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Aktenzeichen
2 K 281.19
ECLI
ECLI:DE:VGBE:2021:0809.2K281.19.00
Datum
9. August 2021
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
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Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. November 2019 verpflichtet, dem Kläger Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ (P...-Studie) in den Fassungen vom 2. April 2019, vom 1./2. Mai 2019 sowie vom 13. November 2019 durch Übersendung einer Ablichtung zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweiligen Vollstreckungsbetrags leistet.

Der Kläger begehrt Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“.

Im Jahr 2015 beauftragte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - BMFSFJ - eine Bietergemeinschaft mit der Erarbeitung einer Studie zu der Ausgestaltung des Umgangs zwischen Kindern und ihren geschiedenen bzw. getrennten Eltern. Die für das Jahr 2017 vorgesehene Fertigstellung der Studie verzögerte sich wegen der Erkrankung und des späteren Todes eines der Studienleiter.

Am 2. April 2019 legte die Bietergemeinschaft dem BMFSFJ eine Inhaltsgliederung und Textfragmente der Studie in elektronischer Form vor. Am 1. und 2. Mai 2019 erhielt das BMFSFJ zwei Aktenordner und eine ZIP-Datei mit einer ersten vorläufigen Fassung der Studie. Nach einer Rückäußerung des BMFSFJ legte die Bietergemeinschaft am 13. November 2019 eine überarbeitete Fassung in schriftlicher und elektronischer Form vor. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht aus Sicht des BMFSFJ weiterhin Überarbeitungsbedarf.

Am 23. Juni 2019 beantragte der Kläger bei dem BMFSFJ Auskunft, ob die Studie fertig gestellt sei. Für den Fall, dass die Studie dem BMFSFJ vorliege, bat der Kläger um Übermittlung einer Ablichtung.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2019 lehnte das BMFSFJ den Antrag ab.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das BMFSFJ mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2019 mit der Begründung zurück, die Studie sei noch nicht abgeschlossen. Die Auftragnehmer hätten dem Ministerium bisher lediglich erste Entwurfsteile zur Auswertung zukommen lassen.

Mit Schreiben vom 16. November 2019 teilte der Kläger dem BMFSFJ mit, sein Antrag vom 23. Juni 2019 habe sich auf die Fassung der Studie bezogen, wie sie dem Ministerium vorliege. Dabei müsse es sich nicht um die finale Fassung handeln.

Mit Schreiben vom 20. November 2019 führte das BMFSFJ aus, das Schreiben des Klägers vom 16. November 2019 werde als Konkretisierung seines Antrags vom 23. Juni 2019 verstanden. Bei der vorliegenden Antwort handele es sich nicht um einen Bescheid, der neue Rechtsbehelfsfristen auslöse, sondern um eine Ergänzung des Bescheids vom 10. Juli 2019. Der Konkretisierung des IFG-Antrags werde nicht entsprochen, da es sich bei den vorläufigen Fassungen der Studie um Entwürfe handele, die keine amtlichen Informationen seien.

Der Kläger hat am 24. November 2019 Klage erhoben. Er trägt vor, diese sei ohne Durchführung eines weiteren Widerspruchsverfahrens zulässig. Bei dem Schreiben vom 20. November 2019 handele es sich nicht um einen Bescheid, sondern um eine Ergänzung des Bescheids vom 10. Juli 2019. Selbst wenn sein Schreiben vom 16. November 2019 als neuer IFG-Antrag anzusehen sei, habe die Beklagte über diesen als Widerspruchsbehörde sachlich entschieden und zu erkennen gegeben, dass ein neuerlicher Widerspruch keinen Erfolg haben würde. Deshalb sei die Durchführung eines weiteren Vorverfahrens entbehrlich. Die vorläufigen Fassungen der Studie seien amtliche Informationen und keine Entwürfe im Sinne von §2 Nr.1 Satz2 IFG. Für die rechtliche Einordnung als Entwurf sei unbeachtlich, ob die Beklagte die erhaltenen Dokumente als vertragsgemäß abgenommen habe. Unbeachtlich sei auch, ob die Beklagte die überlassenen Unterlagen zu den Akten genommen habe. Denn es sei nicht ins freie Ermessen des zuständigen Bearbeiters gestellt, welche amtlichen Zwecken dienenden Aufzeichnungen Bestandteil eines Vorgangs werden. Der Annahme eines Entwurfs stehe zudem entgegen, dass es sich um eine externe Studie handele. §2 Nr.1 Satz2 IFG diene dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses. Dieser sei bei externen Studien nicht beeinträchtigt, weil es sich um keine innerbehördlichen Vorarbeiten handele, die in eine behördliche Entscheidung übergehen könnten.

Der Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses stehe dem Informationszugang nicht entgegen. Es drohe keine Vereitelung der Entscheidung über die Abnahme der vorläufigen Fassungen der Studie. Denn sowohl das BMFSFJ als auch die Bietergemeinschaft gingen nach dem Vortrag der Beklagten davon aus, dass es sich nicht um die endgültige abnahmefähige Fassung gehandelt habe. Die vorläufigen Fassungen der Studie seien keine Entscheidungsentwürfe im Sinne des §4 Abs.1 Satz1 IFG. Denn es handele sich nicht um die Abnahmeentscheidung unmittelbar vorbereitende Ausarbeitungen eines Behördenmitarbeiters. Vielmehr bildeten die vorläufigen Fassungen die Grundlage für die Entscheidung des BMFSFJ über die Abnahme der Studie. Der Schutz geistigen Eigentums stehe dem Informationsanspruch ebenfalls nicht entgegen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die vorläufigen Fassungen der Studie urheberrechtlich geschützte Werke seien. Zudem habe die Beklagte sich die ausschließlichen Nutzungsrechte vertraglich übertragen lassen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 10. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 21. Oktober 2019 sowie unter Aufhebung des Bescheids derselben Behörde vom 20. November 2019 zu verpflichten, ihm Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ (P...-Studie) in den Fassungen vom 2. April 2019, vom 1./2. Mai 2019 sowie vom 13. November 2019 durch Übersendung einer Ablichtung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Klage sei mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig. Der Kläger habe gegen das Schreiben vom 20. November 2019 keinen Widerspruch eingelegt. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Die vorläufigen Fassungen der Studie seien bloße Entwürfe. Sie seien weder in Papierform veraktet noch als elektronische Dateien auf dem Server so abgespeichert worden, dass sie einer speziellen Akte zugeordnet werden könnten. Die ZIP-Dateien seien lediglich auf dem persönlichen Laufwerk der zuständigen Sachbearbeitenden nur für diese zugänglich zwischengespeichert und würden nach Erstellung der finalen Fassung der Studie gelöscht. Die Unterlagen enthielten kein Inhaltsverzeichnis. Es existiere lediglich eine Gliederung ohne Seitenzahlen. Das von der Bietergemeinschaft vorgelegte dritte Kapitel, die Basisstudie, die den Kern der Studie darstelle, bestehe noch ganz überwiegend aus einer bloßen Deskription der Ergebnisse. Statistische Analysen lägen bisher lediglich zu ausgewählten Einzelaspekten vor. Eine umfassende Analyse und Gesamtauswertung der Daten sei nicht vorgenommen worden. Die vorläufigen Fassungen der Studie entsprächen in der gegenwärtigen Phase noch nicht den wissenschaftlichen und fachlichen Standards. Sie bedürften grundlegender Überarbeitung, Auswertung, Systematisierung und Analyse, bevor sie vertretbar zum Gegenstand der bereits jetzt hoch emotional geführten Debatte gemacht werden könnten.

Dem Informationszugang stehe der Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses entgegen. Zu schützen sei die Entscheidung des BMFSFJ, die Studie als vertragsgemäß anzuerkennen und abzunehmen. Die vorläufigen Fassungen der Studie seien Arbeiten zur unmittelbaren Vorbereitung der Entscheidung des BMFSFJ über die Abnahme der Studie. Es handele sich nicht um Gutachten im Sinne von §4 Abs.1 Satz2 IFG. Denn diese Vorschrift sei auf Entwurfsfassungen von Gutachten nicht anwendbar. Zudem gehe es nicht um die Vorbereitung einer weitergehenden Verwaltungsentscheidung, sondern die zu schützende Verwaltungsentscheidung beziehe sich unmittelbar auf die Erstattung der Studie. Würden die vorläufigen Fassungen der Studie herausgegeben, werde der Abstimmungsprozess innerhalb des BMFSFJ beeinträchtigt. Das Bekanntwerden der vorläufigen Fassungen werde in der Öffentlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Rechtfertigungsdruck des BMFSFJ führen. Das BMFSFJ wolle ungestört die Finalisierung der Studie zu Ende führen, ohne dass in der Öffentlichkeit bereits Inhalte aus den vorläufigen Fassungen diskutiert würden und so immenser Druck auf das BMFSFJ entweder zur Abnahme oder aber zur erneuten Überarbeitung ausgeübt werde. Schon auf der Grundlage von Presseinterviews von Verfassern der Studie habe sich eine kontroverse Diskussion über den Auftrag und die vermeintlichen Ergebnisse der Studie entwickelt. Es werde vielfach befürchtet, dass die Studie die Legitimation für ein bestimmtes Umgangsmodell etablieren werde. Dem BMFSFJ werde von interessierter Seite vorgeworfen, auf die Erstellung der Studie in unzulässiger Weise Einfluss zu nehmen und die Ergebnisse zu manipulieren. Bei einem so hoch emotionalen gesamtgesellschaftlichen Thema habe das BMFSFJ die Pflicht Sorge zu tragen, dass eine öffentliche Diskussion auf einer substantiierten und belastbaren Erkenntnisgrundlage geführt werde und nicht auf einer Materialsammlung bzw. nicht ausgewerteten vorläufigen Fassungen.

Dem Informationszugang stehe auch der Schutz geistigen Eigentums entgegen. Bei den vorläufigen Fassungen der Studie handele es sich um individuelle Darstellungen der erhobenen Daten und deren Auswertung, die sprachlich selbstständig gestaltet seien und für die es keine normierten Vorgaben gebe. Der Entwurfscharakter stehe der Werksqualität nicht entgegen. Denn der Urheberschutz erfasse nicht nur das vollendete Werk, sondern auch seine Vor- und Zwischenstufen. Die Bietergemeinschaft habe dem BMFSFJ nicht das ausschließliche Nutzungsrecht an den vorläufigen Fassungen der Studie übertragen. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsüberlassung beziehe sich nur auf die Endfassung der Studie. Hierdurch solle die Öffentlichkeitsarbeit des BMFSFJ ermöglicht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.

Gemäß §6 Abs.1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ist der Berichterstatter als Einzelrichter zuständig, nachdem die Kammer ihm den Rechtsstreit durch Beschluss vom 14. Juni 2021 zur Entscheidung übertragen hat.

Der Klageantrag ist unter Berücksichtigung des Rechtsschutzbegehrens des Klägers dahin auszulegen (§88 VwGO, §133, §157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB), dass er unter Aufhebung des Bescheids vom 20. November 2019 Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in den jeweiligen vorläufigen Fassungen begehrt. Einer gesonderten Anfechtung des Bescheids vom 10. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2019 bedarf es zur Erreichung des klägerischen Rechtsschutzziels nicht. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20. November 2019 den Antrag des Klägers vom 16. November 2019 auf Zugang zu der Studie in den dem BMFSFJ vorliegenden Fassungen abgelehnt. Das Schreiben des Klägers vom 16. November 2019 ist ein neuer Antrag auf Informationszugang und keine bloße Präzisierung seines Antrags vom 23. Juni 2019. Denn mit Schreiben vom 16. November 2019 beantragte der Kläger Zugang zu der dem BMFSFJ „vorliegenden Fassung“ der Studie, während er mit Schreiben vom 23. Juni 2019 Zugang zu der „fertig gestellten“ Studie begehrte. Sein Zugangsantrag bezog sich auf eine andere amtliche Information. Der Einordnung des Schreibens vom 20. November 2019 als Verwaltungsakt im Sinne des §35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes steht nicht entgegen, dass die Beklagte das Schreiben ausdrücklich nicht als Bescheid angesehen hat. Die Bestimmung der Rechtsnatur einer behördlichen Maßnahme richtet sich nach der objektiven Rechtslage und nicht ihrer Bezeichnung durch die Behörde (Knauff, in: Schoch/Schneider, VwVfG, 2020, §35 Rn. 41).

Die Klage ist mit diesem Antrag zulässig. Entgegen §9 Abs.4 des Informationsfreiheitsgesetzes - IFG - in Verbindung mit §68 Abs.1 Satz1 VwGO war die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich. Dem Zweck des Vorverfahrens ist dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte durch das als Ausgangs- und Widerspruchsbehörde zuständige BMFSFJ auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 – BVerwG 7 C 23.17 – NVwZ 2019, 978 Rn. 11).

Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 20. November 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; der Kläger hat Anspruch auf Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in den Fassungen vom 2. April 2019, vom 1./2. Mai 2019 sowie vom 13. November 2019 (§113 Abs.5 Satz1 VwGO).

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist §1 Abs.1 Satz1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.

  1. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Kläger ist als natürliche Person „jeder“ und damit anspruchsberechtigt. Das BMFSFJ ist eine Behörde des Bundes. Die von dem Kläger begehrten Fassungen der Studie sind amtliche Informationen.

Der Begriff „amtliche Information“ ist in §2 Nr.1 Satz1 IFG legal definiert. Danach fällt hierunter jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§2 Nr.1 Satz2 IFG). Ungeachtet der Frage, ob die vorläufigen Fassungen der Studie „Entwürfe“ in diesem Sinne sind, handelt es sich um amtliche Informationen, weil sie Bestandteil eines Vorgangs werden sollen.

Die Frage, ob ein Schriftstück Bestandteil eines Vorgangs werden soll, ist primär nach Maßgabe der einschlägigen Aktenordnung oder – wenn diese nichts für die Beantwortung der Frage hergibt – der einschlägigen Verwaltungspraxis zu beantworten. Nur wenn weder Aktenordnung noch Verwaltungspraxis eine Antwort zu entnehmen ist, kommt es auf den Willen des zuständigen Bearbeiters an (Urteil der Kammer vom 20. Oktober 2016 – VG 2 K 82.16 – juris Rn. 16).

Gemäß §12 Abs.2 Satz2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vom 22. Januar 2020 in Verbindung mit §4 Abs.1 der Richtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut (Akten und Dokumenten) in Bundesministerien, Registraturrichtlinie - RegRL - haben das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut die Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit des Sach- und Bearbeitungszusammenhangs zu gewährleisten. Das aus der Bearbeitung entstehende Schriftgut muss gemäß §6 Abs.2 Satz1 RegRL vollständig, authentisch und übersichtlich sein.

Nach diesen Maßstäben sind die vorläufigen Fassungen der Studie in den bei dem BMFSFJ geführten Vorgang aufzunehmen. Bei den vorläufigen Fassungen handelt es sich um „Schriftgut“ im Sinne von §4 Abs.1, §6 Abs.2 RegRL. Hierzu zählen alle bei der Erfüllung von Aufgaben des Bundes erstellten oder empfangenen Dokumente, unabhängig von der Art des Informationsträgers und der Form der Aufzeichnung (§3 RegRL). Die Aufnahme der vorläufigen Fassungen der Studie in den Verwaltungsvorgang ist zur Wahrung der Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit erforderlich. Denn nur dann ist für den jeweiligen Sachbearbeiter (und einen Dritten) erkennbar, wann und wie der Auftragnehmer die vertraglich geschuldete Leistung erbracht hat. Das ist – neben der Gewährleistung der Transparenz des Entstehungsprozesses der Studie – für die Geltendmachung etwaiger Ansprüche aus dem Werkvertrag und den Nachweis einer gegebenenfalls mangelhaft erbrachten Leistung erforderlich. Dies gilt ungeachtet des in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwands der Beklagten, dass in dem konkreten Fall eine Kündigung des Werkvertrags oder die Geltendmachung etwaiger vertraglicher Ansprüche gegenwärtig nicht beabsichtigt ist und die vertraglich vereinbarte Frist zur Fertigstellung der Studie ohnehin verstrichen ist. Denn die Grundsätze der vollständigen und nachvollziehbaren Aktenführung gelten abstrakt-generell für sämtliche Geschäftsvorfälle der Bundesbehörden unabhängig davon, ob im jeweiligen Einzelfall ein vertragswidriges Verhalten des Auftragnehmers vorliegt.

Auf eine etwaige entgegenstehende Verwaltungspraxis des BMFSFJ und den Willen des jeweiligen Sachbearbeiters kommt es deshalb nicht an.

  1. Der Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses steht dem Anspruch auf Informationszugang nicht entgegen. Gemäß §4 Abs.1 Satz1 IFG soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Selbst wenn – wie es der Beklagten vorschwebt – die Abnahme der Studie als „Entscheidung“ im Sinne von §4 Abs.1 Satz1 IFG anzusehen wäre, greift dieser Ausschlussgrund nicht durch.

a) Die vorläufigen Fassungen der Studie sind keine „Entwürfe zu Entscheidungen“ und keine „Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung“. „Entwürfe zu Entscheidungen“ im Sinne von §4 Abs.1 Satz1 IFG sind Schriftstücke, in denen die zu treffende Entscheidung in vorläufiger, nicht vom unterzeichnungsberechtigten Amtsträger unterschriebener Form festgelegt wird (vgl. Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, §4 Rn. 16). Die vorläufigen Fassungen der Studie enthalten keine vorläufige Festlegung der Abnahmeentscheidung des BMFSFJ.

Der Begriff der „Arbeiten und Beschlüsse [zur] unmittelbaren Vorbereitung“ einer Entscheidung erfasst alle Aktenteile, die unmittelbar mit dem Entscheidungsprozess zusammenhängen. Umfasst sind mithin auch Vorarbeiten und Ausarbeitungen, aus denen die zu treffende Entscheidung entwickelt werden sollen. Eine Eingrenzung, zu welchem Zeitpunkt derartige Vorarbeiten entstanden sind, nimmt die Regelung nicht vor. Sie knüpft vielmehr funktional daran an, dass die Vorarbeiten der unmittelbaren Vorbereitung einer konkret bevorstehenden behördlichen Entscheidung dienen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Mai 2013 – OVG 12 S 23.13 – juris Rn. 5). Die vorläufigen Fassungen der Studie stehen nicht in einem solchen unmittelbaren funktionalen Zusammenhang mit der Abnahmeentscheidung des BMFSFJ.

Denn die Bietergemeinschaft hat die vorläufigen Fassungen der Studie eingereicht, um ihre Pflicht aus dem Werkvertrag zur Herstellung des versprochenen Werks zu erfüllen (§631 Abs.1 BGB). Die vertragsgemäße Herstellung des Werks löst zwar die Gegenleistungspflicht des Bestellers aus, das Werk abzunehmen (§640 Abs.1 Satz1 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1989 – VII ZR 89/87 – BGHZ 107, 75, 77; Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, §631 Rn. 23. A.A. Peters, in: Staudinger, BGB, 2003, §640 Rn. 42 f. m.w.N.: regelmäßig keine synallagmatische Verknüpfung). Dieser Zusammenhang zwischen der zu erbringenden Werkleistung und der Abnahmeentscheidung ist aber nicht funktionaler Natur. Denn das hergestellte Werk (hier: die vorläufigen Fassungen der Studie) ist nicht Grundlage, sondern Gegenstand der Abnahmeentscheidung. Sein Zweck liegt nicht in der „Vorbereitung“ der Abnahme (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Juni 2002 – 21 B 589/02 – NVwZ-RR 2003, 800, 803).

b) Darüber hinaus und dessen ungeachtet sind die Voraussetzungen von §4 Abs.1 Satz2 IFG erfüllt. Danach dienen Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter regelmäßig nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz1. Die Mitglieder der Bietergemeinschaft sind behördenexterne „Dritte“. Die von ihnen erstellten vorläufigen Fassungen sind „Stellungnahmen“.

Stellungnahmen Dritter dienen regelmäßig nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung. Denn die durch sie vermittelten Informationen sind in der Regel Teil des Sachverhalts, nicht aber Teil des durch §4 IFG geschützten behördlichen Prozesses der Willensbildung (Urteil der Kammer vom 26. Juni 2019 – VG 2 K 179.18 – juris Rn. 25; Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, §4 Rn. 41). Es handelt sich um abgrenzbare Erkenntnisse, die die Verfahrensherrschaft der Behörde typischerweise nicht beeinträchtigen (BT-Drs. 15/4493 S.12). So liegt der Fall hier.

Die vorläufigen Fassungen der Studie lassen sich ohne Weiteres von dem behördlichen Entscheidungsprozess abgrenzen. Anhaltspunkte für einen atypischen Einzelfall, in dem ausnahmsweise ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Stellungnahme und der behördlichen Entscheidung gegeben ist, liegen nicht vor. Nach dem Vortrag der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung haben die Mitglieder der Bietergemeinschaft ihre Arbeitsergebnisse dem BMFSFJ in schriftlicher und elektronischer Form vorgelegt. Die Sachbearbeiter des BMFSFJ haben die vorläufigen Fassungen der Studie durchgelesen. Nach ihrer Auffassung fehlte ihnen die Einheitlichkeit, Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Sie genügten nicht den wissenschaftlichen Standards des BMFSFJ. Aus diesem Grund haben die Sachbearbeiter des BMFSFJ die Unterlagen durchgearbeitet und mit Post-It-Anmerkungen versehen. Sie haben ihre Anmerkungen in E-Mails an die Mitglieder der Bietergemeinschaft zusammengefasst, die daraufhin die Studienergebnisse überarbeitet haben.

Danach liegt die Erstellung der Studie (weiterhin) im Verantwortungsbereich der Bietergemeinschaft, während der Beitrag des BMFSFJ auf die Durchsicht und Kommentierung der vorläufigen Fassungen der Studie beschränkt ist. Der Verantwortungsbereich der Bietergemeinschaft ist von dem Verantwortungsbereich der Behörde abgrenzbar. Die vorläufigen Fassungen der Studie, zu denen der Kläger alleine Zugang begehrt, unterliegen nicht der Verfahrensherrschaft des BMFSFJ.

Der Einwand der Beklagten, §4 Abs.1 Satz2 IFG sei nicht anwendbar, weil die vorläufigen Fassungen der Studie bloße Entwürfe seien, verfängt nicht. Denn auch (und gerade) im Entwurfsstadium sind Gutachten und Stellungnahmen Dritter von der Verfahrensherrschaft der Behörde abgrenzbar.

  1. Der Schutz geistigen Eigentums steht dem Informationszugang ebenfalls nicht entgegen. Gemäß §6 Satz1 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Der Begriff des „geistigen Eigentums“ erfasst den gewerblichen Rechtsschutz (Markenrecht, Patentrecht, Gebrauchs- und Geschmacksmusterrecht) und das Urheberrecht (BT-Drs. 15/4493, S.14). Das Urheberrecht schützt nach §1 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, Urheberrechtsgesetz - UrhG - jedes Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Zu den geschützten Werken gehören insbesondere Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme (§2 Abs.1 Nr.1 UrhG). Das Urheberrecht steht der begehrten Akteneinsicht nicht entgegen.

a) Die Beklagte hat nicht zur Überzeugung des Gerichts (§108 Abs.1 Satz1 VwGO) dargelegt, dass es sich bei den vorläufigen Fassungen der Studie um urheberrechtlich geschützte Werke handelt. Gemäß §2 Abs.2 UrhG genießen nur persönliche geistige Schöpfungen Urheberrechtsschutz. Nach dem maßgeblichen unionsrechtlichen Werkbegriff muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung in einem mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand zum Ausdruck bringen. Originalität ist dann gegeben, wenn der Gegenstand die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt. Daran fehlt es, wenn die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde; Arbeitsaufwand oder bedeutende Sachkenntnis, die in die Gestaltung eingeflossen sind, genügen demnach nicht. Weist ein Gegenstand die erforderlichen Merkmale auf, muss er als Werk urheberrechtlich geschützt werden. Dabei hängt der Umfang dieses Schutzes nicht vom Grad der schöpferischen Freiheit seines Urhebers ab (BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 – BVerwG 7 C 1.18 – GRUR 2020, 189 Rn. 22).

Die – insoweit darlegungspflichtige Beklagte – hat nicht dargetan, dass die vorläufigen Fassungen der Studie die Persönlichkeit ihrer Urheber widerspiegeln, indem sie deren freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringen. Die Beklagte trägt zwar vor, es handele sich um individuelle Darstellungen der erhobenen Daten und deren Auswertung, die sprachlich selbstständig gestaltet seien. Es ist aber nicht erkennbar, an welchen Stellen der vorläufigen Fassungen der Studie in welcher Form die Originalität zum Ausdruck kommt. Jedenfalls in dieser Pauschalität ist der Werkscharakter auch nicht plausibel. Denn nach dem Vortrag der Beklagten besteht die in dem dritten Kapitel enthaltene Basisstudie, die zugleich den Kern der Studie darstellt, noch ganz überwiegend aus einer bloßen Deskription der Ergebnisse. Nur zu ausgewählten Einzelaspekten seien die empirischen Erkenntnisse statistisch analysiert worden. Bei der bloßen Wiedergabe erhobener Daten liegt die Annahme einer eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers jedenfalls nicht auf der Hand.

b) Darüber hinaus stünde das Urheberrecht der begehrten Akteneinsicht nicht entgegen. Gemäß §8 Abs.1 des zwischen der Bietergemeinschaft und dem BMFSFJ geschlossenen Werkvertrags räumt die Auftragnehmerin der Auftraggeberin unter Ausschluss der Vorbehalte des §37 UrhG das ausschließliche, ohne die Zustimmung des Urhebers übertragbare und räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkte Nutzungsrecht an allen urheberrechtlich geschützten Arbeitsergebnissen ein (Satz1). Das Nutzungsrecht umfasst insbesondere die in §15 und §88 UrhG genannten Nutzungsarten sowie die Einwilligung in die Veröffentlichung und Verwertung von Bearbeitungen (Satz2). Entgegen der Auffassung der Beklagten erstreckt sich die Einwilligung in die Veröffentlichung und die Übertragung der Nutzungsrechte auf die vorläufigen Fassungen der Studie. Eine Beschränkung der Klausel auf die finale Fassung der Studie ist mit ihrem Wortlaut nicht vereinbar. Dieser erfasst ausdrücklich „alle urheberrechtlich geschützten Arbeitsergebnisse“. Auch §8 Abs.4 des Werkvertrags spricht gegen eine einschränkende Auslegung. Danach gelten die Absätze 1 bis 3 für den Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung entsprechend für die bereits fertig gestellten Teile des Werkes. Schließlich zwingt der Umstand, dass die Einräumung der Nutzungsrechte (auch) im Hinblick auf die geplante Veröffentlichung der Studie durch das BMFSFJ (§8 Abs.2a des Werkvertrags) erfolgte, zu keinem anderen Ergebnis. Denn es ist nicht erkennbar, dass die beabsichtigte Veröffentlichung der finalen Fassung den alleinigen Zweck der Übertragung bzw. Einwilligung darstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §167 Abs.1 Satz1, Abs.2 VwGO in Verbindung mit §708 Nr.11, §711 der Zivilprozessordnung.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstands wird gemäß §§39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf5.000,00 Eurofestgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“.

Im Jahr 2015 beauftragte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - BMFSFJ - eine Bietergemeinschaft mit der Erarbeitung einer Studie zu der Ausgestaltung des Umgangs zwischen Kindern und ihren geschiedenen bzw. getrennten Eltern. Die für das Jahr 2017 vorgesehene Fertigstellung der Studie verzögerte sich wegen der Erkrankung und des späteren Todes eines der Studienleiter.

Am 2. April 2019 legte die Bietergemeinschaft dem BMFSFJ eine Inhaltsgliederung und Textfragmente der Studie in elektronischer Form vor. Am 1. und 2. Mai 2019 erhielt das BMFSFJ zwei Aktenordner und eine ZIP-Datei mit einer ersten vorläufigen Fassung der Studie. Nach einer Rückäußerung des BMFSFJ legte die Bietergemeinschaft am 13. November 2019 eine überarbeitete Fassung in schriftlicher und elektronischer Form vor. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht aus Sicht des BMFSFJ weiterhin Überarbeitungsbedarf.

Am 23. Juni 2019 beantragte der Kläger bei dem BMFSFJ Auskunft, ob die Studie fertig gestellt sei. Für den Fall, dass die Studie dem BMFSFJ vorliege, bat der Kläger um Übermittlung einer Ablichtung.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2019 lehnte das BMFSFJ den Antrag ab.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das BMFSFJ mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2019 mit der Begründung zurück, die Studie sei noch nicht abgeschlossen. Die Auftragnehmer hätten dem Ministerium bisher lediglich erste Entwurfsteile zur Auswertung zukommen lassen.

Mit Schreiben vom 16. November 2019 teilte der Kläger dem BMFSFJ mit, sein Antrag vom 23. Juni 2019 habe sich auf die Fassung der Studie bezogen, wie sie dem Ministerium vorliege. Dabei müsse es sich nicht um die finale Fassung handeln.

Mit Schreiben vom 20. November 2019 führte das BMFSFJ aus, das Schreiben des Klägers vom 16. November 2019 werde als Konkretisierung seines Antrags vom 23. Juni 2019 verstanden. Bei der vorliegenden Antwort handele es sich nicht um einen Bescheid, der neue Rechtsbehelfsfristen auslöse, sondern um eine Ergänzung des Bescheids vom 10. Juli 2019. Der Konkretisierung des IFG-Antrags werde nicht entsprochen, da es sich bei den vorläufigen Fassungen der Studie um Entwürfe handele, die keine amtlichen Informationen seien.

Der Kläger hat am 24. November 2019 Klage erhoben. Er trägt vor, diese sei ohne Durchführung eines weiteren Widerspruchsverfahrens zulässig. Bei dem Schreiben vom 20. November 2019 handele es sich nicht um einen Bescheid, sondern um eine Ergänzung des Bescheids vom 10. Juli 2019. Selbst wenn sein Schreiben vom 16. November 2019 als neuer IFG-Antrag anzusehen sei, habe die Beklagte über diesen als Widerspruchsbehörde sachlich entschieden und zu erkennen gegeben, dass ein neuerlicher Widerspruch keinen Erfolg haben würde. Deshalb sei die Durchführung eines weiteren Vorverfahrens entbehrlich. Die vorläufigen Fassungen der Studie seien amtliche Informationen und keine Entwürfe im Sinne von §2 Nr.1 Satz2 IFG. Für die rechtliche Einordnung als Entwurf sei unbeachtlich, ob die Beklagte die erhaltenen Dokumente als vertragsgemäß abgenommen habe. Unbeachtlich sei auch, ob die Beklagte die überlassenen Unterlagen zu den Akten genommen habe. Denn es sei nicht ins freie Ermessen des zuständigen Bearbeiters gestellt, welche amtlichen Zwecken dienenden Aufzeichnungen Bestandteil eines Vorgangs werden. Der Annahme eines Entwurfs stehe zudem entgegen, dass es sich um eine externe Studie handele. §2 Nr.1 Satz2 IFG diene dem Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses. Dieser sei bei externen Studien nicht beeinträchtigt, weil es sich um keine innerbehördlichen Vorarbeiten handele, die in eine behördliche Entscheidung übergehen könnten.

Der Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses stehe dem Informationszugang nicht entgegen. Es drohe keine Vereitelung der Entscheidung über die Abnahme der vorläufigen Fassungen der Studie. Denn sowohl das BMFSFJ als auch die Bietergemeinschaft gingen nach dem Vortrag der Beklagten davon aus, dass es sich nicht um die endgültige abnahmefähige Fassung gehandelt habe. Die vorläufigen Fassungen der Studie seien keine Entscheidungsentwürfe im Sinne des §4 Abs.1 Satz1 IFG. Denn es handele sich nicht um die Abnahmeentscheidung unmittelbar vorbereitende Ausarbeitungen eines Behördenmitarbeiters. Vielmehr bildeten die vorläufigen Fassungen die Grundlage für die Entscheidung des BMFSFJ über die Abnahme der Studie. Der Schutz geistigen Eigentums stehe dem Informationsanspruch ebenfalls nicht entgegen. Es sei nicht davon auszugehen, dass die vorläufigen Fassungen der Studie urheberrechtlich geschützte Werke seien. Zudem habe die Beklagte sich die ausschließlichen Nutzungsrechte vertraglich übertragen lassen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 10. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 21. Oktober 2019 sowie unter Aufhebung des Bescheids derselben Behörde vom 20. November 2019 zu verpflichten, ihm Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ (P...-Studie) in den Fassungen vom 2. April 2019, vom 1./2. Mai 2019 sowie vom 13. November 2019 durch Übersendung einer Ablichtung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Klage sei mangels Durchführung eines Vorverfahrens unzulässig. Der Kläger habe gegen das Schreiben vom 20. November 2019 keinen Widerspruch eingelegt. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Die vorläufigen Fassungen der Studie seien bloße Entwürfe. Sie seien weder in Papierform veraktet noch als elektronische Dateien auf dem Server so abgespeichert worden, dass sie einer speziellen Akte zugeordnet werden könnten. Die ZIP-Dateien seien lediglich auf dem persönlichen Laufwerk der zuständigen Sachbearbeitenden nur für diese zugänglich zwischengespeichert und würden nach Erstellung der finalen Fassung der Studie gelöscht. Die Unterlagen enthielten kein Inhaltsverzeichnis. Es existiere lediglich eine Gliederung ohne Seitenzahlen. Das von der Bietergemeinschaft vorgelegte dritte Kapitel, die Basisstudie, die den Kern der Studie darstelle, bestehe noch ganz überwiegend aus einer bloßen Deskription der Ergebnisse. Statistische Analysen lägen bisher lediglich zu ausgewählten Einzelaspekten vor. Eine umfassende Analyse und Gesamtauswertung der Daten sei nicht vorgenommen worden. Die vorläufigen Fassungen der Studie entsprächen in der gegenwärtigen Phase noch nicht den wissenschaftlichen und fachlichen Standards. Sie bedürften grundlegender Überarbeitung, Auswertung, Systematisierung und Analyse, bevor sie vertretbar zum Gegenstand der bereits jetzt hoch emotional geführten Debatte gemacht werden könnten.

Dem Informationszugang stehe der Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses entgegen. Zu schützen sei die Entscheidung des BMFSFJ, die Studie als vertragsgemäß anzuerkennen und abzunehmen. Die vorläufigen Fassungen der Studie seien Arbeiten zur unmittelbaren Vorbereitung der Entscheidung des BMFSFJ über die Abnahme der Studie. Es handele sich nicht um Gutachten im Sinne von §4 Abs.1 Satz2 IFG. Denn diese Vorschrift sei auf Entwurfsfassungen von Gutachten nicht anwendbar. Zudem gehe es nicht um die Vorbereitung einer weitergehenden Verwaltungsentscheidung, sondern die zu schützende Verwaltungsentscheidung beziehe sich unmittelbar auf die Erstattung der Studie. Würden die vorläufigen Fassungen der Studie herausgegeben, werde der Abstimmungsprozess innerhalb des BMFSFJ beeinträchtigt. Das Bekanntwerden der vorläufigen Fassungen werde in der Öffentlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Rechtfertigungsdruck des BMFSFJ führen. Das BMFSFJ wolle ungestört die Finalisierung der Studie zu Ende führen, ohne dass in der Öffentlichkeit bereits Inhalte aus den vorläufigen Fassungen diskutiert würden und so immenser Druck auf das BMFSFJ entweder zur Abnahme oder aber zur erneuten Überarbeitung ausgeübt werde. Schon auf der Grundlage von Presseinterviews von Verfassern der Studie habe sich eine kontroverse Diskussion über den Auftrag und die vermeintlichen Ergebnisse der Studie entwickelt. Es werde vielfach befürchtet, dass die Studie die Legitimation für ein bestimmtes Umgangsmodell etablieren werde. Dem BMFSFJ werde von interessierter Seite vorgeworfen, auf die Erstellung der Studie in unzulässiger Weise Einfluss zu nehmen und die Ergebnisse zu manipulieren. Bei einem so hoch emotionalen gesamtgesellschaftlichen Thema habe das BMFSFJ die Pflicht Sorge zu tragen, dass eine öffentliche Diskussion auf einer substantiierten und belastbaren Erkenntnisgrundlage geführt werde und nicht auf einer Materialsammlung bzw. nicht ausgewerteten vorläufigen Fassungen.

Dem Informationszugang stehe auch der Schutz geistigen Eigentums entgegen. Bei den vorläufigen Fassungen der Studie handele es sich um individuelle Darstellungen der erhobenen Daten und deren Auswertung, die sprachlich selbstständig gestaltet seien und für die es keine normierten Vorgaben gebe. Der Entwurfscharakter stehe der Werksqualität nicht entgegen. Denn der Urheberschutz erfasse nicht nur das vollendete Werk, sondern auch seine Vor- und Zwischenstufen. Die Bietergemeinschaft habe dem BMFSFJ nicht das ausschließliche Nutzungsrecht an den vorläufigen Fassungen der Studie übertragen. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsüberlassung beziehe sich nur auf die Endfassung der Studie. Hierdurch solle die Öffentlichkeitsarbeit des BMFSFJ ermöglicht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.

Gemäß §6 Abs.1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ist der Berichterstatter als Einzelrichter zuständig, nachdem die Kammer ihm den Rechtsstreit durch Beschluss vom 14. Juni 2021 zur Entscheidung übertragen hat.

Der Klageantrag ist unter Berücksichtigung des Rechtsschutzbegehrens des Klägers dahin auszulegen (§88 VwGO, §133, §157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB), dass er unter Aufhebung des Bescheids vom 20. November 2019 Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in den jeweiligen vorläufigen Fassungen begehrt. Einer gesonderten Anfechtung des Bescheids vom 10. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2019 bedarf es zur Erreichung des klägerischen Rechtsschutzziels nicht. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20. November 2019 den Antrag des Klägers vom 16. November 2019 auf Zugang zu der Studie in den dem BMFSFJ vorliegenden Fassungen abgelehnt. Das Schreiben des Klägers vom 16. November 2019 ist ein neuer Antrag auf Informationszugang und keine bloße Präzisierung seines Antrags vom 23. Juni 2019. Denn mit Schreiben vom 16. November 2019 beantragte der Kläger Zugang zu der dem BMFSFJ „vorliegenden Fassung“ der Studie, während er mit Schreiben vom 23. Juni 2019 Zugang zu der „fertig gestellten“ Studie begehrte. Sein Zugangsantrag bezog sich auf eine andere amtliche Information. Der Einordnung des Schreibens vom 20. November 2019 als Verwaltungsakt im Sinne des §35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes steht nicht entgegen, dass die Beklagte das Schreiben ausdrücklich nicht als Bescheid angesehen hat. Die Bestimmung der Rechtsnatur einer behördlichen Maßnahme richtet sich nach der objektiven Rechtslage und nicht ihrer Bezeichnung durch die Behörde (Knauff, in: Schoch/Schneider, VwVfG, 2020, §35 Rn. 41).

Die Klage ist mit diesem Antrag zulässig. Entgegen §9 Abs.4 des Informationsfreiheitsgesetzes - IFG - in Verbindung mit §68 Abs.1 Satz1 VwGO war die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich. Dem Zweck des Vorverfahrens ist dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte durch das als Ausgangs- und Widerspruchsbehörde zuständige BMFSFJ auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 – BVerwG 7 C 23.17 – NVwZ 2019, 978 Rn. 11).

Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 20. November 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; der Kläger hat Anspruch auf Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in den Fassungen vom 2. April 2019, vom 1./2. Mai 2019 sowie vom 13. November 2019 (§113 Abs.5 Satz1 VwGO).

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist §1 Abs.1 Satz1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.

  1. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Kläger ist als natürliche Person „jeder“ und damit anspruchsberechtigt. Das BMFSFJ ist eine Behörde des Bundes. Die von dem Kläger begehrten Fassungen der Studie sind amtliche Informationen.

Der Begriff „amtliche Information“ ist in §2 Nr.1 Satz1 IFG legal definiert. Danach fällt hierunter jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§2 Nr.1 Satz2 IFG). Ungeachtet der Frage, ob die vorläufigen Fassungen der Studie „Entwürfe“ in diesem Sinne sind, handelt es sich um amtliche Informationen, weil sie Bestandteil eines Vorgangs werden sollen.

Die Frage, ob ein Schriftstück Bestandteil eines Vorgangs werden soll, ist primär nach Maßgabe der einschlägigen Aktenordnung oder – wenn diese nichts für die Beantwortung der Frage hergibt – der einschlägigen Verwaltungspraxis zu beantworten. Nur wenn weder Aktenordnung noch Verwaltungspraxis eine Antwort zu entnehmen ist, kommt es auf den Willen des zuständigen Bearbeiters an (Urteil der Kammer vom 20. Oktober 2016 – VG 2 K 82.16 – juris Rn. 16).

Gemäß §12 Abs.2 Satz2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vom 22. Januar 2020 in Verbindung mit §4 Abs.1 der Richtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut (Akten und Dokumenten) in Bundesministerien, Registraturrichtlinie - RegRL - haben das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut die Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit des Sach- und Bearbeitungszusammenhangs zu gewährleisten. Das aus der Bearbeitung entstehende Schriftgut muss gemäß §6 Abs.2 Satz1 RegRL vollständig, authentisch und übersichtlich sein.

Nach diesen Maßstäben sind die vorläufigen Fassungen der Studie in den bei dem BMFSFJ geführten Vorgang aufzunehmen. Bei den vorläufigen Fassungen handelt es sich um „Schriftgut“ im Sinne von §4 Abs.1, §6 Abs.2 RegRL. Hierzu zählen alle bei der Erfüllung von Aufgaben des Bundes erstellten oder empfangenen Dokumente, unabhängig von der Art des Informationsträgers und der Form der Aufzeichnung (§3 RegRL). Die Aufnahme der vorläufigen Fassungen der Studie in den Verwaltungsvorgang ist zur Wahrung der Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit erforderlich. Denn nur dann ist für den jeweiligen Sachbearbeiter (und einen Dritten) erkennbar, wann und wie der Auftragnehmer die vertraglich geschuldete Leistung erbracht hat. Das ist – neben der Gewährleistung der Transparenz des Entstehungsprozesses der Studie – für die Geltendmachung etwaiger Ansprüche aus dem Werkvertrag und den Nachweis einer gegebenenfalls mangelhaft erbrachten Leistung erforderlich. Dies gilt ungeachtet des in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwands der Beklagten, dass in dem konkreten Fall eine Kündigung des Werkvertrags oder die Geltendmachung etwaiger vertraglicher Ansprüche gegenwärtig nicht beabsichtigt ist und die vertraglich vereinbarte Frist zur Fertigstellung der Studie ohnehin verstrichen ist. Denn die Grundsätze der vollständigen und nachvollziehbaren Aktenführung gelten abstrakt-generell für sämtliche Geschäftsvorfälle der Bundesbehörden unabhängig davon, ob im jeweiligen Einzelfall ein vertragswidriges Verhalten des Auftragnehmers vorliegt.

Auf eine etwaige entgegenstehende Verwaltungspraxis des BMFSFJ und den Willen des jeweiligen Sachbearbeiters kommt es deshalb nicht an.

  1. Der Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses steht dem Anspruch auf Informationszugang nicht entgegen. Gemäß §4 Abs.1 Satz1 IFG soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Selbst wenn – wie es der Beklagten vorschwebt – die Abnahme der Studie als „Entscheidung“ im Sinne von §4 Abs.1 Satz1 IFG anzusehen wäre, greift dieser Ausschlussgrund nicht durch.

a) Die vorläufigen Fassungen der Studie sind keine „Entwürfe zu Entscheidungen“ und keine „Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung“. „Entwürfe zu Entscheidungen“ im Sinne von §4 Abs.1 Satz1 IFG sind Schriftstücke, in denen die zu treffende Entscheidung in vorläufiger, nicht vom unterzeichnungsberechtigten Amtsträger unterschriebener Form festgelegt wird (vgl. Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, §4 Rn. 16). Die vorläufigen Fassungen der Studie enthalten keine vorläufige Festlegung der Abnahmeentscheidung des BMFSFJ.

Der Begriff der „Arbeiten und Beschlüsse [zur] unmittelbaren Vorbereitung“ einer Entscheidung erfasst alle Aktenteile, die unmittelbar mit dem Entscheidungsprozess zusammenhängen. Umfasst sind mithin auch Vorarbeiten und Ausarbeitungen, aus denen die zu treffende Entscheidung entwickelt werden sollen. Eine Eingrenzung, zu welchem Zeitpunkt derartige Vorarbeiten entstanden sind, nimmt die Regelung nicht vor. Sie knüpft vielmehr funktional daran an, dass die Vorarbeiten der unmittelbaren Vorbereitung einer konkret bevorstehenden behördlichen Entscheidung dienen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Mai 2013 – OVG 12 S 23.13 – juris Rn. 5). Die vorläufigen Fassungen der Studie stehen nicht in einem solchen unmittelbaren funktionalen Zusammenhang mit der Abnahmeentscheidung des BMFSFJ.

Denn die Bietergemeinschaft hat die vorläufigen Fassungen der Studie eingereicht, um ihre Pflicht aus dem Werkvertrag zur Herstellung des versprochenen Werks zu erfüllen (§631 Abs.1 BGB). Die vertragsgemäße Herstellung des Werks löst zwar die Gegenleistungspflicht des Bestellers aus, das Werk abzunehmen (§640 Abs.1 Satz1 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1989 – VII ZR 89/87 – BGHZ 107, 75, 77; Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, §631 Rn. 23. A.A. Peters, in: Staudinger, BGB, 2003, §640 Rn. 42 f. m.w.N.: regelmäßig keine synallagmatische Verknüpfung). Dieser Zusammenhang zwischen der zu erbringenden Werkleistung und der Abnahmeentscheidung ist aber nicht funktionaler Natur. Denn das hergestellte Werk (hier: die vorläufigen Fassungen der Studie) ist nicht Grundlage, sondern Gegenstand der Abnahmeentscheidung. Sein Zweck liegt nicht in der „Vorbereitung“ der Abnahme (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Juni 2002 – 21 B 589/02 – NVwZ-RR 2003, 800, 803).

b) Darüber hinaus und dessen ungeachtet sind die Voraussetzungen von §4 Abs.1 Satz2 IFG erfüllt. Danach dienen Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter regelmäßig nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz1. Die Mitglieder der Bietergemeinschaft sind behördenexterne „Dritte“. Die von ihnen erstellten vorläufigen Fassungen sind „Stellungnahmen“.

Stellungnahmen Dritter dienen regelmäßig nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung. Denn die durch sie vermittelten Informationen sind in der Regel Teil des Sachverhalts, nicht aber Teil des durch §4 IFG geschützten behördlichen Prozesses der Willensbildung (Urteil der Kammer vom 26. Juni 2019 – VG 2 K 179.18 – juris Rn. 25; Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, §4 Rn. 41). Es handelt sich um abgrenzbare Erkenntnisse, die die Verfahrensherrschaft der Behörde typischerweise nicht beeinträchtigen (BT-Drs. 15/4493 S.12). So liegt der Fall hier.

Die vorläufigen Fassungen der Studie lassen sich ohne Weiteres von dem behördlichen Entscheidungsprozess abgrenzen. Anhaltspunkte für einen atypischen Einzelfall, in dem ausnahmsweise ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Stellungnahme und der behördlichen Entscheidung gegeben ist, liegen nicht vor. Nach dem Vortrag der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung haben die Mitglieder der Bietergemeinschaft ihre Arbeitsergebnisse dem BMFSFJ in schriftlicher und elektronischer Form vorgelegt. Die Sachbearbeiter des BMFSFJ haben die vorläufigen Fassungen der Studie durchgelesen. Nach ihrer Auffassung fehlte ihnen die Einheitlichkeit, Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Sie genügten nicht den wissenschaftlichen Standards des BMFSFJ. Aus diesem Grund haben die Sachbearbeiter des BMFSFJ die Unterlagen durchgearbeitet und mit Post-It-Anmerkungen versehen. Sie haben ihre Anmerkungen in E-Mails an die Mitglieder der Bietergemeinschaft zusammengefasst, die daraufhin die Studienergebnisse überarbeitet haben.

Danach liegt die Erstellung der Studie (weiterhin) im Verantwortungsbereich der Bietergemeinschaft, während der Beitrag des BMFSFJ auf die Durchsicht und Kommentierung der vorläufigen Fassungen der Studie beschränkt ist. Der Verantwortungsbereich der Bietergemeinschaft ist von dem Verantwortungsbereich der Behörde abgrenzbar. Die vorläufigen Fassungen der Studie, zu denen der Kläger alleine Zugang begehrt, unterliegen nicht der Verfahrensherrschaft des BMFSFJ.

Der Einwand der Beklagten, §4 Abs.1 Satz2 IFG sei nicht anwendbar, weil die vorläufigen Fassungen der Studie bloße Entwürfe seien, verfängt nicht. Denn auch (und gerade) im Entwurfsstadium sind Gutachten und Stellungnahmen Dritter von der Verfahrensherrschaft der Behörde abgrenzbar.

  1. Der Schutz geistigen Eigentums steht dem Informationszugang ebenfalls nicht entgegen. Gemäß §6 Satz1 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Der Begriff des „geistigen Eigentums“ erfasst den gewerblichen Rechtsschutz (Markenrecht, Patentrecht, Gebrauchs- und Geschmacksmusterrecht) und das Urheberrecht (BT-Drs. 15/4493, S.14). Das Urheberrecht schützt nach §1 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, Urheberrechtsgesetz - UrhG - jedes Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Zu den geschützten Werken gehören insbesondere Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme (§2 Abs.1 Nr.1 UrhG). Das Urheberrecht steht der begehrten Akteneinsicht nicht entgegen.

a) Die Beklagte hat nicht zur Überzeugung des Gerichts (§108 Abs.1 Satz1 VwGO) dargelegt, dass es sich bei den vorläufigen Fassungen der Studie um urheberrechtlich geschützte Werke handelt. Gemäß §2 Abs.2 UrhG genießen nur persönliche geistige Schöpfungen Urheberrechtsschutz. Nach dem maßgeblichen unionsrechtlichen Werkbegriff muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung in einem mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand zum Ausdruck bringen. Originalität ist dann gegeben, wenn der Gegenstand die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt. Daran fehlt es, wenn die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde; Arbeitsaufwand oder bedeutende Sachkenntnis, die in die Gestaltung eingeflossen sind, genügen demnach nicht. Weist ein Gegenstand die erforderlichen Merkmale auf, muss er als Werk urheberrechtlich geschützt werden. Dabei hängt der Umfang dieses Schutzes nicht vom Grad der schöpferischen Freiheit seines Urhebers ab (BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 – BVerwG 7 C 1.18 – GRUR 2020, 189 Rn. 22).

Die – insoweit darlegungspflichtige Beklagte – hat nicht dargetan, dass die vorläufigen Fassungen der Studie die Persönlichkeit ihrer Urheber widerspiegeln, indem sie deren freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringen. Die Beklagte trägt zwar vor, es handele sich um individuelle Darstellungen der erhobenen Daten und deren Auswertung, die sprachlich selbstständig gestaltet seien. Es ist aber nicht erkennbar, an welchen Stellen der vorläufigen Fassungen der Studie in welcher Form die Originalität zum Ausdruck kommt. Jedenfalls in dieser Pauschalität ist der Werkscharakter auch nicht plausibel. Denn nach dem Vortrag der Beklagten besteht die in dem dritten Kapitel enthaltene Basisstudie, die zugleich den Kern der Studie darstellt, noch ganz überwiegend aus einer bloßen Deskription der Ergebnisse. Nur zu ausgewählten Einzelaspekten seien die empirischen Erkenntnisse statistisch analysiert worden. Bei der bloßen Wiedergabe erhobener Daten liegt die Annahme einer eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers jedenfalls nicht auf der Hand.

b) Darüber hinaus stünde das Urheberrecht der begehrten Akteneinsicht nicht entgegen. Gemäß §8 Abs.1 des zwischen der Bietergemeinschaft und dem BMFSFJ geschlossenen Werkvertrags räumt die Auftragnehmerin der Auftraggeberin unter Ausschluss der Vorbehalte des §37 UrhG das ausschließliche, ohne die Zustimmung des Urhebers übertragbare und räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkte Nutzungsrecht an allen urheberrechtlich geschützten Arbeitsergebnissen ein (Satz1). Das Nutzungsrecht umfasst insbesondere die in §15 und §88 UrhG genannten Nutzungsarten sowie die Einwilligung in die Veröffentlichung und Verwertung von Bearbeitungen (Satz2). Entgegen der Auffassung der Beklagten erstreckt sich die Einwilligung in die Veröffentlichung und die Übertragung der Nutzungsrechte auf die vorläufigen Fassungen der Studie. Eine Beschränkung der Klausel auf die finale Fassung der Studie ist mit ihrem Wortlaut nicht vereinbar. Dieser erfasst ausdrücklich „alle urheberrechtlich geschützten Arbeitsergebnisse“. Auch §8 Abs.4 des Werkvertrags spricht gegen eine einschränkende Auslegung. Danach gelten die Absätze 1 bis 3 für den Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung entsprechend für die bereits fertig gestellten Teile des Werkes. Schließlich zwingt der Umstand, dass die Einräumung der Nutzungsrechte (auch) im Hinblick auf die geplante Veröffentlichung der Studie durch das BMFSFJ (§8 Abs.2a des Werkvertrags) erfolgte, zu keinem anderen Ergebnis. Denn es ist nicht erkennbar, dass die beabsichtigte Veröffentlichung der finalen Fassung den alleinigen Zweck der Übertragung bzw. Einwilligung darstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §167 Abs.1 Satz1, Abs.2 VwGO in Verbindung mit §708 Nr.11, §711 der Zivilprozessordnung.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstands wird gemäß §§39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf5.000,00 Eurofestgesetzt.

Entscheidungsgründe

Gemäß §6 Abs.1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ist der Berichterstatter als Einzelrichter zuständig, nachdem die Kammer ihm den Rechtsstreit durch Beschluss vom 14. Juni 2021 zur Entscheidung übertragen hat.

Der Klageantrag ist unter Berücksichtigung des Rechtsschutzbegehrens des Klägers dahin auszulegen (§88 VwGO, §133, §157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB), dass er unter Aufhebung des Bescheids vom 20. November 2019 Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in den jeweiligen vorläufigen Fassungen begehrt. Einer gesonderten Anfechtung des Bescheids vom 10. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2019 bedarf es zur Erreichung des klägerischen Rechtsschutzziels nicht. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 20. November 2019 den Antrag des Klägers vom 16. November 2019 auf Zugang zu der Studie in den dem BMFSFJ vorliegenden Fassungen abgelehnt. Das Schreiben des Klägers vom 16. November 2019 ist ein neuer Antrag auf Informationszugang und keine bloße Präzisierung seines Antrags vom 23. Juni 2019. Denn mit Schreiben vom 16. November 2019 beantragte der Kläger Zugang zu der dem BMFSFJ „vorliegenden Fassung“ der Studie, während er mit Schreiben vom 23. Juni 2019 Zugang zu der „fertig gestellten“ Studie begehrte. Sein Zugangsantrag bezog sich auf eine andere amtliche Information. Der Einordnung des Schreibens vom 20. November 2019 als Verwaltungsakt im Sinne des §35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes steht nicht entgegen, dass die Beklagte das Schreiben ausdrücklich nicht als Bescheid angesehen hat. Die Bestimmung der Rechtsnatur einer behördlichen Maßnahme richtet sich nach der objektiven Rechtslage und nicht ihrer Bezeichnung durch die Behörde (Knauff, in: Schoch/Schneider, VwVfG, 2020, §35 Rn. 41).

Die Klage ist mit diesem Antrag zulässig. Entgegen §9 Abs.4 des Informationsfreiheitsgesetzes - IFG - in Verbindung mit §68 Abs.1 Satz1 VwGO war die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich. Dem Zweck des Vorverfahrens ist dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte durch das als Ausgangs- und Widerspruchsbehörde zuständige BMFSFJ auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 – BVerwG 7 C 23.17 – NVwZ 2019, 978 Rn. 11).

Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 20. November 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; der Kläger hat Anspruch auf Zugang zu der Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in den Fassungen vom 2. April 2019, vom 1./2. Mai 2019 sowie vom 13. November 2019 (§113 Abs.5 Satz1 VwGO).

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist §1 Abs.1 Satz1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.

  1. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der Kläger ist als natürliche Person „jeder“ und damit anspruchsberechtigt. Das BMFSFJ ist eine Behörde des Bundes. Die von dem Kläger begehrten Fassungen der Studie sind amtliche Informationen.

Der Begriff „amtliche Information“ ist in §2 Nr.1 Satz1 IFG legal definiert. Danach fällt hierunter jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§2 Nr.1 Satz2 IFG). Ungeachtet der Frage, ob die vorläufigen Fassungen der Studie „Entwürfe“ in diesem Sinne sind, handelt es sich um amtliche Informationen, weil sie Bestandteil eines Vorgangs werden sollen.

Die Frage, ob ein Schriftstück Bestandteil eines Vorgangs werden soll, ist primär nach Maßgabe der einschlägigen Aktenordnung oder – wenn diese nichts für die Beantwortung der Frage hergibt – der einschlägigen Verwaltungspraxis zu beantworten. Nur wenn weder Aktenordnung noch Verwaltungspraxis eine Antwort zu entnehmen ist, kommt es auf den Willen des zuständigen Bearbeiters an (Urteil der Kammer vom 20. Oktober 2016 – VG 2 K 82.16 – juris Rn. 16).

Gemäß §12 Abs.2 Satz2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vom 22. Januar 2020 in Verbindung mit §4 Abs.1 der Richtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut (Akten und Dokumenten) in Bundesministerien, Registraturrichtlinie - RegRL - haben das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut die Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit des Sach- und Bearbeitungszusammenhangs zu gewährleisten. Das aus der Bearbeitung entstehende Schriftgut muss gemäß §6 Abs.2 Satz1 RegRL vollständig, authentisch und übersichtlich sein.

Nach diesen Maßstäben sind die vorläufigen Fassungen der Studie in den bei dem BMFSFJ geführten Vorgang aufzunehmen. Bei den vorläufigen Fassungen handelt es sich um „Schriftgut“ im Sinne von §4 Abs.1, §6 Abs.2 RegRL. Hierzu zählen alle bei der Erfüllung von Aufgaben des Bundes erstellten oder empfangenen Dokumente, unabhängig von der Art des Informationsträgers und der Form der Aufzeichnung (§3 RegRL). Die Aufnahme der vorläufigen Fassungen der Studie in den Verwaltungsvorgang ist zur Wahrung der Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit erforderlich. Denn nur dann ist für den jeweiligen Sachbearbeiter (und einen Dritten) erkennbar, wann und wie der Auftragnehmer die vertraglich geschuldete Leistung erbracht hat. Das ist – neben der Gewährleistung der Transparenz des Entstehungsprozesses der Studie – für die Geltendmachung etwaiger Ansprüche aus dem Werkvertrag und den Nachweis einer gegebenenfalls mangelhaft erbrachten Leistung erforderlich. Dies gilt ungeachtet des in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwands der Beklagten, dass in dem konkreten Fall eine Kündigung des Werkvertrags oder die Geltendmachung etwaiger vertraglicher Ansprüche gegenwärtig nicht beabsichtigt ist und die vertraglich vereinbarte Frist zur Fertigstellung der Studie ohnehin verstrichen ist. Denn die Grundsätze der vollständigen und nachvollziehbaren Aktenführung gelten abstrakt-generell für sämtliche Geschäftsvorfälle der Bundesbehörden unabhängig davon, ob im jeweiligen Einzelfall ein vertragswidriges Verhalten des Auftragnehmers vorliegt.

Auf eine etwaige entgegenstehende Verwaltungspraxis des BMFSFJ und den Willen des jeweiligen Sachbearbeiters kommt es deshalb nicht an.

  1. Der Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses steht dem Anspruch auf Informationszugang nicht entgegen. Gemäß §4 Abs.1 Satz1 IFG soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Selbst wenn – wie es der Beklagten vorschwebt – die Abnahme der Studie als „Entscheidung“ im Sinne von §4 Abs.1 Satz1 IFG anzusehen wäre, greift dieser Ausschlussgrund nicht durch.

a) Die vorläufigen Fassungen der Studie sind keine „Entwürfe zu Entscheidungen“ und keine „Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung“. „Entwürfe zu Entscheidungen“ im Sinne von §4 Abs.1 Satz1 IFG sind Schriftstücke, in denen die zu treffende Entscheidung in vorläufiger, nicht vom unterzeichnungsberechtigten Amtsträger unterschriebener Form festgelegt wird (vgl. Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, §4 Rn. 16). Die vorläufigen Fassungen der Studie enthalten keine vorläufige Festlegung der Abnahmeentscheidung des BMFSFJ.

Der Begriff der „Arbeiten und Beschlüsse [zur] unmittelbaren Vorbereitung“ einer Entscheidung erfasst alle Aktenteile, die unmittelbar mit dem Entscheidungsprozess zusammenhängen. Umfasst sind mithin auch Vorarbeiten und Ausarbeitungen, aus denen die zu treffende Entscheidung entwickelt werden sollen. Eine Eingrenzung, zu welchem Zeitpunkt derartige Vorarbeiten entstanden sind, nimmt die Regelung nicht vor. Sie knüpft vielmehr funktional daran an, dass die Vorarbeiten der unmittelbaren Vorbereitung einer konkret bevorstehenden behördlichen Entscheidung dienen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Mai 2013 – OVG 12 S 23.13 – juris Rn. 5). Die vorläufigen Fassungen der Studie stehen nicht in einem solchen unmittelbaren funktionalen Zusammenhang mit der Abnahmeentscheidung des BMFSFJ.

Denn die Bietergemeinschaft hat die vorläufigen Fassungen der Studie eingereicht, um ihre Pflicht aus dem Werkvertrag zur Herstellung des versprochenen Werks zu erfüllen (§631 Abs.1 BGB). Die vertragsgemäße Herstellung des Werks löst zwar die Gegenleistungspflicht des Bestellers aus, das Werk abzunehmen (§640 Abs.1 Satz1 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1989 – VII ZR 89/87 – BGHZ 107, 75, 77; Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, §631 Rn. 23. A.A. Peters, in: Staudinger, BGB, 2003, §640 Rn. 42 f. m.w.N.: regelmäßig keine synallagmatische Verknüpfung). Dieser Zusammenhang zwischen der zu erbringenden Werkleistung und der Abnahmeentscheidung ist aber nicht funktionaler Natur. Denn das hergestellte Werk (hier: die vorläufigen Fassungen der Studie) ist nicht Grundlage, sondern Gegenstand der Abnahmeentscheidung. Sein Zweck liegt nicht in der „Vorbereitung“ der Abnahme (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19. Juni 2002 – 21 B 589/02 – NVwZ-RR 2003, 800, 803).

b) Darüber hinaus und dessen ungeachtet sind die Voraussetzungen von §4 Abs.1 Satz2 IFG erfüllt. Danach dienen Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter regelmäßig nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz1. Die Mitglieder der Bietergemeinschaft sind behördenexterne „Dritte“. Die von ihnen erstellten vorläufigen Fassungen sind „Stellungnahmen“.

Stellungnahmen Dritter dienen regelmäßig nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung. Denn die durch sie vermittelten Informationen sind in der Regel Teil des Sachverhalts, nicht aber Teil des durch §4 IFG geschützten behördlichen Prozesses der Willensbildung (Urteil der Kammer vom 26. Juni 2019 – VG 2 K 179.18 – juris Rn. 25; Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, §4 Rn. 41). Es handelt sich um abgrenzbare Erkenntnisse, die die Verfahrensherrschaft der Behörde typischerweise nicht beeinträchtigen (BT-Drs. 15/4493 S.12). So liegt der Fall hier.

Die vorläufigen Fassungen der Studie lassen sich ohne Weiteres von dem behördlichen Entscheidungsprozess abgrenzen. Anhaltspunkte für einen atypischen Einzelfall, in dem ausnahmsweise ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Stellungnahme und der behördlichen Entscheidung gegeben ist, liegen nicht vor. Nach dem Vortrag der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung haben die Mitglieder der Bietergemeinschaft ihre Arbeitsergebnisse dem BMFSFJ in schriftlicher und elektronischer Form vorgelegt. Die Sachbearbeiter des BMFSFJ haben die vorläufigen Fassungen der Studie durchgelesen. Nach ihrer Auffassung fehlte ihnen die Einheitlichkeit, Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit. Sie genügten nicht den wissenschaftlichen Standards des BMFSFJ. Aus diesem Grund haben die Sachbearbeiter des BMFSFJ die Unterlagen durchgearbeitet und mit Post-It-Anmerkungen versehen. Sie haben ihre Anmerkungen in E-Mails an die Mitglieder der Bietergemeinschaft zusammengefasst, die daraufhin die Studienergebnisse überarbeitet haben.

Danach liegt die Erstellung der Studie (weiterhin) im Verantwortungsbereich der Bietergemeinschaft, während der Beitrag des BMFSFJ auf die Durchsicht und Kommentierung der vorläufigen Fassungen der Studie beschränkt ist. Der Verantwortungsbereich der Bietergemeinschaft ist von dem Verantwortungsbereich der Behörde abgrenzbar. Die vorläufigen Fassungen der Studie, zu denen der Kläger alleine Zugang begehrt, unterliegen nicht der Verfahrensherrschaft des BMFSFJ.

Der Einwand der Beklagten, §4 Abs.1 Satz2 IFG sei nicht anwendbar, weil die vorläufigen Fassungen der Studie bloße Entwürfe seien, verfängt nicht. Denn auch (und gerade) im Entwurfsstadium sind Gutachten und Stellungnahmen Dritter von der Verfahrensherrschaft der Behörde abgrenzbar.

  1. Der Schutz geistigen Eigentums steht dem Informationszugang ebenfalls nicht entgegen. Gemäß §6 Satz1 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Der Begriff des „geistigen Eigentums“ erfasst den gewerblichen Rechtsschutz (Markenrecht, Patentrecht, Gebrauchs- und Geschmacksmusterrecht) und das Urheberrecht (BT-Drs. 15/4493, S.14). Das Urheberrecht schützt nach §1 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, Urheberrechtsgesetz - UrhG - jedes Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Zu den geschützten Werken gehören insbesondere Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme (§2 Abs.1 Nr.1 UrhG). Das Urheberrecht steht der begehrten Akteneinsicht nicht entgegen.

a) Die Beklagte hat nicht zur Überzeugung des Gerichts (§108 Abs.1 Satz1 VwGO) dargelegt, dass es sich bei den vorläufigen Fassungen der Studie um urheberrechtlich geschützte Werke handelt. Gemäß §2 Abs.2 UrhG genießen nur persönliche geistige Schöpfungen Urheberrechtsschutz. Nach dem maßgeblichen unionsrechtlichen Werkbegriff muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung in einem mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand zum Ausdruck bringen. Originalität ist dann gegeben, wenn der Gegenstand die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt. Daran fehlt es, wenn die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde; Arbeitsaufwand oder bedeutende Sachkenntnis, die in die Gestaltung eingeflossen sind, genügen demnach nicht. Weist ein Gegenstand die erforderlichen Merkmale auf, muss er als Werk urheberrechtlich geschützt werden. Dabei hängt der Umfang dieses Schutzes nicht vom Grad der schöpferischen Freiheit seines Urhebers ab (BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 – BVerwG 7 C 1.18 – GRUR 2020, 189 Rn. 22).

Die – insoweit darlegungspflichtige Beklagte – hat nicht dargetan, dass die vorläufigen Fassungen der Studie die Persönlichkeit ihrer Urheber widerspiegeln, indem sie deren freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringen. Die Beklagte trägt zwar vor, es handele sich um individuelle Darstellungen der erhobenen Daten und deren Auswertung, die sprachlich selbstständig gestaltet seien. Es ist aber nicht erkennbar, an welchen Stellen der vorläufigen Fassungen der Studie in welcher Form die Originalität zum Ausdruck kommt. Jedenfalls in dieser Pauschalität ist der Werkscharakter auch nicht plausibel. Denn nach dem Vortrag der Beklagten besteht die in dem dritten Kapitel enthaltene Basisstudie, die zugleich den Kern der Studie darstellt, noch ganz überwiegend aus einer bloßen Deskription der Ergebnisse. Nur zu ausgewählten Einzelaspekten seien die empirischen Erkenntnisse statistisch analysiert worden. Bei der bloßen Wiedergabe erhobener Daten liegt die Annahme einer eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers jedenfalls nicht auf der Hand.

b) Darüber hinaus stünde das Urheberrecht der begehrten Akteneinsicht nicht entgegen. Gemäß §8 Abs.1 des zwischen der Bietergemeinschaft und dem BMFSFJ geschlossenen Werkvertrags räumt die Auftragnehmerin der Auftraggeberin unter Ausschluss der Vorbehalte des §37 UrhG das ausschließliche, ohne die Zustimmung des Urhebers übertragbare und räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkte Nutzungsrecht an allen urheberrechtlich geschützten Arbeitsergebnissen ein (Satz1). Das Nutzungsrecht umfasst insbesondere die in §15 und §88 UrhG genannten Nutzungsarten sowie die Einwilligung in die Veröffentlichung und Verwertung von Bearbeitungen (Satz2). Entgegen der Auffassung der Beklagten erstreckt sich die Einwilligung in die Veröffentlichung und die Übertragung der Nutzungsrechte auf die vorläufigen Fassungen der Studie. Eine Beschränkung der Klausel auf die finale Fassung der Studie ist mit ihrem Wortlaut nicht vereinbar. Dieser erfasst ausdrücklich „alle urheberrechtlich geschützten Arbeitsergebnisse“. Auch §8 Abs.4 des Werkvertrags spricht gegen eine einschränkende Auslegung. Danach gelten die Absätze 1 bis 3 für den Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung entsprechend für die bereits fertig gestellten Teile des Werkes. Schließlich zwingt der Umstand, dass die Einräumung der Nutzungsrechte (auch) im Hinblick auf die geplante Veröffentlichung der Studie durch das BMFSFJ (§8 Abs.2a des Werkvertrags) erfolgte, zu keinem anderen Ergebnis. Denn es ist nicht erkennbar, dass die beabsichtigte Veröffentlichung der finalen Fassung den alleinigen Zweck der Übertragung bzw. Einwilligung darstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §167 Abs.1 Satz1, Abs.2 VwGO in Verbindung mit §708 Nr.11, §711 der Zivilprozessordnung.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstands wird gemäß §§39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf5.000,00 Eurofestgesetzt.