Platzvergabe in einer Kinderbetreuungseinrichtung - Vergabekriterien
In den Platzvergabekriterien für Kinderbetreuungseinrichtungen in Böblingen (Stand: 18.11.2023, siehe Anlage) sind die gesetzlich garantierte Erwerbstätigkeit nach § 22 Abs. 2 S. 3 SGB VIII gesondert aufgeführt. Erwerbstätigkeit bezeichnet dabei jede entgeltliche Tätigkeit, die auf die Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage gerichtet ist. Die Art der Tätigkeit ist unerheblich; unbeachtlich ist ferner, ob die erzielten Einkünfte, die der Erhaltung der Lebensgrundlage dienen, dem Erwerbstätigen unmittelbar oder nur mittelbar zugutekommen. Daher fällt auch die unentgeltliche Mitarbeit des einen sorgeberechtigten Elternteils bei dem anderen sorgeberechtigten Elternteil unter den Begriff. Die Aufnahme der familiären Pflege erfolgte klarstellend im Juni 2021 durch das KJSG. Sie trägt dem Unterstützungsbedarf familiär besonders beanspruchter Eltern Rechnung, die (idR unbezahlt) in die Pflege naher Angehöriger eingebunden sind. Mit dem KJSG (BGBl. 2021 I S. 1444) wurde in Nr. 3 also die familiäre Pflege als weitere Vereinbarkeitsdimension mit aufgenommen. Der RegEntw sieht hierin nur eine Klarstellung (BT-Dr. 19/26107, S. 81). Dabei sollte die rechtliche Bedeutung derartiger Zielformulierungen nicht unterschätzt werden, wie die diesbezügliche Amtshaftungs-Rspr. zeigt (BGH 20.10.2016 BeckRS 2016, 19371, Rn. 27 ff. → § 24 Rn. 53). Von dieser Warte aus ist nun auch eine Amtshaftung mit Blick auf Aufwendungen für Pflegeleistungen infolge des nicht (rechtzeitig) erfolgten Nachweises eines Betreuungsplatzes denkbar (vgl. Wiesner/Wapler/Struck/Schweigler, 6. Aufl. 2022, SGB VIII § 22 Rn. 18a).
Dennoch wird familiäre Pflege in den Böblingen Platzvergabekriterien nicht mit Erwerbstätigkeit gleichgesetzt. So werden nach diesen Kriterien Familien, in denen ein Elternteil oder beide Elternteile des Kleinkindes unentgeltlich (d. h. nicht erwerbstätig) ein Familienmitglied pflegen, im Vergleich zu erwerbstätigen Personen bei der Vergabe von Ganztagesbetreuungsplätzen benachteiligt. Obwohl das oben genannte Gesetz diese beiden Tätigkeiten ansonsten als gleichwertig ansieht und obwohl die unentgeltliche häusliche Pflegetätigkeit nicht weniger wert ist, als wenn der/die betroffene(n) Eltern dies im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder einer selbständigen Tätigkeit erbringen würden.
Es ist daher ersichtlich, dass die von der Stadt Böblingen festgelegten Kriterien für Platzvergabe der freien Plätze in einer Betreuungseinrichtung insofern veraltet sind, und daher angepasst werden müssen.
An die Stadtverwaltung stellen sich folgende Fragen:
1. Wann plant die Stadtverwaltung Böblingen die Aktualisierung der Platzvergabekriterien (Download hier: https://www.boeblingen.de/start/BildungGesellschaft/Kita_Anmeldung.html)?
2. Wann plant die Stadtverwaltung Böblingen die Einführung einer Vorlage zum Nachweis für häuslich und unentgeltlich tätige Pflegepersonen für die Ganztagesbetreuung?
3. Welche Bescheinigung müssen Eltern, die zu ein Familienmitglied häuslich und unentgeltlich pflegen, d.h. keine Arbeitsbescheinigung für die Ganztagesbetreuung vorlegen können, dem Antrag für die Kindertagesstätte beifügen, solange die aktuellen Kriterien gelten bzw. keine Formulare/Bescheinigungsvorlagen für häuslich und unentgeltlich tätige Pflegepersonen für die Ganztagesbetreuung?
4. Berücksichtigt die Stadtverwaltung bei der Platzvergabe die gesetzlich verankerte Gleichwertigkeit von Erwerbs-/Berufstätigkeit und familiärer Pflege?
Anfrage teilweise erfolgreich
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Datum18. November 2023
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22. Dezember 2023
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