Sehr
[geschwärzt],
auf Ihren Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auf Zugang zu amtlichen Informationen des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) vom 19. Juli 2023 ergeht folgender Bescheid:
1. Ich lehne Ihren Antrag ab.
2. Eine Gebühr wird nicht erhoben.
Begründung:
I.
Mit E-Mail vom 19. Juli 2023 bitten Sie unter Bezugnahme auf das IFG um „sämtliche in Ihrem Haus vorliegenden Informationen zu einem (möglichen) Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetz, der laut Medienberichten[1] im BMI befürchtet wird.
[1]:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/innenministerium-bremst-beim-selbstbestimmungsgesetz-die-hintergruende-a-d036ea2b-10fb-4dd0-a23e-0909a9ff9751"
II.
Nach § 1 Absatz 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.
1. Mit Ihrem Antrag begehren Sie die Herausgabe von sämtlichen mi BMJ vorliegenden Informationen zu einem (möglichen) Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes, der laut Medienberichten („Herr oder Frau Ganove" vom 7. Juli 2023, DER SPIEGEL 28/2023) im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) befürchtet wird.
Diese Informationen sind öffentlich verfügbar, soweit in den Medien über sie berichtet wurde. Einen Informationszugang zu diesen Unterlagen lehne ich nach § 9 Absatz 3 IFG ab. Danach kann der Antrag abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Anhaltspunkte, Ihnen öffentlich zugängliche Informationen gleichwohl auf Antrag zugänglich zu machen, liegen nicht vor. Es ist Ihnen ohne Weiteres zumutbar, sich aus öffentlich zugänglichen Quellen zu informieren.
2. Soweit Ihr Antrag darüber hinaus Informationen zu internen Überlegungen des BMI betrifft, die im BMJ vorliegen und die nicht öffentlich zugänglich sind, stehen dem beantragten Informationszugang Ausschlussgründe nach § 3 Nummer 3 Buchstabe b und § 4 Absatz 1 Satz 1 IFG entgegen.
a) Nach § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
Der Beratungsprozess innerhalb der Behörde und zwischen Behörden wird durch § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG geschützt. Vom Begriff der Beratungen im Sinne von § 3 Nummer 3 Buchstabe b IFG ist der Vorgang des gemeinsamen Überlegens, Besprechens bzw. Beratschlagens zu treffender Entscheidungen erfasst (Schoch, IFG,
2. Auflage, § 3 Rn. 175f.). Schutzzweck ist die Gewährleistung eines unbefangenen und freien Meinungsaustauschs sowie einer offenen Meinungsbildung. Eine Beeinträchtigung ist anzunehmen, wenn sich die Preisgabe der Information auf die Verhandlungen bzw. Beratungen behindernd oder hemmend auswirken kann, also nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit hat (Schoch, a.a.O., § 3 Rn. 180, 185).
b) Nach § 4 Absatz 1 Satz 1 IFG soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. § 4 Absatz 1 Satz 1 IFG schützt den behördlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess, mithin die genannten entscheidungsvorbereitenden Maßnahmen, solange die behördlichen Überlegungen und Beratungen noch andauern. Vereitelt wird der Erfolg der Entscheidung, wenn diese bei Offenbarung der Information voraussichtlich überhaupt nicht, mit anderem Inhalt oder wesentlich später zustande käme. (BT-Drucks. 15/4493, S. 12; Schoch, a.a.O., § 4 Rn. 29).
Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien vereinbart, das Transsexuellengesetz abzuschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Der interne Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung zu diesem Vorhaben ist noch nicht abgeschlossen.
Beide Ausschlussgründe sind erfüllt.
Soweit die Herausgabe von internen Überlegungen des BMI begehrt wird, hat dies nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der behördlichen Beratungen im Hinblick auf laufende und künftige Ressortabstimmungen. Der behördliche Willensbildungs- und Entscheidungsprozess wäre gefährdet.
Die Veröffentlichung von noch nicht abgestimmten Überlegungen, Entwürfen oder Teilen davon kann als Versuch gesehen werden, die öffentliche Meinung für eigene Positionen zu mobilisieren. Damit wird das Verhandlungsklima beeinträchtigt.
Der für die Vorlage eines Gesetzentwurfs erforderliche Abstimmungsprozess sowie ein unbefangener und freier Meinungsaustausch inklusive einer offenen Meinungsbildung auf sämtlichen Ebenen einschließlich der Ressortebene wäre erheblich gefährdet, wenn die hierzu vorgenommenen Überlegungen bereits jetzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden würden.
3. Weitergehende Informationen über Befürchtungen des BMI zu einem (möglichen) Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes, über die in den Medien berichtet wurde, liegen dem BMJ nicht vor (zum Beispiel Berichte aus anderen Ländern, die vergleichbare Gesetze bereits eingeführt haben; Erfahrungsberichte bezogen auf die bestehenden gesetzlichen Regelungen;externeGutachten),sodassbereitsaufdiesemGrundeeinInformationszu- gang nach dem IFG ausscheidet.
Gemäß der Legaldefinition in § 2 Nummer 1 IFG handelt es sich bei „amtlicher Information" um "jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung". Eine Voraussetzung für den Zugangsanspruch ist das Vorhandensein der Information bei der Behörde (Schoch, a.a.O., § 2 Rn. 35 f.).
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch beim Bundesministerium der Justiz, Mohrenstraße 37, 10117 Berlin, eingelegt werden.
Mit freundlichen Grüßen
[geschwärzt]
([geschwärzt])