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Aktenzeichen
OVG 12 N 36.16
ECLI
ECLI:DE:OVGBEBB:2016:1013.OVG12N36.16.0A
Datum
13. Oktober 2016
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
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Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das am 21. April 2016 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

  1. Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§124 Abs.2 Nr.1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, dass der Klägerin weder ein Anspruch auf ungeschwärzten Zugang zu den streitigen Versammlungsunterlagen noch ein Anspruch auf Neubescheidung zustehe. Auf §29 Abs.1 VwVfG oder einen aus dem streitigen materiellen Recht abgeleiteten Auskunftsanspruch könne sie sich nicht mit Erfolg berufen. Ein Anspruch auf Zugang zu den personenbezogenen Daten des Anmelders regelmäßiger Versammlungen in der Siedlung A... ergebe sich auch nicht aus §3 IFG Bln. Dem stehe der Ausschlussgrund des §6 Abs.1 1. Alt. IFG Bln entgegen. Die Klägerin verfolge mit ihrem Informationsbegehren überwiegend Privatinteressen; nach ihrem eigenen Vorbringen gehe es ihr darum, zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung oder auf Schadensersatz wegen der Beeinträchtigung ihres Geschäftsbetriebs geltend zu machen. Aus §45 Abs.1 Nr.4 ASOG könne die Klägerin einen Anspruch auf Übermittlung der personenbezogenen Daten des Anmelders gleichfalls nicht herleiten. Ein rechtliches Interesse im Sinne der Vorschrift habe sie nicht glaubhaft gemacht. Namentlich habe sie nicht glaubhaft gemacht, dass das Vorgehen der Versammlungsteilnehmer den Tatbestand der unerlaubten Handlung gemäß §§823 ff. BGB erfülle.

Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Ohne Erfolg rügt die Klägerin, dass die Ablehnung des Informationszugangs zu den personenbezogenen Daten des Anmelders in §6 IFG Bln keine Grundlage finde. Tragfähige Anhaltspunkte, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung des Ablehnungsgrundes zu Unrecht angenommen habe, die Klägerin verfolge mit ihrem Informationsbegehren überwiegend Privatinteressen im Sinne von §6 Abs.1 1. Alt. IFG Bln, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf. Der Hinweis auf den erstinstanzlich angeführten Gesetzeszweck des §1 IFG Bln, der bei „korrekter Auslegung“ auch private Interessen einschließe, gibt dafür nichts her. Das Verwaltungsgericht hat nicht in Abrede gestellt, dass mit einem Informationsbegehren sowohl private als auch öffentliche Interessen parallel verfolgt werden können. Vielmehr hat es maßgeblich auf die von der Klägerin beabsichtigte Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen Beeinträchtigung ihres Geschäftsbetriebs abgestellt und dieses Ziel der eindeutigen Verfolgung von Privatinteressen zugeordnet. Dagegen ist nichts zu erinnern. Dass das Verwaltungsgericht insoweit von einem fehlerhaften Sachverhalt ausgegangen wäre oder die beabsichtigte Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche zugleich den gesetzlichen Zwecken der Förderung der demokratischen Meinungs- und Willensbildung und der Kontrolle staatlichen Handels dient, ist nicht dargetan.

Die Verfolgung überwiegender Privatinteressen wird auch durch die Behauptung, es gehe der Klägerin nicht nur um zivilrechtliche Ansprüche gegen den Anmelder bzw. den Versammlungsleiter, sondern auch um die Klärung, ob persönliche Verbindungen zur Versammlungsbehörde bestünden, die etwa für eine unsachgemäße Entscheidung über Auflagen sprächen, nicht ernsthaft in Frage gestellt. Die erstmals im Zulassungsverfahren aufgestellte Behauptung ist erkennbar der Darlegung eines Informationsinteresses im Sinne des §1 IFG Bln geschuldet und erscheint angesichts des bisherigen Vorbringens der Klägerin verfahrensangepasst. Die Klägerin hat sowohl im Verwaltungsverfahren (Schriftsätze vom 2. Juli und 8. Juli 2014) als auch im erstinstanzlichen Verfahren (Klagebegründung vom 20. Juli 2015) ihr rechtliches Interesse an den personenbezogenen Daten des Anmelders der Versammlung allein damit begründet, dass sie zivilrechtliche Ansprüche wegen der Eingriffe in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend machen wolle und dabei im Einzelnen dargelegt, warum sie sich durch die Versammlungen massiv in ihren Rechten verletzt sieht. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat sie dieses Ziel auch in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht (UA S.5). Von der Prüfung eines rechtmäßigen Verhaltens der Behörde bei der Entscheidung über Auflagen ist ausweislich der Streitakte auch nicht ansatzweise die Rede. Unter diesen Umständen reicht die ohne jede Begründung in den Raum gestellte Behauptung, es gehe auch um die Prüfung etwaiger persönlicher Verbindungen zwischen Anmelder bzw. Versammlungsleiter und Behördenmitarbeitern, zur Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht aus.

In nicht zu beanstandender Weise hat das Verwaltungsgericht den Ablehnungsgrund des §6 Abs.1 1. Alt. IFG Bln danach als erfüllt angesehen, ohne dass es einer weitergehenden Abwägung mit den Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen bedarf. Der Einwand der Klägerin, bereits die Formulierung „überwiegende“ Privatinteressen spreche dafür, dass auch in der ersten Alternative der Vorschrift eine ähnliche Abwägung wie in der zweiten Alternative geboten sei, zudem beziehe sich der letzte Teilsatz ersichtlich auf beide in Absatz1 genannten Alternativen, bietet keinen Anlass für eine abweichende rechtliche Beurteilung. §6 Abs.1 IFG Bln unterscheidet bei dem Zugang zu personenbezogenen Daten, wie bereits die Verbindung beider Alternativen durch das Wort „oder“ nahelegt, zwischen dem privaten Interesse an dem begehrten Informationszugang und dem Informationsinteresse im Sinne des in §1 definierten Gesetzeszwecks. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass überwiegend Privatinteressen verfolgt werden, ist dem Schutz personenbezogener Daten in dieser primär zu prüfenden Alternative nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 24. Juli 2016 - OVG 12 B 24.15 - juris Rn. 20 m.w.N.) schon kraft Gesetzes der Vorrang eingeräumt. Der Gesetzgeber hat in §6 Abs.1 1. Alt. IFG Bln selbst eine abstrakte Interessenabwägung vorgenommen, die den Anspruch auf Informationszugang unabhängig von einer behördlichen Abwägung mit den Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen ausschließt (vgl. zur landesrechtlichen Regelung in Berlin auch Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, §5 Rn. 43). Damit kommt eine von der Klägerin reklamierte Anwendung des §6 Abs.2 Satz1 Nr.1 a) IFG Bln im Rahmen der ersten Alternative des Absatzes 1 der Vorschrift nicht in Betracht. Die gesetzlich aufgeführten Fälle, in denen schutzwürdige Belange des Betroffenen einer Offenbarung personenbezogener Daten in der Regel nicht entgegenstehen, enthalten lediglich Vorgaben für die in der zweiten Alternative des §6 Abs.1 IFG Bln gebotene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse und dem Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung seiner personenbezogenen Daten. Soweit der Zugang zu personenbezogenen Daten bei der Verfolgung überwiegender Privatinteressen bereits aufgrund der abstrakten Abwägung des Gesetzgebers ausgeschlossen ist, kann ein Anspruch auf Akteneinsicht oder Auskunft auch nicht auf die in §6 Abs.2 Satz1 Nr.1 IFG Bln genannten Fallgestaltungen gestützt werden.

Auf die weitergehenden Ausführungen der Klägerin, die sich auf das von ihr für geboten erachtete Abwägungsergebnis beziehen, kommt es danach nicht an. Sie zeigen aus den vorstehend dargelegten Gründen keine ernstlichen Richtigkeitszweifel auf, soweit das Verwaltungsgericht den Versagungsgrund des §6 Abs.1 1. Alt. IFG Bln als erfüllt angesehen hat. Hinsichtlich eines Anspruchs auf Übermittlung der personenbezogenen Daten des Anmelders aus §45 Abs.1 Nr.4 ASOG hat das Verwaltungsgericht entscheidungstragend darauf abgestellt, dass die Klägerin bereits ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten nicht glaubhaft gemacht habe. Zu den erstinstanzlich im Einzelnen dargelegten Gründen verhält sich der Zulassungsantrag nicht. Mit ihren Einwänden zu Ziffer I. 3. und 4. der Antragsbegründung macht die Klägerin allein geltend, dass den begehrten personenbezogenen Daten eine verminderte Schutzwürdigkeit zukomme, so dass die Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausfallen müsse. Dies stellt die tragende Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass das Vorgehen der Versammlungsteilnehmer den Tatbestand einer erlaubten Handlung im Sinne der §§823 ff. BGB erfülle, nicht substantiiert in Frage. Eine Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht insoweit nicht vorgenommen.

  1. Die erhobene Verfahrensrüge (§124 Abs.2 Nr.5 VwGO) rechtfertigt gleichfalls nicht die Zulassung der Berufung.

Ohne Erfolg rügt die Klägerin, dass das Verwaltungsgericht der beantragten Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung nicht gefolgt sei, obschon das antizipierte Beweisergebnis sich wesentlich auf die Bewertung der Interessen der Parteien und deren Schutzbedürftigkeit auswirken würde. Soweit der Einwand auf eine Abwägung der gegenseitigen Interessen abzielt, fehlt es bereits an der substantiierten Darlegung, dass die angegriffene Entscheidung auf dem gerügten Verfahrensfehler beruht. Auf eine einzelfallbezogene Abwägungsentscheidung hat sich das Verwaltungsgericht - wie dargelegt - gerade nicht gestützt.

Die weitergehende Rüge, das Verwaltungsgericht habe „dieses Ergebnis“ formelhaft als wahr unterstellt, sich jedoch in der Folge nicht an die Wahrunterstellung gehalten, greift gleichfalls nicht durch. Zwar setzt die auch im Verwaltungsprozess anerkannte Verfahrensweise, einen Beweisantrag durch „Wahrunterstellung“ abzulehnen, voraus, dass die behauptete Beweistatsache im Folgenden „ohne jede Einschränkung“ als nachgewiesen behandelt wird (BVerwG, Beschluss vom 3. November 2014 - 2 B 24.14 - juris Rn. 7 m.w.N.). Dem Zulassungsvorbringen lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass das Verwaltungsgericht diesen Anforderungen nicht gerecht geworden ist. Der Hinweis, was eine „rechtsfehlerfreie Einordnung der Behauptung“ nach Auffassung der Klägerin ergeben hätte, gibt dafür nichts her. Er bezieht sich nicht auf die als wahr unterstellten Beweistatsachen, sondern auf die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen. Welche Rechtsfolgen sich aus dem als wahr unterstellten Sachverhalt ergeben, ist indes Sache der rechtlichen Würdigung des Gerichts und kann nicht mit Erfolg mit der Verfahrensrüge angegriffen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. September 1993 - 4 B 125.93 - juris Rn. 7).

Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs.2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §47 Abs.1 und 3, §52 Abs.2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs.1 VwGO, §68 Abs.1 Satz5 i.V.m. §66 Abs.3 Satz3 GKG).

Tatbestand

Entscheidungsgründe