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Aktenzeichen
OVG 6 S 58.19
ECLI
ECLI:DE:OVGBEBB:2019:1220.OVG6S58.19.00
Datum
20. Dezember 2019
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
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Tenor

Der Beiladungsbeschluss vom 20. November 2019 wird hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. (K... ) und der Beigeladenen zu 2. (K... ) aufgehoben.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. September 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerde, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

I. Der Beiladungsbeschluss von 20. November 2019 war aus den im Schriftsatz der Beigeladenen zu 3. vom 17. Dezember 2019 genannten Gründen hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. und 2. aufzuheben.

II. Mit dem von der Antragstellerin, einem Zeitungsverlag, angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag,

„der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin folgende Fragen zu beantworten:

  1. Wie hoch ist die Summe aller Honorare, die dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur für die Beratung und Vertretung in dem Verfahren des H..../. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Verwaltungsgericht Berlin 2 K 291.16, im Vorverfahren und im Verfahren der ersten Instanz, durch die K...Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH, K..., durch die K... L...Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH, K..., durch die K...Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH, L..., oder durch jede andere zur K... -Gruppe gehörenden Gesellschaft in Rechnung gestellt wurden?

  2. Wie hoch ist die Summe aller Honorare für die Beratung und Vertretung in dem Berufungsverfahren vor dem OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 30.18, die die o.g. Gesellschaften dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur der o.g. Rechtsanwaltsgesellschaft bis zum heutigen Tage in Rechnung gestellt haben?

  3. Wie hoch ist die Summe aller Honorare, die dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur für die Beratung und Vertretung in dem Verfahren der Deutschen Umwelthilfe e.V. ./. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Verwaltungsgericht Berlin 2 K 288.16, im Vorverfahren und im Verfahren der ersten Instanz, durch die K...Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH, K..., durch die K...Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH, K..., durch die K...Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH, L..., oder durch jede andere zur K... -Gruppe gehörenden Gesellschaft in Rechnung gestellt wurden?

  4. Wie hoch ist die Summe aller Honorare für die Beratung und Vertretung in dem Berufungsverfahren vor dem OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 14.18, die die o.g. Gesellschaften dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur der o.g. Rechtsanwaltsgesellschaft in Rechnung gestellt haben?

  5. Wie hoch ist die Summe aller Honorare, die die K...Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH, K..., die K...Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH, K..., die K...Rechtsanwaltsgesellschaft GmbH, L..., oder jede andere zur K... -Gruppe gehörenden Gesellschaft dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in der Zeit vom 18. September 2015 bis heute, aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren, für Beratung, Gutachtenerstellungen und Vertretung in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu allen Fragen und Themen, die den sog. „Diesel-Abgasskandal" betreffen, in Rechnung gestellt haben?“

zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Antragstellerin habe das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Es sei nicht ersichtlich, dass an der Höhe der vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur - BMVI - gezahlten Rechtsanwaltshonorare im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Abgas-Skandal nicht nur ein allgemeines, sondern ein gesteigertes öffentliches Interesse bestehe. Es handele sich nicht um einen zentralen, sondern lediglich um einen Randaspekt dieses Themas.

II. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Vorbringens im Beschwerdeverfahren (§146 Abs.4 Satz6 VwGO) keinen Erfolg.

Dabei kann dahinstehen, ob dem Verwaltungsgericht darin zu folgen ist, dass an der von der Fragestellung erfassten Thematik kein gesteigertes öffentliches Interesse bestehe, so dass der Anordnungsgrund zu verneinen sei. Denn jedenfalls ist ein Anordnungsanspruch nicht mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit zu bejahen. Die Antragstellerin kann die begehrten Auskünfte daher nicht verlangen.

Anspruchsgrundlage für die begehrten Auskünfte ist wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz der Länder und Untätigkeit des zuständigen Bundesgesetzgebers unmittelbar das Grundrecht aus Artikel5 Abs.1 Satz2 GG. Danach können Pressevertreter behördliche Auskünfte verlangen, soweit die Informationen bei der Behörde vorhanden sind und berechtigte schutzwürdige Interessen privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch erfordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall, wobei eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den presserechtlichen Auskunftsanspruch ausschließen (BVerwG, Beschluss vom 20. März 2018 - 6 VR 3.17 -, NVwZ 2018, S.907 ff., Rn. 16 bei juris m.w.N.).

Im Rahmen der danach erforderlichen Interessenabwägung können die gesetzlich geregelten allgemeinen und bereichsspezifischen Ausschlussgründe der Informationsfreiheitsgesetze (IFG, UIG, VIG) als Orientierungshilfe herangezogen werden, um den Stellenwert zu bestimmen, der bestimmten Vertraulichkeitsinteressen zukommt. Da diese Gesetze Informationszugangsansprüche begründen, die nicht grundrechtlich fundiert sind (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56, Rn. 28), besagt es allerdings nicht, dass es verfassungskonform wäre, diesen Interessen auch Vorrang vor dem Informationsinteresse der Presse allein deshalb einzuräumen, weil der Gesetzgeber den Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz oder nach bereichsspezifischen Gesetzen zugunsten bestimmter Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen hat. Ob ein solcher Vorrang zulässig wäre, bedarf vielmehr der eigenständigen Prüfung anhand der Maßgabe, dass eine effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse gesichert sein muss (BVerwG, Beschluss vom 22. September 2015 - 6 VR 2.15 -, Rn. 15 bei juris m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe steht das von der Antragstellerin geltend gemachte Informationsinteresse vorliegend zurück.

Die Antragstellerin verweist für das Informationsinteresse auf den Stellenwert, den der sog. Diesel-Abgas-Skandal in der öffentlichen Debatte seit geraumer Zeit einnehme und der zahlreiche weitere Themen einschließe, wie den im hier fraglichen Auskunftsersuchen inmitten stehenden Aspekt der Vergütung der Rechtsanwälte durch das BMVI.

Dem steht die Wertung des §3 Nr.4 3. Fall Informationsfreiheitsgesetz - IFG - gegenüber, wonach die Erteilung von Informationen ausgeschlossen ist, die einem Berufsgeheimnis unterliegen. Ein solches Berufsgeheimnis stellt die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts nach §43a Abs.2 Satz1 Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO - dar. Diese Pflicht bezieht sich gemäß Satz2 der zitierten Vorschrift auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist. Zu den danach geschützten Geheimnissen zählt auch die Höhe der vereinbarten Vergütung (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Februar 2019 - OVG 12 B 15.18 -, Rn. 14 bei juris m.w.N.). Die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts besteht nicht allein im Interesse des Mandanten, sondern auch im eigenen beruflichen Interesse des Rechtsanwalts. Er würde von Mandanten nicht gleichermaßen konsultiert und informiert, könnten diese auf seine Verschwiegenheitspflicht nicht vertrauen. Sie ist entsprechend grundrechtlich durch Artikel12 Abs.1 GG geschützt. Ferner liegt die Verschwiegenheitspflicht im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege, so dass sie auch insoweit über das individuelle Interesse eines Mandanten hinausreicht (OVG Berlin-Brandenburg a.a.O., Rn. 16 bei juris m.w.N.). Hinzu kommt, dass die Preisgabe der Anwaltshonorare die Wettbewerbsposition der Beigeladenen schwächen kann, sofern hinreichend öffentlich zugängliche Informationen vorliegen, den für die Bearbeitung des in Rede stehenden Mandats erforderlichen Arbeitsaufwand einzuschätzen (OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 18 f. bei juris). Das kann hier angenommen werden, weil es um die Honorare für die Betreuung konkreter Gerichtsverfahren geht, an deren Ende jeweils Entscheidungen standen, die die Argumentation der Verfahrensbeteiligten jeweils umfassend referieren, so dass diese allgemein bekannt sind. Ein Konkurrent der Beigeladenen könnte daher seinen eigenen wahrscheinlichen Arbeitsaufwand für die Bearbeitung des Mandats hinreichend genau einschätzen und diesen in Relation zu den von den Beigeladenen berechneten Kosten setzen, um auf diese Weise Rückschlüsse auf eine etwaige Honorargestaltung ziehen zu können. Insoweit vermitteln die nach dem Vorstehenden möglichen Schlussfolgerungen einem Konkurrenten der Beigeladenen einen möglichen Wettbewerbsvorteil zumindest bei der Anbahnung künftiger Mandate der Beklagten.

Diese mehrere grundgesetzlich anzuerkennende Aspekte und Interessen berührende anwaltliche Verschwiegenheitspflicht würde umgangen, wenn die begehrten Informationen auf dem Umweg über die Bundesregierung erlangt werden könnten, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Beigeladenen als betroffene Rechtsanwaltsgesellschaften ihre Einwilligung zur Bekanntgabe der begehrten Informationen erteilt haben.

Dass vor dem dargelegten Hintergrund eine Verweigerung der Auskünfte den verfassungsrechtlich anerkannten Vermittlungs- und Kontrollauftrag der Presse unverhältnismäßig beeinträchtigte, hat die Antragstellerin nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Soweit sie mit der Beschwerde geltend macht, im Urteil des erkennenden Gerichts vom 21. Februar 2019 - OVG 12 B 15.18 - sei ein mögliches Geschäftsgeheimnis nur bejaht worden, weil es dort um die Erstellung einer 55-seitigen Stellungnahme gegangen und damit der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit eng umgrenzt gewesen sei und sich aus dem Verhältnis von Seitenzahl und Honorar ein ungefährer Stundenlohn habe errechnen lassen, rechtfertigt dies keine andere Einschätzung. Der besagten Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, dass dieser Aspekt maßgeblich für die Versagung des dort auf das IFG gestützten Auskunftsersuchens gewesen ist. Darüber hinaus berücksichtigt diese Argumentation nicht die weiteren grundrechtlich relevanten Aspekte der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs.2, §162 Abs.3 VwGO. Es entsprach billigem Ermessen die Kosten der Beigeladenen zu 3. der Antragstellerin aufzuerlegen, weil diese sich durch die Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§154 Abs.3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf §47 Abs.1, §53 Abs.2 Nr.1, §52 Abs.2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs.1 VwGO, §68 Abs.1 Satz5 in Verbindung mit §66 Abs.3 Satz3 GKG).

Tatbestand

Entscheidungsgründe