Guten Tag,
ich bitte um Vermittlung bei einer Anfrage nach dem Hamburgisches Transparenzgesetz (HmbTG, UIG, VIG). Die bisherige Korrespondenz finden Sie hier:
https://fragdenstaat.de/a/289708/
Ich bin der Meinung, die Anfrage wurde zu Unrecht auf diese Weise bearbeitet.
Dies habe ich umfangreich in einem Widerspruch begründet. Ich übermittle diesen im Wortlaut:
"Sehr geehrte Damen und Herren, Berlin, den 24.10.2023
Hiermit lege ich Widerspruch gegen Ihre pauschale Ablehnung meiner Informationsfreiheitsanfrage vom 7. Oktober 2023 ein, die Sie mir über das Portal „Frag den Staat“ am 24. Oktober übermittelt haben.
https://fragdenstaat.de/anfrage/kommunikation-zu-kleiner-anfrage/844375/anhang/2023-10-24-bescheiddemasi_geschwaerzt.pdf
Der Wortlaut meiner Informationsfreiheitsanfrage lautete: Jegliche Konmunikation zur Kleinen Anfrage des Abgeordneten Norbert Hackbusch (DIE LINKE) vom 05.11.19 und Antwort des Senats (Betreff: Cum-Ex und Cum-Cum in Hamburg, hier: Bankhaus M.M.Warburg)
Gegen Ihre Entscheidung mache ich folgende Einwände geltend:
1. Es ist höchst zweifelhaft, dass die Beantwortung parlamentarischer Anfragen zu einfachen Sachauskünften die unmittelbare Willensbildung des Senats bzw. Entscheidungen des Senats und von Behörden betreffen. Dies wäre womöglich dann der Fall, wenn vom Senat gefordert gewesen wäre sich inhaltlich (im Sinne einer politischen Abwägung) zu Cum-Ex Geschäften oder gesetzgeberischen Maßnahmen gegen schwere Steuerhinterziehung zu positionieren und dafür eine Willensbildung im Senat erforderlich wäre. Darüber ob jedoch Treffen von Mitgliedern des Senats mit Vertretern der Warburg Bank stattgefunden haben, existiert ein klarer Auskunftsanspruch der Hamburger Bürgerschaft und auch im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes. Dies ist keine politische Abwägungsfrage.
Mithin ist fraglich ob einfache Sachauskünfte, wie die Beantwortung der Frage der Hamburger Bürgerschaft, ob der frühere Erste Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz, Vertreter der Warburg Bank getroffen hat und dabei auch das Steuerverfahren der Warburg Bank ein Thema war, Senats- oder Behördenentscheidungen darstellen. Der Senat entscheidet nicht, ob Herr Scholz Vertreter der Warburg Bank getroffen hat, da dies eine objektivierbare Tatsache ist und keine politische Abwägungsfrage. Es geht damit kein gesetzgeberisches Handeln oder keine Verwaltungsentscheidung einher.
Wenn dies der Fall wäre, wäre die Kommunikation zu parlamentarischen Anfragen grundsätzlich vom IFG ausgenommen. Dies ist aber nicht der Fall wie die Praxis u.a. der Bundesregierung verdeutlicht, die mir gerade aktuelle wieder umfangreiche Kommunikation zur Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zur Verfügung gestellt hat. Zuletzt wurde mir etwa hier umfangreich Einblick in die Kommunikation zur Beantwortung folgender parlamentarischen Anfrage erteilt
https://fragdenstaat.de/anfrage/kommunikation-zur-bundestags-drucksache-20-216-sowie-20-406-von-rintelen/842174/anhang/img-1228.jpg
Auch der Untersuchungsausschuss der Hamburgere Bürgerschaft zur Cum-Ex Steuergeldaffäre hat etwa Kommunikation der Büroleiterin von Olaf Scholz zur Verfügung gestellt bekommen, die etwa die Frage umfasst, wie Termine von Olaf Scholz gegenüber dem Parlament „einzusortieren“ seien. Auch eine solche Kommunikation, die also Abwägungen zur Informationserteilungen gegenüber dem Parlament erfasst, ist nicht von der Informationsfreiheit ausgenommen.
2. Der Ausnahmetatbestand in § 6 Absatz 1 HmbTG ist an den § 3 Absatz 3 b) des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) des Bundes angelehnt. Im HmbTG wird dabei auf die „unmittelbare Willensbildung des Senats, Entwürfe, vorbereitende Notizen und vorbereitende Vermerke“ abgestellt. Im IFG des Bundes wird formuliert: „Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden“. Analog dazu heißt es in § 6 Absatz 2 des HmbTG: „Ebenfalls von der Informationspflicht sollen ausgenommen werden Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidungen oder bevorstehender Maßnahmen vereitelt würde.
Bereits der Wortlaut der Gesetze umfasst somit wesentliche Einschränkungen wie die „unmittelbare Willensbildung des Senats“ sowie „Entwürfe, vorbereitende Notizen und vorbereitende Vermerke“ und eine sachliche und zeitliche Einschränkung, die durch die Worte „wenn und solange“ gekennzeichnet wird. Das Hamburger Transparenzgesetz gilt dabei gemeinhin als eine Landestransparenzgesetz, dass die Informationspflichten der Exekutive besonders betont. Diese Einschränkungen wurden in Ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt. So ist allein die zeitliche Einschränkung evident, da mittlerweile die von Ihnen unsachgemäß als Entscheidung gekennzeichnete Kommunikation über Sachinformation abgeschlossen wurde.
$ 6 Absatz 2 Nummer 1 des HmbTG gewährleistet, dass - wenn durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder der behördlichen Maßnahmen vereitelt würde - Entwürfe und Beschlüsse zur unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung von der Informationspflicht ausgenommen werden sollen. Nach Abschluss des Verfahrens erlischt der Schutz nach Absatz 2 jedoch. Dies soll durch die Verwendung des Begriffes „solange“ verdeutlicht werden. Zudem stellt die Formulierung „soweit und solange“ in Absatz 2 klar, dass die Beurteilung einem Wandel unterliegt und die Informationen durch veränderte Umstände, z. B. Presseveröffentlichungen zu diesem Thema, zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr schutzwürdig sein können. Dies ist bei den Vorgängen rund um die Treffen von Olaf Scholz mit den Vertretern der Warburg Bank und der Rolle des Hamburger Senats bei der Informationspolitik eindeutig der Fall. Denn all diese Fragen wurden bereits in der Öffentlichkeit umfangreich ausgebreitet.
3. Mit der ‚unmittelbaren Willensbildung des Senates’ ist der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gemeint, so wie ihn das BVerfG im „Flick-Urteil“ (BVerfGE 67, 100 (139)) als verfassungsrechtliche Grenze des Auskunftsrechts von Abgeordneten anerkannt hat und der in weiteren Urteilen bestätigt wurde (u.a. HmbVerfG, Urt. v. 20.05.2003, Az. HVerfG 9/02); Diese Grenze gilt ebenso bei der Zubilligung von Informationsrechten nach dem Transparenzgesetz. Der Kernbereich ist Ausfluss des Gewaltenteilungsgrundsatzes und gewährleistet der Regierung einen nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich, der für die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung des Senates unerlässlich ist. Dazu gehören z.B. die Willensbildung des Senats selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Senat als auch bei der Vorbereitung von Senats- und Behördenentscheidungen, die sich vornehmlich in behördenübergreifenden und internen Abstimmungsprozessen vollzieht. In diesen Fällen ist kein Informationszugang zu gewähren.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 30. März 2004 (BVerfGE 110, S. 199 ff.) in Anlehnung an „Flick-Urteil“ den Bereich der exekutiven Eigenverantwortung präzisiert, der dem parlamentarischen Auskunftsrecht entzogen ist. Auch der Bremer Staatsgerichtshof hat sich zu diesen Fragen ausführlich eingelassen (BremStGH, Entscheidung vom 1. März 1989, DVBl. 1989, S. 453 ff). Die überwiegende Rechtsaufassung ist seither in der Literatur, dass die interne Willensbildung gerade nicht bei abgeschlossenen Vorgängen zu schützen ist.
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages führt zur Präzisierung durch das Bundesveraffsungsgericht aus (Wissenschaftlicher Dienst 2006, Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, S. 7-8,
https://www.bundestag.de/resource/blob/412760/1e98af44462dee55fd1ee3925501dbf4/wd-3-383-06-pdf-data.pdf):
„Darin wird deutlich gemacht, dass die Auslegung des „Flick-Urteils“ die Existenz eines absoluten Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung nicht bedenkenlos stützen kann. Nach dem Beschluss führe die Annahme, jeder der Regierung unerwünschte parlamentarische Einblick in das Zustandekommen von Regierungsentscheidungen beeinträchtige die Offenheit des Willensbildungsprozesses und damit die Funktionsfähigkeit der Regierung, zu folgende Konsequenzen: Die Entscheidungen der Regierung unterlägen dem parlamentarischen Kontrollrecht dann nur hinsichtlich des verlautbarten Entschei- dungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Die Hintergründe könnten dagegen nach belieben zurückgehalten werden. Die von der Regierung getroffenen Entscheidungen könnten nicht politisch beurteilt werden und die politische Verantwortung für Fehler, die gerade im Zustandekommen der Entscheidung liegen, nicht zur Geltung gebracht werden. Die Entscheidung darüber, welche Vorgänge in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung fallen, läge einzig bei der Spitze der Exekutive, was zu einer unkontrollierten Geheimhaltung führen könnte. Dies gilt insbesondere für Informationen, die darüber Aufschluss geben, welcher Informationsstand den Entscheidungen der Regierung zugrunde lag. Ein schützenswertes Interesse der Regierung kann zwar für den Beurteilungsprozess als Willensbildendem Vorgang gesehen werden. Kein schützenswertes Interesse liegt jedoch in der Geheimhaltung der Informationen, die Grundlage dieser Beurteilung waren.“
Wenn etwa hypothetisch der damalige Finanzsenator Peter Tschentscher anweist, dass die Frage nach Treffen zwischen dem früheren Ersten Bürgermeister Olaf Scholz und Vertretern der Warburg Bank negativ zu beantworten sei, wäre die unmittelbare Kommunikation hierzu von Peter Tschentscher unter Umständen geschützt. Nicht geschützt wäre aber die Informationsgrundlage von Peter Tschentscher, etwa Kommunikation aus der hervorginge, dass er Kenntnisse von solchen Treffen hatte. Auch nicht zwingend geschützt wäre die Kommunikation eines Beamten, der eine solche Weisung in eigenen Worten wiedergibt. Geschützt wer nur die unmittelbare Willensbildung des Senats und somit etwa Kommunikation in die Herr Tschentscher selbst einbezogen wäre oder Entwürfe, Notizen und vorbereitende Vermerke. Einfache E-Mail-Kommunikation wäre davon nicht erfasst.
4. Das Hanseatische Oberlandesgericht stellte kürzlich in einem Rechtsstreit zur Veröffentlichung von wörtlichen Zitaten aus Tagebüchern des ehem. Warburg Gesellschafters Christian Oleraius fest: "Gegenstand der Berichterstattung ist darüber hinaus das Informationsverhalten des damaligen Bürgermeisters, der Hamburger SPD und des rot-grünen Senats in Bezug auf die mit dem Kläger erfolgte Kommunikation. Unter Hinweis auf die Tagebuchaufzeichnungen des Klägers werden Widersprüche aufgezeigt und die nur 'tröpfchenweise' erfolgte Information der Öffentlichkeit kritisch beleuchtet. Auch hieran besteht unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Dieses überragende Informationsinteresse der Öffentlichkeit erstreckt sich auch auf die Wiedergabe der Tagebuchaufzeichnungen im Wortlaut."
https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2023/Entscheidung-OLG-Hamburg-Panorama-durfte-aus-Tagebuch-von-Bank-Chef-zitieren,cumextagebuecher102.html
Es ist abwegig anzunehmen, dass etwa aus Tagebüchern zitiert werden dürfe, nicht aber E-Mails veröffentlicht werden dürfen, die der Beantwortung parlamentarischer Anfragen dienen. Zumal in meiner Anfrage die Finanzbehörde angesprochen war, die eine Fachbehörde des Senats ist. Eine pauschale Ausnahme jeglicher Kommunikation, die der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage diente, ist zu weitgehend.
5. Selbst wenn auf Teile der Kommunikation die unter 1) zitierten Ausnahmen anzuwenden wären, wäre dies im Einzelfall zu begründen und in Form einer Negativliste zu übermitteln. Dies ist nicht erfolgt.
Mit freundlichen Grüßen,
<< Adresse entfernt >>"
Sie finden auch alle Dokumente zu dieser Anfrage als Anhang zu dieser E-Mail.
Sie dürfen meinen Namen gegenüber der Behörde nennen.
Mit freundlichen Grüßen
<< Adresse entfernt >>
Anhänge:
- 289708.pdf
- 2023-10-24_1-2023-10-24-bescheiddemasi.pdf
Anfragenr: 289708
Antwort an:
<<E-Mail-Adresse>>
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https://fragdenstaat.de/a/289708/