Sehr geehrter Herr Semsrott,
auf Ihren IFG-Antrag vom 12. März 2021 teile ich Ihnen mit, dass eine
Offenlegung des gewünschten Dokuments, selbst wenn es hier vorliegen
würde, nicht in Betracht käme. Dies wird wie folgt begründet:
Der Offenlegung stünde sowohl der Schutz personenbezogener Daten nach §
6 IFG als auch eine Gefährdung des Gemeinwohls nach § 11 IFG entgegen.
1. Nach § 6 Abs. 1 IFG besteht das Recht auf Akteneinsicht nicht, soweit
durch die Akteneinsicht personenbezogene Daten veröffentlicht werden und
der Offenbarung schutzwürdige Belange der Betroffenen entgegenstehen und
das Informationsinteresse (der Allgemeinheit, § 1 IFG) das Interesse der
Betroffenen an der Geheimhaltung nicht überwiegt.
Zwar stehen der Offenbarung personenbezogener Daten nach § 6 Abs. 2 Satz
1 Nr. 1 a) und b) IFG schutzwürdige Belange der Betroffenen in der Regel
nicht entgegen, wenn die Betroffenen zustimmen oder soweit sich aus
einer Akte ergibt, dass die Betroffenen an einem Verfahren beteiligt
sind bzw. dass eine Anzeige oder vergleichbare Mitteilung durch die
Betroffenen gegenüber einer Behörde erfolgt ist, und durch diese Angaben
mit Ausnahme der dort genannten Kerndaten nicht zugleich weitere
personenbezogene Daten offenbart werden. Diese Regelbeispiele entbinden
jedochnicht von der Interessenabwägung nach § 6 Abs. 1 IFG, diehier
zugunsten des Betroffenen ausfallen würde.
Beschwerde führende Personen haben ein überwiegendes schutzwürdiges
Interesse an der vertraulichen Behandlung ihrer personenbezogenen bzw.
personenbeziehbaren Daten. Wer sich als Beschwerde führende Person an
die Datenschutzaufsichtsbehörde, die Berliner Beauftragte für
Datenschutz und Informationsfreiheit (BlnBDI), wendet, muss sich darauf
verlassen können, dass die personenbezogenen bzw. personenbeziehbaren
Daten nicht ohne Einwilligung dieser Person Dritten zugänglich gemacht
werden. Dies ergibt sich insbesondere aus Art. 54 Abs. 2
EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DS-GVO) i. V. m. § 10 Abs. 5 Berliner
Datenschutzgesetz (BlnDSG), wonach die BlnBDI verpflichtet ist, über die
ihr amtlich bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu
bewahren. Diese Verschwiegenheitspflicht gilt nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2
EU-DS-GVO insbesondere dann, wenn eine natürliche Person Verstöße gegen
diese Verordnung meldet. Eine Differenzierung danach, ob die Beschwerde
führende Person eine solche ist, die - wie hier - im öffentlichen Leben
steht oder nicht, ist gesetzlich weder vorgesehen noch im Ermessen der
Datenschutzaufsichtsbehörde.
2. Nach § 11 IFG darf die Akteneinsicht versagt werden, wenn das
Bekanntwerden des Akteninhalts dem Wohle des Bundes oder eines deutschen
Landes schwerwiegende Nachteile bereiten oder zu einer schwerwiegenden
Gefährdung des Gemeinwohls führen würde. Hierunter fallen insbesondere
solche Informationen, bei deren Offenbarung mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit der Bestand sowie die Funktionsfähigkeit des Staates
und seiner Einrichtungen gefährdet würden. Eine solche Gefährdung würde
bei einer Offenbarung personenbezogener Daten von Beschwerde führenden
Personen durch die BlnBDI bestehen, und zwar unabhängig davon, ob es
sich hierbei um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.
Die BlnBDI ist als unabhängige oberste Landesbehörde für die Kontrolle
der Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften, mithin für den
Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1
i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, zuständig. Das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung genießt Verfassungsrang und ist wesentliche Ausprägung
der Menschenwürde und der allgemeinen Handlungsfreiheit. Als
Aufsichtsbehörde unterstützt die BlnBDI die Beschwerde führenden
Personen in der Ausübung ihres Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung und ist darüber hinaus auch darauf angewiesen, Hinweise
von Beschwerde führenden Personen zu Missständen zu erhalten, um ihre
Aufsichtstätigkeit wirksam ausüben zu können. Diese Personen wenden sich
vertrauensvoll an die BlnBDI in dem Wissen, dass ihre personenbezogenen
Daten nicht ohne Einwilligung an Dritte weitergegeben werden. Wäre die
BlnBDI verpflichtet, Einzelheiten einer Beschwerde auch gegen den Willen
des Betroffenen offenzulegen, würden sich künftig kaum noch Beschwerde
führende Personen an die BlnBDI wenden, um Missstände aufzuzeigen, bzw.
würden sie nach entsprechendem Hinweis, dass ihre Beschwerde nicht
geschützt werden kann, von der Bitte um Prüfung einer Eingabe absehen.
Ohne entsprechende Eingaben von Beschwerde führenden Personen wäre die
Aufsichtstätigkeit kaum noch wirksam durchführbar. Die
Funktionsfähigkeit der BlnBDI wäre daher im Falle der Offenbarung
personenbezogener Daten dieser Personen massiv gefährdet. Die Erfüllung
des gesetzlichen Auftrags, das informationelle Selbstbestimmungsrecht zu
schützen, wäre der BlnBDI kaum noch möglich.
Vor diesem Hintergrund könnten wir Ihrem Auskunftsbegehren, selbst wenn
das gewünschte Dokument hier vorliegen würde, nicht stattgeben.
Mit freundlichen Grüßen