Information

Aktenzeichen
OVG 12 S 42.16
ECLI
ECLI:DE:OVGBEBB:2016:0719.OVG12S42.16.0A
Datum
19. Juli 2016
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Quellcode

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen in Bezug auf den gegebenen Streitgegenstand eine einstweilige Anordnung erlassen werden kann, ist auch mit der Beschwerde nicht glaubhaft gemacht.

Nach §123 Abs.1 Satz2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt nötig erscheint. Die Antragstellerin erstrebt mit der begehrten Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Informationszugang keine vorläufige Maßnahme, sondern eine Vorwegnahme der Hauptsache. Hinsichtlich der vom Eilantrag umfassten Dokumente wäre ihr im Klageverfahren geltend zu machender Anspruch auf Informationszugang endgültig erfüllt und die Hauptsache erledigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2011 - 7 VR 6.11 - juris Rn. 6; Beschluss des Senats vom 12. November 2012 - OVG 12 S 54.12 - juris Rn. 2). Eine derartige Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes und ist daher nur ausnahmsweise zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art.19 Abs.4 GG) zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. März 2014 - 2 BvR 2598/13 - juris Rn. 9 m.w.N.). Ein Anordnungsgrund für den Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung liegt nur dann vor, wenn andernfalls schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die nachträglich durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69, juris Rn. 17; BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 - 6 VR 3.13 - juris Rn. 5 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind bei Akteneinsichtsbegehren nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz regelmäßig nicht erfüllt. Dem Gesetzeszweck nach §1 IFG Bln, über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen, wird durch das Bestehen eines durchsetzbaren Anspruchs auf Informationszugang genügt. Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass es auf einen bestimmten Zeitpunkt für die Erfüllung des Anspruchs für die Erreichung des Gesetzeszwecks ankommt. Ob und unter welchen Umständen von diesem Grundsatz Ausnahmen in Betracht kommen, insbesondere ob die Befürchtung der Antragstellerin, infolge des Ergebnisses der für den 18. September 2016 vorgesehenen Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus nicht mehr fortzubestehen, oder jedenfalls die besondere Aktualität der begehrten Informationen vor den anstehenden Wahlen und ihre Verwertung im Wahlkampf dafür ausreichen, bedarf für die Beschwerdeentscheidung keiner abschließenden Prüfung.

Denn auch diese Gründe könnten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur tragen, wenn mit einer hohen, nahezu an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von einem Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren auszugehen wäre. Nur wenn der Antragstellerin nach dem derzeitigen Sachstand erkennbar ein Anspruch auf Informationszugang bezüglich der unkenntlich gemachten Teile der ihr in Kopie überlassenen Unterlagen zusteht, könnte es unzumutbar sein, sie auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen; dabei ist an die Prüfung der Erfolgs-aussichten des Hauptsacheverfahrens ein strenger Maßstab anzulegen (BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013, a.a.O., Rn. 7 m.w.N.).

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss, wenngleich in Anknüpfung an die aus seiner Sicht fehlende Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes, so doch selbständig tragend ausgeführt, dass vorliegend ein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz nicht offensichtlich gegeben sei, sondern es der Aufklärung bedürfe, ob die vom Antragsgegner geltend gemachten Ausschlussgründe dem Informationszugang entgegenstehen.

Die Beschwerde behandelt die Wahrscheinlichkeit des Obsiegens nur unter dem Gesichtspunkt der Durchführung eines etwa erforderlichen Drittbeteiligungsverfahrens mit der Bemerkung, dass das Gericht zumindest eine Neubescheidung anordnen könne, sollte es – anders als die Beteiligten – meinen, dass eine Drittbeteiligung noch erforderlich sei.

Dieses Vorbringen allein reicht nicht aus, um die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache glaubhaft zu machen.

Abgesehen davon, dass der Antrag nach §123 Abs.1 VwGO hier auf die Überlassung bestimmter Unterlagen ohne Schwärzungen in Kopie gerichtet ist und nur hinsichtlich des Beratungsvertrages zu a) des Antrages durch die Beschwerdebegründung hilfsweise modifiziert worden ist, kommt schon nach dem Gang des Verwaltungsverfahrens eine Neubescheidungsverpflichtung nicht in Betracht. Das betroffene Unternehmen ist vor der Bescheidung des Antrages beteiligt worden und hat einem Informationszugang unter Hinweis auf die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen widersprochen (Antwort-E-Mail vom 29. Februar 2016, Bl. 67 des Verwaltungsvorgangs). Der Antragsgegner hat in seinem Ablehnungsbescheid eine Abwägung zu Lasten des Informationsinteresses der Antragstellerin vorgenommen. Insofern reicht es für die Glaubhaftmachung eines Obsiegens in der Hauptsache allein nicht aus, wenn die Antragstellerin auf die Möglichkeit einer Neubescheidung zur Durchführung des Drittbeteiligungsverfahrens verweist. Entgegen der im nachgereichten Schriftsatz vom 11. Juli 2016 vertretenen Rechtsauffassung obliegt die Glaubhaftmachung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach §123 Abs.3 VwGO i.V.m. §920 Abs.2 ZPO der Antragstellerin. Sie wäre deshalb ungeachtet ihres erstinstanzlichen Vorbringens zum Anordnungsanspruch gehalten gewesen, sich mit der kursorischen Würdigung der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs durch das Verwaltungsgericht weitergehend auseinanderzusetzen, auch wenn diese Würdigung von dem erstinstanzlichen Gericht in einen Kontext mit dem Anordnungsgrund gestellt worden ist.

Der Anordnungsanspruch ist aber auch dann nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, wenn man die verwaltungsgerichtliche Würdigung ausschließlich auf den Anordnungsgrund bezogen versteht und zwischen Anordnungsanspruch und -grund differenziert. Denn auch auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens der Antragstellerinn sind die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Kenntlichmachung der bisher durch den Antragsgegner vom Informationszugang ausgenommenen Teile der in Rede stehenden Vertragsunterlagen nicht zweifelsfrei erfüllt, sondern bedürfen – wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat – noch weiterer Aufklärung.

Was das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses im Sinne des §7 Satz1 IFG Bln angeht, werden dessen Voraussetzungen weder dadurch in Frage gestellt, dass die konkrete Beratungsleistung außerhalb des Wettbewerbs pro bono – unentgeltlich – angeboten wurde, noch dadurch, dass der Antragsgegner den Vertragspartner als das einzige Unternehmen angesehen haben soll, das die Beratungsleistung zeitnah in der gewünschten Qualität erbringen kann. Denn es ist unbestritten, dass die betroffene Unternehmensberatung im Übrigen mit anderen Beratungsunternehmen konkurriert, die ihre Leistungen ebenfalls auf dem öffentlichen Sektor anbieten. Insoweit ist es nicht von der Hand zu weisen, dass auch bei einer unentgeltlich erbrachten Beratungsleistung in den Vertragsunterlagen Daten enthalten sein können, die Aufschluss über Geschäftsinterna, Herangehensweise, Aufstellung sowie personelle und sachliche Ressourcen geben, bei denen die Kenntnisnahme durch Konkurrenten im Wettbewerb zu Nachteilen für das betroffene Unternehmen führen kann. Darauf hebt jedenfalls der Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vom 12. April 2016 ab, wenn darin die konkreten Vorgehens-, Projekt- und Leistungsumfangbeschreibungen als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet werden und ausgeführt wird, dass eine Offenlegung des detaillierten Leistungsumfangs Rückschlüsse auf die Geschäftsstrategie und die Kalkulation des betroffenen Unternehmens ermöglichen würden. Auch wenn diese Ausführungen ohne nähere Kenntnis der streitbefangenen Teile der Vertragsunterlagen aufklärungsbedürftig bleiben und ein anzuerkennendes Informationsinteresse der Antragstellerin im Vorfeld der anstehenden Wahl berücksichtigt wird, ist weder die Schlussfolgerung gerechtfertigt, die Unterlagen enthielten keine Geschäftsgeheimnisse, noch das Abwägungsergebnis derart vorweggenommen, dass das Informationsinteresse das private Geheimhaltungsinteresse überwiegt. Da sich der Ablehnungsbescheid des Antragsgegners entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht in bloßen „Floskeln“ erschöpft, muss die abschließende Prüfung des Ausschlussgrundes dem Hauptsacheverfahren, erforderlichenfalls durch Beweiserhebung über den Inhalt der unkenntlich gemachten Stellen einschließlich der insoweit denkbaren Überprüfung im sog. In-camera-Verfahren, vorbehalten bleiben.

Dem kann die Antragstellerin nicht erfolgreich entgegenhalten, dass ihr Fortbestand mit den Wahlen gefährdet ist und sie das Hauptsacheverfahren nicht abwarten könne. Der drohende Verlust der verfahrensrechtlichen Position als Fraktion entbindet weder von der Obliegenheit, den Anordnungsanspruch mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit des Obsiegens glaubhaft zu machen, noch vermag er die an eine Vorwegnahme der Hauptsache zu stellenden Anforderungen herabzusetzen. In der Unsicherheit des vom Wählerwillen abhängigen Fortbestandes selbst liegt kein schwerer und unzumutbarer Nachteil, weil der Anspruch auf Akteneinsicht ein Recht ist, das jedermann zusteht und nicht nur durch eine Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses verfolgt werden kann. Die Verwirklichung dieses Anspruch wird daher mit der Untergang der Fraktion nicht gefährdet; vielmehr kann der Anspruch auch von den einzelnen Mitgliedern der Antragstellerin nach deren Untergang durch erneute Antragstellung bei dem Antragsgegner verfolgt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs.2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §47 Abs.1, §53 Abs.2 Nr.1, §52 Abs.2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs.1 VwGO, §68 Abs.1 Satz5 i.V.m. §66 Abs.3 Satz3 GKG).

Tatbestand

Entscheidungsgründe