Sehr
<< Antragsteller:in >>
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 25. April 2023, die uns zur Bearbeitung vorgelegt wurde (AZ: 57-5434-9/57).
Im Rahmen Ihrer Anfrage begehren Sie Auskunft zu Ihren Fragen, welche Maßnahmen geplant sind um die Versorgungssituation der an ME/CFS und Long Covid erkrankten Kinder – und Jugendlichen zu verbessern.
Vorab einige allgemeine Informationen: Bei der ME/CFS, Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom, handelt es sich um eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. ME/CFS-Betroffene leiden neben einer schweren Fatigue (körperliche Schwäche), die das Aktivitätsniveau erheblich einschränkt, unter neurokognitiven, autonomen und immunologischen Symptomen. Da die genauen Mechanismen der Erkrankung bisher noch ungeklärt sind, gestaltet sich die Diagnosestellung schwierig; die Behandlung beschränkt sich derzeit auf symptomorientierte Linderung, etwa mit Hilfe von Schmerzmitteln oder Schlafmitteln.
In Deutschland sind nach Schätzungen der Gesellschaft für ME/CFS bis zu 250.000 Menschen betroffen, darunter 40.000 Kinder und Jugendliche.
1. Wo werden Diagnostik-Zentren eingerichtet?
Seitens des Landes und des Bundes gibt es verschiedene Aktivitäten zur Verbesserung der Versorgungssituation bei ME/ CFS sowohl für erwachsene Patientinnen und Patienten wie auch für Kinder- und Jugendliche.
Im Themengebiet Long COVID erfolgt im Verbundprojekt „EPILOC“ (Epidemiology of Long Covid), einer landesgeförderten Kooperation der vier Universitätsklinika mit 12 Kreisen in vier Regionen mit hoher Stichprobenzahl (n = >20.000 Probanden), eine umfassende klinische Validierung und Katalogisierung von Long COVID Symptomen (im internationalen Raum: PASC - post-acute sequelae of SARS-CoV-2 infection), um wichtige grundlegende Erkenntnisse für Therapiekonzepte abzuleiten. Die ersten Untersuchungsergebnisse der bereits Ende 2020 initiierten Studie wurden bereits publiziert (Peter, R. S., Nieters, A., Kräusslich, H. G., Brockmann, S. O., Göpel, S., Kindle, G., ... & Kern, W. V. (2022). Post-acute sequelae of covid-19 six to 12 months after infection: population based study. bmj, 379 und Peter, R. S., Nieters, A., Brockmann, S. O., Göpel, S., Kindle, G., Merle, U., ... & EPILOC Phase 1 Study Group. (2023). Association of BMI with general health, working capacity recovered, and post‐acute sequelae of COVID‐19. Obesity, 31(1), 43-48), die dritte Phase des Projektes läuft in den kommenden Wochen an.
Die Landesebene kann bei der Behandlung und Erforschung jedoch nur einen Baustein im Gesamtgefüge darstellen. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen auch eine kursorische Übersicht über die bundesweiten Aktivitäten geben, da diese auch Auswirkungen in Baden-Württemberg haben. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat einen Arbeitsstab „Long-COVID / Post-COVID“ geschaffen, in dem unter anderem Fragen der bedarfsgerechten Versorgung bearbeitet werden. Vorrangig wird die Umsetzung des Koalitionsvertrags angegangen, nämlich die Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerks von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Long-COVID/Post-COVID und ME/CFS. Im Rahmen seiner Ressortforschung fördert das BMG ein Verbundprojekt des Klinikums rechts der Isar der TU München und der Charité Universitätsmedizin Berlin mit dem Ziel, ein multizentrisches, altersübergreifendes klinisches Register mit Biodatenbank zum Krankheitsbild ME/CFS zu etablieren. Die Register sollen explizit auch Patientinnen und Patienten mit ME/CFS nach einer COVID-19-Infektion erfassen. Mit der Förderung der Nationalen Klinischen Studiengruppe zum Post-COVID Syndrom und ME/CFS unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Therapieforschung mit zugelassenen Arzneimitteln und Medizinprodukten. Die Studiengruppe wird bis Ende 2023 mit insgesamt 10 Millionen Euro gefördert. Dabei unterstützt das BMG mit seinen Zulassungsbehörden Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) proaktiv bei der Studienplanung. Darüber hinaus fördert das BMBF das Projekt „IMMME – Aufklärung der immunologischen Pathomechanismen des postinfektiösen chronischen Fatigue Syndroms (ME/CFS)“ mit rund 2,2 Millionen Euro.
1. Wie wird sichergestellt, dass ausschließlich ME/CFS-erfahrene Ärztinnen und Ärzte mit diesen Diagnostik-Zentren betraut werden?
2. Wie werden Kinderärztinnen und Kinderärzte für die Erkrankung sensibilisiert und diagnostisch geschult?
Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet.
Die komplexen Krankheitsbilder ME/CFS / Long Covid berühren verschiedene ärztliche Fachgebiete. Nach der Fortbildungsdatenbank der Landesärztekammer Baden-Württemberg wurden zu diesen Krankheitsbildern in den vergangenen Jahren bereits vielfältige Fortbildungsmaßnahmen angeboten und durchgeführt, wobei der inhaltliche Schwerpunkt auf dem Themenkreis Post- und Long-COVID gelegen hat:
Jahr
Themenkreis Post- und Long-Covid
Themenkreis ME / CFS
2020
1
-
2021
41
2
2022
58
-
Darüber hinaus haben das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration sowie die Landesärztekammer Baden-Württemberg am 27. Januar 2022 einen virtuellen Fachtag zum Themenkreis Post-COVID und Long-COVID veranstaltet, in dessen Rahmen folgende Themen näher beleuchtet worden sind:
- Aktueller Stand der Forschung und vorhandene Versorgungsstrukturen:
Definition des Krankheitsbildes, aktuelle Leitlinien, interdisziplinäre Vernetzung aus der Sicht der Spezialambulanzen und der Netzwerke, der Intensivmedizin und der Telemedizin sowie der Rehabilitation.
- Forschungs- und Versorgungsbedarf.
Die Landesärztekammer Baden-Württemberg hat die Absicht, der ärztlichen Fortbildung zu den Themenbereichen ME, CFS und Long-Covid künftig verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Dabei wird es vor allem darum gehen, das entsprechende Fortbildungsangebot auszubauen sowie Ärztinnen und Ärzte verstärkt auf dieses Angebot hinzuweisen.
Im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und der Sicherstellung durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) gegenüber den gesetzlich krankenversicherten Menschen stehen die Versorgungsangebote prinzipiell auch den an ME/CFS-Erkrankten, gleichgültig ob Erwachsene oder Kinder, offen. Der Transfer ärztlichen Wissens ist eher ein randständiges Gebiet des Tätigkeitsumfangs der Kassenärztlichen Vereinigungen und daher nicht deren unmittelbare Aufgabe. Insoweit ist hinsichtlich konkreter Fort- und Weiterbildung wie vorstehend beschrieben die Landesärztekammer Baden-Württemberg zuständig. Gleichwohl unternimmt auch die KVBW Maßnahmen, um den Wissenstransfer zu unterstützen. So hat die KVBW im Zusammenhang mit der SARS-Cov-2-Pandemie entsprechende krankheitsbildbezogene Informationen für Ärzte zusammengetragen (
https://www.kvbawue.de/praxis/aktuelles/coronavirus-sars-cov-2). Auch im Bereich Medikamenten- bzw. Heilmittel-Verordnungen weist die KVBW im Rahmen ihrer Veröffentlichungen auf wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlungen und konkrete Anleitungen hin. Nicht zuletzt arbeitet die KVBW in Bezug auf medizinische Inhalte mit der Landesärztekammer Baden-Württemberg zusammen.
Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS hat umfangreiche Informationen zur Erkrankung zusammengestellt und auch eine Online-Fortbildung für Ärztinnen und Ärzte entwickelt. Die KVBW weist sowohl auf die Erkrankung als auch die genannten Informationen im Rahmen der oben geschilderten Informationskanäle hin.
Die Versorgung der betroffenen Kinder und Jugendlichen erfolgt nach Auskunft der KVBW im Übrigen auch in den interprofessionellen Long Covid Netzwerken. Die KVBW führt aktuell mit den bestehenden Netzwerken konzeptionelle Gespräche, wie flächendeckend interprofessionelle Netzwerke qualitätsgesichert in die regionale Versorgung in Baden-Württemberg gebracht werden können.
4. Wo werden Therapiezentren für die erkrankten Kinder und Jugendlichen eingerichtet?
5. Wie werden Hilfe und Unterstützung für die von dieser Erkrankung ebenfalls massiv betroffenen Eltern und Geschwister implementiert?
Frage 4 und 5 werden zusammen beantwortet:
In Deutschland arbeitet die Bundesregierung daran, zur weiteren Erforschung und Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung rund um die Langzeitfolgen von COVID19 sowie für ME/CFS ein deutschlandweites Netzwerk von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen zu schaffen. Im Land Baden-Württemberg haben außerdem die Universitätsklinika begonnen, vielfältige Maßnahmen zu ergreifen um die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Long-/Post-COVID und ME/ CFS miteinander zu verknüpfen. Durch das Modellprojekt „Adaptive, sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung - Long-/Post-COVID in Baden-Württemberg“ wird bis Mitte 2024 eine bedarfsgerechte Versorgung mit regional an den vier Universitätsklinika verankerten Koordinations- und Versorgungszentren erprobt. Im Rahmen des Projekts soll ein Stufenkonzept für eine flächendeckende, sektorenübergreifende und adaptive Versorgung von Long-COVID-Patient:innen in Baden-Württemberg entwickelt werden, in die Hausarztpraxen, andere Leistungserbringer sowie Kliniken und Universitätskliniken eingebunden sind. Als Ergebnis sollen Empfehlungen für die Etablierung von Versorgungsstrukturen ausgesprochen werden, die auch auf andere chronisch-komplexe Erkrankungen, insbesondere ME/CFS, übertragbar sind. Das Projekt wird mit rund 2 Millionen Euro durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration gefördert.
Daneben unterstützt das Land auch bereits das Projekt „CoFit II“, ein Telemedizin-Netz, das die Behandlung weiter in die Fläche bringt. Das Land unterstützt die Einrichtung des telemedizinischen Netzwerks mit insgesamt 1,5 Millionen Euro. Die Projektförderung der Anträge des Uniklinikums Freiburg und der RKH-Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim hat die Landesregierung bereits im November 2021 genehmigt. Ziel des Förderprojekts CoFit II ist es, hochspezialisierte Ärzte und Patienten auch in der Fläche zusammenzubringen. Auch die hier aufgebaute Expertise kommt perspektivisch der Behandlung weiterer Erkrankungen zugute.
Über das Portal
Gesundheitsinformationen.de sollen Betroffene qualitätsgesicherte Informationen über die Erkrankung, sowie Diagnose und Therapiemöglichkeiten erhalten. Deshalb hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bereits im Frühjahr 2021 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, den aktuellen Kenntnisstand zur chronischen Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS) zu untersuchen. Im Frühjahr 2023 wird der Abschlussbericht an das BMG übermittelt sowie auf der Website des Instituts publiziert. Die allgemein verständlichen Gesundheitsinformationen werden sodann auf dem Portal
gesundheitsinformation.de bereitgestellt und so zukünftig die Aufklärung verbessert.
6. Wann gibt es Informationsblätter vom Land Ba-Wü, auf dem in einfacher Sprache alle relevanten Informationen für Eltern bezüglich Schule, Pflege, Teilhabe, Behinderten-Ausweis, Kindergeld, familientherapeutische Unterstützung, zusammengefasst sind?
Auf der Homepage des Sozialministeriums und auf dem Landesportal
service-bw.de finden sich gut verständliche Erläuterungen zur Beantragung eines Schwerbehindertenausweises und zur Teilhabe behinderter Menschen. Da die Stadt- und Landkreise für die Eingliederungshilfe zuständig sind, finden sich auch auf deren Homepages dazu Informationen. Das Thema ist jedoch zu komplex, um alle Informationen auf einem Blatt zusammenzufassen. Es gibt jedoch die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB). Die Beratungsstellen im Land informieren kostenlos, persönlich oder schriftlich zur Fragen des Schwerbehindertenrechts und der Teilhabe
https://www.teilhabeberatung.de/de-ls/beratung/beratungsangebote-der-eutb.
Ein weiterer Informationszugang auf Antrag ist auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht möglich. Ergänzend wird jedoch darauf hingewiesen, dass Sie sich bei allgemeinen Fragen und Anliegen auch an den zuständigen Bürgerreferenten des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration wenden können (
https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/ministerium/buergerreferent/). Ihr Anliegen wird dort gebührenfrei und zeitnah beantwortet.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht in Stuttgart erhoben werden.
Mit freundlichen Grüßen