Sehr geehrter Herr Semsrott,
mit Ihrer o. g. Anfrage auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) bitten Sie um Übersendung folgender Informationen:
„- Mailverkehr Ressortabstimmung Attribuierung Cyberangriff.pdf
- 180803 GU BK'in Cyber.pdf
- 180803 SSt Cybersicherheit.pdf
- 191112 BM-Vorlage Cyber-Außen- und Sicherheitspolitik gegenüber Russland.pdf
- 06 200130 BM-Vorlage EU Cyber Sanktionen.pdf
- 07 200506 Cyberabwehr - GU BM.docx
- 08 200508 RUS Verbalnote.pdf
- 200528 RegPK Sprache Russland Cyber.docx
- 200709 Sanktionen - GU Jour Fixe OR-D und D3 am 1307.docx
- 200724 SSt ND-Lage Cyber-Abwehr Pharmaindustrie.docx
- 200727 GU Russland_Cyber Sanktionen 013.docx
- 21 200730 Gesprächsvermerk RUS AM Lawrow Änderungsmodus
- Mail über RUS demarche.pdf
- 23 200917 SSt ND Lage RUS Cyberangriffe mit Dienstleister.docx“
Hierauf ergeht folgender Bescheid:
Ihrem Antrag wird teilweise stattgegeben.
Als Anlage wird Ihnen eine Gesprächsunterlage vom 20.05.2020 übermittelt. Die übrigen von Ihnen angefragten Unterlagen können nicht herausgegeben werden.
Dieser Bescheid ergeht gebührenpflichtig.
Begründung:
Gem. § 1 Absatz 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu Informationen. Sind jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen der Ausschlusstatbestände der §§ 3 - 6 IFG erfüllt, ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen.
Nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen, § 3 Nr. 1a IFG
§3 Nr. 1a IFG sieht eine Ausnahme von der Regel vor, wenn das Bekanntwerden von Informationen nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben kann.
Unter internationalen Beziehungen versteht man die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland und das diplomatische Vertrauensverhältnis zu ausländischen Staaten sowie zu zwischen- und überstaatlichen Organisationen, etwa der Europäischen Union oder den Vereinten Nationen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 7 C 22/08 - Juris-Rn. 14; die Begründung des Gesetzentwurfs BTDrucks 15/4493 S. 9).
Vorliegend sind sowohl die auswärtigen Belange als auch das diplomatische Vertrauensverhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Europäischen Union sowie zu einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union berührt.
Mit einer Herausgabe der Stellungnahmen würden die Verfahrensregeln des Rates der Europäischen Union umgangen. Nach Artikel 4 der Geschäftsordnung des Rates der Europäischen Union (ABI. L 325, 11.12.2009, S. 35) sind die Verhandlungen im Rat vertraulich. Dem Rat darf durch das nationale Informationsfreiheitsrecht nicht die Möglichkeit genommen werden, über den Umgang mit seinen Dokumenten und deren Veröffentlichung selbst zu entscheiden.
Die von Ihnen angeforderten Unterlagen enthalten Angaben zur Positionierung anderer Mitgliedstaaten. Es handelt sich mithin um Dokumente, aus denen sich Positionen verschiedener internationaler Partner entnehmen lassen. Die Regierungen vertrauen dabei darauf, dass insbesondere die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten in den Gremien der Europäischen Union nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Rates nicht öffentlich sind, und erwarten, dass das innerhalb etablierter diplomatischer Kommunikationskanäle Besprochene nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Wenn die unter den Bedingungen der Vertraulichkeit getätigten Äußerungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union von Deutschland weitergegeben würden, würde dies das Vertrauensverhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu den anderen Mitgliedstaaten wie auch zu den Institutionen der Europäischen Union erheblich beschädigen und die zukünftigen Verhandlungen erschweren.
Der Informationszugang kann daher gem. § 3 Nr. 1 a IFG nicht gewährt werden.
Schutz der Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen, § 3 Nr. 3a IFG
§ 3 Nr. 3 a IFG sieht eine Ausnahme vom Informationszugang vor, wenn durch das Bekanntwerden der Information die notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen beeinträchtigt wird. $ 3 Nr. 3 a IFG schützt diese Vertraulichkeit und damit den Prozess der Entscheidungsfindung sowie die Verhandlungsposition der Bundesrepublik Deutschland. Durch § 3 Nr. 3 aIFG soll die Fähigkeit der Bundesregierung sichergestellt werden, deutsche Interessen bei internationalen Verhandlungen wirksam zu vertreten.
Die Bundesrepublik Deutschland muss bei internationalen Verhandlungen in der Lage sein, diese ohne unbefugte Einflussnahme von außen mit allen beteiligten Verhandlungspartnern durchzuführen, um am Ende ein annehmbares Ergebnis im eigenen Interesse erzielen zu können. Die Beteiligten müssen sich dafür darauf verlassen können, dass die vereinbarte Vertraulichkeit der Verhandlungen gewahrt wird.
Darüber hinaus muss der Verhandlungspartner darauf vertrauen können, dass Gesprächsinhalte und Dokumente nicht in die Öffentlichkeit gelangen, sondern vertraulichen diplomatischen Gesprächskanälen vorbehalten bleiben. Andernfalls würde dies die Bereitschaft der anderen Seite schmälern, sich mit der Bundesregierung über sensible bzw. vertrauliche Inhalte auszutauschen.
§3 Nr. 3 a IFG schützt auch die Vertraulichkeit von Verhandlungen auf europäischer Ebene und in Gremien der Europäischen Union. Durch § 3 Nr. 3 a IFG soll die Fähigkeit der Bundesregierung sichergestellt werden, deutsche Interessen wirksam zu vertreten. Die Bundesrepublik Deutschland muss bei den noch andauernden Diskussionen über die Transparenz der Gesetzgebung in der Lage sein, Verhandlungen ohne unbefugten Einfluss von außen mit allen beteiligten EU-Mitgliedstaaten durchzuführen, um am Ende ein annehmbares Ergebnis im deutschen Interesse erzielen zu können. Dazu gehört auch, dass Partnerländer bei diplomatischen Abstimmungen darauf vertrauen können müssen, dass Gesprächsinhalte nicht in die Öffentlichkeit gelangen, sondern vertraulichen diplomatischen Gesprächskanälen vorbehalten bleiben. Andernfalls würde dies die Bereitschaft der anderen Seite schmälern, sich mit der Bundesregierung über sensible bzw. vertrauliche Inhalte auszutauschen.
In dieser Hinsicht könnte eine Herausgabe der Information zum jetzigen Zeitpunkt die Position und Handlungsfähigkeit der Bundesregierung schwächen, Verhandlungen massiv schaden und schließlich im Interesse der Bundesregierung liegende Verhandlungsziele vereiteln.
Der Informationszugang kann daher gem. § 3 Nr. 3 a IFG nicht gewährt werden.
Vertraulichkeit behördlicher Beratungen, §3 Nr.3b IFG
Ein Anspruch auf Informationszugang besteht auch gemäß § 3 Nr. 3 b IFG nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Beratungen sind Betätigungen der staatsinternen Willensbildung, die innerhalb einer Behörde oder zwischen verschiedenen Behörden erfolgen (BT-Drucks. 15/4493, 10; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz; § 3 Rn. 175, 176). Schutzgut ist die Gewährleistung eines unbefangenen und freien Meinungsaustausches innerhalb der Behörden, mithin die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen. Geschützt ist der Vorgang der Entscheidungsfindung, d. h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung.
Bei den von Ihnen angefragten Informationen handelt es sich um Informationen zur Abstimmung zwischen dem Auswärtigen Amt und verschiedenen Bundesressorts und Behörden. Der Schriftwechsel enthält viele Einzelinformationen, die in der Zusammenschau umfangreiche Rückschlüsse auf diese Kommunikation zulassen. Der Vermerk enthält detaillierte Ausführungen zu Abläufen der behördeninternen Entscheidungsfindung. Diese fallen unter die beschriebene behördliche Vertraulichkeit, die § 3 Nr. 3 b IFG schützt, da es sich um Beratungen handelt, die auf offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch im Rahmen eines behördlichen Entscheidungsprozesses angelegt sind, der noch nicht abgeschlossen ist.
Deshalb kann es je nach Fallkonstellation auch nötig sein, dass der Schutz von §3 Nr. 3b IFG über den Abschluss der Beratungen hinausreicht. Europapolitische Dossiers verlangen in der Regel eine enge Abstimmung zwischen den verschiedenen Ressorts in der Bundesregierung. Für eine sachgerechte und unbefangene Kommunikation ist eine Gesprächssituation erforderlich, die es den Beteiligten ermöglicht, sich- ohne Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit - im Vorfeld einer zu veröffentlichenden Entscheidung auszutauschen. Eine Einsichtmöglichkeit in Unterlagen vertraulicher Beratungen würde zukünftige Beratungen belasten.
Einem uneingeschränkten Informationszugang steht § 3 Nr. 3 b IFG daher entgegen.
Schutz von Verschlusssachen, § 3 Nr. 4 IFG
Der vollständigen Bekanntgabe der als „Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Dokumente des Auswärtigen Amts steht § 3 Nr. 4 IFG i. V. m. § 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz (Verschlusssachenanweisung -VSA) entgegen.
Der Großteil der Unterlagen unterfällt einer Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht gemäß §2 Abs. 2 Nr. 4 VSA. Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 VSA werden Inhalte als „VS - Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft, bei denen die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann.
Die Unterlagen enthalten Einschätzungen und Wertungen, deren Herausgabe sich nachteilig auf die internationalen Beziehungen und die innere und äußere Sicherheit auswirken könnte, was folglich nachteilig für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland wäre.
Die Unterlagen können Ihnen daher nicht zugänglich gemacht werden. Dem Informationszugang steht § 3 Nr. 4 IFG entgegen.
Kostenentscheidung:
Für den Informationszugang wird eine Gebühr von 55,00 € erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 10 IFG i. V. m. § 1 Abs. I der Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFGGebV).
Gemäß § 10 Abs. 1 IFG werden für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen nach dem Informationsfreiheitsgesetz Gebühren erhoben. Die Höhe dieser Kosten orientiert sich am entstandenen Verwaltungsaufwand; die Gebühren sind zudem so zu bemessen, dass der Informationszugang wirksarn in Anspruch genommen werden kann. Die Gebühr darf zudem nach allgemeinen Gebührengrundsätzen nicht unangemessen sein.
Die Gebühren und Auslagen richten sich im Einzelnen nach § 10 Abs. 1 IFG i.V.m. Teil A, Nr. 2.2 der Anlage zur IFGGebV. Danach ist für die Herausgabe von Abschriften ein Gebührenrahmen von 30,00 bis 500,00 € vorgesehen.
Die Bearbeitung Ihres Antrags hat einen Aufwand von 55 Minuten für Mitarbeiter/-innen des höheren Dienstes Sichtung und Prüfung der gewünschten Informationen auf Grundlage des IFG sowie die Zusammenstellung der Unterlagen verursacht. Bei Zugrundelegung von pauschalierten Stundensätzen pro Arbeitsstunde von 60,00 € für Mitarbeiter-/innen des höheren Dienstes sind daher Gebühren in Höhe von 55,00 € angefallen.
Die Gebühr soll keine abschreckende Wirkung entfalten und in einem angemessenen Verhältnis zu der gewährten Auskunft stehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Informationszugang durch die Gebührenhöhe nicht wirksam in Anspruch genommen werden kann, sind nicht ersichtlich.
Bitte überweisen Sie den Gesamtbetrag i. H. v. 55,00 EUR innerhalb von 4 Wochen auf das
Konto der Bundeskasse:
Name der Bank: Deutsche Bundesbank, Filiale Leipzig
Kontoinhaber: Bundeskasse Halle
IBAN: DE38 8600 0000 0086 0010 40
BIC: MARKDEF1860
Unter Verwendungszweck geben Sie bitte an: 880801017975, 505-IFG-505-2022
Mit freundlichen Grüßen