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Aktenzeichen
OVG 12 N 58.15
ECLI
ECLI:DE:OVGBEBB:2016:0903.OVG12N58.15.0A
Datum
3. September 2016
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
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Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das am 14. Juli 2015 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§124 Abs.2 Nr.1 VwGO), der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§124 Abs.2 Nr.2 VwGO) und ihrer grundsätzlichen Bedeutung (§124 Abs.2 Nr.3 VwGO) liegen nicht vor.

Die Beteiligten streiten um den Informationszugang zu einer ersten Entwurfsfassung vom 30. September 2011 einer vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bei externen Gutachtern in Auftrag gegebenen sog. Eignungsabschätzung. Sie dient der Ermittlung, wie die etwa 30 Kilometer flussabwärts von der Hamburger Stadtgrenze geplante Elbquerung der Bundesautobahn A 20 in vier Tunnelröhren am wirtschaftlichsten umgesetzt werden könne. Die Kläger haben diese erste Entwurfsfassung mit Teilschwärzungen erhalten, für die sich das Ministerium auf den Entwurf als interne Unterlage und den Schutz seiner Beratungen berufen hat. Hinsichtlich des gewährten Informationszugangs haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Wegen der Schwärzungen hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, den Klägern Zugang zum ungeschwärzten Entwurf der Eignungsabschätzung vom 30. September 2011 zu gewähren. Es hat dabei offen gelassen, ob die im Streit befindlichen Informationen Umweltinformationen nach dem Umweltinformationsgesetz – UIG – sind oder – wie die Beklagte meint – sich der Informationszugang allein nach dem Informationsfreiheitsgesetz – IFG – richtet. Den Ausschlussgrund des §3 Nr.3 Buchst. b) IFG bzw. §8 Abs.1 Satz1 Nr.2 UIG hat es mit der Begründung verneint, die Vorschrift schütze nur den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, das Besprechen, Beraten und Abwägen, nicht aber die Beratungsgrundlagen wie Sachinformationen oder gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld. Informationen seien deshalb nur geschützt, wenn sie den Vorgang der behördlichen Willensbildung und Abwägung abbildeten oder jedenfalls gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zuließen. Beides hat das Verwaltungsgericht verneint: Der erste Entwurf der externen Gutachter sei Grundlage für den Willensbildungsprozess der Behörde gewesen; dieser habe erst mit der Vorlage des Entwurfs begonnen. Dass die Preisgabe der geschwärzten Stellen gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung der Behörde zulasse, habe die Beklagte nicht plausibel dargelegt. Aus der Endfassung des Gutachtens vom März 2013 sei der Entscheidungsprozess nicht zuverlässig erkennbar, da noch wenigstens vier weitere Entwurfsfassungen vorgelegt worden seien und bei einem Abgleich der Endfassung mit dem ersten Entwurf nicht erkennbar sei, ob Abweichungen auf die Behörde oder den externen Gutachter zurückzuführen seien. Der Ablehnungsgrund nach §8 Abs.2 Nr.4 UIG sei befristeter Natur und liege mit der Endfassung des Gutachtens nicht mehr vor.

  1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründung zeigt die Beklagte mit ihren Ausführungen zur Sachverhaltsfeststellung und rechtlichen Würdigung nicht auf.

a) Dem Vorbringen kann schon im Ausgangspunkt nicht zuverlässig entnommen werden, von welchem schutzbedürftigen Beratungsvorgang die Beklagte ausgeht. Das in Rede stehende Gutachten betrifft die Eignungsabschätzung bestimmter Verfahren zur Finanzierung bzw. Refinanzierung des Projekts, so dass es naheliegt, dies auch als den Gegenstand der Beratung anzusehen, während die Ausführungen der Beklagten teilweise den Eindruck vermitteln, sie betrachte schon die Vergabe und Begleitung des Gutachtenauftrags als eigenen geschützten Beratungsgegenstand im Vorfeld. Zwar mag es nicht auszuschließen sein, dass die Beauftragung und die Erstellung eines Gutachtens selbst einen Beratungsfall ergeben, wenn die Leistungsbeschreibung für den Gutachter dafür Spielraum bietet. Den Darlegungen der Beklagten kann aber schon nichts Hinreichendes dafür entnommen werden, dass das Erstellen der Eignungsabschätzung vorliegend einen solchen Fall darstellt. Die Beklagte hebt wiederholt darauf ab, die geschwärzten Passagen seien „maßgeblich für die behördliche Willensbildung zu der Entwurfsfassung der Eignungsabschätzung vom 30. September 2011“ gewesen. Diese Formulierung beschreibt aus der Sicht eines verständigen Empfängers einen an das Vorliegen des Entwurfs anknüpfenden Vorgang, nämlich die Einschätzung, inwieweit der Entwurf des Gutachters der angeforderten Leistung entspricht und sich inhaltlich als tragfähig erweist. Sie führt nicht schlüssig auf die behauptete gestaltende Einflussnahme der Behörde auf die Erstellung der Entwurfsfassung als eigenständigen Beratungsvorgang und Teil der behördlichen Entscheidungsfindung.

b) Dem Verwaltungsgericht musste sich folglich nicht in Anknüpfung an die zitierte Formulierung aufdrängen (§86 Abs.1 VwGO), die fragliche Entwurfsfassung lasse gesicherte Rückschlüsse auf die behördliche Meinungsbildung in Bezug auf die Eignungsabschätzung bestimmter wirtschaftlicher Formen der Realisierung der Elbquerung zu. Gegen eine solche Qualität der geschwärzten Teile spricht, dass die Beklagte selbst vorträgt, sie enthielten Anmerkungen und Fragen der Auftragnehmer an die Beklagte als Auftraggeber, denn dies spricht für Unklarheiten, die gerade nicht im Zuge der Erstellung des Entwurfs einen Beratungsvorgang ausgelöst haben, sondern einen solchen erst im Anschluss an die Vorlage des Entwurfs auslösen sollten. Im Übrigen wäre im Zulassungsverfahren ein Beratungsvorgang in Bezug auf die Erstellung des Gutachtens mit mehr oder weniger Auswirkungen auf die eigentliche Beratungsfrage durch eine eidesstattliche Versicherung der Gutachter zu der Einflussnahme der Behörde auf die Erstellung der Entwurfsfassung leicht glaubhaft zu machen gewesen. Die Beklagte hat jedoch weder Entsprechendes konkret vorgetragen, noch den Vortrag in der beschriebenen Weise glaubhaft gemacht.

c) Die Beklagte stellt die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts auch nicht schlüssig in Frage, soweit sie sich gegen die Feststellung wendet, der externe Gutachter sei ein von der Behörde unabhängiger Dritter, der die Entwürfe fortentwickelt und angepasst habe. Diese Begründung diente dem Verwaltungsgericht als Anknüpfungspunkt für seine Aussage, man könne den geschwärzten Passagen der Erstfassung bei etwaigen Änderungen im Vergleich zur Endfassung der Eignungsabschätzung nicht entnehmen, was davon auf behördlichen Einfluss und was auf externe Sicht des Gutachters zurückgehe, wobei das Verwaltungsgericht eine Erkennbarkeit bestimmter Einflüsse aufgrund der Veröffentlichung der Endfassung wegen der zwischengeschalteten Entwurfsfassungen ohnehin als nicht plausibel gemacht angesehen hat. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass sie sich für die Eignungsabschätzung – wie auch bei der von ihr beabsichtigten Vergabe weiterer Teile der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung – bewusst einer spezialisierten Auftragnehmergemeinschaft – mithin Außenstehenden – bedient hat und ein Gutachter grundsätzlich immer ein „Externer“ bleibt, weil er nicht den Status eines Behördenbeschäftigten innehat. Ihre Schlussfolgerung, dass seine Ausarbeitungen – soweit es nicht um die Evaluierung behördlicher Prozesse gehe – denen eines Behördenmitarbeiters gleichzustellen seien, soweit sie wie solche genutzt würden, geht jedoch von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz aus. Denn eine vergleichbare Eignungsabschätzung, die von einem Mitarbeiter der Behörde erarbeitet worden wäre, bliebe nicht anders als das vorliegende Gutachten eine von §3 Nr.3 Buchst. b) IFG bzw. §8 Abs.1 Satz1 Nr.2 UIG nicht geschützte Beratungsgrundlage, soweit darin nicht auch der Beratungsvorgang dokumentiert ist und dies Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zulässt. Unter dieser Voraussetzung wäre bei einem Behördenmitarbeiter allenfalls unstreitig, dass solche Passagen die Meinungsbildung der Behörde wiedergeben, während bei der Beteiligung Externer die Möglichkeit verbleibt, dass es sich bei solchen Passagen um deren sachverständige Meinung und gerade nicht um behördliche Beiträge handelt. Insofern ist für eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts nichts ersichtlich, zumal die Entscheidung, was die mangelnde Rückschlussfähigkeit auf die Meinungsbildung angeht, – wie bereits angesprochen – nicht nur auf dem Gesichtspunkt des externen Einflusses der Gutachter, sondern auch auf der Abfolge von mindestens vier Entwurfsfassungen beruht. Darauf geht das Zulassungsvorbringen nicht näher ein.

  1. Die Rechtssache weist hiernach auch keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf, die in einem Berufungsverfahren mit offenem Ausgang zu klären wären. Der rechtliche Ansatz des Verwaltungsgerichts steht mit der von ihm zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Einklang und seine tatsächliche und rechtliche Würdigung ist auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat die „Reichweite“ des Ausschlusstatbestandes nach §3 Nr.3 Buchst. b) IFG bzw. §8 Abs.1 Satz1 Nr.2 UIG zutreffend bestimmt, indem es die Entwurfsfassung als Beratungsgrundlage gewürdigt hat, die Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess der Behörde weder in Bezug auf die Endfassung der Eignungsabschätzung noch in Bezug auf entscheidungstragende Erwägungen der Behörde für die wirtschaftlichste Methode der Realisierung des Vorhabens selbst zulässt.

  2. Auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht gegeben. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, differenziert die zu §8 Abs.1 Satz1 Nr.2 UIG ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. August 2012 (7 C 7.12, NVwZ 2012, 1619, juris Rn. 26) zwischen dem geschützten eigentlichen Beratungsvorgang und dem nicht dem Schutz unterfallenden Beratungsergebnis und Beratungsgegenstand. Zu Letzterem können insbesondere Sachinformationen und gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld als Tatsachengrundlagen und Grundlagen der Willensbildung gehören. Mit dieser Zuordnung von gutachterlichen Stellungnahmen hat das Bundesverwaltungsgericht die allein mögliche verallgemeinerungsfähige rechtsgrundsätzliche Aussage bereits getroffen; darüber hinaus lassen sich – worauf auch die Klägerseite zu Recht hinweist - Zuordnungen nur im Einzelfall vornehmen. Jedenfalls kennzeichnet das Zulassungsvorbringen mit den Merkmalen „von einer Behörde beauftragt“, „in enger Abstimmung mit der Behörde angefertigte Entwürfe eines externen Gutachters“ keine Merkmale einer Fallgruppe, für die unter Anknüpfung allein an diese Merkmale eine verallgemeinerungsfähige Aussage dazu getroffen werden könnte, ob die externen Ausarbeitungen Teil des Beratungsvorgangs oder des Beratungsgegenstandes sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs.2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §47 Abs.1 und 3, §52 Abs.2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs.1 VwGO, §68 Abs.1 Satz5 i.V.m. §66 Abs.3 Satz3 GKG).

Tatbestand

Entscheidungsgründe