Sehr << Antragsteller:in >>
vielen Dank für Ihre E-Mail an Herrn Bundeskanzler Olaf Scholz. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass es dem Bundeskanzler leider nicht möglich ist, Ihnen persönlich zu antworten. Dies lässt die ungewöhnlich große Zahl von Zuschriften nicht zu. Sie dürfen jedoch versichert sein, dass der Bundeskanzler den Meinungs- und Willensäußerungen der Bürgerinnen und Bürger, die sich auf diesem Weg an ihn wenden, große Aufmerksamkeit widmet. Alle E-Mails werden ausgewertet und in die politische Meinungsbildung eingebracht.
Ich kann nachvollziehen, dass die finanzielle Situation für Sie nicht zufriedenstellend ist. Die Höhe der Grundsicherung für Arbeitsuchende (sog. Arbeitslosengeld II) richtet sich allerdings nach der individuellen Hilfebedürftigkeit der Leistungsberechtigten und der im Haushalt lebenden Personen. Dementsprechend orientiert sich das Unterstützungsniveau am konkreten Bedarf des betroffenen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der in der Bedarfsgemeinschaft zusammenlebenden Angehörigen, sowie an den sonstigen Einkünften (z. B. Kindergeld) und gegebenenfalls verwertbarem Vermögen. So kann die individuelle Hilfebedürftigkeit bei einer relativ geringen Miete vermeintlich gering ausfallen.
Leben mehrere Personen im gleichen Haushalt zusammen und betreiben den Haushalt wirtschaftlich gemeinsam, werden unter Umständen alle zusammen als eine Bedarfsgemeinschaft behandelt. Bei einer solchen Bedarfsgemeinschaft werden alle ihr angehörenden Personen, mit ihren persönlichen Verhältnissen (Einkommen und Vermögen), in eine gemeinsame Berechnung einbezogen.
Wie die Höhe Ihres Arbeitslosengeld II sind konkret ermittelte, kann ich aus der Ferne nicht nachvollziehen. Hierfür bitte ich um Verständnis. Bitte seien Sie aber versichert, dass die Höhe der Regelbedarfe in der Grundsicherung nicht willkürlich festgelegt wird. Basis für die Ermittlung des Regelbedarfes ist das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) und die darin vorgesehene Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes.
Für die Ermittlung der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben führt das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre eine Sonderauswertung der Verbrauchsausgaben der unteren 20 Prozent der Familienhaushalte und der unteren 15 Prozent der Einpersonenhaushalte ohne Sozialhilfeempfänger durch. Auf deren Basis wird der Regelbedarf ermittelt.
Mit der Zugrundelegung dieser Referenzgruppen wird das Ziel erreicht, den Leitungsberechtigten ein Leben zu ermöglichen, wie es auch andere einkommensschwache Personen, die nicht von Sozialhilfeleistungen abhängig sind, führen. Eine jährliche Fortschreibung der Regelbedarfe berücksichtigt die Preisentwicklung der regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen.
Auf Basis der vorliegenden Daten der EVS konnte das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Höhe der Regelbedarfsstufen, die ab 1. Januar 2021 gelten, abschließend berechnen. Dies erfolgt gemäß den gesetzlichen Vorgaben des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Mit dem am 19. August 2020 vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf wurden die Re-gelbedarfsstufen im Bereich der Sozialhilfe (SGB XII) und in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zum 1. Januar 2021 neu festgesetzt. Damit erhöhte sich der Regelbedarf für alleinstehende Erwachsene von 432 Euro auf 446 Euro.
Der Regelbedarf wird jährlich angepasst. Grundlage der Fortschreibung für 2022 sind die Bedarfssätze aus dem Jahr 2021. Das Statistische Bundesamt errechnet die sogenannte Fortschreibung der Regelbedarfe jährlich anhand eines Mischindex. Dieser setzt sich zu 70 Prozent aus der Preisentwicklung und zu 30 Prozent aus der Nettolohnentwicklung zusammen. Die Preisentwicklung wird ausschließlich aus regelbedarfsrelevanten Waren und Dienstleistungen ermittelt. Ab dem 1. Januar 2022 beträgt der Regelbedarf somit 449 Euro. Zudem ist die Höhe nicht abhängig von der Staatsangehörigkeit.
Zu der von Ihnen vernommenen Diskussion, dass jeder aus der Ukraine Geflüchtete 1.000 € pro Monat erhalten soll, ist festzuhalten, dass es keine entsprechenden Pläne der Bundesregierung gibt.
Zur Rechtlage von in Deutschland lebenden Ausländern kann ich Ihnen zudem folgendes mitteilen: Menschen, die nicht Unionsbürger, benötigen für einen rechtmäßigen längeren Aufenthalt in Deutschland grundsätzlich einen Aufenthaltstitel. Für die Einreise nach Deutschland benötigen sie ein Visum, das vor der Einreise in einer Botschaft oder einem Generalkonsulat beantragt werden muss.
Wegen der besonderen Situation in der Ukraine wurde eine Ausnahmeregelung geschaffen: Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat hierfür eine Rechtsverordnung erlassen, mit der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine im Bundesgebiet vorübergehend vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit werden. Sie ist am 9. März 2022 in Kraft getreten und ist rückwirkend zum 24. Februar 2022 anwendbar. Die Verordnung dient dazu, die Einreise und den Aufenthalt der Betroffenen zu erleichtern und den Geflüchteten die Möglichkeit und die erforderliche Zeit für die Einholung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet zu geben und sie damit vor dem Hineinwachsen in einen unerlaubten Aufenthalt zu schützen. Einen Aufenthaltstitel benötigen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine also zunächst einmal nicht. Diese Regelung ist zunächst bis zum 31. August 2022 befristet. Danach benötigen Kriegsflüchtlinge einen Aufenthaltstitel. Da aber die Betroffenen keinen Einfluss darauf haben, wie lange die Behörde für die Bearbeitung eines Antrags benötigt, reicht eine Antragstellung innerhalb des Zeitraums, in dem man sich ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig in Deutschland aufhält.
Unabhängig davon wird selbstverständlich auch anderen Schutzbedürftigen Schutz gewährt, beispielsweise wenn ein Asylantrag gestellt wird. Menschen, die aus anderen Teilen der Welt vor Gewalt, Krieg und Terror fliehen, sollen hierzulande Schutz finden. Dabei handelt es sich aber ebenfalls nicht um eine Einbürgerung. Eine Einbürgerung, wie von Ihnen angesprochen, ist an Voraussetzungen geknüpft wie beispielsweise, dass ein ausreichendes Einkommen vorhanden sein muss, dass die deutsche Sprache beherrscht und dass man sich zu den Grundwerten der deutschen Verfassung bekennen muss. Wenn diese und weitere Voraussetzungen erfüllt werden, ergibt sich ein gesetzlicher Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit.
In der Hoffnung, dass die vorgenannten Informationen hilfreich sind, wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie für die Zukunft alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen