Sehr geehrte Frau Krahl,
auf Ihre Bitte:
"Ich interessiere mich für die Konzepte, inwieweit das Reisen per Bahn innerhalb Europas im Hinblick auf nachhaltiges und umweltschonendes Wirtschaften gefördert werden soll. Nach wie vor ist es so, dass das Reisen per Flugzeug um ein Vielfaches billiger und unkomplizierter ist."
kann ich die derzeitigen zu diesem Themenbereich vorbereiteten inhaltlichen Argumente mitteilen:
Grundsätzlich wird der Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) in Deutschland - auf deutschem Territorium - eigenwirtschaftlich erbracht. Das bedeutet, dass die Eisenbahnunternehmen ihre Tarife kalkulieren und wählen. In den letzten Monaten gab es wegen der Corona-Pandemie allerdings ganz besondere Bedingungen und auch finanzielle Unterstützungen - hinsichtlich der sogenannten Trassenpreise. Allerdings gilt dies auch für andere Verkehrsträger. Es lässt sich daher nicht ohne Weiteres sagen, dass es um ein Vielfaches teurer ist, die Eisenbahn zu nutzen als zu fliegen.
Ergänzend sei noch auf weitere Aspekte hingewiesen, die auf der europäischen Ebene erörtert werden.
Zum Einen ist das die Idee, das Bahnfahren verpflichtend zu machen, wenn es entweder um eine bestimmte Strecke geht - beispielsweise mehr als x-Kilometer - oder um eine bestimmte Reisezeit - beispielsweise Fahrzeiten von x-Stunden. Allerdings besteht eine große Einigkeit überall in Europa darin, dass es statt starrer Vorgaben besser ist, attraktive Angebote vorzusehen, die hinsichtlich Komfort, Flexibilität und Preis konkurrenzfähig sind gegenüber anderen Verkehrsträgern (Luft, Straße).
Zum Anderen gibt es Vorschläge, grenzüberschreitenden Schienenverkehr als gemeinwirtschaftlichen Verkehr zu finanzieren. Das Stichwort ist "public service obligation". Im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs gibt es in Deutschland dieses Modell, wonach die jeweiligen Bedarfsträger in den Bundesländern definieren, was sie benötigen. Es wird dann in einem wettbewerblichen Vergabeverfahren ausgewählt, wer das zu welchen Konditionen erbringt. Grenzüberschreitender Schienenpersonenfernverkehr kann und wird in einigen europäischen Mitgliedsstaaten ebenfalls subventioniert. In Deutschland wird er eigenwirtschaftlich erbracht und es gibt bereits eine Auswahl für die Kunden. Dazu gehört Flixtrain, Railjet, Snalltaget, European Sleeper, um einige zu nennen neben der Deutschen Bahn. Gerade im Bereich des Nachtzugverkehrs gibt es viel Interesse - sowohl der Angebots- als auch der Nachfrageseite und es ist Vieles in Bewegung gekommen, nachdem beispielsweise unter unserem deutschen EU-Ratsvorsitz auf einer Schienenkonferenz im September 2020 in Berlin das TEE 2.0 - Konzept vorgestellt worden ist. Dieses Konzept ist auf großes Interesse auch anderer europäischer Bahnen gestoßen und hat zu einer Reihe von Kooperationen geführt.
Hingewiesen sei auch auf das Stichwort "Deutschlandtakt". Hier ist entscheidend, dass die Verbindungen funktionieren und Fahrzeiten so aufeinander abgestimmt sind, dass Passagiere mehr Verlässlichkeit erhalten für Anschlüsse. Das lässt sich ausweiten auf einen "Europatakt", so dass die europäischen Metropolen regelmäßig miteinander verbunden sind durch Eisenbahnverbindungen.
Schließlich sei noch erwähnt, dass gerade die Verkehrsträger "Luft" und "Schiene" mehr und mehr miteinander kooperieren anstatt nur miteinander im Wettbewerb zu stehen. Bemerkenswert ist das Bemühen, sogenannte Verkehrsknotenpunkte an mehrere Verkehrsträger anzuschließen, um so eine möglichst breite Auswahl für die Passagiere und für die Wirtschaft zu bieten. Das bedeutet konkret, dass gute Anbindungen der Flughäfen an das Straßen- und das Schienennetz vorgesehen sind bzw. umgesetzt sind.
Im Einzelnen gibt es auch deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Ausstattung von Bahnhöfen. Das gilt für Barrierefreiheit, für Serviceinfrastruktur, für Anbindung an den Nahverkehr und für Kooperationen wie z.B. "Carsharing".
Sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene wird auch künftig das Thema CO2-Emissionen, Tarife, externe Kosten und alle weiteren wirtschaftlichen Konditionen im Rahmen der Klimaschutzprogramme erwogen, erörtert und bewertet werden. Es ist zu erwarten, dass es bald weitere Anreize geben wird, Verkehr möglichst nachhaltig und umweltfreundlich zu gestalten. Gerade in einem wettbewerblichen und eigenwirtschaftlichem Rahmen ist die erforderliche Innovationsfreundlichkeit gegeben.
Unterlagen dazu sind auch immer wieder über unsere Internetseite und über die Seiten der europäischen Institutionen zugänglich. Auch die Initiativen der Kommission und der Eisenbahnverkehrsunternehmen greifen das Thema auf. Anfang Juni im Rat der europäischen Verkehrsminister wird auch wieder der internationale Schienenpersonenfernverkehr Thema sein und zwar, wie dieser attraktiver wird und wie Dinge wie die Buchung beispielsweise verbraucherfreundlicher gestaltet werden können.
Dazu können wir sehr gerne in Kontakt bleiben.
Bitte entschuldigen Sie diese sehr verspätete Rückmeldung!
Vielen Dank und beste Grüße