Sehr geehrter Herr Semsrott,
MinDirig Dr. Stefan Burbaum
Unterabteilungsleiter Z II
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auf Ihren mit Schreiben vom 14. Juni 2022 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid des
Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) vom 9. Juni 2022 ergeht folgender
Widerspruchsbescheid:
1. Ihr Widerspruch wird zurückgewiesen.
2. Als Widerspruchsführer haben Sie die Kosten des Widerspruchsverfahrens mit Ausnahme
der dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat entstandenen Aufwendungen
zu tragen.
3. Für die Bearbeitung des Widerspruchs wird eine Gebühr in Höhe von 30 Euro erhoben.
Gründe
1.
Mit E-Mail vom 6. Mai 2022 beantragten Sie beim Bundesministerium des Innern und für Heimat
(BMI) auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (!FG) Auskunft zu den einzelnen Beständen
des Portfolios des „Versorgungsfonds des Bundes" sowie der „Versorgungsrücklage des
Bundes" zum 31. Dezember 2020 sowie zum 31. Dezember 2021 mit Angabe der jeweiligen Assetklassen,
Emittenten, Land und Marktwert. Ihrem Antrag wurde mit Bescheid vom 9. Juni 2022
Zustell- und Lieferanschrift: Ingeborg-Drewitz-Allee 4, 10557 Berlin
Verkehrsanbindung: S + U-Bahnhof Hauptbahnhof
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teilweise stattgegeben und die jeweils zehn bzw. zwanzig größten Einzelwerte des jeweiligen
Portfolios sowie eine Übersicht der Assetklassen mit jeweiligen Marktwerten zum 31.12.2020 sowie
zum 31.12.2021 zugänglich gemacht. Weitere Informationen konnten unter Beachtung der
fiskalischen Interessen des Bundes(§ 3 Nr. 6 !FG) und der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Dritter(§ 6 !FG) - hier der mit der Anlage des Vermögens beauftragter Indexanbieter - nicht zugänglich
gemacht werden.
Gegen diesen Bescheid legen Sie mit Schreiben vom 14. Juni 2022 Widerspruch ein und begründen
diesen im Wesentlichen wie folgt:
Für den Ausschlussgrund der Beeinträchtigung fiskalischer Interessen würden lediglich „vage"
mögliche Marktmanipulationen behauptet, ohne hierfür konkrete Anhaltspunkte zu nennen.
Aus der Tatsache, dass die zehn bzw. zwanzig größten „Anlagen" ohnehin veröffentlicht sind und
daraus, dass für den Fonds zur Finanzierung der kemtechnischen Entsorgung (KENFO) alle vergleichbaren
Informationen veröffentlicht wurden, ziehen Sie den Schluss, dass auch das Bekanntwerden
aller anderen Anlagen für den Bund nicht riskant wären (siehe hierzu II. 2.).
Das Argument, dass durch die Herausgabe weiterer Informationen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Dritter verletzt würden, halten Sie für konstruiert (siehe hierzu II. 3.).
II.
1. Der Widerspruch ist zulässig, aber unbegründet.
Auch nach nochmaliger Prüfung und unter Berücksichtigung Ihrer Argumente im Widerspruchsschreiben
können die von Ihnen erbetenen weiteren Informationen zu den
Sondervermögen des Bundes und insbesondere zur konkreten Art und Weise der Anlage
nicht zugänglich gemacht werden. Der Bescheid vom 9. Juni 2022 ist rechtmäßig
und verletzt Sie nicht in Ihren Rechten.
2. Die Behauptung in der Widerspruchsbegründung, im Bescheid des BMI werde „lediglich
vage behauptet, es käme zu Marktmanipulationen" ist unzutreffend. Ergänzend zu
meinem nachfolgenden Vortrag wird hierzu auf die ausführliche Begründung unter
Ziffer 1 b) des Bescheides verwiesen. Der Bund ist gehalten, das zur Sicherung seiner
Versorgungsausgaben dienende Vermögen „insolvenzsicher" anzulegen. Dafür maßgebend
sind nach§ 5 Abs. 2 Versorgungsrücklagegesetz (VersRücklG) die drei Anlagegrundsätze
Sicherheit, Liquidität und Rendite.
Die Informationen (hier: Offenlegung von Einzelwerten) der im Portfolio gehaltenen
Unternehmen haben Relevanz für den Kapitalmarkt und dem dort herrschenden
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Wettbewerb im Aktienbereich. Nicht zuletzt untersucht die Deutsche Bundesbank als
Mittelverwalter der Sondervermögen regelmäßig, wie eine Umschichtung sukzessive
und marktschonend umgesetzt werden kann, um zum einen den Markt nicht unnötig
zu verzerren und andererseits auch zu aktuell am Markt vorherrschenden Marktpreisen
Unternehmensanteile in Form von Aktien für den Bund nach Maßgabe der Indexzusammensetzung
zu erwerben. Dass hierbei ein Zeithorizont von insgesamt einem
Jahr oder mehr angestrebt wird, berücksichtigt nicht nur die hiermit verbundenen Risiken
im Kapitalmarkt, sondern zeigt auch den wirtschaftlichen Wert der den Bund betreffenden
Bankgeschäfte und Kapitalanlage(n). Diese für den Aktienerwerb ergriffenen
Maßnahmen zeigen, dass zur Einhaltung der o. g. gesetzlichen Anlagegrundsätze
ein behutsames Vorgehen notwendig ist und das vor allem grundsätzlich ein mögliches
Risiko der Marktmanipulation besteht. Im Übrigen handelt es sich hierbei um Steuergelder,
welche am Kapitalmarkt zur teilweisen Finanzierung der Pensionen verwendet
werden. Allein ein Risiko eines wirtschaftlichen Schadens ist zu vermeiden.
Ihre Schlussfolgerung, mit Blick auf den Umfang der offengelegten Anlagen und die
für den KENFO veröffentlichten Informationen .dürften die weiteren Anlagen ohne
Probleme zugänglich zu machen sein", geht für die Anlage des Sondervermögens des
Bundes ebenso fehl. Für den Ausschlussgrund des§ 3 Nr. 6 !FG reicht es aus, dass durch
Bekanntwerden der Informationfiskalische Interessen des Bundes potentiell gefährdet
werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich bei einer wirksamen Sicherung gegen
Gefahren ausgehend von dem Sicherungsverpflichteten im günstigsten Fall das Risiko
(noch) nicht realisiert hat und eine Gefährdung noch nicht eingetreten ist. Es können
daher keine Anhaltspunkte für eine bereits entstandene Gefährdung der Interessen des
Bundes genannt werden, wohl aber Tatsachen, die eine potentielle Gefährdung begründen.
Hierzu wird auf die Erläuterungen im Bescheid Bezug genommen. Bei Bekanntwerden
detaillierter Kriterien zur Anlage und Anlagestrategie besteht die Gefahr,
dass Anleger sich gezielt an der Anlagestrategie des Bundes orientieren und sich dies
zum Nachteil des Bundes auswirken könnte. Im Falle des Bekanntwerdens der betreffenden
Informationen - also der voll umfänglichen Preisgabe der Einzelbestände der
jeweiligen Mittelanlage(n)- drohen dem Bund Wettbewerbsnachteile in seiner andauernden
Umschichtung und Anlage der Mittel z.B. im Wege eines sogenannten „FrontRunnings",
also eines Ausnutzens des Wissens um die Handelsstrategie des Auftraggebers
durch einen Dritten zum eigenen Vorteil. Aufgrund einer Veröffentlichung der
detaillierten Anlagestrategie und der einzelnen Handelspositionen könnten sich Dritte
auf die konkreten Anlagen des Bundes einstellen und sich dadurch gegenüber dem
Bund als Marktteilnehmer wirtschaftlich nachteilig positionieren. Dies birgt die Gefahr,
dass der Bund als Marktteilnehmer bei zukünftigen An- und Verkäufen erhebliche
Kursschwankungen in Kauf nehmen müsste. Dadurch könnte das der Sicherung
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von Versorgungsansprüchen dienende Anlagevermögen massiv geschwächt werden.
Zudem ist die Verfahrensweise des KENFO weder maßgebend noch bindend für die
Sondervermögen des Bundes.
Bei den offengelegten Einzelwerten des Portfolios handelt es sich um 20 von 60 (S&P)
bzw. 10 von 75 (Euronext) Unternehmen. Darüber hinaus begründet sich das im Bescheid
näher erläuterte schutzwürdige Interesse des Bundes auch daraus, die jeweilige
· Höhe des Anlagevolumens der nicht dargelegten Aktieninvestments nicht öffentlich
machen zu müssen.
Soweit Sie aus der Veröffentlichung der Informationen für den KENFO den Schluss
zieht, Details zum Anlagevermögen und zur Anlagestrategie wären für den Bund ohne
Risiko, ist folgendes zu beachten: Zunächst liegt es nicht in hiesiger Beurteilungsverantwortung
über die von Ihnen beschriebene Verfahrensweise beim KENFO zu entscheiden.
Dies ist auch ohne Belang für die streitgegenständliche Entscheidung. Ich
weise jedoch in diesem Zusammenhang daraufhin, dass mit dem Versorgungsvermögen
des Bundes ein anderer Zweck (Sicherung von unverfallbaren Versorgungsansprüchen
der Bundesbeamten und Bundesbeamtinnen) als mit dem KENFO verfolgt wird.
Nach dem in§ 5 Abs. 2 VersRücklG genannten Grundsatz der Sicherheit sind Risiken
bereits nach den gesetzlichen Anlagegrundsätzen zur Sicherstellung der späteren Finanzierung
von Versorgungsleistungen strikt zu vermeiden.
3. Wie im Bescheid vom 9. Juni 2022 ausgeführt, werden der „Versorgungsfonds des Bundes"
und die „Versorgungsrücklage des Bundes" durch die Deutsche Bundesbank nach
Maßgabe des VersRück!G verwaltet. Für das Aktieninvestment wurden zwei Indizes
durch Standard and Poor's (S&P) und Euronext erstellt. Mit den beiden Indexanbietern
bestehen Lizenzverträge, mit denen die Indexanbieter regeln, wie und in welchem Umfang
der Bund als Anleger ihr geschäftliches .Know-How" nutzen darf.
Die Indexanbieter gewähren dem Bund mit ihren Lizenzen lediglich Nutzungsrechte
an den von ihnen erstellten Indizes. Der Bund hat insoweit lediglich die vereinbarten
Nutzungsrechte. Die Indizes im Detail sind daher nach Maßgabe des§ 6 !FG geschützte
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und somit Eigentum der jeweiligen Indexanbieter.
Soweit der Indexanbieter Tatsachen über Anlagen und Anlagestrategie nicht selbst offenlegt,
will er diese geheim halten. Der Bund dürfte weitere Details lediglich mit Einverständnis
des jeweiligen Indexanbieters offenlegen. Beide Indexanbieter haben einer
Herausgabe weiterer Informationen jedoch nicht zugestimmt.
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Gegenüber S&P hat sich der Bund verpflichtet, jeder vertraglich zulässigen und im Bescheid
des BMI vom 9. Juni 2022 erfolgten Offenlegung eines Teils der Indizes mit folgendem
Haftungsausschluss zu versehen, um dessen Kenntnisnahme"Ünd Beachtung
gebeten wird:
"Der S&P Eurozone Bund/SV Climate Transition ESG Selectindex und die zugehörigen
Daten sind ein Produkt von S&P Dow Jones Indices LLC, seinen verbundenen Unternehmen
und/oder deren Lizenzgebern und wurden zur Nutzung durch [Lizenzneh- .
mer] lizenziert. © 20[xx] S&P Dow Jones Indices LLC, seine verbundenen Unternehmen
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Vervielfältigung im Ganzen oder in Teilen sind ohne schriftliche Genehmigung von
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Marke von Standard & Poor's Financial Services LLC ("SPFS") und Dow Jones® ist eine
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S&P Dow Jones Indices LLC, SPFS, Dow Jones, ihre verbundenen Unternehmen noch
ihre Lizenzgeber ("S&P DJI") geben eine ausdrückliche oder stillschweigende Zusicherung
oder Gewährleistung hinsichtlich der Fähigkeit eines Index, die Vermögensklasse
oder den Marktsektor, die er angeblich repräsentiert, genau darzustellen, und S&P DJI
übernimmt keine Haftung für Fehler, Auslassungen oder Unterbrechungen eines Index
oder der darin enthaltenen Daten."
Nach alledem ist der Widerspruch zurückzuweisen.