Aktenzeichen: IM3-0221-37/9
Sehr
<< Antragsteller:in >>
zu Ihrem Antrag vom 9. Juli 2023 ergeht folgende Entscheidung:
1. Ihrem Antrag wird stattgegeben.
2. Gebühren werden nicht erhoben.
Begründung:
zu 1.:
Eine strukturierte Statistik über Einsatzsituationen, in denen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte des Landes Baden-Württemberg mit Personen konfrontiert sind, die ein Messer bei sich führen oder es zur Drohung oder als Waffe nutzen, wird bei der Polizei Baden-Württemberg nicht geführt.
Sofern es sich im Einzelfall um polizeilich bekannt gewordene strafbare Handlungen handelt, werden diese in der Polizeilichen Kriminalstatistik Baden-Württemberg (PKS) erfasst. Bei der PKS handelt es sich um eine sogenannte reine Ausgangsstatistik, in der strafrechtlich relevante Sachverhalte nach der polizeilichen Sachbearbeitung vor Abgabe an die Strafverfolgungsbehörden erfasst werden. Die PKS ist als Jahresstatistik konzipiert. Die Fallerfassung erfolgt nach den bundeseinheitlichen "Richtlinien für die Führung der Polizeilichen Kriminalstatistik".
Unter dem Oberbegriff "Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte" werden in der PKS Angriffe, denen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zum Opfer fallen und die in Bezug zu deren Beruf stehen, zusammengefasst. Eine Opfererfassung nach Opfertypen, wie hier der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, ist in der PKS ausschließlich im Bereich der sogenannten Opferdelikte möglich. Opferdelikte sind v. a. Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung. Bei den in der PKS erfassten Opfertypen ist zu berücksichtigen, dass diese keiner Echtzählung unterliegen. Demnach werden Personen mehrfach als Opfer in der PKS erfasst, wenn sie innerhalb eines Berichtsjahres mehrfach Opfer einer strafbaren Handlung geworden sind.
Ab dem Jahr 2022 sind in der PKS Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wird, als Messerangriff statistisch auswertbar. Das bloße Mitführen eines Messers reicht für eine Erfassung als Messerangriff nicht aus.
Im Jahr 2022 wurden zum Phänomen Messerangriff insgesamt 84 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte der Polizei Baden-Württemberg als Opfer erfasst. Hiervon wurde ein Polizeibeamter im Zusammenhang mit der zugrundeliegenden strafbaren Handlung leicht verletzt.
Unterjährige, mithin monatliche Auswertezeiträume unterliegen erheblichen Verzerrungsfaktoren, beispielsweise bezogen auf die Dauer der Ermittlungsverfahren oder den Zeitpunkt der statistischen Fallerfassung, und sind demnach wenig belastbar bzw. aussagekräftig. Für das aktuelle Jahr 2023 sind daher lediglich Trendaussagen möglich. Im ersten Halbjahr 2023 deutet sich sowohl bei den insgesamt als Opfer eines Messerangriffs erfassten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Landes Baden-Württemberg als auch den hierbei Verletzten, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, bislang jeweils eine Zunahme an.
Überdies wird auf die thematisch einschlägigen Ausführungen im Sicherheitsbericht des Landes Baden-Württemberg 2022 auf den Seiten 48 ff. hingewiesen, abrufbar auf der Internetseite des Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg unter der Rubrik Service > Publikationen bzw. dem Link:
https://im.baden-wuerttemberg.de/de/service/publikation/did/sicherheitsbericht-2022
Gemäß den in der Aus- und Fortbildung vermittelten Grundsätzen sind Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte bestrebt, beim Einschreiten auf Grundlage der objektiven Gegebenheiten und unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes das jeweils mildeste zur Verfügung stehende Mittel zum Einsatz zu bringen. Der überwiegende Teil aller polizeilichen Einsätze erfordert hierbei keinerlei Androhung oder gar Anwendung von unmittelbarem Zwang (UZW). Sofern beim polizeilichen Einschreiten im Einzelfall auch die Androhung bzw. Anwendung von UZW erforderlich wird, erfolgt dies auf Basis eng gefasster Ermächtigungsgrundlagen. Die Anwendung von Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt (bspw. Fesselungen) oder gar Waffen (z. B. Reizstoffsprühgerät, Schlagstock) kommt hierbei grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der polizeiliche Zweck durch einfache körperliche Gewalt nicht erreicht werden kann. Die Androhung des Schusswaffengebrauchs bzw. der Schusswaffengebrauch gegen Personen können - unter sehr hohen rechtlichen Hürden - ausschließlich als ultima ratio zur Anwendung kommen.
Im polizeilichen Einsatztraining werden Widerstände gegen die Festnahme unter Anwendung von UZW in Form von einfacher körperlicher Gewalt und wenn nötig auch durch die Anwendung von Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt geübt. Die einfache körperliche Gewalt beinhaltet alle Abwehr- und Zugriffstechniken die rein körperlich ohne Waffen und sonstige Hilfsmittel durchgeführt werden (z. B. Polizeigriffe zur Fixierung, Umwerftechniken und Festnahmetechniken). In Praxistrainings (Beispielsachverhalte) werden die wichtigsten Situationen des Einschreitens trainiert - auch das Vorgehen gegen (bspw. mit Messer) bewaffnete Personen. Hierbei werden die polizeilichen Maßnahmen unter rechtlichen, psychologischen und taktischen Gesichtspunkten betrachtet und bewertet.
Nach der Ausbildung werden die bereits erworbenen Fertigkeiten im Rahmen des Einsatztrainings weiter geschult und gefestigt. Ziel des Einsatztrainings ist, dass Polizeibeamtinnen und -beamte die Abwehr- und Zugriffstechniken praxisorientiert anwenden können und Handlungssicherheit auch bei körperlichen Angriffen bekommen. Hierbei wird maßgeblich auch auf die Beachtung der Eigensicherungsgrundsätze Wert gelegt.
zu 2.:
Gebühren werden gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 LIFG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 5 Landesgebührengesetz Baden-Württemberg nicht erhoben.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart, Augustenstraße 5, 70178 Stuttgart, erhoben werden.
Mit freundlichen Grüßen,