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Aktenzeichen
OVG 6 N 52.15
ECLI
ECLI:DE:OVGBEBB:2016:0112.OVG6N52.15.0A
Datum
12. Januar 2016
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
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Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. März 2015 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 Euro festgesetzt.

Der Kläger, Journalist einer Tageszeitung, begehrt mit der Klage die Verpflichtung des Beklagten, ihm Auskunft zu der Frage zu erteilen, welche namentlich zu bezeichnenden Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages im Jahre 2013 unter Inanspruchnahme der Sachleistungspauschale ein Smartphone erworben haben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

  1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel im Sinne des §124 Abs.2 Nr.1 VwGO liegt nicht vor. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist vielmehr im Ergebnis richtig. Der Kläger kann den begehrten Auskunftsanspruch auf keine der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen mit Erfolg stützen.

a) Da der zuständige Bundesgesetzgeber keine Regelung über Presseauskunftsansprüche getroffen hat und weder Artikel71 noch Artikel72 Abs.1 Grundgesetz - GG - zur Anwendbarkeit des Pressegesetzes des Landes Berlin führen, ist auf das Grundrecht der Pressefreiheit gemäß Artikel5 Abs.1 Satz2 GG zurückzugreifen. Aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen privater oder öffentlicher Stellen der Vertraulichkeit von Informationen nicht entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 -, BVerwGE 151, 348 ff., Rn. 24 bei juris). Die Berechtigung von Vertraulichkeitsinteressen, die dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch entgegenstehen können, bestimmt sich in Abhängigkeit von dem Regelungsspielraum, über den der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung behördlicher Auskunftspflichten verfügt. Der Auskunftsanspruch ist demnach durch Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, die der Gesetzgeber für die gegebene Sachkonstellation als Ausschlussgrund normieren dürfte. Entscheidend ist, ob der Gesetzgeber berechtigt wäre, dem betroffenen Vertraulichkeitsinteresse für die gegebene Sachkonstellation Vorrang vor dem Informationsinteresse der Presse einzuräumen (a.a.O., Rn. 26 a.E. und 27 bei juris).

In Anwendung dieser Maßstäbe ist folglich danach zu fragen, ob eine gesetzliche Regelung, die Auskunftsansprüche der Presse hinsichtlich der Verwendung der Sachleistungspauschale durch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ausschließt, verfassungsrechtlich legitimiert wäre. Diese Frage ist zu bejahen.

Der Senat hat bereits entschieden, dass die Sachleistungspauschale, über deren Verwendung Auskunft begehrt wird, unmittelbar die Mandatsausübung im Sinne des Artikels 38 GG des einzelnen Abgeordneten betrifft. Über §12 Abs.2 Satz1 Nr.1 des Abgeordnetengesetzes - AbgG -, der die gesetzliche Grundlage für die Gewährung der Sachleistungspauschale bildet, hat der Gesetzgeber einen unmittelbaren normativen Zusammenhang zwischen Mandat und Ausstattung des einzelnen Abgeordneten geschaffen (Beschluss vom 12. September 2013 - OVG 6 S 46.13 -, NVwZ 2013, S.1501 ff., Rn. 8 bei juris; ferner: BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20/12 -, BVerwGE 151, 1 ff., Rn. 28 bei juris). Auch eine unterstellt rechtswidrige Inanspruchnahme der Sachleistungspauschale ließe den Mandatsbezug von hierauf bezogenen Informationen - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht entfallen. Denn allein das Mandat ermöglicht den unberechtigten Zugriff auf die fraglichen öffentlichen Mittel (BVerwG, a.a.O., Rn. 30 a.E. bei juris). Darüber hinaus spricht viel dafür, dass die begehrte Auskunft auch das Recht der einzelnen Abgeordneten auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikel1 Abs.1 in Verbindung mit Artikel2 Abs.1 GG berührt (Senatsbeschluss, a.a.O., Rn. 10 bei juris). Träger dieses Grundrechts sind auch Amtsträger, und zwar nicht nur für Informationen mit privatem, sondern auch für solche mit amtsbezogenem Inhalt (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2004 - 3 C 41/03 -, BVerwGE 121, 115 ff., Rn. 30 bei juris). Es ist kein Grund ersichtlich, es nicht auch für die mandatsbezogene Tätigkeit von Bundestagsabgeordneten für einschlägig zu erachten.

Vor diesem Hintergrund hielte der Senat eine Regelung in einem Bundespressegesetz, die in Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen der betroffenen Abgeordneten und der Presse, ähnlich wie §5 Abs.2 des Informationsfreiheitsgesetzes - IFG -, einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Verwendung der Sachleistungspauschale durch die einzelnen Abgeordneten ausschließt, für verfassungsrechtlich hinnehmbar.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Sachleistungspauschale und ihr gegebenenfalls kritikwürdiger Gebrauch durch einzelne Abgeordnete lediglich eine Randerscheinung der Amtsausstattung darstellt, die keinen gravierenden Einfluss auf die Funktionstätigkeit des Parlaments hat. Dies spricht dafür, es dem Gesetzgeber angesichts seiner Gestaltungsfreiheit zu überlassen, den Sachleistungskonsum nicht den Transparenzanforderungen zu unterstellen, die etwa für die Einkünfte der Abgeordneten aus Nebentätigkeiten gelten, die gemäß §44a Abs.4 AbgG einer Offenbarungspflicht unterliegen (s. zu diesem Aspekt auch BVerwG, Urteil vom 27. November 2014, a.a.O., Rn. 29 bei juris). Die gegenteilige Auffassung des Klägers, der eine vermeintlich defizitäre parlamentsinterne Kontrolle durch eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit bzw. die Presse ersetzen möchte, verkennt dies. Das Konzept des Klägers wäre ein rechtlich mögliches, aber kein verfassungsrechtlich zwingend vorgegebenes (BVerwG, a.a.O., Rn. 32 bei juris). Vor diesem Hintergrund überzeugt auch das Argument des Klägers nicht, dass nahezu keine Berichterstattung über die Handlungen der Abgeordneten des Deutschen Bundestages mehr möglich wäre, weil jede potenziell skandalträchtige Handlung eines Abgeordneten, die er im Rahmen seines Mandats ausübte, vom Ausschluss eines Auskunftsanspruchs erfasst würde.

Ob dann etwas anderes gelten müsste, wenn die Rechtswidrigkeit der Verwendung der Pauschale in keiner Weise zweifelhaft, also evident, bereits abschließend entschieden oder zumindest aufgrund einer sorgfältigen behördlichen bzw. gerichtlichen Prüfung überwiegend wahrscheinlich wäre (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 31 bei juris), bedarf vorliegend keiner Betrachtung, da die Berufungszulassung nichts darlegt, was eine solche Verwendung vermuten ließe.

Auf die von dem Kläger aufgeworfene Frage, ob und inwieweit der Ausschlussgrund des §5 Abs.2 IFG, der eine Bereichsausnahme für Informationsansprüche vorsieht, die mit einem (Abgeordneten-) Mandat in Zusammenhang stehen, auf den verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch übertragbar ist, kommt es vor dem dargelegten Hintergrund nicht entscheidend an.

Ohne Erfolg macht der Kläger weiter geltend, das Verwaltungsgericht nehme unzulässigerweise eine eigene Wertung des Auskunftsergebnisses an der Stelle des Klägers vor, wenn es in der Abwägung zwischen grundrechtlich geschützter Pressefreiheit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Abgeordneten annehme, eine Presseberichterstattung würde den falschen Eindruck erwecken, als hätten die Abgeordneten die ihnen zustehenden Sachmittel missbräuchlich verwendet und ein solcher sachlich nicht gerechtfertigter Druck, sich öffentlich dafür rechtfertigen zu müssen, sei den Abgeordneten nicht zumutbar. Selbst wenn man dem Kläger insoweit folgte, käme es auch hierauf im Ergebnis aus den dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich an.

b) Ernstliche Richtigkeitszweifel zeigt der Kläger auch nicht auf, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, er könne sein Auskunftsbegehren auch nicht auf Artikel10 Abs.1 Satz2 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - stützen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit unter Berufung auf die Rechtsprechung Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - angenommen, dass diese Vorschrift lediglich eine willkürliche, zensurähnliche Verhinderung des Informationszugangs, die insbesondere eine angemessene Presseberichterstattung unmöglich mache, erfasse. Es hat weiter angenommen, dass eine solche rechtswidrige Verhinderung des Informationszugangs durch die Presse in ihrer Funktion als „Wachhund“ insbesondere dann anzunehmen sei, wenn schon nach innerstaatlichem Recht ein Anspruch auf Informationszugang bestehe und dieser willkürlich vorenthalten werde. Diese Voraussetzung läge hier allerdings nicht vor, da die Auskunft dem Kläger nicht willkürlich oder unter Verstoß gegen innerstaatliches Recht verweigert werde, sondern zum Schutz vorrangiger schutzwürdiger Belange der Bundestagsabgeordneten. Das ist nicht zu beanstanden, zumal die Einschränkung eines nach Artikel10 Abs.1 Satz2 EMRK unterstellten presserechtlichen Auskunftsanspruchs durch Artikel10 Abs.2 EMRK gerechtfertigt wäre. Nach dieser Vorschrift kann die Ausübung der in Absatz1 geregelten Freiheiten zum Schutz der Rechte anderer eingeschränkt werden. Das wäre hier aus den dargelegten Gründen anzunehmen. Dem tritt der Kläger nicht überzeugend entgegen.

Er macht geltend, ein Auskunftsanspruch nach Artikel10 EMRK sei zu bejahen, weil der Staat hinsichtlich des Sachleistungskonsums der Bundestagsabgeordneten ein Informationsmonopol habe, das hier willkürlich missachtet worden sei, weil nach nationalem Recht ein Auskunftsanspruch bestehe. Damit ist die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils schon deshalb nicht in Frage gestellt, weil der Auskunftsanspruch nach nationalem Recht tatsächlich nicht besteht.

c) Der Kläger kann den Auskunftsanspruch auch nicht auf andere Vorschriften stützen. §4 Abs.1 des Pressegesetzes des Landes Berlin ist hier - wie gesagt - nicht einschlägig. Einem auf §1 Abs.1 IFG gestützten Auskunftsanspruch steht die Bereichsausnahme des §5 Abs.2 IFG entgegen, der Angaben zum Sachleistungskonsum der Bundestagsabgeordneten erfasst (BVerwG, a.a.O., Rn. 21 bei juris). Auch Artikel25 GG, wonach die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind, den Gesetzen vorgehen und Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugen, ist vorliegend entgegen der Auffassung des Klägers nicht einschlägig.

  1. Besondere, über das in Fällen vergleichbarer Art übliche Maß hinausgehende Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art im Sinne des §124 Abs.2 Nr.2 VwGO, die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machten, zeigt der Kläger nicht auf. Das von ihm in diesem Zusammenhang angesprochene Verhältnis von verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsansprüchen und dem Abgeordnetenrecht aus Artikel38 GG bedarf zu seiner Klärung, soweit es vorliegend entscheidungserheblich ist, nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens.

  2. Auch eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des §124 Abs.2 Nr.3 VwGO, die zu ihrer Klärung ein Berufungsverfahren erfordert, legt der Kläger nicht dar.

Die von ihm formulierte Frage nach „der Reichweite des verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruchs gegenüber der Verwaltung des Bundestages und den Rechten der einzelnen Abgeordneten“ bedarf, soweit sie entscheidungserheblich ist, aus den unter 1. dargelegten Gründen zu ihrer Klärung nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens.

Die Frage, „ob Abgeordnete sich im Rahmen der Ausübung ihres Mandats auf die grundrechtlich geschützte informationelle Selbstbestimmung berufen können“, ist höchstrichterlich bereits geklärt (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2004, a.a.O.). Dasselbe gilt, soweit hier entscheidungserheblich, für die Frage nach dem „Auskunftsanspruch nach §1 Abs.1 IFG und der Auslegung von §5 Abs.2 IFG in Bezug auf das Mandat“ (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014, a.a.O.).

  1. Die Berufung kann schließlich auch nicht aufgrund der behaupteten Divergenz im Sinne des §124 Abs.2 Nr.4 VwGO zugelassen werden. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Ungeachtet der insoweit im Übrigen geltenden Darlegungsanforderungen zeigt der Vortrag des Klägers nicht auf, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf der behaupteten Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2015 - 6 C 12/14 - (a.a.O.) beruht. Denn auch bei Zugrundelegung der darin vom Bundesverwaltungsgericht angewandten Maßstäbe wäre die Klage abzuweisen gewesen, wie sich aus obigen Ausführungen unter 1. a) ergibt.

  1. Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs.2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §47 Abs.1 und 3, §52 Abs.2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs.1 VwGO, §68 Abs.1 Satz5 in Verbindung mit §66 Abs.3 Satz3 GKG).

Tatbestand

Entscheidungsgründe