Guten Tag Herr Tiwary,
danke für Ihre Anfrage, die uns die Möglichkeit gibt, den Sachverhalt korrekt darzustellen:
1. Warum hat das Landratsamt den Sachverhalt nicht transparenter aufgearbeitet und versucht die gezahlte Summe von über 800000€ geheim zu halten?
Es ist nicht zutreffend, dass das Landratsamt die Kosten im Zusammenhang mit der Anmietung und geplanten Ertüchtigung zur Gemeinschaftsunterkunft per se geheim gehalten hätte. Nicht benannt wurde der mit dem Vermieter vereinbarte Mietzins. Es galt, die Interessen des Vertragspartners sowie die Verhandlungsposition der Kreisverwaltung gegenüber weiteren möglichen Vermietern zu schützen. Hierzu gab es unterschiedliche Rechtsauffassung, die der Südkurier gerichtlich klären ließ. Ab Klagebeginn war das Landratsamt sogar gehalten, keine Daten zu veröffentlichen, da es sich nun um ein laufendes juristisches Verfahren handelte.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat in seiner Urteilsbegründung bestätigt, dass es keine pauschale Auskunftspflicht über solche privatrechtlichen Vertragsdetails gibt. Nun, nachdem das Projekt abgeschlossen ist, bestehe eine Auskunftspflicht gegenüber der Presse in diesem Einzelfall. Dem ist der Landkreis vollumfänglich nachgekommen, nachdem das Urteil rechtskräftig war. Über die Höhe der veranschlagten Sanierungskosten sowie alle anderen Umstände und Kosten der geplanten Gemeinschaftsunterkunft hat das Landratsamt seit Projektbeginn mit dem jeweils bekannten Stand der Presse gegenüber Auskunft gegeben.
2. Zu welchen Zeitpunkten wurde der Kreistag und dessen Ausschüsse über die Anmietung des Hotels informiert, welche Unterlagen wurden den Kreisrät:innen bereitgestellt?
Der Ausschuss für Finanzen, Verwaltung und Kultur wurde am 11.2.2016 über die Anmietung und am 7.7.2021 über die Auflösung des Mietvertrages informiert. Beide Sitzungen waren nichtöffentlich, weil die Belange Dritter berührt waren. In den Sitzungsunterlagen wurde der jährliche Mietzins bzw. die vereinbarte Abstandszahlung benannt.
3. Welche Ambitionen gab es seitens des Landratsamtes, eine andere Nutzung des Hotels zu ermöglichen? Wurden dazu Gespräche mit der Gemeinde Sipplingen geführt?
Die Anmietung erfolgte durch das Landratsamt als untere staatliche Verwaltungsbehörde im Auftrag und Abstimmung mit dem Land, das letztlich auch Kostenträger der vorläufigen Unterbringung ist. Als die Baugenehmigung Mitte 2016 vorlag, war der Geflüchteten-Zustrom durch die internationale Politik überraschend nahezu gestoppt worden. Die Zuweisungen Geflüchteter an den Landkreis ging ebenfalls schlagartig stark zurück. Sie Mitte 2017 hat das Land die Kreise aufgefordert, Unterbringungskapazitäten wieder abzubauen. Aus diesem Grund wurde die Sanierung und Ertüchtigung des Objekts zunächst zurückgestellt, sodass die eingeplanten Investitionskosten nicht angefallen sind. Außerdem hat die Kreisverwaltung seit Anfang 2018 mit dem Vermieter über die Beendigung des Mietvertrages verhandelt. Auch mit der Gemeindeverwaltung wurden Gespräche über eine Nutzungsübernahme geführt, was für diese jedoch nicht in Betracht kam.
4. Warum ist der Mietvertrag vor Abschluss der denkmal- und baurechtlichen Prüfung unterzeichnet worden?
Die in Teilen der Presse verbreitete Information, das Landratsamt hätte das Objekt unbesehen angemietet, ist nicht korrekt. Selbstverständlich wurde das Objekt vorher geprüft. Bevor der Mietvertrag Ende November 2015 unterzeichnet wurde, hat die Kreisverwaltung den ehemaligen Gasthof in mehreren Terminen im Oktober und Anfang November 2015 durch Baufachleute besichtigt und die Bausubstanz bewertet. Es wurde auch ein Brandschutzgutachten erstellt. Dem Landkreis war in den Vertragsverhandlungen also bekannt, in welchem Zustand sich das Gebäude befand. Es war klar, dass zur Ertüchtigung Investitionen von mehreren Hunderttausend Euro anstehen. Das wurde auch bei der Bestimmung des monatlichen Mietpreises berücksichtigt.
Eine Ausstiegsklausel war für den Fall vereinbart, dass eine Nutzungsgenehmigung versagt würde, aus welchen Gründen auch immer. Dieser Fall ist aber nicht eingetreten, die Baugenehmigung wurde Mitte 2016 durch die Baurechtsbehörde der Stadt Überlingen erteilt. Einer allgemeinen Ausstiegsklausel hat der Vermieter nicht zugestimmt. Hätte der Kreis auf einem einseitigen Rücktrittsrecht bestanden, wäre der Vertrag nicht zustande gekommen und die Kreisverwaltung hätte auf die Möglichkeit verzichtet, rund 40 dringend benötigte Plätze für Asylsuchende einzurichten.
Die Jahre 2014 und 2015 waren für den Bodenseekreis geprägt von einer stetig wachsenden Anzahl an vom Land zugewiesenen Asylbewerbern, in der Spitze bis zu 400 Personen pro Monat. Anfang 2016 hatte der Bodenseekreis 27 Gemeinschaftsunterkünfte in Betrieb, daneben waren 17 Unterkünfte in der Fertigstellung zur Übergabe. Weiterhin wurden sieben Notunterkünfte (mehrere in Sporthallen) betrieben und elf Wohnungen angemietet. In dieser Krisensituation – ganz ähnlich wie aktuell – musste eine Entscheidung getroffen werden. Die Kreisverwaltung war dringend darauf angewiesen, Plätze in regulären Gemeinschaftsunterkünften zu schaffen, um weitere Notunterkünfte in Turnhallen zu vermeiden bzw. die bestehenden bald wieder auflösen zu können.
Für eine kurze Bestätigung des Erhalts dieser Mail bin ich Ihnen dankbar.
Viele Grüße