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Aktenzeichen
OVG 12 N 97.10
ECLI
ECLI:DE:OVGBEBB:2011:0126.OVG12N97.10.0A
Datum
26. Januar 2011
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
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Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 21. Oktober 2010 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Oktober 2010 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Beklagte.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Rechtsstufen auf 5.000 EUR festgesetzt.

    Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.



    1. Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§124 Abs.2 Nr.1 VwGO).



    Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Zugang zu Informationen, die die von dem Beklagten im Jahr 2009 durchgeführten Baumkontrollen betreffen, nicht gemäß §9 Abs.1 Satz1, 2. Fall des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes (IFG Bln) versagt werden kann. Nach §9 Abs.1 Satz1 IFG Bln besteht das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft nicht, soweit und solange durch das vorzeitige Bekanntwerden des Akteninhaltes der Erfolg bevorstehender behördlicher Maßnahmen, insbesondere von Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahmen, ordnungsbehördlichen Anordnungen und Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung, vereitelt wird (1. Fall), oder ein vorzeitiges Bekanntwerden des Akteninhalts nach der besonderen Art der Verwaltungstätigkeit mit einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung unvereinbar ist (2. Fall). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.



    Anders als der Beklagte meint, wird die Vorbereitung und Durchführung von Amtshaftungsprozessen hier nicht von §9 Abs.1 Satz1, 2. Fall IFG Bln erfasst. Dies ergibt sich – wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen dargelegt hat – aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift sowie aus ihrer Entstehungsgeschichte.



    Schon der Wortlaut des §9 Abs.1 Satz1 IFG Bln, der nur bestimmte hoheitliche Maßnahmen unter den dort genannten Voraussetzungen schützt, verdeutlicht, dass die potenzielle Vorbereitung und Durchführung eines Amtshaftungsprozesses durch die Klägerin nicht zu den von §9 Abs.1 Satz1 IFG Bln erfassten und geschützten Verwaltungsaufgaben des in Anspruch genommenen Fachbereichs Grünflächen in der Abteilung Bauwesen des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin gehört. Der Beklagte könnte – wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt hat - den begehrten Informationszugang hinsichtlich der Baumkontrollen nur verweigern, wenn dieses Auskunftsbegehren der ihm obliegenden ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung entgegenstünde. Diese Aufgabenerfüllung besteht nicht in der Führung von Amtshaftungsprozessen, sondern in der Unterhaltung und Pflege der Straßenbäume.



    Die von dem Beklagten vertretene extensive Auslegung des grundsätzlich restriktiv auszulegenden Ausschlusstatbestandes widerspricht nicht nur dem Wortlaut der Regelung, sondern wird auch dem Sinn und Zweck des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes nicht gerecht. Entgegen der Ansicht des Beklagten zielt das Auskunftsbegehren der Klägerin in Übereinstimmung mit dem in §1 IFG Bln genannten Zweck auf eine Kontrolle der hoheitlichen Aufgaben, die der Beklagte zu erfüllen hat (vgl. u.a. §7 Berliner Straßengesetz in Verbindung mit dem Rundschreiben über den Bau und die Unterhaltung von Straßengrün vom 17. August 2001, ABl. vom 28. September 2001, S.4242; §3 Abs.4 Satz1 der Baumschutzverordnung). Es ist nicht erkennbar, warum es gerade hier dem Zweck des IFG zuwiderlaufen sollte, wenn behördliches Handeln – die Unterhaltung und Pflege von Straßenbäumen - transparent gemacht und kontrolliert wird. Dass dies zur Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit geschieht, nimmt das IFG Bln nicht nur bewusst in Kauf, sondern bezweckt dies ausdrücklich (§1 IFG Bln).



    Die Auffassung des Beklagten hätte im Übrigen erhebliche Abgrenzungsprobleme und dem Zufall geschuldete Ergebnisse zur Folge, weil der Anspruch auf Informationszugang grundsätzlich unabhängig von einem subjektiven Recht oder einem darzulegenden Interesse besteht. Hätte die Klägerin im vorliegenden Verfahren Informationszugang hinsichtlich der im Jahr 2009 durchgeführten Baumkontrollen begehrt, ohne hierfür eine Begründung anzugeben, so wäre dem Beklagten nicht bekannt geworden, dass sie die Möglichkeiten einer Amtshaftungsklage prüfen möchte. Ohne Wissen um den – grundsätzlich unerheblichen - Zweck des Auskunftsbegehrens lässt sich jedoch nicht verlässlich beurteilen, ob die Informationen später in einem gerichtlichen Verfahren verwendet werden sollen.



    Ferner stützt das Verwaltungsgericht die von ihm vorgenommene Auslegung zutreffend auch auf die Entstehungsgeschichte des §9 Abs.1 IFG Bln sowie den systematischen Zusammenhang mit dem Ausschlusstatbestand in §9 Abs.1 Satz2 IFG Bln. Dort hat der Landesgesetzgeber in bewusster Anlehnung an §3 Nr.1 g) des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes das Recht auf Informationszugang lediglich während eines laufenden, nicht jedoch im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens eingeschränkt (vgl. Abgeordnetenhaus, Drs. 15/5075, S.26 f.). Dies wäre – wie ausgeführt – auch kaum handhabbar gewesen, weil der Antragsteller grundsätzlich keine Gründe angeben muss, aus denen er Akteneinsicht begehrt. ´Im Übrigen wäre die Regelung in §9 Abs.1 Satz2 IFG Bln überflüssig, wenn man mit dem Beklagten davon ausginge, dass die Vorbereitung und Durchführung eines Amtshaftungsprozesses einen Ausschlussgrund im Sinne von §9 Abs.1 Satz1, 2. Fall IFG Bln darstellt. Nach alledem handelt es sich in §9 Abs.1 Satz2 IFG Bln um eine abschließende Vorschrift, die mangels planwidriger Lücke weder im Wege einer Analogie noch durch eine extensive, mit dem Wortlaut nicht zu vereinbarende Auslegung des §9 Abs.1 Satz1 IFG Bln unterlaufen werden kann.



    Damit erübrigt sich auch der Einwand des Beklagten, wonach ein Anspruch auf Informationszugang bei drohenden Zivilrechtsstreitigkeiten aus Gründen der Waffengleichheit zu verneinen sei. Im Übrigen ist dieses Argument hier auch deshalb nicht überzeugend, weil es in einem Amtshaftungsprozess gerade nicht um privatrechtliches Handeln der Verwaltung geht, die „wie ein Dritter als Marktteilnehmer am Privatrechtsverkehr und am Wirtschaftsleben“ teilnimmt, sondern vielmehr um eine Würdigung hoheitlichen Handelns. Die in Art.34 Satz3 GG verfassungsrechtlich vorgegebene Rechtswegzuweisung zu den ordentlichen Gerichten ist allein historisch begründet und wird in materiell-rechtlicher Hinsicht zu Recht als nicht (mehr) gerechtfertigt angesehen (vgl. dazu Wieland, in: Dreier, Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Art 34 Rn. 60; Bonk, in: Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 5. Aufl., Art.34 Rn. 112 ff.).



    2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, §124 Abs.2 Nr.3 VwGO. Die von dem Zulassungsantrag aufgeworfene Frage, ob „im Einzelfall bei drohenden oder unmittelbaren zivilgerichtlichen Verfahren, bei dem das Land Berlin als Beklagtenpartei auftreten muss, der bestehende Akteneinsichtsanspruch unter Heranziehung dieser Norm zeitlich beschränkt werden kann, weil ansonsten die Gefahr der nicht ordnungsgemäßen Prozessvorbereitung und Prozessführung bestünde“, ist schon nicht verallgemeinerungsfähig. Ihre Beantwortung hängt – wenn man von der Formulierung des Zulassungsantrags ausgeht – von dem jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab.



    Im Übrigen ist die Frage nicht entscheidungserheblich, weil es hier nicht um eine Vorbereitung (irgendeines) Zivilrechtsstreites, sondern um eine mögliche Amtshaftungsklage geht. Unabhängig davon bedarf die Frage keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sich ihre Beantwortung – wie ausgeführt - ohne weiteres aus §9 IFG Bln ergibt. Die von dem Beklagten favorisierte Auslegungsvariante findet in §9 Abs.1 IFG keine Stütze (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2010 – 9 B 1/10 -, juris Rn. 21).



    3. Die Rechtssache weist schließlich keine besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinne von §124 Abs.2 Nr.2 VwGO auf. Der Senat hält das Ergebnis nicht für offen, weil das IFG Bln nur die von dem Verwaltungsgericht zutreffend vorgenommene Auslegung zulässt. Es spricht nichts dafür, dass der Beklagte mit der von ihm behaupteten Auslegung in einem Berufungsverfahren Erfolg haben könnte.



    Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs.2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §47 Abs.1 und 3, §52 Abs.2 GKG. Der Senat hat die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung gemäß §63 Abs.3 Satz1 GKG geändert und auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren einen Wert in Höhe von 5.000 Euro festgesetzt. Der Senat geht regelmäßig in Verfahren, in denen ein Kläger Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes bzw. nach den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder Brandenburg oder Berlin begehrt, pauschal und typisierend von dem Auffangwert des §52 Abs.2 GKG aus, weil das Recht auf Informationszugang weder ein rechtliches noch ein berechtigtes Interesse voraussetzt und das Motiv hierfür bzw. der Zweck des begehrten Informationszuganges unbeachtlich sind. (vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 4. November 2009 – 12 L 73.09 – und vom 30. Dezember 2010 – OVG 12 L 73.10 -).



    Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs.1 VwGO, §68 Abs.1 Satz5 in Verbindung mit §66 Abs.3 Satz3 GKG).

Tatbestand

Entscheidungsgründe