Ihr Az. R5.055/0070/23
Sehr
<< Anrede >>
Ich danke Ihnen vor Erlass eines Bescheides für die Gelegenheit zur Stellungnahme und die gewährte Fristverlängerung.
I. Stellungnahme zur geplanten Ablehnung meines Antrags nach dem LIFG
Das von Ihnen in Ihrer Nachricht vom 9.5.2023 erwähnte Urteil des VGH Baden-Württemberg 10 S 303/19 hilft in der Sache nicht weiter. Sie schreiben, der VGH hätte entschieden, dass „unter den gegebenen Voraussetzungen das LIFG BW nicht anwendbar ist“. Allerdings hat sich der VGH (offensichtlich) nicht zu der Frage geäußert, wie die Arbeit der Polizeibehörden bei potentiell gemischten Einsätzen wie dem hier fraglichen vom 14.2.2023 vor dem Konstanzer LAGO in Strafverfolgungs- und Verwaltungstätigkeit zu unterscheiden ist – dabei ist genau dies hier die Streitfrage.
Wie schon in ihrem Bescheid vom 8.3.2023 wiederholen Sie lediglich, dass die Polizei in dem Einsatz gegen die Aktivist:innen der Letzten Generation als Strafverfolgungsbehörde (repressiv) tätig geworden sei. Das von Ihnen zitierte Urteil des VGH BW, ebenso wie das im Schreiben vom 8.3.2023 erwähnte Urteil des OVG NRW 8 A 875/09, stellt die Maßstäbe für die abstrakte Unterscheidung zwischen Strafverfolgungs- und Verwaltungstätigkeit auf.
Weder in Ihrem Bescheid noch in Ihrem Schreiben vom 9.5.2023 haben Sie unter die dort aufgestellten Maßstäbe substantiiert subsumiert, stattdessen stellen Sie lediglich fest, dass die Polizei hier repressiv gehandelt habe. Eben dies habe ich in meinem Widerspruch vom 17.3.2023 in Zweifel gestellt und dargelegt, dass jedenfalls weite Teile des Einsatzes in den Bereich des Versammlungs- und Polizeirechts fallen und damit der Verwaltungstätigkeit zuzuordnen sind. Dem sind Sie nicht entgegengetreten. Dennoch will ich versuchen, noch deutlicher zu werden. Der Berichterstattung des Südkuriers (Ausgabe vom 15.2.2023) zufolge hat die Polizei vor Ort verschiedene Maßnahmen getroffen, dazu zählte:
- „Nach nur wenigen Minuten ist es der Polizei gelungen, die Klimaaktivisten von der Straße auf den Gehweg zu tragen.“
- „ihr Mitstreiter, der sich erfolgreich festgeklebt hatte, [wird] von den Polizeibeamten und einigen Rettungskräften unter Sichtschutz vom Kleber befreit“
Ebenso mussten mutmaßlich Maßnahmen wie die Sperrung und Umleitung des Verkehrs vor dem LAGO vor Ort getroffen werden.
Ich möchte Sie bitten darzulegen, wie diese Maßnahmen unter den Begriff der Strafverfolgung zu fassen sein könnten – es handelt sich dabei nämlich eben um klassische Maßnahmen aus der präventiven Polizeiarbeit (andernfalls würde sich schon die Frage stellen, welche Norm der StPO oder des OWiG die Polizei dazu ermächtigt haben könnte, den Verkehr umzuleiten, Menschen auf den Bürgersteig zu tragen oder Kleber mit Speiseöl zu lösen). Das PolG sieht dagegen genau solche Ermächtigungsnormen vor. Zudem hat es sich bei der Aktion der Aktivist:innen vorliegend unzweifelhaft und von Ihnen unbestritten um eine Versammlung gehandelt, sodass zuvörderst das VersammlG Anwendung finden musste, das ebenfalls in materieller Hinsicht die Verwaltungstätigkeit der Polizei erfasst.
Der Unterschied zu der von Ihnen erwähnten Entscheidung des VG Neustadt/Weinstraße – 4 K 108/11.NW liegt darin, dass die Beamt:innen in Neustadt einen mutmaßlichen Straftäter dem Haftrichter zuführen sollten und ihn an seiner Flucht hindern sollten, mithin die Verdunkelung der Sache verhüten sollten (vgl. § 163 Abs. 1 S. 1 StPO). Davon kann vorliegend keine Rede sein, konnten doch die von mir oben genannten Handlungen der Polizei von vorneherein nicht der Erforschung von Straftaten oder der Verhütung der Verdunkelung der Sache im Sinne der Norm dienen – erstere standen mutmaßlich erst gar nicht im Raum, handelten doch die Aktivist:innen ersichtlich nicht heimlich. Hinzu kommt, dass der womöglich einschlägige Straftatbestand der Nötigung gem. § 240 StGB ganz regelmäßig nicht vorliegen kann, sofern die vorliegende Versammlung nicht aufgelöst worden ist, da andernfalls das Tatbestandsmerkmal der Verwerflichkeit der Nötigung entfällt.
Eine anderslautende Darlegung sind Sie bislang schuldig geblieben und kann auch nicht durch Ihre Verweise auf abstrakte Maßstäbe der Rechtsprechung ersetzt werden, unter die Sie nicht subsumieren.
Es ist somit offensichtlich, dass die Polizei im fraglichen Einsatz jedenfalls nicht ausschließlich zur Strafverfolgung gehandelt hat. Insofern steht mir jedenfalls ein Teilzugang durch Schwärzungen zu dem beantragten Einsatzprotokoll zu (vgl. § 7 Abs. 4 LIFG).
Hinsichtlich etwaiger Schwärzungen aufgrund von § 4 Abs. 1 Nr. 2 LIFG verweise ich auf mein Widerspruchsschreiben.
Die vollständige Ablehnung meines Antrags nach dem LIFG würde voraussetzen, dass jede einzelne Information, jeder Satz und jede Zahl (also auch das Datum, die Seitenzahl, die Überschrift, die beteiligten Beamt:innen etc.), unter Ausschlusstatbestände des LIFG fallen würde – das kann nicht (offensichtlich) nicht sein.
II. Hilfsweise: Gebühren bei Zurückweisung meines Widerspruchs
Für den Fall einer Zurückweisung meines Widerspruchs trage ich hilfsweise vor:
Ich gehe davon aus, dass die von Ihnen angekündigte Gebühr in Höhe von „mindestens 90 Euro“ ihre Rechtsgrundlage in der GebVO des Innenministeriums als Ihnen vorgesetzte Behörde findet. Andernfalls bitte ich um einen kurzen Hinweis.
Dort ist in Ziffer 7.1 des GebVerz IM die Zurückweisung eines Rechtsbehelfs geregelt, als Rahmen ist dort eine Gebühr von 20 – 5000 Euro angegeben. Insofern kann ich Ihren Hinweis, dass die Gebühr „mindestens 90 Euro“ betragen wird, nicht nachvollziehen und bitte um Darlegung, wie Sie zu dieser Höhe kommen.
Gem. § 7 Abs. 2 LGebG ist die wirtschaftliche und sonstige Bedeutung der öffentlichen Leistung für mich als potentiellen Gebührenschuldner zu berücksichtigen. In verwaltungsgerichtlichen Verfahren für Streitigkeiten im Informationsfreiheitsrecht stets der Auffangstreitwert von 5000 Euro veranschlagt – das liegt darin begründet, dass ein Informationsinteresses regelmäßig so niedrig anzusetzen wäre, dass die Gerichts- und Prozessgebühren nicht der Rede wert wären. So liegt der Fall auch hier. Insbesondere habe ich (offensichtlich) kein wirtschaftliches Interesse an der betreffenden Information.
Zu berücksichtigen bei der Gebührenbemessung ist auch, dass das LIFG nach ständiger Rechtsprechung der Gerichte ein Verbot prohibitiver Wirkung enthält. Das soll gewährleisten, dass Antragsteller:innen nicht durch hohe Gebühren davon abgehalten werden, ihre Rechte nach dem LIFG und anderen Informationsfreiheitsrechten wahrzunehmen. Würde bei Erhebung und Zurückweisung eines Widerspruchs eine derart hohe Gebühr auf Sie zukommen, würde dies in gleicher Weise davon abhalten, ihre Rechte wahrzunehmen.
Zuletzt möchte ich vorbringen, dass ich ein Student und aufgrund meiner finanziellen Situation dem Grunde nach BAföG-berechtigt bin und nebenher in einem Minijob arbeite, um mir etwas dazuzuverdienen. Insofern rege ich einen Gebührenerlass aus Gründen der Billigkeit gem. § 11 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 2 LGebG, hilfsweise eine Gebührenermäßigung, an. Gerne erbringe ich bei Bedarf die notwendigen Nachweise.
Hinzu kommt, dass das öffentliche Interesse an den Protesten der Letzten Generation und aufgrund zahlreicher Berichte über den Umgang verschiedener Polizeibehörden nach wie vor ungebrochen ist. In besonderer Weise gilt dies auch für die gegenständliche Aktion vom Februar in Konstanz, über die der Südkurier in extenso berichtete. Auch das öffentliche Interesse ist im Rahmen der Gebührenbemessung zu berücksichtigen.
Im Übrigen weise ich darauf hin, dass die Zurückweisung von Widersprüchen durch andere Behörden (auf Bundes- und Landesebene) ganz regelmäßig Gebühren in Höhe von 15 oder 20 Euro auslöst. Das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung mit zahlreichen Anfragen und Widersprüchen bestätigen und das zeigt sich auch bei einer nur überblicksartigen Recherche auf der Website
FragDenStaat.de. Auch deswegen sehe ich die von Ihnen angekündigte Gebührenhöhe unter einem nochmals erhöhtem Begründungsaufwand.
Ich bitte Sie, all die genannten Aspekte in Ihrer Ermessensentscheidung (vgl. den Rahmen von Ziffer 7.1 GebVerz IM) zu berücksichtigen und weise darauf hin, dass neben der Ablehnungsentscheidung an sich auch die Entscheidung über die Gebührenhöhe gerichtlich überprüfbar ist.
Sollten Sie nach all dem meinen Antrag nach dem LIFG immer noch vollumfänglich ablehnen wollen schlage ich vor, den Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit um Vermittlung anzurufen. Sollten Sie dazu nicht bereit sein bitte ich um einen Widerspruchsbescheid, der auf die oben gemachten Ausführungen eingeht, sodass wir selbige nicht vor dem VG wiederholen müssen und dadurch das Gerichtsverfahren beschleunigen können.
Ich bitte abermals um Antwort in elektronischer Form.
Mit freundlichen Grüßen
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