Lieber Herr Antragsteller/in,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu pädagogischen Konzepten, die im Deutschunterricht an Thüringer Grundschulen zum Einsatz kommen. Hier unsere Rückmeldung:
Im November 2017 fand in Federführung des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport eine Befragung aller Schulleiterinnen und Schulleiter der staatlichen Grund-, Förder- und Gemeinschaftsschulen zu den an den Schulen verwendeten Lehrwerken und Materialien im Rahmen des Schriftspracherwerbs bezogen auf das erste Schulbesuchsjahr statt.
Aus dem Ergebnis konnte Folgendes entnommen werden:
Fast ausschließlich verwenden die befragten Schulen Erstlesewerke, auch Fibeln genannt, die auf der Grundlage verschiedener Methoden konzipiert wurden.
Den höchsten Anteil an Lehrwerken nehmen hierbei Erstlesewerke ein, die der analytisch-synthetischen Methode folgen. Bei der analytisch-synthetischen Methode werden einerseits Wörter in ihre Bestandteile zerlegt (Analyse) und andererseits Buchstaben zu Wörtern zusammen gezogen (Synthese).
Nicht unbedeutend hoch ist ebenso der Anteil an Lehrwerken in Thüringen, die vorrangig nach der silbenanalytischen Methode ausgerichtet sind. Im Mittelpunkt dieser Methode steht nicht der einzelne Buchstabe, sondern die Verbindung der Buchstaben in einer Silbe. Verschiedene Silbentypen (offene oder geschlossene) werden optisch dargestellt.
Mit einem nur sehr geringen Anteil finden in Thüringen Lehrwerke Anwendung, die sich an der Methode "Lesen durch Schreiben" nach Dr. Jürgen Reichen orientieren. Bei dieser Methode erlernen die Schülerinnen und Schüler das Lesen im Wesentlichen durch ihre eigenen Schreibaktivitäten. Hierbei werden den Schülerinnen und Schülern verschiedene Lernmaterialien zur Verfügung gestellt, mit denen sie selbstständig und individuell Wörter und Sätze verschriften können. Das zentrale Mittel für die Hand der Schülerinnen und Schüler ist die Buchstabentabelle.
Auch wenn die Wahl in Thüringen sehr deutlich auf die analytisch-synthetische sowie die silbenanalytische Methode fällt, weist dies nicht auf die Qualität des Unterrichts hin. Der Fachaufsicht ist bewusst, dass die Lehrerinnen und Lehrer eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden zur Vermittlung des Lesens und Schreibens verwenden. Oftmals werden diese Methoden auch nicht in ihrer rein konzeptionellen Form angewandt, sondern durch Elemente anderer Methoden ergänzt. In der Regel entscheiden darüber die Lehrerinnen und Lehrer eigenverantwortlich im Rahmen ihrer Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung.
Somit kann in Thüringen keine Aussage darüber getroffen werden, ob "Schüler, die nach der Fibel unterrichtet wurden, später auf dem Gymnasium oder in der Regelschule bessere Deutschnoten haben, als solche denen "Schreiben nach Hören" gelehrt wurde."
Ein Ergebnis liegt in Thüringen jedoch vor: Im Rahmen der wissenschaftlichen Erhebung "IQB-Bildungstrend 2016 in der Primarstufe" wurden die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik getestet. In Thüringen nahmen 1579 Schülerinnen und Schüler an 88 Schulen - 82 Grundschulen, davon 4 in freier Trägerschaft, mit je einer Klasse der Klassenstufe 4 sowie 6 Förderschulen - teil. An den Förderschulen nahmen Schülerinnen und Schüler teil, die in mindestens einem der Bereiche Lernen, Sprache oder emotionale und soziale Entwicklung einen sonderpädagogischen Förderbedarf hatten.
Hierbei wurde festgestellt, dass die Unterschiede in den Deutschbereichen und in Mathematik zwischen den Schulen in Thüringen deutlich geringer als im deutschen Mittel sind, was bedeutet, dass die Unterrichtsqualität in den Thüringer Grundschulen sehr ähnlich ist. Die Leistungsunterschiede resultieren zu einem großen Teil (zwischen 84 und 91 %) aus den Unterschieden der Schülerinnen und Schüler innerhalb der Klassen (Schulen).
Viele Grüße