Änderung der Rechtsauslegung in den FW zu §§ 40, 41a SGB II

Bezugnehmend auf die Fachlichen Weisungen zu §§ 40, 41a SGB II in der Fassung vom 28.04.2023 bitte ich um Zusendung sämtlicher amtlicher Informationen i.S.d. § 2 IFG, die erkennen lassen, weswegen bei den unten aufgeführten Änderungen die Bundesagentur für Arbeit Ihre Auslegung der Rechtslage zu § 40 Abs. 1 S. 1 - 3 geändert hat, insbesondere in Hinblick auf:
- die separate Betrachtung von Überzahlungen in unterschiedlichen BWZ, wohingegen in der vorherigen Fassung der FW Überzahlungen aus verschiedenen BWZ gemeinsam betrachtet wurden
- die nicht monatsübergreifende Saldierung von Überzahlungen mit erhöhten Leistungsansprüchen
- die Anwendung des Individuals- und Monatsprinzips entgegen der vorherigen Fassung der FW

Änderungen von Interesse:
- Rz 40.5: Anpassung der Beispiele 5 und 6; es erfolgt keine bewilligungszeitraumübergreifende Betrachtung.
- Rz 40.7: Klarstellung, dass nur Überzahlungen aufsummiert werden können und keine monatsübergreifende Saldierung mit Nachzahlungen erfolgt.
- Rz 40.8: Erklärung des Begriffs „Prüffall“.
- Rz 40.10 f.: Anpassung und Ergänzung veranschaulichender Beispiele. Die BWZ sind – unter Berücksichtigung des Individual- und des Monatsprinzips – jeweils getrennt voneinander zu betrachten.
- Rz 40.13: Berücksichtigung weiterer „Umstände“ nach vorangegangener Anwendung der Bagatellgrenze; keine Berücksichtigung früherer Anwendung der Bagatellgrenze.

Ergebnis der Anfrage

Mit dem Bürgergeld-Gesetz wurde zum 01.01.2023 eine Bagatellgrenze in §40 Abs. 1 Staz 3 - 5 eingeführt.

Die Bagatellgrenze sieht vor, dass Jobcenter auf die Aufhebung von Bescheiden verzichten müssen, wenn sich Erstattungsforderungen von insgesamt weniger als 50€ für die gesamte Bedarfsgemeinschaft ergeben würden. Davon verspricht sich die Bundesregierung eine Verwaltungsvereinfachung.

Die Gesetzesbegründung sieht eine pauschale Gegenüberstellung aller zum Prüfungszeitpunkt bekannten Erstattungs- und Nachzahlungsansprüche vor. Nur wenn der Erstattungsanspruch nach Abzug der Nachzahlungsansprüche mindestens 50€ ergibt, ist die Aufhebung der jeweiligen Bescheide zulässig. Diese Auffassung spiegelt sich in verschiedenen Kommentaren zu § 40 Abs. 1 Satz 3 - 5 wieder und entsprach bis zum 28.04.2023 auch der von der BA in Ihren Fachlichen Weisungen vertretene Rechtsansicht.

In Ihren neuen Fachlichen Weisungen vom 28.04.2023 hat die BA Ihre Rechtsposition geändert, teils zum erheblichen Nachteil der Leistungsberechtigten.

Anstatt alle zum Prüfungszeitpunkt bekannten Erstattungs- und Nachzahlungsansprüche miteinander zu verrechnen, wird bei der Saldierung nur der jeweilige Bewilligungszeitraum betrachtet. Zudem ist es nun nicht mehr möglich Nachzahlungsaussprüche mit Erstattungsansprüchen aus anderen Monaten zu verrechnen und auch eine personenübergreifende Saldierung scheidet laut den Fachlichen Weisungen aus. Eine monats- und personenübergreifende Addierung der Erstattungsansprüche erfolgt allerdings. Dies begründet die BA mit dem Monats- und Individualprinzip.

Das Monats- und Individualprinzip bezieht sich jedoch i.d.R. auf die Leistungsberechnung. Sinn und Zweck der Bagatellgrenze ist allerdings keine modifizierte Leistungsberechnung, sondern eine pauschale Saldierung verschiedener Ansprüche. Die Begrenzung auf Bewilligungszeiträume, Monat
e und Personen widerspricht dem Wortlaut und Zweck der Gesetzesbegründung, da dadurch gerade keine pauschale Saldierung erfolgt.

Auf diese Änderungen angesprochen begründete die BA ihre Rechtsauffassung wie folgt:

Die auf den Bewilligungszeitraum beschränkte Anwendung der Bagatellgrenze wurde eingeführt, da "die Bescheidung der bewilligungszeitraumübergreifenden Saldierung im Einzelfall zu praktischen Hürden" führte.

Die personenübergreifende Saldierung führte zu rechtlichen Bedenken und "wurde im Hinblick auf das Individualprinzip geschärft".

In beiden Fällen werden die Änderungen mit Erfahrungen aus der Praxis begründet. Dies erweckt den Eindruck, dass anstatt einer rechtskonformen Auslegung eine möglichst verwaltungsfreundliche gewählt wurde. Auf den Konflikt zwischen den Fachlichen Weisungen und dem Wortlaut der Norm, der Gesetzesbgeründung und der juristischen Fachliteratur ist die BA bisher nicht eingegangen.

Ich habe bei der BA nochmal nachgefragt, welche rechtlichen Bedenken zu den Änderungen in den Fachlichen Weisungen geführt haben und wie der Konflikt zwischen der juristischen Fachliteratur und der Position der BA begründet wird. Zu den Nachfragen wollte dir BA jedoch keine Stellung nehmen, da auf rechtliche Stellungsnahmen kein Anspruch nach dem IFG besteht.

Anfrage teilweise erfolgreich

  • Datum
    1. Juli 2023
  • Frist
    5. August 2023
  • 3 Follower:innen
<< Anfragesteller:in >>
Antrag nach dem IFG/UIG/VIG Guten Tag, bitte senden Sie mir Folgendes zu: Bezugnehmend auf die Fachlichen Weisu…
An Bundesagentur für Arbeit Details
Von
<< Anfragesteller:in >>
Betreff
Änderung der Rechtsauslegung in den FW zu §§ 40, 41a SGB II [#282900]
Datum
1. Juli 2023 12:45
An
Bundesagentur für Arbeit
Status
Warte auf Antwort — E-Mail wurde erfolgreich versendet.
Antrag nach dem IFG/UIG/VIG Guten Tag, bitte senden Sie mir Folgendes zu:
Bezugnehmend auf die Fachlichen Weisungen zu §§ 40, 41a SGB II in der Fassung vom 28.04.2023 bitte ich um Zusendung sämtlicher amtlicher Informationen i.S.d. § 2 IFG, die erkennen lassen, weswegen bei den unten aufgeführten Änderungen die Bundesagentur für Arbeit Ihre Auslegung der Rechtslage zu § 40 Abs. 1 S. 1 - 3 geändert hat, insbesondere in Hinblick auf: - die separate Betrachtung von Überzahlungen in unterschiedlichen BWZ, wohingegen in der vorherigen Fassung der FW Überzahlungen aus verschiedenen BWZ gemeinsam betrachtet wurden - die nicht monatsübergreifende Saldierung von Überzahlungen mit erhöhten Leistungsansprüchen - die Anwendung des Individuals- und Monatsprinzips entgegen der vorherigen Fassung der FW Änderungen von Interesse: - Rz 40.5: Anpassung der Beispiele 5 und 6; es erfolgt keine bewilligungszeitraumübergreifende Betrachtung. - Rz 40.7: Klarstellung, dass nur Überzahlungen aufsummiert werden können und keine monatsübergreifende Saldierung mit Nachzahlungen erfolgt. - Rz 40.8: Erklärung des Begriffs „Prüffall“. - Rz 40.10 f.: Anpassung und Ergänzung veranschaulichender Beispiele. Die BWZ sind – unter Berücksichtigung des Individual- und des Monatsprinzips – jeweils getrennt voneinander zu betrachten. - Rz 40.13: Berücksichtigung weiterer „Umstände“ nach vorangegangener Anwendung der Bagatellgrenze; keine Berücksichtigung früherer Anwendung der Bagatellgrenze.
Dies ist ein Antrag auf Zugang zu amtlichen Informationen nach § 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (IFG) sowie § 3 Umweltinformationsgesetz (UIG), soweit Umweltinformationen im Sinne des § 2 Abs. 3 UIG betroffen sind, sowie § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (VIG), soweit Informationen im Sinne des § 1 Abs. 1 VIG betroffen sind. Sollte der Informationszugang Ihres Erachtens gebührenpflichtig sein, möchte ich Sie bitten, mir dies vorab mitzuteilen und detailliert die zu erwartenden Kosten aufzuschlüsseln. Meines Erachtens handelt es sich um eine einfache Auskunft. Gebühren fallen somit nach § 10 IFG bzw. den anderen Vorschriften nicht an. Auslagen dürfen nach BVerwG 7 C 6.15 nicht berechnet werden. Sollten Sie Gebühren veranschlagen wollen, bitte ich gemäß § 2 IFGGebV um Befreiung oder hilfsweise Ermäßigung der Gebühren. Ich verweise auf § 7 Abs. 5 IFG/§ 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 UIG/§ 4 Abs. 2 VIG und bitte Sie, mir die erbetenen Informationen so schnell wie möglich, spätestens nach Ablauf eines Monats zugänglich zu machen. Kann diese Frist nicht eingehalten werden, müssen Sie mich darüber innerhalb der Frist informieren. Ich bitte Sie um eine Antwort per E-Mail gemäß § 1 Abs. 2 IFG. Ich widerspreche ausdrücklich der Weitergabe meiner Daten an behördenexterne Dritte. Sollten Sie meinen Antrag ablehnen wollen, bitte ich um Mitteilung der Dokumententitel und eine ausführliche Begründung. Ich möchte Sie um eine Empfangsbestätigung bitten und danke Ihnen für Ihre Mühe! Mit freundlichen Grüßen << Antragsteller:in >> << Antragsteller:in >> Anfragenr: 282900 Antwort an: <<E-Mail-Adresse>> Laden Sie große Dateien zu dieser Anfrage hier hoch: https://fragdenstaat.de/a/282900/ Postanschrift << Antragsteller:in >> << Antragsteller:in >> << Adresse entfernt >> << Adresse entfernt >>
Mit freundlichen Grüßen << Anfragesteller:in >>
Bundesagentur für Arbeit
Guten Tag << Antragsteller:in >> vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Fachlichen Weisungen zu den §§ …
Von
Bundesagentur für Arbeit
Betreff
AW: Anfrage IFG Änderung der Rechtsauslegung in den FW zu §§ 40, 41a SGB II [#282900]
Datum
14. Juli 2023 14:23
Status
Anfrage abgeschlossen
Guten Tag << Antragsteller:in >> vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Fachlichen Weisungen zu den §§ 40, 41a SGB II wurden im Wesentlichen im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut sowie Erkenntnisse aus der Praxis überarbeitet. Dem lagen folgende Erwägungen zu Grunde. • Die Anpassungen der Fachlichen Weisungen zur Bagatellgrenze erfolgten aufgrund erster Erkenntnisse in der Praxis im Rahmen der Umsetzung. So führte die Bescheidung der bewilligungszeitraumübergreifenden Saldierung im Einzelfall zu praktischen Hürden. • Die Formulierungen wurden im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut nochmals konkretisiert und es wurden auch die zwischenzeitlich aufgetretenen Anwendungsfälle bzw. Erfahrungen der Praxis dabei mitberücksichtigt. So führte die Formulierung der personenübergreifenden Saldierung in der vorherigen Fassung der Fachlichen Weisungen zu rechtlichen Bedenken und wurde im Hinblick auf das Individualprinzip geschärft. Mit freundlichen Grüßen
<< Anfragesteller:in >>
Guten Tag, vielen Dank für Ihre zügige Antwort. Bezugnehmend auf Ihre Ausführungen habe ich noch eine Nachfrage:…
An Bundesagentur für Arbeit Details
Von
<< Anfragesteller:in >>
Betreff
AW: Anfrage IFG Änderung der Rechtsauslegung in den FW zu §§ 40, 41a SGB II [#282900]
Datum
14. Juli 2023 16:40
An
Bundesagentur für Arbeit
Status
E-Mail wurde erfolgreich versendet.
Guten Tag, vielen Dank für Ihre zügige Antwort. Bezugnehmend auf Ihre Ausführungen habe ich noch eine Nachfrage: Der Verzicht auf eine bewilligungszeitraumübergreifende Saldierung und die Anwendung des Monats- und Individualprinzips haben teilweise erhebliche Auswirkungen darauf, ob die Bagatellgrenze zur Anwendung kommt, was sich auch zum Nachteil Leistungsberechtiger auswirken kann. Der Wortlaut der Norm und insbesondere deren Gesetzesbegründung sehen jedoch eindeutig eine pauschale Gegenüberstellung aller zum Prüfungszeitpunkt bekannter Ersatz- und Nachzahlungsansprüche vor. Die Anwendung des Monats- und Individualprinzips scheint fragwürdig, da die Norm keine modifizierte Leistungsberechnung vorsieht sondern lediglich eine pauschale Saldierung verschiedener Ansprüche und für die Beschränkung der Saldierung auf einen BZW scheint es erst Recht keine Rechtsgrundlage zu geben. Die Fachliteratur zur Bagatellgrenze geht ebenso von einer pauschalen Saldierung zum Prüfungszeitpunkt aus. Wie begründet die BA diese Abweichung von der in der Gesetzesbegründung vorgesehenen pauschalen Saldierung? Welche rechtlichen Bedenken traten bei der personenübergreifenden Saldierung auf? Und wie kommt es, dass die BA nun eine Rechtsauffassung vertritt, die der Fachliteratur zur Bagatellgrenze und der Gesetzesbegründung widerspricht? Mit freundlichen Grüßen << Antragsteller:in >> << Antragsteller:in >> Anfragenr: 282900 Antwort an: <<E-Mail-Adresse>> Laden Sie große Dateien zu dieser Anfrage hier hoch: https://fragdenstaat.de/a/282900/
<< Anfragesteller:in >>
Guten Tag, vorsorglich stelle ich hiermit einen neuen Antrag auf Auskunftserteilung nach dem IFG bzgl. der Nachfr…
An Bundesagentur für Arbeit Details
Von
<< Anfragesteller:in >>
Betreff
AW: Anfrage IFG Änderung der Rechtsauslegung in den FW zu §§ 40, 41a SGB II [#282900]
Datum
14. Juli 2023 18:08
An
Bundesagentur für Arbeit
Status
E-Mail wurde erfolgreich versendet.
Guten Tag, vorsorglich stelle ich hiermit einen neuen Antrag auf Auskunftserteilung nach dem IFG bzgl. der Nachfragen aus meiner vorherigen E-Mail. Mit freundlichen Grüßen << Antragsteller:in >> << Antragsteller:in >> Anfragenr: 282900 Antwort an: <<E-Mail-Adresse>> Laden Sie große Dateien zu dieser Anfrage hier hoch: https://fragdenstaat.de/a/282900/

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Bundesagentur für Arbeit
Guten Tag << Antragsteller:in >> vielen Dank für Ihre Rückmeldung vom 14.07.2023, mit der Sie Ihren r…
Von
Bundesagentur für Arbeit
Betreff
AW: AW: Anfrage IFG Änderung der Rechtsauslegung in den FW zu §§ 40, 41a SGB II [#282900]
Datum
18. Juli 2023 13:40
Status
Anfrage abgeschlossen
Guten Tag << Antragsteller:in >> vielen Dank für Ihre Rückmeldung vom 14.07.2023, mit der Sie Ihren rechtlichen Standpunkt zur rechtlichen Auslegung der §§ 40, 41 a SGB II darlegen und die BA dazu um Stellungnahme bitten. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) besteht nur ein Anspruch auf Zugang zu bei einer Behörde bereits vorhandenen amtlichen Informationen wie z.B. die Fachlichen Weisungen. Darüber hinaus besteht nach dem IFG kein Anspruch auf die Erstellung und Abgabe rechtlicher Stellungnahmen. Ungeachtet dessen wurden Ihnen bereits mit E-Mail vom 14.07.2023 die wesentlichen Gründe der Überarbeitung der Fachlichen Weisungen zu §§ 40, 41 a SGB II mitgeteilt. Rechtliche Ausführungen zu den einzelnen Aspekten können den Fachlichen Weisungen entnommen werden. Für eine umfassende rechtliche Stellungnahme besteht nach Maßgabe des IFG jedoch kein Raum. Ihrer Anfrage vom 14.07.23 kann daher nicht entsprochen werden. Mit freundlichen Grüßen