Sehr geehrter [geschwärzt],
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 10. November 2020.
Ich fasse Ihre E-Mail als Bürgeranfrage auf, denn Sie bitten darin um Prüfung und Beantwortung von Rechtsfragen bzw. um Stellungnahme. Das Informationsfreiheitsgesetz hingegen gewährt einen Anspruch auf Zugang zu in den Akten vorhandenen amtlichen Informationen.
Zu Ihrer Anfrage möchte ich Ihnen gerne Folgendes allgemein mitteilen:
Nach § 1944 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beträgt die Erbausschlagungsfrist sechs Wochen. Die Frist beginnt nach § 1944 Abs. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Erbschaftsberufung Kenntnis erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht.
Nach § 1945 BGB erfolgt die Ausschlagung durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht zur Niederschrift oder in öffentlich beglaubigter Form, als notarielle Urkunde.
Die Frist von sechs Wochen für die Erklärung der Ausschlagung wurde vom Gesetzgeber bewusst knapp bemessen, um den durch die Ausschlagung geschaffenen ungewissen Schwebezustand innerhalb fest bestimmter Frist zu beenden. Dabei wurde in Kauf genommen, dass es in Einzelfällen für einen Erben schwierig sein kann, sich rechtzeitig über den Bestand des Nachlasses ausreichend zu informieren. Die Schwierigkeit eines vorläufigen Erben, sich innerhalb dieser Frist den für seine Entscheidung notwendigen Überblick über den Nachlass zu verschaffen, trifft dabei alle Erben gleichermaßen.
Nach Ausbruch der Pandemie hat es Anfragen an die Bundesregierung gegeben, einen Entwurf zur vorübergehenden Verlängerung der die Erbausschlagungsfrist vorzulegen. Die einzelnen Länder – mit Ausnahme Berlin - haben keinen dringenden Regelungsbedarf gesehen. Die Landesjustizverwaltungen haben mitgeteilt, dass infolge der Covid-19-Pandemie keine Probleme bei der Entgegennahme von Ausschlagungserklärungen entstanden oder diese durch entsprechende organisatorische Maßnahmen mittlerweile überwunden seien. Auch die Notariate seien in der Lage, Erbausschlagungen zeitnah zu erledigen. Dies hat insbesondere die Bundesnotarkammer bekräftigt.
Die kurze Frist gilt daher unabhängig von den Einschränkungen infolge der Corvid-19-Pandemie. Die Frist soll vor allem im Interesse der übrigen Nachlassbeteiligten für baldige Klarheit über die Erbenstellung und damit für schnelle Rechtssicherheit sorgen. Daher wurde der Fristbeginn vom Gesetzgeber bewusst auch nicht von der Kenntnis des Erben vom Bestand des Nachlasses abhängig gemacht. Als Ausgleich bietet die Rechtsordnung einem Erben verschiedene Möglichkeiten, seine Haftung auf die Erbmasse zu beschränken, indem eine Nachlassverwaltung beim Nachlassgericht oder ein Nachlassinsolvenzverfahren beim Amtsgericht als Insolvenzgericht beantragt wird. Darüber hinaus kann sich der Erbe auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen(§§ 1975 ff. BGB).
Ein Anlass wegen der Pandemie eine Verlängerung der Erbausschlagungsfrist in Betracht zu ziehen besteht daher nicht.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Auskünften behilflich gewesen zu sein.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Ihr Bürgerservice
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