Sehr geehrter Herr Semsrott,
mit Ihrer o.g. Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) beantragen Sie gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG Informationszugang zu "Unterlagen zum Besuch des deutschen Botschafters Oliver Owcza bei der sogenannten libyschen Küstenwache, insbesondere Schriftverkehr mit libyschen Behörden, interne Vorbereitungs- und Nachbereitungsunterlagen wie Vermerke und Sprechzettel."
Auf Ihre Anfrage auf Informationszugang nach dem IFG ergeht folgender
Bescheid:
Ihrem Antrag wird teilweise stattgegeben. Der Informationszugang zu einem VS-NfD eingestuften Bericht ist gem. § 3 IFG zum Schutz sensibler öffentlicher Belange nicht möglich.
Anliegend übersende ich Ihnen die administrative Verbalnote der deutschen Botschaft in Tripolis mit Schwärzungen personenbezogener Daten Dritter gem. § 5 Abs. 1 IFG, um die kostenpflichtigen und zeitaufwändigen Drittbeteiligungsverfahren zu vermeiden. Eine Pflicht zur Übersetzung verlangt das IFG nicht.
Dieses Schreiben ergeht gebührenfrei.
Begründung:
Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu Informationen. Sind jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen der Ausschlusstatbestände §§ 3 - 6 IFG erfüllt, ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen.
Die Verhandlung und Besprechung mit der libyschen Küstenwache ist ein noch nicht abgeschlossener Prozess.
Einer Herausgabe der von Ihnen erbetenen Unterlagen in Form eines DKOR stehen daher die Ausschlussgründe des §3 Nr. 3a IFG, §3 Nr. 1aIFG, 3 Nr. 4 IFG und §4 IFG entgegen.
Nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen, §3 Nr. 1a IFG
§3 Nr. 1a IFG sieht eine Ausnahme von der Regel vor, wenn das Bekanntwerden von Informationen nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann.
Unter internationalen Beziehungen versteht man die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten sowie zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen, etwa der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 €
22/08 — Juris-Rn. 14; die Begründung des Gesetzentwurfs BTDrucks 15/4493 S. 9).
Vorliegend geht es mit Libyen um einen Staat, mit denen die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält. Im Falle der Veröffentlichung des Berichts über eine Zusammenkunft mit libyschen Regierungsvertretern und Behörden besteht das Risiko nachteiliger Auswirkungen für eben diese Beziehungen.
Das Grundgesetz räumt der Bundesregierung einen weiten Gestaltungsspielraum für die Regelung der auswärtigen Beziehungen ein (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03 - BVerfGE 121, 135 <158>). Maßgeblich ist, welche außenpolitischen Ziele die Bundesrepublik zu dem jeweiligen Staat verfolgt. Nur die Bundesregierung kann bestimmen, ob eine von ihr erwartete oder befürchtete Einwirkung auf die auswärtigen Beziehungen mit Blick auf die insoweit verfolgten Ziele hingenommen werden kann oder vermieden werden soll (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 - Juris-Rn. 15).
Im Hinblick auf Libyen gilt, dass die Bundesrepublik Deutschland bestrebt ist, die Beziehungen zu allen wesentlichen Themen im außen- und sicherheitspolitischen Bereich fortzuführen. Die Bundesregierung hat ein großes Interesse an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den staatlichen Institutionen, insbesondere auf den Gebieten der Seenotrettung, der Verbesserung von Stabilität und Sicherheit sowie der Beilegung von bewaffneten Konflikten in der Region.
Der von Ihnen angefragte DKOR kann nicht herausgegeben werden. Er beinhaltet vertrauliche Beobachtungen und Wertungen zum Gesprächspartner sowie Äußerungen der libyschen Gesprächspartner zu anderen Drittstaaten. Würde dies öffentlich werden, könnten die zukünftigen bilateralen Beziehungen zu Libyen beschädigt werden, was sich negativ auf die Zusammenarbeit bei der Seenotrettung auswirken könnte.
Wenn vertrauliche Aussagen und Wertungen an die Öffentlichkeit gerieten, könnte dies zu Einschränkungen bislang offener und vertrauensvoller Kommunikationskanäle führen. Zur Weiterführung der vertrauensvollen Zusammenarbeit sind alle Beteiligten wechselseitig auf die zuverlässige Wahrung der Vertraulichkeit angewiesen. Die Regierungen vertrauen dabei darauf, dass diese nicht öffentlich werden und erwarten, dass das innerhalb etablierter diplomatischer Kommunikationskanäle Besprochene nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Andernfalls wäre die Bereitschaft der beteiligten Parteien geschmälert, sich über vertrauliche Argumente, Überlegungen und Positionen offen und unvoreingenommen mit der Bundesrepublik Deutschland auszutauschen.
Der Informationszugang kann gem. § 3 Nr. 1 a IFG auch nicht mit Schwärzungen gewährt werden, da er in Gänze schützenswerte Öffentliche Belange enthält.
§3 Nr. 3 a IFG, Schutz der Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen
§3 Nr. 3 a IFG schützt auch die Vertraulichkeit von Verhandlungen auf internationaler Ebene.
Durch § 3 Nr. 3 a IFG soll die Fähigkeit der Bundesregierung sichergestellt werden, deutsche Interessen wirksam zu vertreten. Die Bundesrepublik Deutschland muss bei den noch andauernden Diskussionen über die Aufnahme einer Zusammenarbeit und Unterstützung der libyschen Behörden in der Lage sein, Verhandlungen ohne unbefugten Einfluss von außen mit allen Beteiligten durchzuführen, um am Ende ein annehmbares Ergebnis auch im deutschen Interesse erzielen zu können. Dazu gehört auch, dass Gesprächspartner darauf vertrauen können müssen, dass Gesprächsinhalte nicht in die Öffentlichkeit gelangen, sondern vertraulichen diplomatischen Gesprächskanälen vorbehalten bleiben. Andernfalls würde dies die Bereitschaft der anderen Seite schmälern, sich mit der Bundesregierung über sensible bzw. vertrauliche Inhalte auszutauschen.
Das Bekanntwerden dieser Positionen würde der notwendigen Vertraulichkeit laufender internationaler Verhandlungen schaden und damit künftige Verhandlungen Deutschlands erschweren.
Dem Informationszugang steht § 3 Nr. 3 a IFG entgegen.
§ 4 Abs. 1 IFG, Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses
Darüber hinaus steht einem Informationszugang § 4 Abs. 1 IFG entgegen.
Nach § 4 Abs. 1 IFG soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüssen zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlichen Maßnahmen vereitelt würde. § 4 IFG dient dem Schutz der ungestörten behördlichen Entscheidungsfindung. Eine Vereitlung des Erfolgs der Entscheidung liegt vor, wenn die Entscheidung bei Offenbarung der Information voraussichtlich überhaupt nicht oder mit anderem Inhalt oder wesentlich später zustande käme.
Eine Herausgabe der Informationen hätte zur Folge, dass die Entscheidung bei dem stark polarisierenden Thema einer möglichen Kooperation bei der Seenotrettung vor der libyschen Küste nicht mehr sachlich und in Ruhe getroffen werden könnte, sondern mit Einflussnahme von außen zu rechnen ist, was den Druck auf die Entscheidungsträger erhöhen würde. Dies könnte die Entscheidungsfindung negativ beeinflussen.
Einem Informationszugang steht daher§ 4 Abs. 1 IFG entgegen.
Schutz von Verschlusssachen, § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. §2 VSA
Der Bekanntgabe des als VS-NfD eingestuften Berichts des Auswärtigen Amts steht § 3 Nr. 4 IFG i. V. m. § 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz (Verschlusssachenanweisung — VSA) entgegen (vormals Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen).
Die Unterlage unterfällt einer Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 VSA. Gem. §2 Abs. 2 Nr. 4 VSA werden Inhalte als VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestuft, bei denen die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann.
Sinn und Zweck dieser Regelung ist, dass Aspekte, welche aufgrund eben dieser Vorschriften der Geheimhaltung unterliegen, auch weiterhin unter Verschluss bleiben sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 - Juris-Rn. 46).
Aus Anlass Ihrer IFG-Anfrage wurde die Einstufung überprüft. Eine Herausgabe der Informationen - auch mit Schwärzungen - ist nicht möglich. Zur Begründung siehe oben unter §3 Nr. 1aIFG,§3 Nr. 3 a IFG und § 4 Abs. 1 IFG.
Dem Informationszugang steht § 3 Nr. 4 IFG entgegen.
Mit freundlichen Grüßen