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Aktenzeichen
OVG 12 N 8.12
ECLI
ECLI:DE:OVGBEBB:2013:0226.OVG12N8.12.0A
Datum
26. Februar 2013
Gericht
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
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Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Dezember 2011 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000 EUR festgesetzt.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

  1. Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§124 Abs.2 Nr.1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage als jedenfalls unbegründet beurteilt. Ein Anspruch des Klägers auf Informationszugang aus §1 Abs.1 Satz1 IFG läge nicht vor. Die Beklagte sei keine Behörde oder sonstige Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme (§1 Abs.1 Satz1, Satz2 IFG). Dies ergebe sich aus §46 Abs.3 AbgG, der die Fraktionen des Deutschen Bundestages ausdrücklich als nicht der öffentlichen Verwaltung zugehörig definiere. Etwas anderes folge auch nicht aus der materiellen Tätigkeit der Beklagten. Die das Informationsbegehren betreffende Verteilung staatlicher Mittel als Funktionszulagen an Mitglieder der Beklagten sei kein Gesetzesvollzug. Vielmehr gelte für die Beklagte nichts anderes als für andere Empfänger staatlicher Leistungen, die als Adressaten besonderer öffentlich-rechtlicher Pflichten nicht zu einem Teil der öffentlichen Verwaltung würden. Ein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs.4 GG sei gleichfalls nicht gegeben. Dieser schütze nur diejenigen, die durch Akte der öffentlichen Gewalt in ihren Rechten betroffen seien. Ein solcher Akt liege hier aber nicht vor. Zudem garantiere die Rechtsschutzgarantie nur die Eröffnung des Rechtswegs, nicht dagegen den Erfolg bei Gericht. Diese Garantie sei dem Kläger auch nicht versagt worden. Etwas anderes würde auch dann nicht gelten, wenn das Verhalten der Beklagten im Ergebnis rechtswidrig wäre, weil in keinem Fall ersichtlich sei, wie eine solche objektive Rechtsverletzung eigene subjektive Rechte des Klägers berühren könnte, da dieser mit der Beklagten weder in einem Beschäftigungs- noch in einem politischen Konkurrenzverhältnis stehe. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Berliner Pressegesetz, das in seinem §4 Abs.1 nur Behörden im funktionalen Sinne adressiere. Als eine solche sei die Beklagte aber aus den genannten Gründen nicht zu verstehen.

Die gegen diese Ausführungen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Aus §46 Abs.3 AbgG ergibt sich klar, dass die Beklagte nicht als Verwaltungsbehörde im Sinne des §1 Abs.1 Satz2 IFG zu behandeln ist. Damit ist ein Anspruch aus §1 Abs.1 Satz1 IFG ebenso ausgeschlossen wie aus dem Berliner Pressegesetz.

§46 Abs.3 AbgG unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar ist dem Kläger darin beizupflichten, dass es dem Gesetzgeber nicht freisteht, staatliches Handeln, wie es ihm beliebt, einer der drei Staatsgewalten zuzuordnen. Dies allein begründet aber noch nicht die Verfassungswidrigkeit der Norm. Der Kläger hat nicht dargelegt, warum das Handeln der Beklagten in der Sache Verwaltungstätigkeit und warum die Zuweisung dieses Handelns zur vollziehenden Gewalt verfassungsrechtlich zwingend geboten sein sollte. Dem Kläger kann zugestanden werden, dass Fraktionen des Deutschen Bundestages sich in einem öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang bewegen. Auch die Regelungen des Abgeordnetengesetzes, die der Beklagten in Verbindung mit dem Haushaltsplan des Bundes Mittel zuweisen, gehören dem öffentlichen Recht an. Dies allein macht aus der Fraktion aber keine öffentlich-rechtliche Verwaltung, also einen Teil der die Gesetze vollziehenden Gewalt. Solches würde vielmehr auch voraussetzen, dass die Beklagte an diese gesetzlichen Regeln nicht nur gebunden wäre, sondern diese auch gegenüber Dritten ausführen und durchsetzen könnte. Beispiele für ein solches Handeln der Beklagten wurden vom Kläger nicht genannt, sie sind auch nicht ersichtlich. Zudem sind die Fraktionen in keiner Weise in die Behördenstruktur der Bundesverwaltung einbezogen und mit dieser hierarchisch oder dienstrechtlich verknüpft. Dies entspricht im Ergebnis auch den der Vorschrift des §46 Abs.3 AbgG zu Grunde liegenden Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 12/6067, S.10). Würde man dagegen im Sinne des Klägers die beklagte Fraktion, eine Vereinigung von Abgeordneten einer oder mehrerer nicht im Wettbewerb stehender Parteien (§10 Abs.1 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages), als Teil der öffentlichen Verwaltung behandeln, könnten sich hieraus eigenständige verfassungsrechtliche Bedenken ergeben. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass eine solche Einordnung gegen die Freiheit des Mandats, Art.38 Abs.1 Satz2 GG, das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, Art.40 Abs.1 Satz2 GG, und die Freiheit der politischen Parteien, Art.21 Abs.1 GG, verstoßen würde.

Auch die Ausführungen des Klägers zu Art.19 Abs.4 GG greifen nicht durch. Die Rechtsschutzgarantie garantiert ein Verfahren unabhängiger gerichtlicher Kontrolle eines Hoheitsakts. Dieses ist dem Kläger nicht verwehrt worden. Aus der Rechtsschutzgarantie lassen sich umgekehrt aber keine materiellen subjektiven Rechte herleiten. Die Argumentation des Klägers läuft darauf hinaus, das Tatbestandsmerkmal der Norm durch ihre Rechtsfolge zu definieren. Vielmehr setzt diese Norm die Betroffenheit eines subjektiven öffentlichen Rechts durch einen Akt der öffentlichen Gewalt gerade tatbestandlich voraus (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 Rn. 69; st. Rspr.). Insbesondere verpflichtet Art.19 Abs.4 GG den Gesetzgeber nicht zu einer Ausgestaltung des Informationszugangs in einer Art und Weise, die dem Kläger einen Anspruch auf die von ihm begehrten Informationen geben würde.

  1. Die Berufung ist auch nicht wegen der behaupteten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen (§124 Abs.2 Nr.2 VwGO).

Die Ausführungen des Klägers zur Bestimmung der Rechtsnatur der Beklagten und der Auslegung des Begriffs der „öffentlichen Gewalt“ vermögen besondere rechtliche Schwierigkeiten, die sich signifikant von den in anderen Verwaltungsstreitverfahren zu entscheidenden Rechtsfragen unterscheiden, nicht zu begründen.

Die Frage nach der Rechtsnatur der Parlamentsfraktionen kann jedenfalls soweit offen bleiben, wie sie für die Frage der Anwendbarkeit der vom Kläger in Anspruch genommenen Gesetze unerheblich bleibt. Durch die Entscheidung des Gesetzgebers in §46 Abs.3 AbgG ist diese Frage soweit eindeutig beantwortet, wie es die Informationsansprüche betrifft, auf die der Kläger sich beruft. Verfassungsrechtliche Zweifel, die über den Verweis des Klägers auf Art.19 Abs.4 GG hinausgingen, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Sie liegen auch aus Sicht des Gerichts nicht vor. Im Übrigen würde sich die Beurteilung der Rechtsfrage auch nicht anders darstellen, wenn die Norm des §46 Abs.3 AbgG nicht erlassen worden wäre, denn auch dann würde sich das Handeln der Beklagten nicht als die Form des rechtsstaatlichen Gesetzesvollzugs darstellen, die dem materiellen Begriff der Verwaltung entspricht.

Auch die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob es neben den überlieferten in Art.20 Abs.2 Satz2 GG vorgesehenen Staatsgewalten eine eigene Kategorie der „Parlamentstätigkeit“ gebe, kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles keine Rolle spielen. Denn aus den oben entwickelten Gründen ist diese Tätigkeit jedenfalls nicht auch nur materiell als durch die Verwaltung vorgenommener Gesetzesvollzug zu verstehen, der unter den Tatbestand des §1 Abs.1 Satz2 IFG fallen könnte. Darüber hinausgehende Fragen der Definitionsmacht des Gesetzgebers bleiben für die Entscheidung des vorliegenden Falles gleichfalls unerheblich.

  1. Die Rechtssache hat schließlich auch keine grundsätzliche Bedeutung (§124 Abs.2 Nr.3 VwGO).

Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es nach ständiger Rechtsprechung des Senats erforderlich, dass eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht.

Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachteten Fragen nach der Auslegung des Begriffs der „öffentlichen Gewalt“ und der Gestaltungsmacht des Gesetzgebers bei der Zuordnung hoheitlichen Handelns zu einer der drei Staatsgewalten sind aus den vorstehend dargelegten Gründen in ihrer Allgemeinheit für die Entscheidung des Falles nicht erheblich. Die Bestimmung des Begriffs der öffentlichen Gewalt ist ebenso wie die Frage der Gestaltungsmacht des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der vollziehenden Gewalt Gegenstand einer Fülle verfassungs-, höchst- und obergerichtlicher Entscheidungen geworden. Dabei kann als gesichert gelten, dass Art.19 Abs.4 GG keine Verpflichtung des Gesetzgebers enthält, solches Handeln als Teil der vollziehenden Gewalt zu behandeln, das materiell nicht zu dieser gehört.

Zur Klärung der darüber hinaus aufgeworfenen Frage, „ob Fraktionen des Bundestages öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben (§1 Abs.1 Satz2 IFG) wahrnehmen oder Behörden sind (§1 Abs.1 Satz1 IFG)“, bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Die Frage ist aus den bereits unter Ziffer 1 dargelegten Gründen zu verneinen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §154 Abs.2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §47 Abs.1 und 3, §52 Abs.2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§152 Abs.1 VwGO, §68 Abs.1 Satz5 i.V.m. 66 Abs.3 Satz3 GKG).

Tatbestand

Entscheidungsgründe