Sehr geehrte<Information-entfernt>
Sie haben mit Nachricht vom 8. März 2020 (unser Az.: A-IR/11100100-IF30333) eine Anfrage nach § 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an das Statistische Bundesamt gerichtet.
Dieser entnehmen wir, dass Sie um die Zusendung der folgenden Informationen bitten:
1. Was wären die notwendigen Voraussetzungen in der Realität der Wirklichkeit für ein funktionsfähiges wissenschaftlich qualifiziertes Statistikmodell auf der Höhe der Zeit was als - zentrales Problem - bisher nicht beachtet wurde , für eine konkrete SGB XII und SGB II Regelbedarfsermittlung?
2. Welche Akten Unterlagen, Vorgänge gibt es hierzu ?
3. Wurde durch das Statistische Bundesamt geprüft, ob das Ausgabenverhalten der ausgewählten Bevölkerungsgruppe zu erkennen gebe , „welche Aufwendungen für das menschenwürdige Existenzminimum erforderlich sind“ ?
WEnn ja wie konkret ?
WEnn nein warum nicht ?
4. Das Statistikmodell setzt für seine Funktionsfähigkeit voraus, dass nicht willkürlich Ausgaben-positionen der Referenzgruppe herausgestrichen werden :
Wie konkret wurde methodisch ausgeschlossen , dass sich in der Referenzgruppe Personen(-gruppen) befinden, die auf demselben oder womöglich sogar geringeren materiellen Niveau leben wie die Grundsicherungsbeziehende?
5. Wer stellte den ersten "original Warenkorb" zusammen?
6. Wann wurde der "Warenkorb" als soziokulturelles Existenzminimum" zusammengestellt?
7. Bitte übersenden Sie mir die Tabelle zur Datenerfassung, einschließlich aller Abänderungen.
8. Bitte listen sie alle Kürzungen bis zum Jahr 2020 konkret und detailliert mit Datum der jeder Änderung auf.
Zu Ihrer Anfrage teilen wir Ihnen nach Rücksprache mit den zuständigen Fachabteilungen das Folgende mit:
Zu 1. - 3.:
Im Rahmen von Anträgen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ist es nicht möglich, in fachlichen Diskurs mit Behörden zu treten. Begehrt werden können nur vorhandene amtliche Informationen.
Die im fünfjährigen Turnus stattfindende Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) stellt gemäß dem Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – RBEG) die gesetzliche Datenbasis bzw. die Berechnungsgrundlage für die jeweilige Festlegung der Regelsätze bzw. des regelsatzrelevanten Verbrauchs dar. Das zur Ermittlung der jeweiligen Regelsätze gemäß RBEG angewendete Berechnungsverfahren wurde und wird federführend vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) entwickelt und unterliegt ausschließlich dessen Zuständigkeit. Entsprechend dieses Berechnungsverfahrens gibt das BMAS beim Statistischen Bundesamt (StBA) Sonderauswertungen der EVS in Auftrag, die das StBA lediglich im Auftrag des Kunden BMAS durchführt. Das StBA ist somit nicht für die Festlegung der Regelbedarfssätze zuständig. Zuständig ist hierfür allein das BMAS.
Nähere Auskünfte zum Berechnungsverfahren auf Grundlage der EVS sind deshalb ausschließlich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu richten:
https://www.bmas.de/DE/Service/Kontak...
Dies gilt auch für Fragen zum Existenzminimum.
Zu 4.:
Wir verweisen zunächst auf die Antwort zu 1. - 3.
Dem Statistischen Bundesamt sind keine internen Vorgänge oder Akten bekannt, in denen die EVS 2018 als wissenschaftlich nicht geeignet für die Bemessung der Regelbedarfe angesehen wird. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 09.02.2010 (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 - Fundstelle: BVerfGE 125, 175 - 260) bestätigt, dass die EVS die geeignete Grundlage für die Bemessung der Regelbedarfe ist.
Wie im RBEG festgelegt ist, werden die Referenzgruppen wie folgt gebildet:
Bei den Einpersonenhaushalten aus den 15 Prozent der Haushalte und bei Familienhaushalten aus den 20 Prozent der Haushalte mit den jeweils niedrigsten Einkommen. Dabei werden vorab die Haushalte ausgeschlossen, die nicht erwerbstätig sind und Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II oder SGB XII erhalten (ALG II, Sozialgeld, Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung). Hierdurch werden Zirkelschlüsse "nach unten" in dem Sinne vermieden, dass sich der Bedarf von Hilfebedürftigen nicht an ebenfalls Hilfebedürftigen orientiert.
Zu 5.:
Für die Beantwortung dieser Fragestellung liegt die Zuständigkeit nicht bei der amtlichen Statistik, sondern beim BMAS, das Ihnen hierzu sicherlich weitere Informationen liefern kann.
Wir verweisen zudem auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 - Fundstelle: BVerfGE 125,175 - 260).
Darin heißt es:
"„Seit Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes am 1. Juni 1962 setzten die Landesbehörden die Regelsätze zunächst nach einem Warenkorbmodell fest. Grundlage bildete ein vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge konzipierter Warenkorb, der sich an den Lebens- und Verbrauchsgewohnheiten unterer Einkommensgruppen orientierte.“
Zu 6.:
Für die Beantwortung dieser Fragestellung liegt die Zuständigkeit nicht bei der amtlichen Statistik, sondern beim BMAS, das Ihnen hierzu sicherlich weitere Informationen liefern kann.
Wir verweisen zudem auf die Begründung im Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.
Darin heißt es u. a.:
„In seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2010 hat das Bundesverfassungsgericht die Anforderungen an die Bedarfsbemessung bei der Ausgestaltung des Existenzminimums sowie den Umfang des Anspruchs auf ein menschenwürdiges Existenzminimum konkretisiert.
• Der verfassungsrechtliche Anspruch ist durch einen gesetzlichen Leistungsanspruch zu sichern, der stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers decken muss.
• Die Höhe dieses Anspruchs hängt von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation hilfebedürftiger Personen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und auch technischen Gegebenheiten ab.
• Dem Gesetzgeber steht bei der Konkretisierung des Existenzminimums ein Gestaltungsspielraum zu, der die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasst. Sein Gestaltungsspielraum ist enger, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben geht.
• Voraussetzung ist, dass der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also realitätsgerecht bemisst. Hierzu hat er zunächst die Bedarfsarten sowie die dafür aufzuwendenden Ausgaben zu ermitteln und auf dieser Basis die Höhe des Gesamtbedarfs zu bestimmen.
• Für die Ermittlung von Bedarfsarten ist keine bestimmte Methode vorgeschrieben; der Gesetzgeber darf sie vielmehr im Rahmen der Tauglichkeit und Sachgerechtigkeit selbst auswählen. Abweichungen von der gewählten Methode bedürfen der sachlichen Rechtfertigung.
• Das verwendete Statistikmodell stellt eine geeignete Methode dar. In seiner Entscheidung von 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die Regelbedarfsermittlung zum 1. Januar 2011 als verfassungsgemäß bestätigt: Die Vorgaben für die Bestimmung der Leistungshöhe genügten derzeit den Anforderungen an eine sachangemessene Berechnung der Leistungshöhe. Dabei hat der Gesetzgeber nach Auffassung des Gerichts für sich genommen vertretbare und verfassungsrechtlich zulässige Wertentscheidungen zur Herausnahme einzelner Verbrauchsausgaben getroffen, die in der Summe nicht zu einem evident unzureichenden Leistungsanspruch führen.“
Zu 7.:
Die Gegenüberstellung der regelsatzrelevanten Einzelpositionen von 2003 und 2008 finden Sie unter dem folgenden Link:
https://www.bmas.de/SharedDocs/Downlo...
Für die folgenden Jahre liegt uns keine solche Gegenüberstellung vor.
Die Tabellen zur Neubemessung der Regelsätze auf Basis der EVS 2013 sind im Anhang (ab S. 111) des Gesetzentwurfs zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch enthalten. Den Gesetzentwurf finden Sie unter:
https://www.bmas.de/SharedDocs/Downlo...
Zu 8.:
Soweit Sie Streichungen von früher regelsatzrelevanten Ausgabekategorien meinen, bitten wir Sie unter Bezugnahme auf die Ausführungen zu 1. - 3., sich an das BMAS zu wenden.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erheben. Der Widerspruch ist beim Statistischen Bundesamt Wiesbaden einzulegen. Dafür stehen Ihnen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
1. Schriftlich oder zur Niederschrift:
Der Widerspruch kann schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt werden. Die Anschrift lautet: Gustav- Stresemann-Ring 11, 65189 Wiesbaden
2. Auf elektronischem Weg:
Der Widerspruch kann auch durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach dem De-Mail-Gesetz erhoben werden. Die De-Mail-Adresse lautet:
<<E-Mail-Adresse>>
Mit freundlichen Grüßen