Sehr geehrte Frau Finnern,
zu Ihrer o.g. Anfrage teilen wir Ihnen Folgendes mit:
in der von Ihnen zitierten Studie untersuchen die Autoren die Zeitreihen der Anzahl von COVID-19 Todesfällen in 23 Ländern und 25 U.S. states, in denen jeweils mehr als 1.000 Menschen an COVID-19 bis Juli 2020 verstorben sind. Dabei finden sie, dass jeweils innerhalb der ersten 30 Tage nach dem Auftreten der ersten 25 Todesfälle die exponentielle Rate des Anstiegs der Anzahl von Todesfällen deutlich gefallen ist (Fakt 1). Nach der ersten Phase eines schnellen Anstiegs hat sich diese Rate in der Nähe des Wertes 0 oder darunter eingependelt, so dass die Zahl der Todesfälle etwa konstant bleibt oder fällt (Fakt 2). Die Unterschiede in der exponentiellen Rate zwischen den Ländern sind deutlich gefallen und bleiben vergleichsweise niedrig (Fakt 3). Die epidemiologischen Modelle erklären diesen Rückgang der Steigerungsrate der Todesfälle mit einem Absinken der Transmissionsraten und damit der Reproduktionszahl R (Fakt 4). Nach der Anfangsphase fällt R auf Werte in der Nähe von 1 oder darunter und bleibt in diesem Bereich.
Die Autoren versuchen nun einen Zusammenhang zwischen den Effekten des "Lockdowns" und der Lockerung dieses Lockdowns und den von Ihnen beobachteten 4 Fakten herzustellen. Sie sagen, dass möglicherweise unabhängig vom Lockdown auch freiwillige soziale Separierung, die Struktur menschlicher Kontaktnetzwerke und die Ausbreitungsdynamik des Virus zum Beispiel aufgrund saisonaler Variation eine wichtige Rolle spielen könnten.
Die vier von den Autoren beschriebenen Fakten haben wir auch in Deutschland beobachtet und diese sind uns auch bekannt.
Letztlich wird das SARS-CoV-2 Virus über reale Kontakte von Mensch zu Mensch übertragen und insofern spielt der Zeitpunkt des Beschlusses eines Lockdown nicht die entscheidende Rolle, sondern wie reale Kontakte innerhalb einer Gesellschaft eingeschränkt werden oder - etwa durch Einhalten der AHA-Regeln / AHA-L Regeln - so modifiziert werden können, dass es nur zu vergleichsweise wenigen Übertragungen kommt. Daher können - obwohl die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung weiterhin suszeptibel für das Virus ist - bestimmte Einschränkungen wieder gelockert werden, ohne dass es automatisch zu einer weiteren COVID-19 Welle kommt.
Was bei den Autoren nicht erwähnt wird, sind die aktiven Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der Ärzte: also der gezielten Testung von Personen, der Isolation von Fällen, der Quarantänisierung der engen Kontaktpersonen, sowie der Untersuchung von COVID-19-Ausbrüchen bis hin zu regionalen Lockdowns. Auch diese führen unabhängig vom nationalen Lockdown zu einer deutlichen Abschwächung der Epidemie.
Daher sind die aktuellen Maßnahmen, wie Maskenpflicht in Supermärkten, im ÖPNV oder auch an Schulen nicht im Widerspruch zu den Ergebnissen dieser Veröffentlichung.
Mit freundlichen Grüßen