Sehr geehrter Herr Semsrott,
mit Bezugs-E-Mail beantragen Sie Zugang zum Lkw-MautBetreibervertrag
2002 mit Toll Collect.
Ich lehne Ihren Antrag vollständig ab, da ein Anspruch nicht besteht.
Gebühren und Auslagen entstehen nicht.
Im Einzelnen:
1. Informationsfreiheitsgesetz (IFG)
1.1. Versagungsgrund nach § 6 Satz 2 IFG (Schutz von Betriebsund
Geschäftsgeheimnissen)
Einer Zugänglichmachung des Lkw-Maut-Betreibervertrag 2002 steht
der V ersagungsgrund nach § 6 Satz 2 IFG entgegen. Der Setreibervertrag
enthält Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen
Toll Collect GbR und Toll Collect GmbH. Die Unternehmen haben
einer Zugänglichmachung dieser Normen im vorgeschalteten Verfahren
nach § 8 Absatz 1 IFG nicht zugestimmt.
1.2. Versagungsgrund nach § 3 Nummer 7 IFG (Schutz vertraulich
übermittelter Informationen)
Einer Zugänglichmachung des Setreibervertrags steht auch der V ersagungsgrund
des § 3 Nummer 7 IFG entgegen. Nach dieser Norm besteht
ein Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich
übermittelten Informationen, soweit das Interesse des Dritten an einer
vertraulichen Behandlung noch fortbesteht. Die Vertragspartner des
Bundes, Toll Collect GbR und Toll Collect GmbH, haben gegenüber
dem Bund mehrfach geäußert, dass sie weiterhin an einer vertraulichen
Behandlung des Betreibervertrags interessiert sind. In diesem
Zusammenhang haben sie den Betreibervertrag nebst Anlagen, zu dem
Sie Zugang begehren, als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bezeichnet.
Nach seiner Entstehungsgeschichte dient § 3 Nummer 7 IFG zwar vor
allem dem Schutz der Anonymität von Hinweisgebern und Informanten,
die mit z. B. Kartellbehörden und Nachrichtendiensten kooperieren
( vgl. BT-Drs 15/4493, S. 11). Dies schließt nach dem Wortlaut der
Norm jedoch nicht aus, dass auch andere erhebliche Interessen geschützt
werden sollen, vorliegend das Interesse der Toll Collect GbR
und der Toll Collect GmbH an der vertraulichen Behandlung de.s gesamten
Betreibervertrags. Ihr Interesse an einer vertraulichen Behandlung
dieser Vereinbarungen haben Toll Collect GbR und Toll Collect
GmbH in der Vertraulichkeitsvereinbarung in Buchstabe T. Satz 1 des
Betreibervertrages erkennbar gemacht. Diese Klausel ist mithin nicht
selbst unmittelbarer Grund für die Versagung der Zugänglichmachung,
sondern Ausdruck eines erkennbaren V ertraulichkeitsinteresses
nach § 3 Nummer 7 IFG.
Die vereinbarte Vertraulichkeit dient der Wahrung schutzwürdiger
Interessen der Toll Collect GbR und der Toll Collect GmbH, die nicht
bereits durch andere Versagungsgründe nach dem IFG, insbesondere
nicht durch § 6 Satz 2 IFG, berücksichtigt werden. Geschützt wird das
Interesse der genannten Unternehmen vor unzumutbaren, nicht erstattungsfähigen
Aufwendungen für die detaillierte Darlegung von Betriebs-
und Geschäftsgeheimnissen in einem komplexen V ertragswerk
Ein solches Interesse wäre nur dann unbeachtlich, wenn der Bund aus
eigener Sachkenntnis, also ohne Hinzuziehung der Toll Collect GbR
und der Toll Collect GmbH im Verfahren nach § 8 IFG, feststellen
könnte, dass der Betreibervertrag nebst Anlagen keine Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnisse enthält. Dies ist nicht der Fall. Denn der Betreibervertrag
enthält neben bezifferten bzw. bezifferbaren Regelungen
zur Höhe von Vertragsstrafen und Schadensersatzforderungen weitere
Regelungen, aus denen Konkurrenten, potentielle weitere (ausländische)
Auftraggeber sowie (potentielle) Anteilseigner der Unternehmen
eventuell Rückschlüsse auf die Rentabilität des Mautsystems und damit
die Leistungsfähigkeit der Unternehmen ebenso ziehen könnten
wie (potentielle) ausländische Auftraggeber Regelungen des Betreibervertrags
als von den Toll Collect-Unternehmen bereits zugestanden
ansehen könnten. Ob die von Außenstehenden aus dem Vertragswortlaut
gezogenen Schlüsse zutreffend wären, ist in diesem Zusammenhang
ohne Belang, da gerade auch unzutreffende Schlüsse geeignet
sind, berechtigte Wettbewerbsinteressen der Unternehmen Toll Collect
GbR und Toll Collect GmbH zu beeinträchtigen.
1.3. Versagungsgrund nach § 7 Absatz 2 Satz 1 IFG
1.3.1. Unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand zur Identifizierung
geheimhaltungsbedürftiger Informationen
Nach § 7 Absatz 2 Satz 1 IFG sind Informationen nur in dem Umfang
zugänglich zu machen, wie dies ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand
möglich ist. Die Norm stellt selbst keine materiellen
Anforderungen an die Zugänglichkeit von Informationen. Vielmehr
setzt sie voraus, dass zunächst nach den materiellen Kriterien der §§ 3
bis 6 IFG die Zulässigkeit des Informationszugangs ermittelt wird. Die
Norm begrenzt sodann bei nur teilweiser Zulässigkeit den Informationszugang
auf diejenigen grundsätzlich nach § § 3 bis 6 IFG zugänglichen
Informationen, deren Absonderung von nicht zugänglichen Informationen
keinen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erfordert.
§ 7 Absatz 2 Satz 1 IFG kann darüber hinaus jedoch auch der allgemeine
Rechtsgedanke entnommen werden, dass eine Behörde keinen
unverhältnismäßigen Aufwand schuldet, um einen Zugang zu amtlichen
Informationen zu ermöglichen. Unverhältnismäßiger Aufwand
kann nicht erst bei der physischen Trennung bereits als grundsätzlich
zugänglich identifizierter Informationen ( §§ 3 bis 6 IFG) von mit
ihnen verbundenen nicht zugänglichen Informationen entstehen. Mit
einem solchen Aufwand kann auch bereits die vorgelagerte Prüfung
verbunden sein, ob dem Zugang zu Informationen die V ersagungsgründe
nach § § 3 bis 6 IFG entgegenstehen.
So verhält es sich hier bezüglich des Setreibervertrages nebst Anlagen
wegen seines Umfanges. Dieser Umfang schließt es aus, mit verhältnismäßigem
Verwaltungsaufwand die Dokumente auf das Vorliegen
der Versagungsgründe nach § 6 Satz 2 IFG ( Schutz von Betriebs- und
Geschäftsgeheimnissen), § 3 Nummer 7 IFG ( Schutz vertraulich
übermittelter Informationen) und § 5 Absatz 1 Satz 1 IFG ( Schutz
personenbezogener Daten) zu prüfen. Die Unverhältnismäßigkeit eines
zur Prüfung des Vorliegens der genannten V ersagungsgründe erforderlichen
Verwaltungsaufwands ergibt sich daraus, dass der Setreibervertrag
nebst Anlagen rund 17.000 Seiten umfasst, davon mindestens
rund 6.000 Seiten mit Zahlen- und Formelansichten.
1.3.2. Unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand zur physischen
Trennung als geheimhaltungsbedürftig identifiZierter Informationen
von zugänglichen Informationen
Selbst wenn der Bund unverhältnismäßigen Aufwand auf sich nähme,
in dem Setreibervertrag nebst Anlagen geheimhaltungsbedürftige Bestandteile
zu identifizieren, so wäre in der Folge weiterer unverhältnismäßiger
Verwaltungsaufwand bei der Bereitstellung möglicher
Weise nicht geheimhaltungsbedürftiger Informationen an Sie zu erwarten.
Denn die Anlagen zum Setreibervertrag bestehen aus rund 80
notariellen Urkunden mit einem durchschnittlichen Umfang von ca.
200 Seiten. Sofern in einer Urkunde auch nur eine geheimhaltungsbedürftige
Passage identifiziert wäre, müsste eine Ablichtung der gesamten
Urkunde erstellt werden, um die geheimhaltungsbedürftige(n) Passage(
n) in der Ablichtung unkenntlich zu machen und Ihnen diese Ablichtung
zur Einsichtnahme oder zum Verbleib zur Verfügung zu stellen.
Eine zuverlässige Unkenntlichmachung im Original der Urkunde
käme wegen der damit einhergehenden Verletzung der Urkundsintegrität
nicht in Betracht.
Darüber hinaus folgt die voraussichtliche Notwendigkeit der Anfertigung
einer Ablichtung vonjeder Urkunde unabhängig von dem sachlichen
Inhalt des Urkundstextes aus einem anderen Grund.
• Jede der notariellen Urkunden enthält in ihrer Einleitung personenbezogene
Daten derjenigen Personen, die als Vertreter der Vertragsparteien
an der notariellen Beurkundung der Anlagen mitgewirkt
haben. In der Gesamtheit der rund 80 Urkunden finden sich
personenbezogene Daten von 13 Personen, von denen 5 zumindest
im Zeitpunkt der Beurkundung (2002) im Ausland ansässig waren
(z. T. Angaben von Privatanschrift, Staatsangehörigkeit, Beruf,
Geburtsdatum).
• Es handelt sich um geschützte personenbezogene Daten nach § 5
Absatz 1 IFG. Sofern auch nur eine der Personen in dem- mit erheblichem
Aufwand für den Bund verbundenen- V erfahren nach
§ 8 Absatz 1 IFG die Zugänglichmachung ihrer personenbezogenen
Daten verweigern sollte, müsste vonjeder betroffenen Urkunde eine
Ablichtung gefertigt werden, auf der die Daten der betroffenen
Person unkenntlich zu machen wären. Eine zuverlässige Unkenntlichmachung
im Original der notariellen Urkunde käme wegen
Verletzung der Urkundsintegrität nicht in Betracht.
• Entsprechendes gälte, wenn Sie auf die Zugänglichmachung der
personenbezogenen Daten verzichten sollten. Dennjede einzelne
notarielle Urkunde bildet eine durch Siegel und Heftfaden gesicherte
physische Einheit, aus der einzelne Seiten im Original nicht entfernt
werden können, ohne die Urkunde zu beschädigen.
• Dieser unverhältnismäßige Aufwand kann auch nicht dadurch
überwunden werden, dass Ihnen die personenbezogenen Daten ohne
Rücksicht auf ein Einverständnis der Dritten zugänglich gemacht
werden, was eine Einsichtnahme in die Originalurkunden
und damit den Verzicht auf die Fertigung von Ablichtungen erlauben
würde. Denn ein Überwiegen Ihres Informationsinteresses über
das Interesse der Dritten am Ausschluss des Informationszugangs
(§ 5 Absatz 1 Satz 1 IFG) ist nicht erkennbar. Dies ergibt sich zum
einen daraus, dass der Schutz personenbezogener Daten grundrechtlich
verbürgt ist (Recht auf informationelle Selbstbestimmung,
Artikel 1 Absatz 1 i. V. m. Artikel 2 Absatz 1 GG), wohingegen Ihr
Informationsinteresse lediglich einfachgesetzlich geschützt ist
(IFG). Dies folgt zum anderen aber auch aus dem Rechtsgedanken
des§ 5 Absatz 3 IFG. Wenn schon bei Sachverständigen ein Über-
wiegen des Informationsinteresses regelmäßig nur bezüglich der
Angaben zu Name, Titel, akademischem Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung
sowie Büroanschrift und -telekommunikationsnummer
besteht, dann kann das Informationsinteresse nicht bezüglich
solcher Angaben überwiegen, die darüber hinausgehen. Im Betreibervertrag
nebst Anlagen finden sich solche weitergehenden
Angaben in 77 Urkunden zu 13 verschiedenen Personen (Geburtsdatum,
Privatanschrift, Staatsangehörigkeit).
2. Umweltinformationsgesetz (UIG), Verbraucherinformationsgesetz
(VIG)
Ein Auskunftsanspruch nach§ 3 Absatz 1 UIG ist ebenso nicht gegeben,
weil es sich bei dem Lkw-Maut-Betreibervertrag 2002 nicht um
Umweltinformationen im Sinne von § 2 Absatz 3 UIG handelt.
Auch das Verbraucherinformationsgesetz ist schließlich nicht einschlägig,
weil der Lkw-Maut-Betreibervertrag 2002 keine Verbraucherinformationen
im Sinne von§ 1 und§ 2 Absatz 1 VIG darstellt.
Mit freundlichen Grüßen