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Aktenzeichen
2 K 268.19
ECLI
ECLI:DE:VGBE:2021:0622.2K268.19.00
Datum
22. Juni 2021
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
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Tenor

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Der Kläger begehrte von dem beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss Zugang zu Unterlagen, die bei dem Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen - IQTIG - vorlagen.

Nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden (§161 Abs.2 Satz1 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Klage voraussichtlich Erfolg gehabt hätte. Der Kläger hatte Anspruch auf Zugang zu den begehrten Informationen (§113 Abs.5 Satz1 VwGO).

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers war §1 Abs.1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen (Satz1). Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient (Satz3). In diesem Fall ist der Antrag gemäß §7 Abs.1 Satz2 IFG an die Behörde zu richten, die sich der natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.

Die Voraussetzungen der §1 Abs.1 Satz3, §7 Abs.1 Satz2 IFG sind gegeben. Der Beklagte ist eine Behörde (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Januar 2014 – 8 A 467/11 – NWVBl 2014, 267, 268 f.). Die durch Beschluss des Beklagten vom 21. August 2014 errichtete Stiftung für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen ist eine juristische Person des Privatrechts. Sie ist Trägerin des IQTIG (§137a Abs.1 Satz2 SGB V), das eine rechtlich unselbstständige Einrichtungen der Stiftung ist (§4 Abs.2 der Stiftungssatzung vom 19. September 2014). Der Beklagte bedient sich des IQTIG zur Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben.

Das IQTIG ist im Rahmen der „öffentlich-rechtlichen Aufgaben“ des Beklagten tätig. Der Beklagte hat die Aufgabe, die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung im Gesundheitswesen zu gewährleisten (§§135 ff. SGB V). Das IQTIG arbeitet im Auftrag des Beklagten an Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Darstellung der Versorgungsqualität im Gesundheitswesen (§137a Abs.3 Satz1 SGB V).

Der Beklagte „bedient“ sich des IQTIG zur Erfüllung dieser Aufgaben. §1 Abs.1 Satz3 IFG gewährt den Informationszugang in Fällen, in denen sich die öffentliche Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben privater Personen oder Unternehmen bedient, ohne diese zu beleihen. Erfasst sind insbesondere Verwaltungshelfer (Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes vom 14. Dezember 2004, BT-Drs. 15/4493 S.8). Das IQTIG handelt im Rahmen der Aufgaben des Beklagten als Verwaltungshelfer und nicht als mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteter Beliehener (so auch Becker, in: Becker/Kingreen, SGB V, 7. Auflage 2020, §137a Rn. 7; Roters, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, §137a SGB V Rn. 7 [2020]. Zu dem auf der Grundlage von §139a SGB V gegründeten Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen Kügel, NZS 2006, 297, 298; Pitschas, MedR 2008, 34, 38 f.; Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, §1 Rn. 229. A.A. v. Dewitz, in: BeckOK Sozialrecht, §139a SGB V Rn. 6 [2021]; Kingreen/Henck, PharmaR 2007, 353, 355 ff.).

Das IQTIG übt keine hoheitlichen Befugnisse aus. Es unterstützt den Beklagten lediglich bei der Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben (Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 5. Mai 2014, BT-Drs. 18/1307 S.26). Zu diesem Zweck beauftragt der Beklagte das IQTIG gemäß §136b Abs.8, §137a Abs.3 und Abs.10 SGB V mit der Erstellung von Empfehlungen. Diese haben keine Rechtsverbindlichkeit, sondern sind von dem Beklagten im Rahmen seiner Aufgabenstellung zu berücksichtigen (§136 Abs.1 Satz1 Nr.1, §137b Abs.2 Satz2 SGB V). Das Letztentscheidungsrecht bleibt insoweit bei dem Beklagten. Eine Normsetzungskompetenz oder sonstige hoheitliche Befugnis kommen dem IQTIG auch im Übrigen nicht zu (Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung vom 30. Juni 2015, BT-Drs. 18/5372 S.95). Soweit andere Stellen zur Datenübermittlung an das IQTIG verpflichtet sind (§136b Abs.9 Satz4, §136c Abs.2 Satz3 SGB V), handelt es sich nicht um hoheitliche Befugnisse des IQTIG, sondern um unmittelbar aus dem Gesetz folgende Pflichten dieser Stellen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Stellung des IQTIG als Verwaltungshelfer nicht entgegen, dass es fachlich (§137a Abs.1 Satz1, Abs.5 Satz2 SGB V) und finanziell (§137a Abs.8, §139c SGB V) unabhängig ist und nicht den Weisungen des Beklagten untersteht. Maßgebliches Kriterium für die Einordnung als Verwaltungshelfer ist nicht die Unselbstständigkeit und Steuerbarkeit des Privaten durch die veranlassende Behörde, sondern die – hier gegebene – abschließende Entscheidungsbefugnis des Hoheitsträgers (Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, §1 Rn. 64 m.w.N.). Die von dem Bundesgerichtshof entwickelte „Werkzeugtheorie“ (vgl. Urteil vom 6. Juni 2019 – III ZR 124/18 – NVwZ-RR 2019, 830 Rn. 21) hat primär für die staatshaftungsrechtliche Zurechnung des Handelns des Verwaltungshelfers Bedeutung. Für die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes kommt ihr allenfalls indizielle Bedeutung zu. Denn auch (und gerade) bei der Einbindung von weisungsfreien und selbstständig handelnden Privatpersonen droht eine informationsfreiheitsrechtliche „Flucht ins Privatrecht“, die durch §1 Abs.1 Satz3 IFG verhindert werden soll (vgl. Urteil der Kammer vom 26. Mai 2020 – VG 2 K 218.17 – AfP 2020, 544, 547).

Die bei dem IQTIG vorhandenen Unterlagen sind amtliche Informationen im Sinne von §1 Abs.1 Satz1, §2 Nr.1 IFG, weil sie im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit für den Beklagten angefallen sind und nicht lediglich privaten Zwecken dienen. Gründe, die der Zugangsgewährung entgegenstehen (§§3 bis 6 IFG), sind weder dargelegt noch ersichtlich.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes.

Die Erledigung ist am 15. Juni 2021 eingetreten.

Tatbestand

Entscheidungsgründe