Sehr geehrte Frau Deleja-Hotko,
mit E-Mail vom 29. März 2022 beantragten Sie u.a. auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG):
„Bitte senden Sie mir Folgendes zu: Das sechsseitige Argumentationspapier zum "Sondervermögen Bundeswehr" vom 26. Oktober 2021, auf welches im folgenden Text des Spiegels verwiesen wird:
https://www.spiegel.de/politik/deutsc... 9c99-308e50dea945.“
Auf Ihren Antrag ergehen folgende Entscheidungen:
1. Ihr Antrag wird abgelehnt.
2. Der Bescheid ergeht kostenfrei.
Gründe:
I.
§ 1 Abs. 1 IFG eröffnet jedermann gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen, sofern keine Ausschlussgründe entgegenstehen. Vorliegend kann offenbleiben, ob antragsgegenständliche Informationen im Bundeskanzleramt überhaupt vorhanden sind. Dem von Ihnen beantragten Informationszugang stünden jedenfalls die Ausschlussgründe des §§ 3 Nr. 1b, Nr. 1c, Nr. 2, Nr. 3b und 4 Abs. 1 IFG entgegen.
§ 3 Nr. 1b IFG Schutz militärischer und sonstiger sicherheitsempfindlicher Belange der Bundeswehr
Dem Informationszugang stünde der Schutz militärischer und sonstiger sicherheitsempfindlicher Belange der Bundeswehr, § 3 Nr. 1b IFG, entgegen. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf Belange militärischer und sonstiger sicherheitsempfindlicher Belange der Bundeswehr haben kann. Militärische Belange der Bundeswehr sind alle Angelegenheiten, die i.S.d. Art. 87a GG die Aufstellung und den Einsatz der Streitkräfte betreffen. Als sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr sind auch zivile Sachverhalte einzuordnen, soweit sie die Qualität eines sicherheitsempfindlichen Belangs aufweisen.
Es liegt auf der Hand, dass der Zugang zu etwaigen antragsgegenständlichen Informationen - im Zusammenhang mit der Bildung und Verwendung eines Sondervermögens für die Bundeswehr - solche nachteiligen Auswirkungen haben kann. Solche Informationen könnten Rückschlüsse auf Ausstattungskonzept und Bedarfe und damit die Wehrfähigkeit der Bundeswehr zulassen. Damit könnten auch
etwaige Ansatzpunkte für Gefährdungen offenlegt werden.
§ 3 Nr. 1c und $3 Nr. 2 IFG Schutz der Belange der inneren, äußeren und öffentlichen Sicherheit
Dem Informationszugang stünde ferner der Schutz der Belange der inneren, äußeren und öffentlichen Sicherheit, §3 Nr. 1 c und §3 Nr. 2 IFG, entgegen. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf Belange der inneren oder äußeren Sicherheit haben kann oder wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann.
Mit den Belangen der inneren und äußeren bzw. öffentlichen Sicherheit werden die freiheitlich demokratische Grundordnung sowie der Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder, einschließlich der Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen, vor Angriffen durch fremde Staaten (äußere Sicherheit) oder durch gewaltsame Aktionen Privater (innere Sicherheit) geschützt. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz von Rechtsgütern mit Verfassungsrang und grundlegender Bedeutung wie Leib, Leben und Freiheit von Personen. Der Anspruch auf Informationszugang ist schon dann ausgeschlossen, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgut haben oder das Bekanntwerden das Schutzgut gefährden kann.
Die Zugänglichmachung von etwaigen Informationen im Sinne Ihres Antrages kann solche nachteiligen Auswirkungen haben. Auf die Ausführungen oben wird Bezug genommen. Mit der Offenlegung von Informationen in Verbindung mit der Entscheidung zur Erhöhung des Verteidigungsetats und der konkreten Verwendung könnten auch etwaige Ansatzpunkte für Gefährdungen für die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen offenlegt werden. Der Informationszugang wäre daher gemäß §3 Nr. 1b, Nr. 1c, Nr. 2 IFG zu versagen.
§§ 3 Nr. 1 b, 4 Abs. 1 IFG Schutz der Beratungen von Behörden und behördlicher Entscheidungsprozesse und Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung
Dem Informationszugang stünde schließlich auch der Schutz behördlicher Beratungen bzw. des behördlichen Entscheidungsprozesses, §§ 3 Nr. 3 lit. b, 4 Abs. 1 IFG entgegen. Danach ist der Informationszugang ausgeschlossen, wenn und solange durch die Bekanntgabe der begehrten Informationen die Beratungen von Behörden beeinträchtigt oder der Erfolg behördlicher Maßnahmen oder Entscheidungen vereitelt werden würde. Geschützt ist dabei nicht nur der Prozess der Willensbildung zwischen verschiedenen Behörden, sondern auch innerhalb einer Behörde (vgl. u.a. VG Berlin, Urteil
vom 09.06.2011, Az. VG 2 K 46/11). Zweck dieser Vorschriften ist es, eine ungestörte Willensbildung zu gewährleisten. Unterschiedliche Auffassungen und Meinungsverschiedenheiten müssen intern geäußert und verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten abgewogen werden können, ohne dass die befassten Stellen befürchten müssen, dass ihr interner Abstimmungsprozess öffentlich wird (vgl.
Schoch, §4 Rn. 11 ff, 2. Auflage 2016). Dieser Prozess soll durch eine etwaige Offenlegung der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen nicht beeinträchtigt werden. Dabei können der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna auch über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen. Eine Zugänglichmachung von etwaigen Informationen im Sinne Ihres Antrages ließe Rückschlüsse auf interne Abläufe und die Meinungsbildung innerhalb des Bundeskanzleramtes und der Bundesregierung und die Vorbereitung von Planungsentscheidungen, insbesondere in Krisensituationen zu. Dies wiederum könnte dazu führen, dass der unbefangene, freie Meinungsaustausch und Entscheidungsprozess innerhalb der Bundesregierung, mit dem Ziel der Gewährleitung einer effektiven, funktionsfähigen und neutralen Entscheidungsfindung in dieser Form, insbesondere bei künftigen ähnlich gelagerten Krisensituationen nicht mehr stattfinden könnte.
Dieses berechtigte schutzwürdige Interesse an einem geschützten Willensbildungs- und Entscheidungsprozess, der einen nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt, wird zudem garantiert durch den nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten Ausschlussgrund des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung. Gemäß § 10 Abs. 1, 3 IFG in Verbindung mit der Informationsgebührenverordnung fallen keine Kosten an.
Mit freundlichen Grüßen