Sehr geehrter Herr Dietrich,
bezugnehmend auf Ihr Auskunftsersuchen nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz vom 27. November 2023 beantworten wir nachfolgend Ihre Fragen.
Zu Frage 1
Die Träger von Schwangerschaftsberatungsstellen erhalten in diesem Jahr für eine ganzjährig vollzeitbeschäftigte Fachkraft eine Förderpauschale in Höhe von 85.238 €. Damit erfüllt das Land seinen gesetzlichen Auftrag, mindestens 80 % der notwendigen Personal- und Sachkosten zu finanzieren (s. u. Hintergrund). In den Jahren 2018 und 2019 wurde gemeinsam mit den Landesverbänden der Schwangerschaftsberatungsstellen ein Berechnungsmodell für die Kostenerstattung der Personalkosten entwickelt, das anteilig die Entgeltgruppen E 9, E 10 und E 11 für die Beratungsfachkräfte und zusätzlich E 6 und E 14 für Hilfs- und Leitungspersonal berücksichtigt. Grundlage sind die vom Finanzministerium für die Haushaltsplanaufstellung mitgeteilten Personalkostenrichtsätze. Die Gemein- und Sachkosten werden auf der Basis der jeweils geltenden VwV- Kostenfestlegung berechnet. Ab 2024 werden die anteiligen Entgeltgruppen auf der Grundlage des jeweils geltenden Tarifvertrags der Länder (TV-L) errechnet und die Gemein- und Sachkosten pauschal in Höhe von 20% der Personalgesamtkosten gewährt.
Eine 100 %-ige Kostenerstattung bei landesweit 123 Beratungsstellen und 280 Fachkraftstellen in unterschiedlicher Trägerschaft mit unterschiedlicher Tarifzugehörigkeit wäre nur in Form von Einzelfallprüfungen der Kosten möglich und in der Folge mit einem deutlichen Verwaltungsmehraufwand bei den Einrichtungen und den Regierungspräsidien verbunden. Die dann erforderliche Festlegung der "notwendigen Personal- und Sachkosten" würde auch die derzeit gegebene Handlungsfreiheit der Träger bezüglich Personalauswahl und tariflicher Bezahlung deutlich einschränken.
Hintergrund:
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. Juli 2003 (BVerwG 3 C 26.02) den anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots wohnortnaher pluraler Beratungsstellen erforderlich sind, nach § 4 Abs. 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) einen Rechtsanspruch auf Übernahme von mindestens 80% ihrer notwendigen Personal- und Sachkosten zugesprochen.
In der Begründung heißt es: "(...) Eine Förderung beinhaltet im allgemeinen juristischen Sprachgebrauch keine volle Kostenübernahme. Einen Teil der Kosten muss vielmehr der Träger aus eigenen Mitteln oder aus Fremdmitteln, die er beispielsweise aus Benutzerentgelten gewinnt, bestreichen. Dies entspricht ersichtlich auch der Absicht des damaligen Gesetzgebers. Der von einer Vielzahl von Abgeordneten eingebrachte Gesetzentwurf, der weitgehend dem später beschlossenen Gesetz entspricht, hatte in § 4 Abs. 2 SchKG noch die Bestimmung vorgesehen, nach diesem Gesetz anerkannte Beratungsstellen hätten Anspruch auf Erstattung der notwendigen Personal- und Sachkosten (vgl. BTDrucks 12/2605 <neu> S. 9, 20). Der Sonderausschuss "Schutz des ungeborenen Lebens" änderte diese dahin, dass ein Anspruch auf eine angemessene öffentliche Förderung eingeräumt wurde (vgl. BTDrucks 12/2875 S. 77). Daraus geht hervor, dass der Gesetzgeber keine volle Kostenerstattung wollte."
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt mit Urteil vom 8. August 2011 (BVerwG 3 B 96.10) ein Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. September 2010, dass die öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten anhand von standardisierten Personalkostensätze ermittelt werden können. Zudem halten die Richter eine Pauschale, die sich nach dem Personalkostenbetrag der Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder bemisst, für die Vergütung von Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen und Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeitern, die für die Beratung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz hinreichend qualifiziert sein, für ausreichend.
Zu Frage 2
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 15. Juli 2004 (BVerwG 3 C 14.04) entschieden, dass auch Beratungsstellen, die die allgemeine Beratung nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) erbringen, ohne sich an der Schwangerschaftskonfliktberatung zu beteiligen und den Beratungsschein nach § 7 SchKG auszustellen, einen Anspruch auf öffentliche Förderung nach § 4 Abs. 2 SchKG in Höhe von 80% der notwendigen Personal- und Sachkosten haben. In Folge des Urteils erhalten in Baden-Württemberg alle Träger von Schwangerschaftsberatungsstellen seit 2005 eine einheitliche Förderpauschale pro Fachkraftstelle.
Mit freundlichen Grüßen