Sehr geehrter Herr Seehofer,
wir nehmen Bezug Ihre Mailanfrage vom 03.03.2023 und teilen Ihnen
hierzu Folgendes mit:
Das Klimaticket wird auf Grundlage mehrerer Beschlüsse der
Stadtverordnetenversammlung der Wissenschaftsstadt Darmstadt gewährt.
Die Stadtverordnetenversammlung ist das Parlament und damit oberstes
beschließendes Organ der Stadt (§ 50 Hessische Gemeindeordnung).
Im September 2019 hat die Stadtverordnetenversammlung der
Wissenschaftsstadt Darmstadt den wegweisenden Beschluss ‚Höchste
Priorität für Klimaschutz – Weltklima in Not – Darmstadt handelt‘
gefasst und sich damit klar zu den Zielen des Pariser
Klimaschutzabkommens bekannt.
Der erste konkrete Beschluss zur Einführung und Finanzierung eines
Klimatickets wurde mit der Magistratsvorlage Nr. 2020/0235
( tel:20200235) zum sog. Klimaentscheid gefasst. Das Bürgerbegehren
‚Klima-Entscheid Darmstadt‘ zur Förderung des Klimaschutzes im Gebiet
der Wissenschaftsstadt war mit mehreren Tausend
Unterstützerunterschriften beim Magistrat der Wissenschaftsstadt
Darmstadt eingereicht worden. Das Begehren stellte anhand von elf
einzelnen Zielen die Forderung auf, konsequenten Klimaschutz zu
betreiben – vom Bausektor über den Verkehr bis zu erneuerbaren Energien.
Der Klimaentscheid hatte unter anderem gefordert: „Für neu hinzugezogene
Bürger*innen (Studierende ausgenommen) gibt es ab Mitte 2020 ein
kostenloses, drei Monate gültiges „Klimaticket“ für den öffentlichen
Nahverkehr Südhessen. Bürger*innen, die bereits in Darmstadt wohnen,
erhalten die gleiche Fahrkarte, sofern sie nachweislich einen auf sich
angemeldeten PKW abmelden [und kein neues Fahrzeug anmelden].“
Zwar haben Magistrat und Stadtverordnetenversammlung aufgrund
schwerwiegender formaler Mängel die Nichtzulässigkeit des
Bürgerbegehrens zum Klimaentscheid festgestellt, gleichzeitig jedoch
auch die Übernahme eines Großteils der dort geforderten Maßnahmen in die
Klimaschutzstrategie der Stadt beschlossen; darunter die Einführung
eines Klimatickets.
Mit Magistratsvorlage 2021/0327
( tel:20210327) haben Magistrat und Stadtverordnetenversammlung sodann
die Einführung und Finanzierung eines Klimatickets beschlossen. Das
Klimaticket ist zudem eine konkrete Maßnahme im Handlungsfeld Mobilität
des Klimaschutzplanes 2035, bei dessen Erstellung unter anderem der
Klimaschutzbeirat beteiligt war, dem rund 60 Institutionen aus Politik,
Stadtwirtschaft, Verwaltung, Forschung, Verbände, Vereine und Wirtschaft
angehören. Der Klimaschutzplan 2035 wurde mit Magistratsvorlage
2022/0219
( tel:20220219) von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung
beschlossenen.
Die Magistratsvorlagen sowie Beschlüsse von Magistrat und
Stadtverordnetenversammlung der Wissenschaftsstadt Darmstadt sind
einsehbar unter:
https://darmstadt.more-rubin1.de/index.php
1. Auf welcher rechtlichen Grundlage und mit welchen Geldern werden die
Klimatickets finanziert?
Das Klimaticket wird auf Grundlage der zuvor dargestellten Beschlüssen
der Stadtverordnetenversammlung der Wissenschaftsstadt Darmstadt
gewährt. Die dafür benötigten Haushaltsmittel wurden mit den
Beschlüssen zu den Haushalten 2022 und 2023 zur Verfügung gestellt.
2. Warum bekommen ehemalige Autofahrer beim Abmelden ihres Autos 3
Monate ÖPNV Ticket umsonst?
Fördermaßnahmen sollen immer eine gewünschte Entwicklung unterstützen
und dafür Anreize schaffen. Im Falle des Klimatickets Darmstadt soll die
Entwicklung unterstützt werden, auf den Besitz eines PKW zu verzichten,
um damit den CO2 Ausstoß zu reduzieren.
3. Was wenn diese einfach ein neues Auto nach oder alle drei Monate
anmelden?
Um eine Veränderung des Mobilitätsverhaltens hin zu weniger
klimaschädlichen Mobilitätsformen zu fördern, sollen mit dem
Klimaticket Darmstadt PKW Besitzende erreicht werden, die möglicherweise
kaum oder noch nie über einen längeren Zeitraum ÖPNV Zeitkarten in
unserer Stadt genutzt haben. Diese Bürgerinnen und Bürger können mit dem
Klimaticket überzeugt werden den ÖPNV zu nutzen.
Das von Ihnen geschilderte Szenario, dass Pkw-Besitzer*innen Pkw
wiederholt an- und abmelden, um ein Klimaticket zu erhalten, halten wir
für nicht realistisch, da dies auch immer wieder mit Aufwand und Kosten
(Versicherung, Steuer, Kosten für Kfz-Schilder usw.) verbunden ist, die
in keinem Verhältnis zum „Gewinn“ durch ein Klimaticket stehen.
4. Bitte erläutern Sie auf welcher rechtlichen Grundlage ein solches, 3
Monate kostenloses, OPNV Ticket ausschließlich Autofahrern genehmigt
werden darf und warum andere Verkehrsteilnehmer keinen Anspruch darauf
haben?
Zunächst: Das Klimaticket wird nicht ausschließlich Autofahrern
gewährt.
Das Klimaticket ermöglicht drei Monate lang die kostenlose Benutzung
von Bussen und Bahnen im Tarifgebiet 4000 für neu nach Darmstadt
gezogene Menschen, aber auch für solche, die bereits in Darmstadt wohnen
und nachweislich einen auf sich zugelassenen Pkw abmelden und kein neues
Fahrzeug anmelden. Damit soll für letztere ein Anreiz für den
dauerhaften Umstieg auf den ÖPNV bzw. Umweltverbund geschaffen werden.
Neubürger*innen werden mit dem lokalen ÖPNV-Angebot vertraut gemacht.
Die rechtliche Grundlage dazu sind die eingangs erläuterten Beschlüsse
der Stadtverordnetenversammlung der Wissenschaftsstadt Darmstadt.
5. Warum werden Menschen, die z.B. noch nie ein Auto hatten, oder es
bereits vor Jahren der Umwelt zur Liebe abgeschafft haben, hier nicht
entsprechend besser oder zumindest gleich entlohnt?
Wie unter 2. erläutert, geht es bei einer Fördermaßnahme um das
Erreichen einer gewünschten Entwicklung. Also das Erreichen eines
gewünschten Sollzustands und nicht um die Belohnung eines
Istzustands.
6. Eine Vergünstigung bzw. ein Rabatt des ÖPNV, der nur Autofahrern
gestattet wird stellt eine Diskriminierung aller weiteren
Verkehrsteilnehmer dar. Was hat das mit Gleichberechtigung aller am
Verkehr teilnehmen Personen (=Verkehrswende) zu tun?
Wie unter 2. geschildert, geht es um eine Fördermaßnahme deren Ziel der
Verzicht auf den eigenen PKW in Darmstadt ist. Daher richtet sich die
Fördermaßnahme entsprechend auch an PKW Besitzende, die auf ihren PKW
verzichten.
7. Was sind die Ziele einer solchen Aktion? Wer soll wie davon
profitieren?
Ziel ist die Verringerung des CO2 Ausstoßes zur Verringerung der
Erderwärmung und damit die Erhaltung unserer Lebensqualität. Die
jetzt schon zu Tage tretenden Folgen des Klimawandels und die
regelmäßigen Forderungen nach Maßnahmen, diese einzudämmen machen
jede realisierbare Maßnahme lohnenswert. Neben der Reduzierung des
Treibhausgases CO2 profitieren Darmstädterinnen und Darmstädter daher
auch gesundheitlich durch die Reduzierung des Stickoxid Ausstoßes sowie
die Reduzierung von Feinstaub.
8. Kann eine solche Aktion die gewollten Ziele überhaupt erreichen?
Aus Sicht der Wissenschaftsstadt Darmstadt kann das Klimaticket eine
von vielen (siehe Klimaschutzplan 2035) Maßnahme sein, um die gewollten
Klimaschutzziele für Darmstadt zu erreichen.
9. Wo wird wann aufgezeigt, was diese Aktion denn wirklich gebracht
hat?
Es wird eine freiwillige Befragung durchgeführt, deren Aussagekraft
jedoch davon abhängt, wie viele Klimaticket Darmstadt Nutzende daran
teilnehmen. Aussagekräftige Ergebnisse können nach ca. einem Jahr im
Herbst 2023 gemacht werden.
Zudem könnte eine Verringerung der in Darmstadt zugelassenen PKW, auch
auf einen Erfolg der PKW Verzichtende ausgegebenen Klimatickets
Darmstadt hinweisen.
Freundliche Grüße