Sehr geehrter Herr Gothe,
Ihre e-mail vom 11.01.2023 wurde an das Baureferat zur Beantwortung weitergeleitet. Zu Ihrer Frage bzgl. den Fahrbahnschwellen können wir Ihnen Folgendes mitteilen:
Bremsschwellen – oder auch Bodenschwellen genannt – bringen Gefährdungspotenziale und Limitierungen mit sich, die aus Sicht der Landeshauptstadt München als zuständige Straßenbaulastträgerin gegen einen Einsatz dieser auf der Fahrbahn montierten Barrieren sprechen. Werden die Schwellen von auf der Fahrbahn fahrenden Verkehrsteilnehmer*innen zu spät erkannt oder nicht mit reduzierter Geschwindigkeit überfahren, können diese eine massive Gefahr darstellen, insbesondere für Zweiradfahrer*innen. Für Rettungsfahrzeuge und Feuerwehrfahrzeuge sind insbesondere quer zur Fahrbahn aufgebrachte Kunststoffschwellen ein Hindernis, das Rettungseinsätze verlangsamen und/oder die Insassen/Patienten von Rettungsfahrzeugen potentiell gefährden kann. Außerdem sind sie im Räumeinsatz (Bekämpfung von Schnee und Eis) nicht verkehrssicher, da die Schwellen durch die Räumschilde aus der Verankerung gerissen und beschädigt werden können und dadurch eine zusätzliche Gefahr für den Verkehr entsteht. In München wurden deshalb bedarfsweise sogenannte Aufpflasterungen verwendet. Diese wurden baulich aus Asphalt oder Pflastermaterial hergestellt. Die Aufpflasterungen besitzen beidseits eine Anrampung und eine gewisse Überfahrtslänge, wodurch die Erschütterungen für die Verkehrsteilnehmer*innen deutlich reduziert werden. Für die allgemeinen Verkehrsteilnehmer*innen sind sie leichter und erschütterungsärmer zu befahren als die herkömmlichen Plastikschwellen, die zumeist mit rund 5 cm Höhe und kurzer Überfahrtslänge quer zur Fahrbahn auf den Asphalt aufgedübelt werden. Jedoch stellen auch die Aufpflasterungen eine Beeinträchtigung der Rettungsdienste dar. Aus diesem Grund sowie wegen der hohen Bau- und Unterhaltskosten hat der Stadtrat entschieden, keine neuen Aufpflasterungen zu bauen. Bereits vorhandene Aufpflasterungen werden im Rahmen von Fahrbahnsanierungen zurückgebaut – insofern der örtliche Bezirksausschusses dem Rückbau zugestimmt hat. Um an Gefahrenstellen die Fahrtgeschwindigkeiten zu reduzieren, setzt die LH München je nach örtlicher Gegebenheit darauf, die Fahrbahnbreiten zu verschmälern, sogenannte Gehwegnasen zur Einengung der Kreuzungen zu bauen bzw. bei neuen Straßen diese gleich als verkehrsberuhigter Bereich auszuführen. Neben der positiven Wirkung auf die Verkehrssicherheit, auch und insbesondere für Kinder und andere vulnerable Gruppe, werten diese Maßnahmen in der Regel das Erscheinungsbild einer Straße deutlich auf.
Das Vorkommen von Fahrbahnschwellen in anderen Gemeinden (in diesem Fall Pullach) kann das Baureferat der LH München nicht bewerten und dazu keine Stellungnahme abgeben. Generell jedoch sind Bremsschwellen in Bayern nicht (mehr) verboten. Entsprechende Vollzugsbekanntmachung sind mittlerweile ersatzlos aufgehoben. Dazu erlauben wir uns, ihnen folgende Stellungnahme des Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehrs vom 31.1.2023 zu übermitteln: „Verantwortlich für die Entscheidung, ob Bremsschwellen zur Reduzierung der Geschwindigkeit eingesetzt werden sollen, ist der jeweilige Straßenbaulastträger, der für die Verkehrssicherungspflicht verantwortlich ist. Entscheidungshilfen, welche baulichen Maßnahmen zur Geschwindigkeitsreduzierung auf einer Straße ergriffen werden können, enthalten dabei etwa die „Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V.
Generell gilt, dass der Straßenbaulastträger nach seiner jeweiligen Leistungsfähigkeit die Straßen in einem dem gewöhnlichen Verkehrsbedürfnis und den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten hat. Dies kann durchaus auch den Einbau von Hindernissen zur Durchsetzung von Geschwindigkeitsbegrenzungen umfassen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Verkehrssicherungspflichtige grundsätzlich gehalten, die Verkehrswege gefahrlos zu gestalten und sie in diesem Zustand zu halten sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsmäßigen Zustand der Verkehrsanlage drohen (vgl. BGH, U. v. 16.5.1991 – III ZR 125/90). Daneben müssen Verkehrsteilnehmer vor unvermuteten Gefahren sowohl bei bestimmungsgemäßer, aber auch nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung geschützt werden (vgl. BGH, U. v. 26.5.1966 – III ZR 59/64).Diese Grundsätze sind auch zu beachten, wenn der Straßenbaulastträger im Straßenraum Hindernisse (im konkreten Fall ging es um Bremsschwellen) anbringt, um Anordnungen der Verkehrsbehörde geschwindigkeitsbeschränkender oder verkehrsberuhigender Art Nachdruck zu verleihen (vgl. BGH, U. v. 16.5.1991 – III ZR 125/90.)Dabei darf aber das mit solchen baulichen Hindernissen verfolgte Ziel nicht aus dem Auge verloren werden: das Hindernis muss einerseits geeignet sein, die Verkehrsteilnehmer zu dem gewünschten Verhalten – im vorliegenden Fall also die Verminderung der Geschwindigkeit – zu veranlassen; es darf andererseits aber nicht selbst zur Quelle einer Verkehrsgefährdung werden, indem es ankommende Fahrzeuge trotz verkehrsgerechten Verhaltens des Kraftfahrzeugführers beschädigt und dadurch unerwünschte Gefahrenlagen ausgerechnet an einem verkehrssensiblen Punkt hervorruft. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss der Straßenbaulastträger also grundsätzlich diejenige Maßnahme ergreifen, die auch in Verbindung mit sonstigen verkehrsregelnden Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbeschränkungen, Warnschildern oder dergleichen das angestrebte Ziel (also etwa die Geschwindigkeitsreduzierung durch die Verkehrsteilnehmer) erreicht, jedoch für die betroffenen Verkehrsteilnehmer die geringste „Eingriffsintensität“ hat.“
Mit freundlichen Grüßen