11, §711 der Zivilprozessordnung.

Die Berufung wird gemäß §124a Abs.1 S.1, §124 Abs.2 Nr.3 VwGO zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Fragen, ob die Bestimmungen von Anhang 2 der GO-BT „Rechtsvorschriften“ im Sinne von §1 Abs.3, §3 Nr.4 IFG sind, und ob bei §30 AO ein Drittbeteiligungsverfahren durchzuführen ist.