Sehr geehrter Herr Semsrott,
über Ihren am 2. Juli 2021 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Juni 2021 betreffend den Zugang zu amtlichen Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ergeht der folgende Widerspruchsbescheid:
1. Der Widerspruch wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Widerspruchsführer.
3. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens werden auf eine Gebühr in Höhe von 30 Euro festgesetzt.
Mit E-Mail vom 22. April 2021 beantragen Sie Zugang zu amtlichen Informationen in Form der Übersendung sämtlicher Mailkorrespondenzen zwischen den Mail-Accounts des Bundestagsabgeordnetenbüros von Hubertus Heil und dem BMAS seit 1. Januar 2020.
Sie stützen Ihr Begehren unter anderem auf § 1 Absatz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu amtlichen Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG).
Mit Schreiben vom 12. Mai 2021 wurden Sie um Konkretisierung Ihres Antrags gebeten. Per E-Mail vom 17. Mai 2021 haben Sie darum gebeten, "diejenigen Mails zur Verfügung zu stellen, in denen Unternehmensvertreter:innen mit Bitten an Herrn MdB Heil herangetreten sind".
Ihr Antrag wurde mit Bescheid vom 24. Juni 2021 mit der Begründung abgelehnt, dass es aus Gründen des Mandatsträgerschutzes, des unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands und mangels hinreichender Konkretisierung des Antrags nicht möglich ist, die von Ihnen begehrten Informationen ausfindig zu machen bzw. herauszugeben.
Gegen diesen Bescheid haben Sie am 2. Juli 2021 Widerspruch eingelegt. Sie begründen Ihren Widerspruch damit, dass E-Mails im BMAS natürlich amtliche Informationen seien.
Auch sind Sie der Ansicht, dass E-Mails aus einem Abgeordnetenbüro nicht automatisch geheim seien und gerade in Fällen, in denen das Abgeordnetenmandat genutzt wird, um Einfluss auf die Ministertätigkeit von Herrn Heil zu nehmen, öffentliche Kontrolle wichtig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitgegenstandes wird auf Ihren Antrag vom 22. April 2021 sowie Ihre E-Mail vom 17. Mai 2021 und das Schreiben des BMAS vom 12. Mai 2021 sowie den Bescheid vom 24. Juni 2021 verwiesen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Nach § 73 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bin ich für die Entscheidung über Ihren Widerspruch zuständig.
Der Widerspruch ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg
Die nochmalige Prüfung des Sachverhalts hat ergeben, dass Sie keinen Anspruch auf Seite 3 von 8
Zugang zu sämtlichen E-Mails zwischen dem Büro des Abgeordneten Hubertus Heil und dem BMAS haben.
1. Eine Auskunftspflicht besteht nicht, da der Anwendungsbereich des IFG nicht eröffnet ist.
Der Anwendungsbereich des IFG erfasst Behördentätigkeiten und Regierungshandeln (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 05.10.2010 - OVG 12 B 5.08 juris Rn. 19). Zwar ist das BMAS eine Bundesbehörde im Sinne des IFG (§ 1 Absatz 1 Satz. 1 IFG). Allerdings gilt das IFG für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen nur, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (§ 1 Absatz 1 Satz 2 IFG).
Mit Ihrem Antrag begehren Sie Informationen zu E-Mail-Korrespondenzen eines Mitglieds des Deutschen Bundestages mit dem BMAS. Sowohl das Tätigwerden als auch das Nicht-Tätigwerden eines Mitglieds des Deutschen Bundestages stellt die Wahrnehmung einer parlamentarischen Angelegenheit dar. Sie fällt unter die grundgesetzlich geschützte Mandatsausübung (Art. 38 Absatz 1 Satz 2 GG), betrifft also keine Wahrnehmung einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgabe, für die der Anwendungsbereich des IFG eröffnet ist (§ 1 Absatz 1 Satz. 2 IFG; vgl. auch BT-Drs. 15/4493, S. 8). Die mit dem Abgeordnetenstatus und dem freien Mandat (Art. 38 Absatz 1 Satz 2 GG) verbundenen Aufgaben sind vielmehr verfassungsrechtlicher Natur (Schoch Informationsfreiheitsgesetz, 2. Auflage 2016, IFG § 1 Grundsatz, Rn. 194). Die Rechte und Pflichten von Abgeordneten sind im Grundgesetz, im Abgeordnetengesetz und in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags aufgeführt. Bestandteil der Geschäftsordnung sind die sog. Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestags. Das Verhältnis zwischen Abgeordneten und Wählern lassen diese Vorschriften sämtlich unberührt. Allein die Mandatsträger sind dazu befugt zu entscheiden, wie sie das Verhältnis zwischen ihnen und den Wählern gestalten. Dass dieses Verhältnis ungeregelt geblieben ist, ist der Wille des Gesetzgebers. Vorschriften wie z.B. & 14 Gemeinsame Geschäftsordnungen der Bundesministerien (GGO), der den Umgang mit eingehenden Schreiben durch die Bundesverwaltung regelt, haben sich die Mitglieder des Deutschen Bundestags nicht gegeben. Denn bei dem Verhältnis zwischen ihnen und den Wählern handelt es sich nicht um ein Verwaltungsverfahren, sondern um ein verfassungsunmittelbares Verhältnis.
Die freie Willensbildung des Abgeordneten soll gegenüber unzulässigen Einflussnahmen aus verschiedenen Richtungen — durch Interessengruppen, durch Parteien und Fraktionen und durch die Exekutive - geschützt werden (BVerwG, Urt. v. 25.6.2015-7 C 1/14, GRUR-RR 2016, 137, Rn. 20). Eine unbefangene Willens- und Entscheidungsbildung des Abgeordneten kann in rechtlich relevanter Weise gestört werden, wenn der Abgeordnete sich durch Öffentlichmachung von Unternehmensanschreiben einer dauernden Beobachtung durch eine breite Öffentlichkeit in Bezug auf seine Interessengebiete und daraus zu entwickelnde politische Positionen und Strategien ausgesetzt sieht (vgl. BVemG, Urt. v. 25.6.2015 - 7 C 1/14, GRUR-RR 2016, 137, Rn. 20).
Bei einem identischen Antrag direkt an den Abgeordneten Hubertus Heil wäre der Anwendungsbereich des IFG zum Schutz der freien Mandatsausübung nicht eröffnet (vgl. Schoch, aaO). Auch wenn der Antrag hier nun an eine Bundesbehörde gestellt wurde, hat das BMAS die Grundentscheidung des Gesetzgebers zur Wahrung des freien Mandats zu berücksichtigen.
Selbst wenn man zu dem Schluss kommen sollte, dass der Anwendungsbereich des IFG eröffnet wäre, müssten die personenbezogenen Daten, die mit dem Mandat in Zusammenhang stehen, nach § 5 Absatz 2 IFG geschützt werden (vgl. BVerwG, NVwZ 2015, 669 Rn. 19, 22). Im vorliegenden Fall würde es keinen Sinn ergeben, die personenbezogenen Daten des Abgeordneten Heil zu schwärzen, da ja nur die E-Mails zwischen dem Büro des Abgeordneten Hubertus Heil und dem Ministerbüro angefragt sind. Der verfassungsrechtliche Schutz des Mandatsträgers wäre bei einer Herausgabe der Informationen faktisch nicht möglich.
Ihr Antrag ist nach § 7 Absatz 1 Satz 1 IFG auch nicht hinreichend bestimmt.
Es werden an die Bestimmtheit eines Antrags auf Zugang zu amtlichen Informationen nach § 7 Absatz 1 Satz 1 IFG inhaltliche Mindestanforderungen gestellt, die den Zweck haben, dass die öffentliche Stelle den Antrag bearbeiten kann. Dies ist leider auch nach Ihren Ausführungen vom 17. Mai 2021 auf unsere Konkretisierungsbitte vom 12. Mai 2021 hin nicht möglich gewesen.
Ziel des IFG ist es, dem Bürger einen Anspruch auf Zugang zu Sachinformationen zu verschaffen, um auf diese Weise die Transparenz behördlicher Entscheidungen zu verbessern und die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern (vgl. BT-Drucksache 14/4493, S. 6) Der Zugangsantrag muss sich auf abgegrenzte Sachverhalte beziehen und somit nach Inhalt und Zielrichtung hinreichend spezifiziert sein, so dass eine Identifizierung der Dokumente, in die der Antragsteller Einsicht nehmen möchte, möglich ist. Sinn und Zweck des IFG ist es, an dem Informationsstand der Verwaltung zu partizipieren. Sofern nicht die Teilhabe am Informationsstand der Verwaltung, sondern die Durchsicht von Akten zum Zwecke des Auffindens bestimmter Informationen begehrt wird, gewährt das IFG hierauf keinen Anspruch. Deshalb habe ich Sie mit Schreiben vom 12. Mai 2021 aufgefordert, Ihren Antrag zu konkretisieren und einzuschränken.
Soweit Sie Ihr Begehren durch E-Mail vom 17. Mai 2021 auf E-Mails mit Unternehmensbezug eingeschränkt haben, stellt dies keine ausreichende Konkretisierung dar. Ihr Antrag bezieht sich immer noch nicht auf abgegrenzte Sachverhalte. Im BMAS werden Informationen, sofern sie für die inhaltliche Bearbeitung eines Verwaltungsvorgangs relevant sind, in geeigneter Form entsprechend der Registraturrichtlinie veraktet. Die amtlichen Informationen sind nach Sachthemen geordnet. Mithilfe der Registratur des BMAS ist somit lediglich eine sachthemenbezogene Recherche möglich. Es kann also nicht nach E-Mails als Form der Information gesucht werden, ebenso wenig danach, ob die amtliche Information aus dem Abgeordnetenbüro des Herrn Hubertus Heil stammt. Ein Auffinden der von Ihnen begehrten Informationen, nämlich E-Mails, die vom Büro des Abgeordneten Hubertus Heil an das BMAS geschickt wurden und Bitten von Unternehmensvertreterinnen und -vertretern enthalten, ist demnach nicht möglich. Es müssten sämtliche Akten durchgesehen werden, um die von Ihnen begehrten Informationen überhaupt ausfindig machen zu können. Eine Filterung ist nicht möglich, da nicht bekannt ist, ob und welche Unternehmensvertreterinnen und -vertreter an Herrn Abgeordneten Hubertus Heil herangetreten sind, so dass die Informationen nicht etwa mittels einer Suchfunktion ausgesondert werden können. Zumindest alle in der Leitungsregistratur im beantragten Zeitraum eingegangenen E-Mails, die aus dem Büro des Abgeordneten Hubertus Heil abgesendet wurden (6.739), müssten einzeln durchgesehen und im Haus nachverfolgt werden, um festzustellen zu können, welche davon Bestandteil eines Vorgangs und damit zur amtlichen Information geworden sind und ob diese Bitten von Unternehmensvertretern aufweisen. Darauf gewährt das IFG keinen Anspruch. Auch wird in Ihrer E-Mail nicht klar, was Sie unter den Begriffen "Bitten" und "Unternehmensvertreter:innen" verstehen. Die benannten Themenbereiche sind daher weiterhin nicht hinreichend bestimmt. Die von Ihnen benutzten Begriffe sind auslegungsbedürftig und ermöglichen es dem BMAS nicht, Ihren Antrag zu bearbeiten. Es ist nicht klar, an welche Unternehmen genau angeknüpft wird. Da die Registrierung amtlicher Informationen im BMAS u.a. nicht unter dem jeweiligen Namen des Unternehmens erfolgt, ist eine Recherche nur nach dem Begriff "Unternehmen" nicht möglich. Ebenfalls ist der Begriff "Bitte" nicht eindeutig und kann keinem bestimmten Sachzusammenhang zugeordnet werden.
Es ist also für das BMAS nicht möglich, die von Ihnen gewünschten Informationen aufzufinden, da Ihr Antrag nicht hinreichend konkret ist.
3. Weiterhin handelt es sich nicht bei jeder der von Ihnen erfragten Informationen um amtliche Informationen im Sinne des §1 Satz 1 IFG. Zunächst begehrten Sie sämtliche E-Mails, die in einen bestimmten Zeitraum zwischen dem Abgeordnetenbüro und dem Ministerbüro von Herrn Hubertus Heil ausgetauscht wurden. Dabei sind nicht alle E-Mails tatsächlich amtliche Informationen nach § 1 Absatz 1 IFG. Für die Frage, ob es sich um eine amtliche Information im Sinne des IFG handelt, ist entscheidend, ob diese Information im Rahmen der staatlichen Aufgabenwahrnehmung relevant ist bzw. relevant wird. Allein die Tatsache, dass Informationen in E-Mail-Accounts vorhanden sind, ist für ihre Einordnung als amtliche Information nicht ausschlaggebend.
Die im Ministerbüro eingehenden E-Mails stellen somit nicht automatisch amtliche Informationen dar. Nur ein Teil der E-Mails enthält tatsächlich amtliche Informationen und wird Bestandteil eines Verwaltungsvorgangs. Die Tatsache, dass zunächst alle eingehenden E-Mails im Posteingangsordner belassen werden und damit noch theoretisch verfügbar sind, macht diese Mails noch nicht zu einer amtlichen Information. Wie bereits oben unter 2. beschrieben, werden im BMAS Informationen, sofern sie für die inhaltliche Bearbeitung eines Verwaltungsvorgangs relevant sind, in geeigneter Form entsprechend der Registraturrichtlinie veraktet. Diese amtlichen Informationen sind nach Sachthemen geordnet. Mithilfe der Registratur des BMAS ist somit lediglich eine sachthemenbezogene Recherche möglich. Es kann also nicht nach E-Mails als Form der Information gesucht werden, ebenso wenig danach, ob die Information aus dem Abgeordnetenbüro des Herrn Hubertus Heil stammt.
Daher unterliegen nicht automatisch alle E-Mails im Posteingang des Ministerbüros dem Anspruch nach § 1 Absatz 1 IFG.
Gegen die komplette Durchsicht der E-Mails aus dem Abgeordnetenbüro Hubertus Heil, die sich im Posteingangsordners der Leitungsregistratur befinden, spricht auch der unverhältnismäßige Verwaltungsaufwand, der dadurch verursacht würde. In dem von Ihnen beantragten Zeitraum sind 6739 E-Mails vom Abgeordnetenbüro Hubertus Heil an die Leitungsregistratur gesendet worden. Um die von Ihnen beantragten, aber nicht hinreichend konkreten "Bitten von Unternehmensvertreter:innen" identifizieren zu können, müssten alle E-Mails durchgesehen und anhand Ihres Antrags ausgelegt werden. Die Durchsicht all dieser E-Mails und die Schwärzung der personenbezogenen Daten sowohl in den E-Mails als auch in deren Anlagen würde einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand verursachen. Ein solcher liegt nach § 7 Absatz. 2 Satz 1 IFG vor, wenn die Erfüllung des Anspruchs einen im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn des Anspruchstellers und der Allgemeinheit unvertretbaren Aufwand an Kosten oder Personal erfordert (BVerwG Urt. v. 17.3.2016 - 7 C 2.15).
Es ist davon auszugehen, dass nur in sehr geringem Umfang E-Mails von Unternehmensvertreterinnen und -vertretern über das Büro des Abgeordneten Hubertus Heil an die Leitungsregistratur weitergeleitet wurden, so dass die Durchsicht von 6739 E-Mails, die einen erheblichen Zeitaufwand erfordert, höchstwahrscheinlich in einem krassen Missverhältnis zu der Anzahl der hinterher herauszugebenden E-Mails stehen wird.
Die Kosten des Widerspruchsverfahrens werden auf eine Gebühr in Höhe von 30 Euro festgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 Absatz 3 Satz 3 VwGO, 8 80 Absatz 1 Satz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), § 10 IFG in Verbindung mit § 8 1 Absatz 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (Informationsgebührenverordnung —- IFGGebV), TeilA Nr.5 des Gebühren- und Auslagenverzeichnisses zu § 1 Absatz 1. Hiernach ist für die vollständige oder teilweise Zurückweisung eines Widerspruchs eine Gebühr von mindestens 30 Euro zu erheben.
Zahlen Sie bitte zur Vermeidung der zwangsweisen Beitreibung den Betrag innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides unter Angabe des nachfolgend angegebenen Verwendungszweckes und Kassenzeichens auf folgendes Konto bei der
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Widerspruchsbescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim Verwaltungsgericht Berlin, Kirchstraße 7, 10557 Berlin, erhoben werden.
Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden. Der Klage nebst Anlagen sollen so viele Abschriften beigefügt werden, dass alle Beteiligten eine Ausfertigung erhalten können.
Gegen diesen Bescheid kann, soweit er sich auf die Festsetzung der Widerspruchsgebühren bezieht, innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referat ZR, Rochusstraße 1, 53123 Bonn einzulegen.
Mit freundlichen Grüßen