Sehr << Antragsteller:in >>
vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne geben wir Ihnen Auskunft zum Hintergrund und aktuellen Stand in Bezug auf die Organisation einer Lebensmittelverteilung im Rahmen der Ernährungsnotfallvorsorge.
Die (Grund-) Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln war bis zum 10.04.2017 geregelt
• im Ernährungssicherstellungsgesetz (ESG),
• im Ernährungsvorsorgegesetz (EVG),
• in der Ernährungswirtschaftsmeldeverordnung (EWMV) und
• in der Ernährungsbewirtschaftungsverordnung (EBewiV).
Das ESG umfasste Regelungen zur Sicherstellung insbesondere zur Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie der Forst- und Holzwirtschaft (Erzeugnisse) im Verteidigungs- und Spannungsfall (Art. 115a, 80a GG). Das EVG hatte die Sicherung einer ausreichenden Versorgung mit Erzeugnissen der Ernährungs- und Landwirtschaft für den Fall einer Versorgungskrise zum Ziel. Als Versorgungskrise galt, wenn die Deckung des Bedarfs an lebenswichtigen Erzeugnissen in wesentlichen Teilen des Bundesgebietes ernsthaft gefährdet und diese Gefährdung durch marktgerechte Maßnahmen nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu beheben waren.
Auf Grundlage der im ESG und im EVG enthaltenen Ermächtigungen wurden u. a. die EWMV und die EBewiV erlassen. Die EWMV verpflichtete Betriebe der Ernährungswirtschaft, Meldung u. a. zu ihren Produktions- und Lagerkapazitäten sowie zu Herstellungsmengen zu machen. Nach der EBewiV war – nur bei Fällen nach dem ESG – eine öffentliche Bewirtschaftung bestimmter Erzeugnisse möglich, welche Verfügungsbeschränkungen und Abgabepflichten unterlagen (Stichwort: Lebensmittelkarten).
Mit dem Ernährungssicherstellungs- und -vorsorgegesetz (ESVG) vom 11.04.2017 wurden das ESG und das EVG zu einem Gesetz zusammengefasst. Das ESVG kommt gemäß § 1 zur Anwendung, wenn durch die Bundesregierung eine Versorgungskrise festgestellt wird. Diese liegt vor, wenn
1. die Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs an Lebensmitteln in wesentlichen Teilen des Bundesgebietes ernsthaft gefährdet ist
a) im Spannungsfall nach Art. 80a GG oder im Verteidigungsfall nach Art. 115a GG oder
b) infolge einer Naturkatastrophe, eines besonders schweren Unglücksfalles, einer Sabotagehandlung, einer wirtschaftlichen Krisenlage oder eines sonstigen vergleichbaren Ereignisses und
2. diese Gefährdung ohne hoheitliche Eingriffe in den Markt nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu beheben ist.
Das ESVG sowie die Rechtsverordnungen, die aufgrund dieses Gesetzes erlassen werden, werden von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Soweit die Regelungen Zwecken der Verteidigung dienen, werden sie im Auftrag des Bundes durchgeführt. Die Zuständigkeit für die Ausführung des ESVG sowie der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen richtet sich nach Landesrecht.
Mit der Zuständigkeitsverordnung Agrar NRW wurden die entsprechenden Zuständigkeiten an das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung (MLV) sowie der nachgeordneten Behörde dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) übertragen. Mit Schreiben vom 27.05.2019 hat das LANUV den Bezirksregierungen, Städten und Kreisen mitgeteilt, dass nach derzeitigem Kenntnisstand davon auszugehen ist, dass die Lebensmittelkarten nicht mehr benötigt werden und insofern einer Vernichtung nichts entgegensteht. Vorangegangen waren Anfragen von Kreisen, wie mit den vorhandenen Lebensmittelkarten umzugehen ist. Neben der fehlenden gesetzlichen Grundlage wurde u.a. auf den Umstand hingewiesen, dass die Lebensmittelkarten aufgrund des technischen Fortschritts nicht mehr fälschungssicher seien.
Die Erarbeitung einer Neukonzeption zur Lebensmittelverteilung ist ein komplexer Prozess, welcher mit zahlreichen Themen wie z.B. der Ernährungsnotfallvorsorge insgesamt, der zivilen Alarmplanung oder dem KRITIS Dachgesetz verknüpft ist. Um diese Faktoren miteinzubeziehen wird das Thema sowohl in verschiedenen Bund-Länder-Arbeitsgruppen bearbeitet wie auch NRW intern. So ist zurzeit u.a. eine Leitlinie zur hoheitlichen Verteilung von Lebensmitteln in einer Versorgungskrise, welche mit dem Lebensmitteleinzelhandel erarbeitet wurde, in Abstimmung. Auch wurde mit der Veröffentlichung der ESVG Datenübermittlungsverordnung im März 2023 eine wichtige Grundlage geschaffen ein Konzept zur Ernährungsnotfallvorsorge auszugestalten.
Neben diesen Vorbereitungen ist ergänzend anzumerken, dass das wirksamste Mittel zur Vorsorge für eine Versorgungskrise die dezentrale Vorratshaltung durch die einzelnen Privathaushalte ist. Staatliche Ernährungsvorsorge trägt dazu bei, kurzfristige Versorgungsengpässe in Krisensituation zu überbrücken, sie bedarf jedoch einer ergänzenden privaten Ernährungsvorsorge.
Mit freundlichen Grüßen,