Sehr
<< Antragsteller:in >>
auf Ihren Widerspruch vom 04.07.2023 gegen den Bescheid des Justiziariats der Polizei Berlin zum Aktenzeichen PPr Just 43 RO IFG 71.23 vom 21.06.2023 ergeht folgender
Bescheid:
1. Der Widerspruch wird zurückgewiesen.
2. Sie haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Für die Bearbeitung werden Gebühren in Höhe von 10,00 € erhoben.
Begründung
Mit Schreiben vom 24.05.2023 stellten Sie einen Antrag nach dem IFG und bitten um Auskunft über eine Gefährdungsbewertung des Landeskriminalamtes Berlin zur 1-MaiDemo 2023.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 21.06.2023 durch das Justiziariat 4 abgelehnt. Gegen den Bescheid des Justiziariats haben Sie mit Schreiben vom 04.07.2023 - eingegangen am 04.07.2023 - fristgerecht Widerspruch erhoben. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass der ablehnende Bescheid rechtswidrig wäre. Das Justiziariat 4 half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn der Widerspruchsstelle der Polizei Berlin — PPr Just 5 - zur abschließenden Entscheidung vor.
Ihr Widerspruch ist zulässig, jedoch unbegründet.
Ich habe Ihre Einwände geprüft und bin zu folgendem Ergebnis gekommen: Zweck des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) ist es, durch ein umfassendes Informationsrecht das in Akten festgehaltene Wissen und Handeln öffentlicher Stellen unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten unmittelbar der Allgemeinheit zugänglich zu machen, um über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen.
Jeder Mensch hat gemäß § 3 Abs. 1 IFG Berlin nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG genannten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten.
Die Informationen bzw. die Gefährdungsbewertung zum Veranstaltungsgeschehen rund um die „Revolutionäre 1. Mai Demo“ am 1. Mai 2023, sind in ihrer hier streitgegenständlichen Fassung, am 05.04.2023 erstellt worden und später fortgeschrieben. Die hier in
Rede stehenden Dokumente haben insgesamt einen Umfang von 12 Seiten.
Die Informationen wurden durch die erstellende Dienststelle unmittelbar bei der Erstellung als Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch (VSnfD) eigestuft. Bezüglich der
Herausgabe an außerbehördliche Stellen wird nach § 49 Verschlusssachenanweisung (VS-Anweisung/VSA) für das Land Berlin vom 1. Dezember 1992 verfahren. Danach ist u.a. eine Weitergabe eindeutig auf Fälle beschränkt, in denen die Kenntnis im staatlichen Interesse erforderlich ist. Die Gründe für die Einstufung der Dokumente bestehen
im Übrigen fort.
Gemäß § 11 IFG darf eine Akteneinsicht oder Auskunft nur versagt werden, wenn das Bekanntwerden des Akteninhalts dem Wohle des Bundes oder eines Landes schwerwiegende Nachteile bereiten oder zu einer schwerwiegenden Gefährdung des Gemeinwohls führen würde. Durch eine Einsicht in die begehrten Dokumente ließen sich Rückschlüsse auf die polizeiliche Einsatztaktik ermöglichen und würden somit zukünftig den Erfolg polizeilicher Maßnahmen gefährden.
Staatliches Handeln, insbesondere polizeiliches, darf nicht kalkulierbar oder voraussehbar sein, da sonst die gesetzlich übertragene Aufgabe der Polizei zur Gefahrenabwehr
und zur Strafverfolgung nicht mehr gewährleistet wären.
Nach ständiger Rechtsprechung des BVemwG ist durch die Offenbarung von Akten ein Nachteil für das Wohl des Landes unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbe hörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde (s. BVerwG, Beschluss vom 21. August 2012 - 20 F 5.12 - juris Rn. 4 m.w.N., BVerwG, Beschl. v. 28.09.2020 — 20 F 3.20 — und Beschl. v. 04.02.2020 - 20 F 2.1).
Erkenntnisse, wie die Polizei schon im Vorfeld auf Personen oder Personengruppe, die möglicher Weise gewaltbereit aufmerksam wird, durch z.B. Beobachtungen dieser Personen wäre übertragbar auf andere Protestveranstaltungen im gleichen politischen Lager. Die Strukturen, Quellen und Methoden der Polizei vor, während und nach ähnlichen Veranstaltungen sind schützenwerter als das Informationsinteresse, das durch das Informationsfreiheitsgesetz gewährleistet werden soll.
Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert und damit dem Wohl eines Landes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer Offenlegung
von Unterlagen, vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise
ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (BVerwG, Beschlüsse
vom 04.03.2010 - 20 F 3.09 - juris Rn. 6 und vom 21.01.2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 19).“
Die Polizei Berlin ist eine Institution der inneren Sicherheit des Landes Berlin. Die Offenlegung der in Rede stehenden Informationen würde einen schwerwiegenden Nachteil
für das Land Berlin darstellen oder zu einer schwerwiegenden Gefährdung des Gemeinwohls führen.
Die Herausgabe der begehrten Informationen ist demnach zu verweigern, wenn die Bekanntgabe zu einer ernsthaften, konkreten Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Staates oder der Schutzgüter Leben und Gesundheit führt, dies ist vorliegend der Fall.
Bei den in Rede stehenden Informationen handelt es sich um eine strukturierte Zusammenstellung von Informationen mit Bezug zu der entsprechenden Versammlungslage, die zusätzlich konkret analysiert und bewertet wurde. Diese Informationen stammen sowohl aus öffentlich zugänglichen Quellen, aber insbesondere aus polizeilichen Informationssystemen, behördeninternen Quellen, von anderen Polizeibehörden sowie gegebenenfalls von den Verfassungsschutzbehörden.
Ziel ist es der Polizeiführung eine Entscheidungshilfe für die Planung eines Einsatzes anlässlich der jeweiligen Versammlungslage an die Hand zu geben, mit der diese ihre polizeilichen Maßnahmen konkret planen kann. Konkret bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Polizeiführung aufgrund der Dokumente und der Gefährdungsbewertung in die Lage versetzt werden soll, zu planen wie viel Personal und welche (taktischen) Einsatzmittel benötigt werden, um für einen möglichst friedlichen und reibungslosen Ablauf der Versammlung zu sorgen.
Hieraus ergibt sich, dass die Dokumente bzw. die Gefährdungsbewertung die Grundlage für die Ausgestaltung des polizeilichen Einsatzes bildet und ein Produkt der Zusammenarbeit innerhalb der Polizei Berlin und der Zusammenarbeit der Polizei Berlin mit anderen Behörden (im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenerfüllung auch den Nachrichtendiensten) darstellt. Das Offenbaren von Inhalten würde Rückschlüsse auf die Quellen und die Methodik der Gefahrenanalyse zulassen. Somit könnten an einem unfriedlichen Versammlungsverlauf interessierte Personen gezielt versuchen, ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Dadurch würde es der Polizei Berlin erheblich erschwert werden, im Rahmen ihres Auftrages zur Gefahrenabwehr friedliche Versammlungen zu gewährleisten.
Nicht jede künftige Polizeitaktik ist schutzbedürftig und natürlich ist das Wohl des Landes Berlin nicht mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit gleichzusetzen, jedoch kann eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit (z.B. durch eine unfriedliche Versammlung) auch eine Gefährdung des Wohls des Landes Berlin darstellen. Anders, als Sie es in Ihrem Widerspruch darstellen, geht nach hiesiger Auffassung die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auch nicht von der Ausübung der Versammlunggsfreiheit nach Art. 8 GG aus, sondern von den (durch einzelne) anlässlich der Versammlung begangenen Straftaten aus.
Aufgrund der sorgfältigen Vorbereitung und taktischen Aufstellung der Polizei Berlin konnte ein friedlicher Verlauf gewährleistet werden, von daher greift Ihr Verweis auf den
friedlichen Verlauf, gerade nicht. Die Kenntnis über den Verlauf polizeilicher Einsatzmaßnahmen durch unbefugte Dritte
würde zu einer Gefährdung des Ablaufs zukünftiger Polizeieinsätze und der daran beteiligten Polizeibeamten führen. Die Dokumente enthalten schützenswerte Informationen,
deren Kenntnisnahme durch Unbefugte die Vorgehensweise der Polizei in einsatztaktischen und -strategischen Belangen öffentlich machen und damit die Effektivität polizeilicher Einsatzmaßnahmen schwächen. Insbesondere Leben und Gesundheit der eingesetzten Polizeibeamten würden durch die Offenlegung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gefährdet.
Ihren Ausführungen zu § 9 Abs. 1 IFG ist entgegenzuhalten, dass das Recht auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft weiterhin nicht besteht, soweit und solange ein vorzeitiges
Bekanntwerden nach der besonderen Art der Verwaltungstätigkeit mit einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung unvereinbar ist. Sie übersehen hier, wenn Sie der Erstellung einer Gefährdungsbewertung die Qualität als „besondere Art der Verwaltungstätigkeit“ absprechen, dass eben die Gefährdungsbewertung und die in diese einfließende Informationsbeschaffung, Analyse und Bewertung eben noch nicht eine Maßnahme der Gefahrenabwehr ist, sondern erst die Grundlage für diese schafft. Insbesondere durch die Zusammenführung und Aufbereitung von Informationen aus polizeilichen und gegebenenfalls auch nachrichtendienstlichen Quellen wird die Grundlage für polizeiliche Lagebewältigung, also für die eigentliche Gefahrenabwehr, geschaffen. Insoweit stellt die Erstellung einer Gefährdungsbewertung eine „besondere Art der Verwaltungstätigkeit“ dar.
Um eine solche Verwaltungstätigkeit handelt es sich bei der Aufgabe der Polizei, Gefahren effektiv abzuwehren und vorbeugend Straftaten zu unterbinden. Im Bereich der präventiven und repressiven Tätigkeit der Polizei- und Ordnungsverwaltung sind insbesondere sensible verwaltungsinterne Abläufe und Strukturen vor einem Bekanntwerden zu
schützen. Solche sensiblen verwaltungsinternen Abläufe und Strukturen stellen die hier in Rede stehenden Dokumente dar und sind demnach insbesondere auch für zukünftige Einsätze dieser Art anwendbar. Die Dokumente lassen Rückschlüsse auf zukünftige wichtige Bearbeitungshinweise zu, die im Ergebnis auch auf künftige Einsätze und Aufgaben dieser Art übertragbar sind.
Schlussendlich besteht die Schutzbedürftigkeit der Informationen regelmäßig auch nach Abschluss der jeweiligen Versammlung fort. Gerade der weitestgehend friedliche Verlauf der streitgegenständlichen Versammlung in diesem Jahr ist aus hiesiger Sicht das Resultat einer erfolgreichen Polizeitaktik auf Basis der Gefährdungsbewertung. Aufgrund der Ausführungen liegt hier entgegen Ihrer Annahme ebenfalls der Versagungsrund gemäß § 10 Abs. 4 IFG vor, da sich der Inhalt der Akten auch auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von und zwischen Behörden bezieht. Diese Informationen stammen auch aus polizeilichen Informationssystemen, behördeninternen Quellen, von anderen Polizeibehörden sowie gegebenenfalls von den Verfassungsschutzbehörden. Hieraus ergibt sich, dass die Dokumente die Grundlage für die Ausgestaltung des polizeilichen Einsatzes bilden und ein Produkt der Zusammenarbeit innerhalb der Polizei Berlin und der Zusammenarbeit der Polizei Berlin mit anderen Behörden (im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenerfüllung auch den Nachrichtendiensten) darstellen.
Schließlich muss es dabei bleiben, dass auch eine beschränkte Akteneinsicht nach § 12 IFG nicht in Betracht kommt. Da, wie bereits ausgeführt, die Informationen in ihrer Gesamtheit die Grundlage für den polizeilichen Personalansatz, die Wahl der Einsatzmittel und der polizeilichen Taktik bilden, können diese auch nicht in Teilen offenbart
werden. Form und Inhalt der Gefährdungsbewertung bilden eine untrennbare Einheit. Es ist vorliegend sogar von Bedeutung, welche Informationen der Polizei vorlagen und
über welche sie gerade nicht verfügte. All dies würde auch bei einer teilweisen Herausgabe der Gefährdungsbewertung als „Akte“ offengelegt werden. Ein Vergleich zu den Urteilen des Verwaltungsgerichts Berlin und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25.08.2016 (2 K 92.15) und vom 05.10.2010 (OVG 12 B 5.08) ist nicht durchführbar.
Nach Unkenntlichmachung der geheimhaltungsbedürftigen Passagen blieben nur Textfragmente ohne Informationsgehalt übrig, an denen kein Auskunftsinteresse mehr bestünde. Eine konkrete Angabe der zu schwärzenden Stellen (z.B. Seitenzahl, Satz, Absatz) wie vom Widerspruchsführer angeführt erübrigt sich aufgrund der o.g. Ausführungen. Bezugnehmend auf die Veröffentlichung in der BZ sei nochmals darauf hingewiesen, dass diese Veröffentlichungen nicht aus einer Presseveröffentlichung durch die Polizei
Berlin resultieren und nicht das Ergebnis zielgerichteten behördlichen Handelns sind, sondern das Resultat einer Straftat. Die Forderung einer Gleichbehandlung, die Dokumente auf die sich der Artikel bezieht, auch zugänglich zu machen, erfolgt aus diesem Grund zu Unrecht. Ob und inwiefern seitens der Behörde beispielsweise ermittelt wurde, ist im Übrigen nicht Gegenstand des Antrags.
Die Entscheidung des Justiziariates 4, Ihren Antrag abzulehnen, ist ermessensfehlerfrei und nicht zu beanstanden.
Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung folgt aus & 16 IFG Berlin i.V.m. der Tarifstelle 1004 c VGebO. Für das Widerspruchsverfahren ist eine Gebühr von 10,00 bis 50,00 € zu erheben. Die Gebühr wird auf 10,00 € festgesetzt. Ich bitte Sie, diesen Betrag in Höhe von 10,00 € innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheides auf das Konto der Landeshauptkasse Berlin, 10789 Berlin, bei der Postbank Berlin, IBAN: DE12100100100000137106, BIC:
PBNKDEFF, zu überweisen und dabei unbedingt das Kassenzeichen 2330009499461 anzugeben.
Ihre personenbezogenen Daten werden, soweit sie als zahlungsbegründende Unterlagen zur Überwachung des Zahlungseingangs benötigt werden, nach Artikel 6 Absatz 1 c
Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in meiner Dienststelle gespeichert.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen den angefochtenen Bescheid des Justiziariats 4 der Berliner Polizei in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist die Klage vor dem Verwaltungsgericht zulässig. Die
Klage ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Widerspruchsbescheides bei dem Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstr. 7, 10557 Berlin (Tiergarten), schriftlich oder zur
Niederschrift des Urkundsbeamten oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen, einzulegen (vgl.
https://www.berlin.de/sen/justiz/servicel/elektronischer-rechtsverkehr/artikel.261847.php);
der Klageschrift soll eine Abschrift beigefügt werden. Die Klage ist gegen das Land Berlin, vertreten durch die Polizei Berlin, zu richten. Es wird darauf hingewiesen, dass bei
schriftlicher Klageeinlegung die Klagefrist nur dann gewahrt ist, wenn die Klage innerhalb dieser Frist bei dem Verwaltungsgericht eingegangen ist. Es wird schon jetzt darauf aufmerksam gemacht, dass trotz der möglichen Klage für die Gebührenforderung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung entfällt und die Widerspruchsgebühr unabhängig vom weiteren Rechtsweg zu bezahlen ist.
Im Auftrag